Suw–Basics Didaktisches Material zu diesem Beitrag: www.wissenschaft-schulen.de Die Sonne – Der Stern, von dem wir leben VON Thilo Günter Gaskugel, Fusionsreaktor, Lebensquell – all dies ist unsere Sonne. Über keinen anderen Stern wissen wir so viel wie über unser Tagesgestirn. Mit Hilfe der modernen Physik konnten wir ihre Entstehung, ihren Aufbau und ihre Energieerzeugung entschlüsseln. Daraus lässt sich auch ihr – und unser – weiterer Schicksalsweg ableiten. 70 Sterne und Weltraum August 2007 Ein historischer Streifzug Für die frühen Kulturvölker, besonders jene in Mesopotamien und Ägypten, hatte die Sonne eine Doppelfunktion: Sie wurde als Gottheit verehrt und ihren Lauf am Himmel nutzte man zur Zeit­ messung. Die Sonnenuhr als wichtiges Instrument zur zeitlichen Einteilung des Tages verlor erst in der frühen Neuzeit an Bedeutung. Darüber hinaus ist jede Zivilisation auf einen Kalender, also eine Einteilung des Jahres für die Planung, beispielswei­ se in der Landwirtschaft, angewiesen. Ein besonders bekanntes prähistorisches Sonnenobservatorium ist die mehrfach erweitere Anlage von Stonehenge im heutigen Südengland (Abb. 3). Ihre Stein­ kreise dienten ab dem dritten vorchristli­ chen Jahrtausend als Kalender und Kult­ stätte. Abb. 1: Beobachtet man unsere Sonne durch einen schmalbandigen Filter, der nur das Licht der Ha-Linie des Wasserstoffs durchlässt, so lässt sich die untere Schicht der Sonnenatmosphäre, die Chromosphäre, beobachten. Am Sonnenrand sind mächtige Protuberanzen zu sehen, Gasausbrüche, die bis zu 100 000 Kilometer hoch sind. Das hier gezeigte Bild nahm Jack Newton in Arizona (USA) mit einem Fünf-Zoll-Teleskop von Meade und einem Ha-Filter von Coronado auf. Im Südwesten von Ägypten, im Gebiet von Nabta Playa, fanden die Archäologen allerdings vergleichsweise unspektaku­ läre Hinweise in Form nach den Him­ melsrichtungen ausgerichteter Steine darauf, dass hier bereits etwa zwei Jahr­ tausende vor Stonehenge der jährliche Sonnenlauf beobachtet wurde. Trotz der beherrschenden Stellung der Sonne am Himmel dominierte bis in die frühe Neuzeit das geozentrische Welt­ bild mit der Erde als dem Mittelpunkt des Universums. Im Jahre 1543 erschien das Hauptwerk von Nikolaus Kopernikus (De revolutionibus orbium coelestium), in welchem das heliozentrische Weltbild detailliert begründet wird: Dabei kam der Sonne – umkreist von den Planeten – die zentrale Rolle zu. Mit Hilfe des im Jahre 1609 erfundenen Linsenfernrohrs sich­ teten bald einige Astronomen, darunter Galileo Galilei (1564 – 1642), unabhängig voneinander erstmals mehrere dunkle Stellen auf der Sonne, die Sonnenflecken, jedoch ohne dieses eigenartige Phäno­ men deuten zu können. Jahrhundertelang stellte man sich die Sonne als einen brennenden Körper vor. Die Sonnenflecken wurden demzufolge als eine Art Schlacke oder Rauch aus der Verbrennung betrachtet. Mit dem Auf­ kommen der modernen Chemie ab dem 19. Jahrhundert stellte sich jedoch rasch heraus, das selbst eine nur aus Kohle und Sauerstoff aufgebaute Sonne nur wenige Jahrtausende lang durch Verbrennung Energie im beobachteten Maße freiset­ zen würde. Alternativ wurde vorgeschla­ gen, dass ständig Tausende von Asteroi­ den und Kometen auf die Sonne stürzen würden und sie dabei stark aufheizen. Im Jahre 1814 untersuchte Josef von Fraun­ hofer (1787 – 1826) das Sonnenspek­trum genauer und stellte fest, dass es zahlreiche dunkle Linien enthält (Abb. 6). Die Be­ deutung dieser Linien blieb bis in die Mit­ te des 19. Jahrhunderts unklar, bis Gustav Kirchhoff (1824 – 1887) und Robert Wil­ helm Bunsen (1811 – 1899) in Heidelberg die Spektralanalyse entwickelten. Daraus ergab sich, dass unsere Sonne eine heiße Gaskugel ist, in der bestimmte chemische Elemente bei spezifischen Wellenlängen S eit Anbeginn der Menschheit ist uns die Sonne wohlvertraut, doch bis in die fortgeschrittene Neuzeit hinein blieb ihre wahre Natur ein Rätsel. Auch heute noch wissen überraschend viele Menschen auf die Frage, was die Sonne eigentlich sei, keine so rechte Ant­ wort. Dabei lässt sie sich ganz einfach for­ mulieren: Die Sonne ist ein Stern und so­ mit ein sehr massereicher heißer Gasball, der die abgestrahlte Energie in seinem In­ neren selbst erzeugt und daher von selbst leuchtet (Abb. 1 und 2). So auffällig und wichtig die Sonne da­ bei für uns auch ist: Es handelt sich nur um einen von mehr als Hundert Milliar­ den Sternen innerhalb unseres Milchstra­ ßensystems, der Galaxis. Und angesichts von mindestens Hundert Milliarden Ga­ laxien im beobachtbaren Universum wird klar, dass es Sterne wie den sprich­ wörtlichen »Sand am Meer« gibt. Dieses ernüchternde Resultat ist der Endpunkt einer im Laufe der Geschichte wechseln­ den Bedeutung der Sonne für unser Welt­ bild. Abb. 2: So sah unser Tagesgestirn am 10. August 1998 im sichtbaren Licht aus. Zwei große Sonnenflecken und eine größere Fleckengruppe sind zu erkennen, sonst wirkt die Sonne ruhig. Das Bild nahm Erich Kopowski mit einem 127-Millimeter-Refraktor von Starfire auf. Licht absorbieren und aus dem Kontinu­ um der Sonnenstrahlung entfernen. Um 1884 schlug der Physiker Her­ mann von Helmholtz (1821 – 1894) vor, dass die Sonne durch langsame Kontrak­ tion Energie