Predigt am 3

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Predigt am 3. Sonntag n. Epiphanias am 23.01.2011 zu Joh 4, 46-55
Liebe Gemeinde!
Kinder liegen uns besonders am Herzen.
Und wenn sie krank sind, wenn ihnen etwas zustößt, dann lassen uns
die Sorgen um sie nicht mehr los.
Wie viele Eltern und Großeltern erleben in solchen Zeiten mehr als nur
eine schlaflose Nacht.
Ich denke an gute Freunde von uns. Bei der Geburt des dritten Kindes,
einer Tochter, treten Komplikationen auf. Die kleine Eva Maria kämpft
Wochen um ihr Leben. Laut ärztlicher Diagnose wird sie schwer
behindert sein. Noch sieht man ihr das nicht an. Doch die Familie weiß,
dass ihr Leben auf den Kopf gestellt ist.
Ein langer, über einjähriger Weg von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu
Krankenhaus beginnt.
Die Eltern finden in dieser schweren Zeit Kraft im Glauben und in der
Gemeinde vor Ort. Viele Menschen beteten für sie. Heute besucht Eva
Maria eine Förderschule. Sie hat das Lesen gelernt und ist ein fröhliches
Mädchen, das die Menschen für sich gewinnen kann. Die Eltern
sprechen heute noch von einem Wunder Gottes!
Auch unser heutiger Predigttext aus dem 4. Kapitel des
Johannesevangeliums, die Verse 46 bis 54 stellt uns eine Situation vor
Augen, in der ein Vater alles unternimmt, um sein krankes Kind zu
retten. Ihn bewegt die Sorge um sein Kind so sehr, dass er mit Jesus
Kontakt aufnimmt.
Und Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu
Wein gemacht hatte. Und es war ein Mann im Dienst des Königs; dessen
Sohn lag krank in Kapernaum.
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Dieser hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu
ihm und bat ihn, herabzukommen und seinem Sohn zu helfen; denn der
war todkrank. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und
Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm
herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn
lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging
hin. Und während er hinabging, begegneten ihm seine Knechte und
sagten: Dein Kind lebt. Da erforschte er von ihnen die Stunde, in der es
besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die
siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es die
Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt.
Und er glaubte mit seinem ganzen Hause.
Das ist nun das zweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach
Galiläa kam.
Liebe Gemeinde,
die Sorge um sein Kind trieb auch diesen königlichen Beamten des
Herodes um. Was hat er nicht alles schon unternommen, damit es
seinem Sohn besser geht.
Doch jetzt ist plötzlich eine Situation eingetreten, in der als Vater nichts
mehr tun kann. Und doch treibt ihn die Sorge an, nicht tatenlos zu
bleiben.
Und so greift er zum letzten Strohhalm als er hört, dass Jesus sich in
Kana aufhält.
Von Kapernaum, seinem Wohnort, bis nach Kana hat er einen Fußweg
von 5-6 Stunden zurückzulegen.
Das ist etwa so, wie wenn heute jemand nach Berlin oder Hamburg zu
einem Spezialisten fährt.
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Und so begibt sich dieser königliche Beamte auf den langen und
mühsamen Weg, um von Jesus Hilfe zu erbitten.
Er kennt Jesus nicht persönlich, hat keine Erfahrungen mit ihm gemacht.
Es ist ein Kennen vom Hören-Sagen.
Aber was bleiben ihm noch für Alternativen?
Die Sorge um seinen Sohn, setzt diesen Vater in Bewegung hin zu
Jesus. In manchen Auslegungen ist zu lesen, dass diese Hoffnung auf
körperliche Heilung noch kein Christusglaube sei.
Aber steht mir so ein Urteil zu? Ich meine nein, denn wäre ich selbst in
solch einer Lage, würde ich sicherlich auch jeden Weg gehen, um
Heilung oder Linderung für mein Kind zu erbitten.
Wir sollten nicht von vornherein einen Glauben, der Zeichen und Wunder
für möglich hält, als einen unreifen Glauben verdächtigen.
Martin Luther selbst hat in einer frühen Predigt aus dem Jahre 1516 zu
unserem Text folgendes gesagt:
„ Es geht um Wunderglauben und wahren Glauben, der dem Wort
glaubt. Und er fährt fort: Drei Mal macht Johannes auf den Glauben
dieses königlichen Beamten aufmerksam.
Das erste Mal darum, weil er von daheim weggeht, um für sein Kind zu
bitten. Wenn er nicht Glauben gehabt hätte, so hätte er nicht die Bitte an
den Herrn gerichtet. Das zweite Mal, nachdem er erlangt hatte, worum
er gebeten hatte, heißt es: Der Mensch glaubte dem Worte, das Jesus
zu ihm sagte und ging hin. Und schließlich das dritte Mal, nachdem er
heimgekommen war, wo es heißt: Und er glaubte, er und sein ganzes
Haus.“
Manche mögen so einen Glauben einen „Notglauben“ nennen. So wie
es oft heißt: Not lehrt wieder beten!
Doch hätten nicht auch wir alles versucht, um unser Kind zu retten?
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In der Tat, solch ein „Notglaube“ kann sich schnell verflüchtigen, wenn
die aktuelle Not dem Alltag gewichen ist. Er kann aber auch wachsen –
so wie bei diesem königlichen Beamten.
Jesus ist hier auch mehr als ein Arzt. Denn dieser hat Erfolg, wenn er
sich mit seiner Therapie überflüssig machen kann.
Bei Jesus ist es gerade umgekehrt.
Jesus möchte eine dauerhafte Beziehung mit uns eingehen.