erzeugt. Demnach müss­ te sie im Jahr nur um rund sechzig Me­ ter schrumpfen, um genügend Kompres­ sionswärme freizusetzen. Er wurde darin von William Thomson (1824 – 1907), dem späteren Lord Kelvin unterstützt, einem der bekanntesten Physiker des 19. Jahr­ hunderts. Rechnungen zeigten aber, dass die Schrumpfung der Sonne nur für etwa dreißig Millionen Jahre Energie liefern würde. Dem widersprachen jedoch Ge­ ologen und Paläontologen vehement, zeigten doch ihre Untersuchungen schon zu dieser Zeit, dass die Erde und das auf ihr vorhandene Leben mindestens einige Hundert Millionen Jahre alt sein musste, und die Sonne seit dieser Zeit praktisch unverändert leuchten müsse. Tatsächlich liegt das Alter der Erde bei rund 4.5 Milli­ arden Jahren. Die Wende kam 1938, als die Physi­ ker Hans Bethe (1906 – 2005) und Carl Frie­drich von Weizsäcker (1912 – 2007) »Sterne und Weltraum« im Physik-Unterricht Z u diesem Beitrag stehen Ihnen kostenlos auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de ausführliche didaktische Materialien zur Verfügung, bei denen es darum geht, Sonnenflecke mit einfachen schulischen Mitteln zu beobachten, zu zählen, auszuwerten und ihre Erscheinung zu erklären. Schü- ler können aktiviert werden und erfahren etwas über den Lebenszyklus unseres Tagesgestirns. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrer­fortbildung in Donaueschingen durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert. Sterne und Weltraum August 2007 71 Die Sonne: Ein Stern unter vielen Sterne sind keine Einheitsprodukte, son­ dern unterscheiden sich deutlich hin­ sichtlich ihrer Masse und Oberflächen­ temperatur. Die Typen der Sterne, in deren Zentren die Wasserstofffusion ab­ läuft, reichen von den massearmen ro­ ten M-Sternen mit sehr geringer Leucht­ kraft hin zu den extrem leuchtkräftigen Sternen des Spektraltyps O. Die Massen von Hauptreihensternen des Spektral­ typs M liegen zwischen einem Zehn­ tel und einem Drittel der Sonnenmasse und ihre Oberflächentemperatur beträgt rund 3000 Grad Celsius. Sie erscheinen in einem rötlichen Licht und leuchten am hellsten im Infraroten. Die massereichen O-Sterne können mehr als das Fünfzig­ fache der Sonnenmasse aufweisen, und ihre Oberflächentemperaturen über­ schreiten 40 000 Grad Celsius. Wegen der hohen Temperaturen leuchten sie am hellsten im Ultravioletten, im sichtbaren Licht erscheinen sie bläulich-weiß wie die Farbe eines Schweißbrenners. Unse­ re Sonne ist ein mittlerer, gewöhnlicher Stern des Spektraltyps G2V mit einer Oberflächentemperatur von 5500 Grad Celsius und einer gelblichen Farbe. Wie Sterne entstehen Der Prozess, der zur Bildung der Son­ ne und so vieler anderer Sterne führte, läuft in den interstellaren Dunkelwolken ab: Dies sind kühle, mit dunklem Staub durchmischte Gaswolken, die hauptsäch­ lich aus Wasserstoff und Helium beste­ hen und sich bis zu mehreren Lichtjahren ausdehnen können. Zu den bekanntesten Regionen mit umfangreicher Sternent­ stehung gehören die dunklen Teile des Orion­nebels Messier 42 (Abb. 7). Über lange Zeiträume hinweg können sich in solchen Dunkelwolken Verdich­ tungen mit einer hohen Zentraldichte bil­ den. Ab einem kritischen Wert überwiegt die Eigengravitation dieser Materie. Über Jahrmillionen kommt es nun zu einem Gravitationskollaps, wobei sich ein oder mehrere kompakte Kerne bilden. In ih­ ren Zentren heizt sich die Materie durch Abb. 3: Der prähistorische Steinkranz von Stonehenge in Südengland, hier in einer Luftaufnahme, diente zu Kultzwecken und als Kalender. Er wurde vor rund 5000 Jahren errichtet. 72 Sterne und Weltraum August 2007 Steckbrief der Sonne Spektraltyp: Mittlerer Durchmesser: Masse: Mittlere Dichte: Temperatur (Photosphäre): (Zentrum): Neigung der Rotationsachse zur Erdbahnebene (Ekliptik): Rotationsperiode am Äquator: Mittlere Entfernung zur Erde: G2V 1 392 500 km 1.99 3 1030 kg 333 000 Erdmassen 1.41 g/cm3 5500 °C 15 000 000 °C 7.25 Grad 25 Tage, 9 Stunden 149 598 000 km Chemische Zusammensetzung der Photosphäre Element Anteil in Massenprozent Wasserstoff (H) 73.46 Helium (He) 24.85 Sauerstoff (O) 0.77 Kohlenstoff (C) 0.29 Eisen (Fe) 0.16 Neon (Ne) 0.12 Stickstoff (N) 0.09 Silizium (Si) 0.07 Magnesium (Mg) 0.05 Schwefel (S) 0.04 restliche Elemente 0.10 die dabei freigesetzte Kontraktionswär­ me extrem auf. Überschreitet die Tem­ peratur schließlich eine kritische Grenze von mehreren Millio­nen Grad Celsius, so zündet die Kernfusion – der Stern ist ge­ boren. Die den jungen Stern umgebende, nicht in seine Entstehung eingegangene restliche Materie ordnet sich in einer ro­ tierenden, so genannten protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub um ihn an. In ihr können sich im Verlauf von wenigen Millionen Jahren Planeten bilden. Wie zur Bestätigung dieser auch für unser Sonnensystem gültigen Modellvorstel­ lung wurde 1984 eine erste protoplane­ tare Scheibe um den sechzig Lichtjahre entfernten jungen Stern Beta Pictoris ge­ funden. Und rund ein Jahrzehnt später gelang mit dem Weltraumteleskop Hubble ein entscheidender Befund: Von Hun­ dert jungen Sternen im Orionnebel wies etwa die Hälfte protoplanetare Scheiben auf (Abb. 7). Seit 1995 fanden sich zudem mehr als 240 extrasolare