Jesus, so heißt es im Text, wird zum Mittelpunkt der Hausgemeinschaft
dieses Beamten. Aus einer punktuellen und aus der Not entstandenen
Begegnung wird eine bleibende!
Jetzt geht es nicht mehr nur darum, dass ein Kind nicht sterben musste.
Jetzt wird ein von Gott abgeschnittenes Leben zum heilen Leben.
Nicht leibliche Gesundheit ist das höchste Ziel Gottes, sondern dass sich
seine Gerechtigkeit durchsetzt. Das heißt, dass Gottes Sein, so wie es
sich in Jesus offenbart, in uns Menschen Raum gewinnt.
Genau dies ist in der Hausgemeinschaft des Beamten geschehen.
Jesus wurde als Heiland und Erlöser erkannt und bekannt.
So ist seine Verheißung nicht ins Leere gegangen.
Sie hat sich erfüllt, nicht nur weil es statt einet Beerdigung ein
Freudenfest gegeben hat, sondern weil der Glanz Gottes über dem Haus
des königlichen Beamten aufschien.
Jesus wartet auch heute auf Menschen, die nicht bei ihm nur ein
Trostpflaster für ihre Not und Krankheit suchen, sondern er hofft auf
Menschen, die in allem, was ihnen widerfährt, ihn als den Herrn des
Lebens bekennen.
Zeichen
und
Wunder
Glaubensbeziehung
zu
werden
Jesus
dann
führen,
zu
wenn
einer
wir
Zeichenhandlungen im Blick auf das Reich Gottes deuten.
dauerhaften
diese
als
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In diesem Zusammenhang verstehe ich auch die Worte Jesu, als er sagt:
Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht!
Unbeeindruckt von diesem Wort Jesu lässt dieser Mann jedoch nicht
locker. Er wiederholt seine Bitte nachdrücklich: „Herr, komm herab, ehe
mein Kind stirbt.“
Sein Vertrauen in Jesus und an dessen Macht ist auch durch Jesu
kritische Haltung Wundern gegenüber nicht gebrochen.
Und so schickt Jesus diesen Vater allein zurück. „Geh hin! Dein Sohn
lebt!“ Ob man so ein Wort überhaupt sofort realisieren kann?
Ist das nicht alles viel zu plötzlich?
Dieser Vater glaubt Jesus einfach, er glaubt an seine Macht auch über
die Distanz hinweg
Das, was jetzt bei diesem Mann spürbar wird, ist – ich möchte es einfach
mal so nennen – ist ein Vertrauensglaube, ein Glaube, der Jesus ganz
vertraut, ohne zu sehen.
Ich habe mich gefragt, woran man dieses Vertrauen erkennen kann?
Daran, dass er nicht mehr hartnäckig bittet, Jesus möge mitkommen?
Daran, dass er Jesus noch mehr zutraut, sogar eine Fernheilung, ja,
dass er ganz Jesu Wort vertraut – ohne Tun und Handeln Jesu „vor Ort“,
ohne Handauflegung oder Berührung?
Erkennt man seinen Glauben daran, dass er sich auf den Rückweg
machte?
Solch ein Vertrauensglaube kann viele Facetten haben.
Im Falle des königlichen Beamten bekommt dieser Glaube im Rückblick
eine Bestätigung. Als seine Knechte ihm entgegen kommen und ihm
berichten, dass sein Sohn lebe, da will er genau wissen, wann dies
passiert ist.
Glauben und Verstehen möchten also sehr wohl zusammen
kommen.
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Und als er die Uhrzeit hört, kann der königliche Beamte die Genesung
seines Sohnes mit der Begegnung mit Jesus in Zusammenhang bringen.
Ab diesem Zeitpunkt sieht dieser Mann tiefer. Er sieht nicht nur die
wunderbare Heilung, er sieht hinter dem Wunder Jesus.
Dies hat Konsequenzen: Das ganze Haus kommt zum Glauben an
Jesus, wie wir bereits gehört haben. Aus einem Notglauben wurde ein
Vertrauensglaube, ein Glaube fürs Leben, ein Glaube an Jesus als
Lebensbegleiter. Es schwingt die Botschaft mit, dass auch unser
Glaube wachsen darf. Und wenn es mit einem sog. Notglauben beginnt.
Warum nicht? Doch was geschieht, wenn das Wunder ausbleibt?
Wie fühlen sich Menschen, wenn eine Heilung oder Genesung
ausbleibt? Wie wäre die Geschichte ausgegangen, wenn der Sohn des
Beamten gestorben wäre?
Vielleicht hilft es, wenn wir uns an dieser Stelle eines deutlich vor Augen
halten lassen: Der Sohn des königlichen Beamten wurde geheilt – welch
unermessliches Glück und welch großer Grund zur Dankbarkeit.
Aber irgendwann ist auch er gestorben.
Und vorher vermutlich sein Vater. Und seine Mutter.
Wie wir alle einmal sterben werden. Ohne Ausnahme. Der Tod macht
keinen Unterschied. Der Glaube aber macht den Unterschied.
Der königliche Beamte, seine Frau, sein Sohn, seine Diener – sie alle
sind gestorben als Menschen, die geglaubt haben, an den, der von sich
gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich
glaubt, der leben, auch wenn er stirbt.“ Allein dieser Glaube macht den
Unterschied. Dieser Glaube trägt durch. Auch dann, wenn wir keine
Heilung erfahren, auch wenn uns weiterhin die Sorge um unsere Kinder
in Atem hält, auch dann, wenn sich Dunkelheit in unserem Leben breit
macht.
Dieser Glaube trägt dennoch – im Leben und im Sterben. Amen.
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