Planeten. Er­ wartungsgemäß besitzt also nicht nur die Colour Library Books Ltd., Guildford, UK die Fusion von Wasserstoffkernen (Pro­ tonen) zu Heliumkernen als die Haupt­ energiequelle der Sonne erkannten. Die­ ser Vorgang wird als Proton-ProtonReak­tion bezeichnet und weiter unten beschrieben. Die multispektrale Erfassung Doch wie alle Sterne strahlt die Son­ ne nicht nur im sichtbaren Licht, sondern auch in anderen Wellenlängenbereichen, sie sendet also auch Radio-, Infrarot-, Ul­ traviolett- und Röntgenstrahlung aus. Das volle elektromagnetische Spektrum lässt sich aber nur jenseits der schüt­ zenden Erdatmosphäre erfassen, da sie die Infrarot- und Ultraviolettstrahlung weitgehend und Röntgenstrahlung ganz absorbiert. Bereits 1962 begann daher die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit dem Satellitenprogramm Orbiting Solar Observatory (Oso) zur eingehenden Un­ tersuchung unseres Tagesgestirns. Wei­ tere Höhepunkte der raumgestützten Sonnenforschung waren die deutschen Sonden Helios 1 und 2 (Start 1974 und 1976) und die bemannte US-Raumstation Skylab (betrieben 1973/74; siehe SuW 1/2001, S. 28ff.). Die gemeinsam von der Nasa und der Europäischen Weltraumbehörde Esa im Jahre 1990 gestartete Sonde Ulysses überflog mehrmals die Pole unserer Son­ ne und ist noch immer aktiv. 1995 brach­ te die Esa Soho, das Solar Heliospheric Observatory ins All, welches seitdem die Sonne permanent beobachtet (Abb. 5). Im September 2006 hob der Satellit Hinode (japanisch für Sonnenaufgang) der japa­ nischen Weltraumbehörde Jaxa ab, der vor allem die Sonnenatmosphäre unter­ sucht. Und im Oktober 2006 startete die Nasa die Zwillingssonden Stereo-A und -B. Beide Sonden umrunden unser Zen­ tralgestirn auf erdbahnähnlichen Orbits. Dabei fliegt Sonde A der Erde voraus und Sonde B hinterher (Abb. 8). So lässt sich unser Tagesgestirn aus verschiedenen Blickwinkeln dreidimensional erfassen. Nur bei relativ wenigen, nahen Riesen­ sternen (zum Beispiel Beteigeuze im Sternbild Orion) kann durch eine ausge­ klügelte Beobachtungstechnik die Ober­ fläche grob als Scheibe aufgelöst werden. Aufgrund ihrer großen Entfernungen er­ scheinen Sterne für gewöhnlich punkt­ förmig, und lediglich die Stärke und ge­ gebenenfalls auch die Variabilität ihrer Strahlung in verschiedenen Spektralbe­ reichen geben Auskunft über sie. Somit ist unsere nur rund 150 Millio­ nen Kilometer entfernte Sonne mit ihrem Durchmesser von 1.4 Millionen Kilome­ tern (dies entspricht der 109-fachen Erd­ größe) ein ideales Anschauungsobjekt, um Details der Oberfläche zu studieren sowie Theorien zu prüfen. Erdgestützte Sonnenbeobachtungen im optischen Bereich werden hierbei mit speziellen Sonnenteleskopen, wie man sie auf den Kanarischen Inseln (Abb. 4) und im Westen der USA findet, durchgeführt. Es sind meist Turmteleskope. Das heißt: das eigentliche Teleskop ist fest montiert und das Sonnenlicht fällt über spezielle Umlenkspiegel, so genannte Coelestaten, ein, die dem Lauf der Sonne exakt nach­ geführt werden. Thilo Günter Sonne, sondern auch eine Vielzahl ande­ rer Sterne ein Planetensystem. Zudem können die bei Supernovaex­ plosionen massereicher und damit kurz­ lebiger Sterne abgeworfenen Gashüllen durch ihren Aufprall auf benachbarte interstellare Wolken die Bildung neuer Sterne auslösen oder beschleunigen. Of­ fenbar spielte einst eine nahe Supernova für die Entstehung unserer Sonne eine Rolle. In Meteo­riten, Überresten der Pla­ netenentstehung vor 4.5 Milliarden Jah­ ren, finden sich Tochterelemente kurzle­ biger Radioisotope wie Aluminium-26, die durch deren Zerfall entstanden. Alu­ minium-26 weist eine Halbwertszeit von nur rund 700 000 Jahren auf und ist daher nach wenigen Millionen Jahren praktisch vollständig verschwunden. Es entsteht aber in großer Menge bei Supernovaex­ plosionen und wurde von der Sonne und ihren Planeten bei der Bildung aufgenom­ men (siehe auch SuW 10/2003, S. 26). Abb. 5: Die Sonnensonde Soho der Esa, hier in der Endmontage, startete 1995 und beobachtet seitdem unsere Sonne. Davon verspricht sich die Nasa detaillier­ te Informationen über die Auswirkungen der Sonnenaktivitäten auf die Erde. Die Anatomie der Sonne Insbesondere die Langzeitbeobachtung durch die Sonde Soho ermöglichte uns ein erweitertes Bild der Sonne. Selbst in Zeiten vermeintlicher Ruhe erweist sich unser Zentralgestirn als auffallend ak­ tiv, mit häufigen und zum Teil sehr vehe­ Esa Abb. 4: Das Sonnenobservatorium auf Teneriffa befindet sich in 2400 Meter Höhe auf dem Gelände des Observatorio Astronomico del Teide. Links im Bild ist das Gebäude des 38 Meter hohen Vakuum-Turm-Teleskops zu sehen, des Hauptinstruments der deutschen Sonnenforschung auf der Insel. Sterne und Weltraum August 2007 73 D Eb F H J Die gesamte von der Sonne abge­ strahlte Energie stammt aus der Zentral­ region, die sich über etwa ein Viertel des Sonnenradius von rund 700 000 Kilome­ tern erstreckt. Sie enthält die Hälfte der Sonnenmasse, nimmt aber nur etwa 1.6 Prozent des Gesamtvolumens ein. Bei ei­ ner Temperatur von 15.1 Millionen Grad Celsius ist die Materie im Kern vollständig ionisiert, das heißt, es handelt sich um ein Plasma, in dem sich Atomkerne und Elek­ tronen ungebunden voneinander bewe­ gen können. Die Dichte im Kern beträgt rund 150 Gramm pro Kubikzentimeter. Zum Vergleich: Der überwiegend aus Ei­ sen bestehende Erdkern besitzt im Mittel eine Dichte von rund elf Gramm pro Ku­ bikzentimeter. Im Sonnenkern reicht die Tempera­ tur für die Verschmelzung von Wasser­ stoff- zu Heliumkernen aus. Dieser Vor­ gang wird als Proton-Proton-Reaktion bezeichnet (Abb. 12). Im Sonneninneren stoßen zwei Wasserstoffkerne, also Pro­ tonen, unter hohem Druck und hoher Temperatur aufeinander und verschmel­ zen zu einem Deuteriumkern. Dabei wandelt sich ein Proton um in ein Neu­ tron, das im Kern verbleibt, und in ein Posi­tron und ein Neutrino, die beide den Kern verlassen. Der Deuteriumkern stößt mit einem weiteren Proton zusammen, wobei ein Heliumkern des leichten Iso­ tops 3He entsteht. Schließlich kollidieren zwei 3He-Kerne miteinander, dabei ent­ steht ein Kern des schwereren Isotops 4He und zwei Protonen werden freigesetzt, die mit weiteren Protonen oder Helium­ kernen reagieren können. Pro Sekunde werden in der Sonne 564 Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Mil­ lionen Tonnen Helium umgewandelt; die fehlenden vier Millionen Tonnen (also 0.7 Prozent) werden in Energie umgesetzt, Nasa/C. R. O’Dell/Rice University menten Veränderungen an ihrer Oberflä­ che und in ihrer Atmosphäre. Während diese Bereiche leicht zu be­ obachten sind, ist das Innere der Sonne einer direkten Untersuchung unzugäng­ lich. Hier muss man sich der inzwischen weitentwickelten theoretischen Model­ le zum Sternaufbau bedienen, die nach­ prüfbare physikalische Parameter für die Oberfläche (Temperatur, gesamte Ener­ gieabgabe u. a.) liefern. Es zeigt sich, dass im Sonneninneren ein enormes Druckund Temperaturgefälle von der Oberflä­ che bis zum Zentrum besteht. Von rund 5500 Grad Celsius an der Oberfläche steigt die Temperatur in Richtung des Zentrums bis auf 15.1 Millionen Grad Celsius an. Die Sonne gliedert sich dabei in verschiedene Zonen und zeigt dabei einen schalenförmigen Aufbau (Abb. 9). Dabei sind die Übergänge im Allgemei­ nen nicht sehr scharf definiert. G Deutsches Museum München A a B C Abb. 6: Josef von Fraunhofer zeichnete 1814 das Spektrum der Sonne erstmals detailliert auf. Er beschriftete die stärksten dunklen Linien mit den Buchstaben A bis J, eine Bezeichnungsweise, die noch heute üblich ist. Die Kurve gibt die Strahlungsintensität an, die Sonne leuchtet am hellsten im gelben und grünen Licht. Nasa/Esa/M. Robberto 74 Sterne und Weltraum August 2007 Abb. 7: Im Orionnebel Messier 42 entstehen auch heute noch zahlreiche neue Sterne. Viele von ihnen sind, wie die Ausschnittsvergrößerung oben zeigt, von protoplanetaren Scheiben aus Gas und Staub umgeben. Beide Bilder entstanden mit dem Weltraumteleskop Hubble, verwendet wurden die Instrumente Wide Field Planetary Camera 2 (WFPC2) und Advanced Camera for Surveys (ACS). tigen Strömen nach oben fließen, dort abkühlen und als dichteres Plasma wie­ der zum Sonneninneren hin absinken. Sie lassen sich an der Sonnenoberfläche als körniges Muster, die »Granulation« er­ kennen. Eine durchschnittliche Granule (abgeleitet vom lateinischen Wort granu­ lum = Körnchen) an der Sonnenoberflä­ che erstreckt sich über etwa tausend Ki­ lometer (Abb. 14). Klaus Tschira Stiftung gGmbH, Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen, Max-Planck-Institut für Astronomie ermöglichen durch ihre Kooperation Schulen!«. Astronomie Heute ist Anfang 2006 die Entwicklung und Bereitstellung neuer dazugekommen. Diese Initiative des praxisnaher Unterrichtsmaterialien für Spektrum der Wissenschaft Verlages bietet den Physikunterricht. Schülern und Lehrern naturwissenschaftlicher Fächer kostenlos hochwertige didaktische Ein erfahrener Mitarbeiter der Landes- Zusatzmaterialien für den Unterricht. akademie entwickelt im Rahmen dieser Zusammenarbeit zu den Zeitschriften Weitere Informationen: Sterne und Weltraum sowie Astronomie Heute Wissenschaft in die Schulen! passendes didaktisches Material. www.wissenschaft-schulen.de Der Praxistest erfolgt in den Lehrerfort- Klaus Tschira Stiftung gGmbH bildungskursen der Landesakademie und www.kts.villa-bosch.de in monatlichen Unterrichtsstunden an Landesakademie für Fortbildung und einer ausgewählten Stützpunktschule. Personalentwicklung an Schulen www.akademie-donaueschingen.de Sterne und Weltraum ist seit Herbst 2003 Max-Planck-Institut für Astronomie Partner der Aktion »Wissenschaft in die www.mpia.de Nasa gemäß der Äquivalenz von Masse und Energie (siehe auch SuW-Special 4, Son­ ne, 1999). Dabei entsteht pro Sekunde eine Leistung von 4 3 1026 Watt – genug, um Europa vier Millionen Jahre lang mit Energie zu versorgen. Die Energie wird in Form von Gam­ mastrahlung frei, deren Photonen je­ doch die Oberfläche nicht direkt errei­ chen können. Sie stoßen immer wieder mit den Teilchen des Plasmas im Sonnen­ inneren zusammen, werden absorbiert und wieder abgestrahlt. Dabei nimmt die Strahlungsenergie der Photonen ab und ihre Wellenlänge zu. Tatsächlich benö­tigt ein derart ständig absorbiertes und re­emittiertes Photon etwa 100 000 Jahre, um die Sonnenoberfläche zu er­ reichen. Das Licht, das wir heute sehen, wurde also vor langer Zeit erzeugt. Die­ ser Prozess findet hauptsächlich in der so genannten Strahlungszone statt, die sich vom Rand des Kerns bis rund 70 Prozent des Sonnenradius nach außen erstreckt (Abb. 9). Auf die Strahlungszone folgt die Kon­ vektionszone, die rund 140 000 Kilome­ ter mächtig ist. In ihr wird die Energie nicht mehr durch Strahlung weitergege­ ben, sondern durch die Bewegung heißer Plasmaballen nach außen transportiert. Dabei bilden sich Konvek­tionszellen aus, in denen Pakete von heißer und damit etwas weniger dichter Materie in mäch­ Abb. 8: Die beiden Stereo-Sonden der US-Raumfahrtbehörde Nasa nehmen die Sonne aus zwei verschiedenen Blickwinkeln in Visier und können sie so dreidimensional erfassen. Hier ist eine Protuberanz künstlerisch dargestellt. Eine Sonde (Stereo-A) fliegt der Erde auf ihrer Bahn voraus, die andere (Stereo-B) folgt ihr. Strahlungszone Kern Photosphäre Abb. 9: Der Aufbau unserer Sonne. Im Kern wird die Energie erzeugt und durch Strahlung in der anschließenden Strahlungszone nach oben transportiert. Weiter außen wird die Energie durch Konvektionsvorgänge befördert und von den äußeren Schichten abgestrahlt. Abb. 10: Hans Bethe (links) und Carl Friedrich von Weizsäcker (rechts) erkannten 1938 unabhängig voneinander die Fusion von Protonen zu Heliumkernen als die Energiequelle der Sonne. Die sichtbare Sonnenoberfläche, die Photosphäre, ist eine im Vergleich zum Sonnenradius hauchdünne Schicht mit einer Dicke von nur 400 Kilometern. Erst hier wird die aus dem Sonneninneren stammende Energie in sichtbares Licht umgewandelt, die Temperatur beträgt 5500 Grad Celsius. Oberhalb der Photosphäre beginnt die Sonnenatmosphäre. Ihr unterer Bereich besteht aus der bis in etwa 12 000 Kilome­ ter Höhe reichenden Chromo­sphäre, wel­ che vornehmlich aus ionisiertem Wasser­ stoff und Helium besteht. Die Gasdichte in der Chromosphäre ist etwa zehntau­ send Mal geringer als in der Photosphäre, Cornell University AstroDienst Korona 76 Sterne und Weltraum August 2007 die Temperatur liegt bei rund 10 000 Grad Celsius. Die Chromosphäre ist kurz vor Beginn beziehungsweise nach Ende einer totalen Sonnenfinsternis als himbeerro­ ter Saum am Mondrand für wenige Se­ kunden sichtbar. Aus ihr brechen die Pro­ tuberanzen (s. u.) hervor. An die Chromosphäre grenzt als äu­ ßerer Bereich der Atmosphäre die extrem ausgedehnte Korona an. Sie besteht aus sehr dünnem ionisiertem Gas und kann nur, von technischen Hilfsmitteln einmal abgesehen, bei einer totalen Sonnenfins­ ternis beobachtet werden (Abb. 11). Erst durch die Verdunklung der Son­ nenscheibe durch den Mond ist die Ko­ rona als Strahlenkranz mit der vielfachen Ausdehnung des Sonnendurchmessers sichtbar. Wegen ihrer hohen Temperatur von etwa einer Million Grad Celsius ist sie eine starke Röntgenquelle. Die Ursache der hohen Temperatur ist noch nicht völ­ lig verstanden und steht möglicherweise mit magnetischen Prozessen im Zusam­ menhang. Darüberhinaus ist die Gestalt der Korona zeitlich und räumlich varia­ bel, abhängig von der ebenfalls veränder­ lichen Sonnenaktivität. Die Korona ist die Quelle des Sonnenwinds, eines Stroms elektrisch geladener Partikel (Ionen), der das gesamte Sonnensystem erfasst. Sie besitzt keine scharfe äußere Grenze. Tat­ sächlich reicht sie weit über die Bahn des äußersten Planeten Neptun hinaus und bildet die so genannte Heliosphäre. So gesehen umkreisen alle Planeten unser Zentralgestirn innerhalb der Sonnenat­ mosphäre. MPG Konvektionszone Korona Abb. 11: Am 29. März 2006 verfinsterte der Neumond die Sonne über Libyen. Sehr schön ist hier der ausgedehnte Strahlenkranz der Korona zu verfolgen. Das Bild nahmen Miloslav Druckmüller und Peter Aniol mit einem 400Millimeter-Teleobjektiv auf. Ein sehr aktiver Stern Seit Jahrhunderten dokumentieren die Astronomen zeitweise dunkle Flecken auf der Oberfläche. Die Sonnenflecken wandern scheinbar über die Sonnen­ scheibe hinweg und treten oft auch in Gruppen auf. Sie verändern sich in Größe und Form und vergehen spätestens nach Wochen (manchmal Monaten) wieder. Sie treten im Allgemeinen in zwei Zonen beiderseits des Sonnenäquators auf. Wie die Granulation sind auch sie ein Phä­ nomen der Photosphäre. Im Extremfall können Fleckengruppen die mehrfache Größe der Erde überschreiten, manchmal übertreffen sie sogar Jupiter, den größ­ ten Planeten des Sonnensystems. Solch Abb. 12: Energiequelle im Son­ nen­­inneren ist die Proton-Proton-Reaktion, bei der vier Wasser­ stoffkerne (Protonen p) in einen Helium-4-Kern (4He) verschmelzen. Zunächst bildet 1.5 sichmmaus zwei kollidierenden 1.5 Protonen mm wobei ein Deuteri­umkern (2H), 0.8 mm sich eines der Protonen in ein Neu­tron, ein Positron und ein Neu­trino umwandelt (oben). Mit einem weiteren Proton bildet der 2H-Kern unter Aussendung eines Photons einen 3He-Kern (Mitte). Stoßen zwei davon zusam­men, ent­steht ein 4He-Kern, und zwei Protonen werden freigesetzt. stattliche Fleckengruppen können dann sogar mit dem bloßen Auge in der Mor­ gen- oder Abenddämmerung als dunkle Punkte auf der Sonnenscheibe sichtbar werden. Dennoch sollte man auch dann nur kurz nach der Sonne Ausschau hal­ ten, schnell geraten die Augen durch die Strahlung in Gefahr. Die Sonnenflecken entstehen durch magnetische Anomalien, hier ist die Feld­ stärke gegenüber dem allgemeinen Mag­ netfeld der Sonne um mehrere Größen­ ordnungen erhöht. Dieses örtlich starke Feld behindert den Aufstieg der heißen Gase aus dem Sonneninneren, sodass sich die oberflächennahen Schichten ab­ kühlen (Abb. 13). Deshalb sind die Fle­ p 2H p 2H Positron 3He Gammaphoton p 3He 3He Neutrino 4He p p cken etwa 2000 Grad Celsius kühler als ihre Umgebung und erscheinen sie im Vergleich zu dieser dunkel. Sieht man sich die Sonnenflecken im Teleskop ge­ nauer an, so erkennt man, dass sie aus einem schwarzen Kern, der Umbra und einem helleren Rand, der Penumbra, be­ stehen. In besonders guten Aufnahmen von Sonnenflecken lassen sich hier nach den Magnetfeldlinien ausgerichtete Gas­ massen erkennen, die vom dunklen Zen­ trum wegströmen (Abb. 14). Die vermeintliche Wanderung der ei­ gentlich ortsfesten Flecken erklärt sich durch die Rotation der Sonne. Da die Sonne ein großer Gasball ist, rotiert sie nicht starr wie die Erde als fester Körper, sondern differenziell: Am Äquator benö­ tigt sie für eine Umdrehung rund 25 Tage, in Polnähe dagegen 35 Tage. Unsere Sonne zeigt einen elfjährigen Aktivitätszyklus, dessen Ursache noch nicht restlos geklärt ist. Alle elf Jahre er­ reicht die Zahl der Flecken ein – zumeist unterschiedlich hohes – Maximum, wäh­ rend im Minimum oft über Wochen oder Monate hinweg kein einziger Fleck aus­ zumachen ist. Das letzte Maximum durch­ lief die Sonne im Jahr 2001, das nächste Minimum wird für die zweite Jahreshälfte 2007 erwartet. Der Sonnenfleckenzyklus hängt mit Veränderungen ihres allgemei­ nen Magnetfelds zusammen. Zeigt die Sonne viele Flecken, so ist sie auch sonst meist sehr aktiv: Heftige Ma­ Sterne und Weltraum August 2007 77 Abb. 13: Ein Sonnenfleck besteht aus einem dunklen Kernbereich, der Umbra, und seiner etwas helleren Penumbra. Die Umbra ist bis zu 2000 Grad Celsius kühler als die umgebende Sonnenoberfläche und erscheint im Kontrast zu dieser schwarz. Abb. 14: Das Swedish Solar Telescope auf den Kanaren ermöglicht durch seine adaptive Optik besonders scharfe Aufnahmen der Sonnenoberfläche. Sehr schön lassen sich die Umbra und Penumbra des Sonnenflecks von etwa doppelter Erdgröße erkennen. Bei der körnigen Struktur um den Fleck handelt es sich um die Granulation. Granulation Magnetfeld Abb. 15: Eine riesige Protuberanz beobachtete die Sonde Soho am 14. September 1999 im Ultravioletten. Sie stieg bis in eine Höhe von 200 000 Kilometern auf. Die hellen Flecken auf der Oberfläche sind Gebiete weiterer Aktivität. Penumbra Umbra: 3400°C Photosphäre: 5500°C oberste Schicht der Konvektionszone: 100 000 °C Flußröhren Esa Göran Scharmer/Kai Langhans/ISP/Royal Swedish Academy AstroDienst Schnitt durch einen Sonnenfleck 78 Sterne und Weltraum August 2007 ff Die Bedeutung für unsere Erde Beständig strömen von der Sonne gela­ dene Teilchen ins All. Die Stärke dieses als Sonnenwind bezeichneten Teilchen­ stroms ist zeitlich variabel. Er besitzt Ge­ schwindigkeiten von bis zu 500 Kilome­ tern pro Sekunde und erreicht nach Ver­ lassen der Sonnenumgebung innerhalb weniger Tage unsere Erde. Starke Sonnenwinde und besonders der Teilchenstrom der solaren Eruptionen erzeugen die imposanten Polarlichter. Sie entstehen, wenn die geladenen Teilchen vom irdischen Magnetfeld zu den Polen hingelenkt werden, wo sie in Höhen von Hundert Kilometern und mehr mit den dort dünn verteilten Atomen der Erdat­ mosphäre zusammenstoßen und sie zum Leuchten anregen. Starke Eruptionen auf der Sonne ha­ ben allerdings auch weniger harmlose Folgen: Dies reicht von der Störung des internationalen Funkverkehrs über den Orientierungsverlust wandernder Tiere und Zugvögel bis hin zur Schädigung der Elektronik von Satelliten und erd­ gestützten Anlagen. So sorgte im Jahre 1989 in der kanadischen Provinz Quebec ein weiträumiger Stromausfall für Aufse­ hen. Durch den Aufprall des stark erhöh­ ten Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld wird dieses zusammengeschoben und verdichtet, sodass seine Intensität lokal stark ansteigen kann. Dadurch können in Stromleitungen und anderen elektrischen Anlagen starke Störspannungen indu­ ziert werden, welche zur Abschaltung der Netze führen. Diese oft sprunghaften Veränderungen des Erdmagnetfelds wer­ den auch als »geomagnetische Stürme« bezeichnet. Daher gewinnt die permanente Beob­ achtung der solaren Teilchenströme so­ wie ihrer Wechselwirkung mit der Erde und ihrer Magnetosphäre zunehmend an Bedeutung. Zu diesem Zweck startete die Esa im Jahre 2000 die vier Satelliten des Projekts Cluster-II, welche die Erde auf verschiedenen Bahnen umrunden. Zudem wird ein verbessertes Vorwarn­ system für dieses »Weltraumwetter« an­ gestrebt, das beginnende starke Sonnen­ aktivitäten erkennt und möglichst auch vorhersagen kann. Mit den neuen Missio­ nen Hinode und Stereo möchte man hierzu auf den mit Soho und Cluster-II erzielten Erfolgen aufbauen. Die uns im Alltag ruhig erscheinende Sonne ist mit ihrer lebensspendenden En­ ergie von unabdingbarer Wichtigkeit für die Erde. In Verbindung mit einem geeig­ neten Abstand schuf sie klimatisch güns­ tige Bedingungen auf dem Blauen Pla­ neten. Sie spendete schon vor mehr als 3.8 Milliarden Jahren den ersten Einzellern in den Urmeeren reichlich Licht für die Photosynthese und beeinflusste maßgeb­ lich die weitere Entwicklung der Erdat­ mosphäre und des Lebens. Die Überres­ te vergangenen Lebens wandelten sich teilweise in fossile Brennstoffe um – eine Form von gespeicherter Sonnenenergie, Esa Leben und Erdklima terie- und Strahlungsausbrüche brechen aus ihrer Oberfläche hervor. Sie stehen vielfach auch in direkter Verbindung mit den Flecken und den dortigen, extrem verstärkten Magnetfeldern. So verwun­ dert es nicht, dass die im sichtbaren Licht dunkel erscheinenden Flecken auf den Aufnahmen von Raumsonden wie Soho, Stereo oder Hinode im sehr energierei­ chen Ultraviolett- und Röntgenbereich aufgrund ihrer hohen Strahlungsintensi­ tät auffallend hell hervortreten. Die beobachteten Phänomene sind ausgesprochen spektakulär. Bei einem gewaltigen Materieausbruch in Gestalt ei­ ner so genannten Protuberanz lösen sich aus der Chromosphäre heiße Gasmassen, die mit einigen Hundert Kilometern pro Sekunde Zehntausende bis Hunderttau­ sende von Kilometern oder noch höher aufsteigen. Sie folgen oft in Strömen ent­ lang von Magnetfeldlinien. In der Folge können sie sich entweder vollständig von der Oberfläche lösen oder fallen wieder auf die Sonne zurück (Abb. 15). Bei einer in der Chromosphäre statt­ findenden Eruption (auch englisch »Flare« genannt) hingegen, die zwischen einer Minute und einer Stunde dauern kann, werden Plasmawolken mit Geschwindig­ keiten von rund 1500 Kilometern pro Se­ kunde ausgestoßen. Sie erreichen die Erde typischerweise nach etwa einem Tag und lösen dort unter anderem Polarlichter aus (s.u.). Zugleich wird bei einem Flare Strah­ lung im gesamten elektromagnetischen Spektrum freigesetzt. Besonders auffällig ist hierbei die intensive, sehr energiereiche Ultraviolett- und Röntgenstrahlung. Bil­ der der Sonde Soho zeigten, dass nach ei­ ner Flare-Eruption regelrechte Sonnenbe­ ben auftreten, sodass sich mit der solaren Seismik ein neues Forschungsfeld auftat (Abb. 16). Außerdem erkannte man, dass unser Stern auch im Fleckenminimum recht aktiv ist. Soho enthüllte schnelle, ausge­ dehnte koronale Materieauswürfe. Die dreidimensionale Erfassung dieser Phä­ nomene wie auch der gesamten sehr dy­ namischen Korona ist eine der Hauptauf­ gaben der beiden neuen Stereo-Sonden. Ihre Daten sollen die hier wirksamen, aber noch nicht in allen Details verstan­ denen Auswurfmechanismen erklären. Abb. 16: Eine Stoßwelle breitet sich am 9. Juli 1996 nach einem Flare auf der Sonnenoberfläche mit hoher Geschwindigkeit bis in eine Entfernung von 100 000 Kilometern zum Eruptionsort aus und wurde mit der Sonnensonde Soho beobachtet. Sterne und Weltraum August 2007 79 Merkur 0.38 AE Venus 0.72 AE Erde 1 AE Sonne Abb. 17: Der Tod der Sonne in etwa sieben Milliarden Jahren wird unser Planetensystem drastisch verändern. Zunächst wird Merkur von der sich ausdehnenden Sonne verschluckt, dann folgt Venus, wenn die Sonne Helium im Kern verbrennt. Am Ende bleibt von ihr nur ein Weißer Zwerg zurück. heute Abb. 18: Die abgeworfenen Gashüllen eines ehemaligen Roten Riesen werden durch die starke Ultraviolettstrahlung des Weißen Zwergs für einige wenige zehntausend Jahre zum Leuchten angeregt. Danach haben sich die Gasschwaden so weit verflüch­ tigt, dass sie unsichtbar werden. Das Bild zeigt den 600 Lichtjahre von uns entfernten Helixnebel NGC 7293 im Sternbild Wassermann und wurde mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen. Mars 1.52 AE in 6.5 Milliarden Jahren Roter Riese Venus 0.93 AE Erde 1.17 AE Mars 1.85 AE in 6.7 Milliarden Jahren Riese auf dem asymptotischen Ast Erde 1.61 AE Mars 2.46 AE SuW/Reinhold Henkel in 7 Milliarden Jahren Weißer Zwerg die wir heute für die Energieerzeugung nutzen. Zusätzlich erhält die direkte Nut­ zung von Solarenergie in Gestalt von So­ larzellen und -kollektoren zunehmende Bedeutung. Die Sonnenstrahlung treibt die Wetterund Klimamaschine der Erde an. In den tropischen und subtropischen Breiten wird dabei mehr Energie ins Klimasystem gepumpt, als wieder ins All durch Ab­ strahlung entweicht, es besteht ein Strah­ lungsüberschuss. In höheren Breiten ist es umgekehrt, dort herrscht ein Strah­ lungsdefizit. Durch die unterschiedliche Erwärmung kommen in Verbindung mit der Erdrotation Luftströme in Gang, die das Wetter und Klima prägen (siehe SuW 2/2007, S. 70). Das Klimasystem ist durch überaus komplizierte Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen als Wärmespeichern, den Landflächen, den polaren Eismassen und der Biosphäre geprägt. Daher sind nach wie vor auch die besten Modellrechnungen für die Klima­ entwicklung mit großen Unsicherheits­ faktoren behaftet. Etwa alle 100 000 Jahre kam es in den letzten sechs Millionen Jahren zu gro­ßen Klimaschwankungen, den Eiszeiten. In diesem zeitlichen Rhythmus ver­formt sich die Erdbahn um die Sonne von ei­ ner kreisförmigeren hin zu einer ellip­ tischeren, was zu einer veränderten Son­ neneinstrahlung und damit zu einem Eingriff ins Klimageschehen führt. Diese Eiszeitzyklen wurden nach ihrem Ent­ decker Milutin Milankovic̆ (1879 – 1958) benannt, der sie Anfang des 20. Jahrhun­ derts erstmals beschrieb. 80 Sterne und Weltraum August 2007 Erde 1.61 AE Mars 2.46 AE Es werden jedoch auch kurzzeitigere Klimaveränderungen durch die Sonne ausgelöst. Die Analyse von Bohrkernen aus polaren Eispanzern und Tiefseebö­ den deutet darauf hin, dass in der Ver­ gangenheit Klimaschwankungen mit un­ terschiedlich intensiver Sonnenaktivität recht deutlich miteinander einhergingen. Ein anschauliches Beispiel ist möglicher­ weise die »Kleine Eiszeit« etwa von 1645 bis 1715, als Europa unter besonders lan­ gen und kalten Wintern litt. Denn genau in diesem Zeitraum fielen die elfjährigen Sonnenfleckenmaxima auffallend niedrig aus. Da wenige Sonnenflecken zugleich eine insgesamt geringere Sonnenaktivi­ tät bedeuten, erhielt die Erde zu jener Zeit wenngleich auch nur minimal weniger Strahlung von der Sonne. Die Auswirkungen der Kleinen Eiszeit mit kühlem Klima bis etwa 1850 lassen sich besonders gut in den Hochgebirgen ausmachen. Durch die geringeren Tem­ peraturen und hohen Niederschlagsmen­ gen lagerten sich dort große Mengen an Schnee in der Höhe ab und ließen dadurch die Gletscher wachsen. Sie reagierten ver­ zögert auf die neuen Bedingungen und stießen – manchmal um mehrere Kilome­ ter – in die Täler vor und zerstörten Wäl­ der, Ackerflächen und Siedlungsgebiete. Der Höchststand der Gletscher wurde um 1850 erreicht. Damals waren beispiels­ weise die Eismassen in den Alpen so lang und mächtig wie nie zuvor in den letzten 10 000 Jahren seit der letzten großen Eis­ zeit. Es wäre daher kein Fehler, der leicht variablen Sonne etwas mehr Raum in den Klimamodellen einzuräumen. Die Erde im Sonnenfeuer Unsere Sonne hat inzwischen knapp die Hälfte ihres Lebens erreicht. In etwa sechs Milliarden Jahren wird in ihrem Kern die Weitere Informationen: [1] Joachim Biefang: Farbiger Jahresausklang – Der Polarlichtsturm vom 14. Dezember 2006, SuW 3/2007, S. 70 [2] Reinhold Müller-Mellin: Die Sonne in 3-D, Astronomie Heute 4/2007, S. 22 [3] SuW Special 4/1999: Sonne – Der Stern in unserer Nähe. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg 1999. ISBN 3-87973-503-4 [4] Yemane Asmerom et al., Solar forcing of Holocene climate, Geology, 1/2007, S. 1–4. [5] Informationen über die Sonnenobservatorien auf Teneriffa und auf dem Schauinsland im Schwarzwald: www.kis.uni-freiburg.de Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter www.suw–online.de/artikel/ 893401 Wissen Nasa/Noao/Esa/M. Meixner/ T.A. Rector was heute wichtig ist Wasserstofffusion erlöschen. Sie breitet sich stattdessen in einer Kugelschale um den dann toten, aus Helium bestehen­ den Kern aus. Dabei werden die äußeren Schichten der Sonne stark aufgebläht und unser Stern entwickelt sich zu einem Ro­ ten Riesen, der unsere inneren Nachbar­ planeten Merkur und Venus verschluckt (Abb. 17). Auf der Erde wird die Temperatur ört­ lich auf rund 1000 Grad Celsius ansteigen, die Ozeane verdampfen und entweichen mitsamt der Atmosphäre ins All. Zurück bleibt ein lebloser, glühender Felsenball. In diesem Entwicklungszustand kommt es zudem zu extrem starken Schwankungen in der Leuchtkraft der Sonne, sie kann größenordnungsmäßig bis zu 1000-mal heller als heute leuchten. Durch einen extremen Sonnenwind ver­ liert unser Zentralgestirn fast ein Drittel seiner Masse. Dadurch wandern die Pla­ neten, deren Bahnenergie konstant ist, weiter nach außen, sodass die Erde der to­ talen Vernichtung entgeht. Schließlich steigen Temperatur und Druck im Kern der Sonne derart an, dass die Heliumkerne zu Kohlenstoff- oder Sauerstoffkernen verschmelzen. Diese Phase dauert etwa hundert Millionen Jah­ re. Schließlich ist alles Helium im Kern umgewandelt, und die Heliumfusion frisst sich ebenfalls in einer Kugelschale nach außen. Dabei verliert die Sonne wei­ tere zehn Prozent ihrer Masse. Schließlich erlöschen alle Fusionsreaktionen im Son­ neninneren und der extrem heiße Kern wird freigelegt, der sich zu einem Weißen Zwerg entwickelt. Dieser ist nur etwa so groß wie unsere Erde, enthält aber rund 55 Prozent der Sonnenmasse und besteht aus entartetem Kohlenstoff und Sauer­ stoff. Ein Kubikzentimeter seiner Materie würde rund eine Tonne wiegen. Er besitzt keine innere Energiequelle, sondern strahlt für Milliarden von Jah­ ren die in seinem Inneren gespeicherte Energie ab, bis er schließlich als Schwar­ zer Zwerg für immer verlischt. Für we­ nige zehntausend Jahre kann der Weiße Zwerg die vorher ausgestoßenen Gas­ massen durch seine starke Ultraviolett­ strahlung zum Leuchten anregen, ein so genannter Planetarischer Nebel kenn­ zeichnet den Ort des gestorbenen Sterns (Abb. 18). So düster dieses Szenario erscheinen mag: Auch der Weltraum hat seine Zy­ klen vom Werden und Vergehen – sie sind ein Teil des großen Ganzen. Und um wieviel besser haben wir es doch als unsere Vorfahren, die noch nicht wissen konnten, ob ihnen die Sonne lebenslang erhalten bleibt. Die Redaktion von spektrumdirekt inforThilo Günter studierte in Hamburg Physik, Astronomie und Geowissenschaften und promovierte dort in Astrophysik. Als Fachautor veröffentlicht er seit 1989 Text- und Bildbeiträge in SuW. miert Sie schnell, fundiert und verständlich über den Stand der Forschung. www.spektrumdirekt.de/heute