Die Sonne – Der Stern, von dem wir leben

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Die Sonne –
Der Stern, von dem
wir leben
VON Thilo Günter
Gaskugel, Fusionsreaktor, Lebensquell – all dies ist unsere Sonne.
Über keinen anderen Stern wissen wir so viel wie über unser Tagesgestirn. Mit Hilfe der modernen Physik konnten wir ihre Entstehung,
ihren Aufbau und ihre Energieerzeugung entschlüsseln. Daraus lässt
sich auch ihr – und unser – weiterer Schicksalsweg ableiten.
70 Sterne und Weltraum August 2007
Ein historischer Streifzug
Für die frühen Kulturvölker, besonders
jene in Mesopotamien und Ägypten,
hatte die Sonne eine Doppelfunktion:
Sie wurde als Gottheit verehrt und ihren
Lauf am Himmel nutzte man zur Zeit­
messung. Die Sonnenuhr als wichtiges
Instrument zur zeitlichen Einteilung des
Tages verlor erst in der frühen Neuzeit an
Bedeutung.
Darüber hinaus ist jede Zivilisation
auf einen Kalender, also eine Einteilung
des Jahres für die Planung, beispielswei­
se in der Landwirtschaft, angewiesen.
Ein besonders bekanntes prähistorisches
Sonnenobservatorium ist die mehrfach
erweitere Anlage von Stonehenge im
heutigen Südengland (Abb. 3). Ihre Stein­
kreise dienten ab dem dritten vorchristli­
chen Jahrtausend als Kalender und Kult­
stätte.
Abb. 1: Beobachtet man unsere
Sonne durch einen schmalbandigen Filter, der nur das Licht der
Ha-Linie des Wasserstoffs durchlässt, so lässt sich die untere
Schicht der Sonnenatmosphäre,
die Chromosphäre, beobachten.
Am Sonnenrand sind mächtige
Protuberanzen zu sehen, Gasausbrüche, die bis zu 100 000
Kilometer hoch sind. Das hier
gezeigte Bild nahm Jack Newton in Arizona (USA) mit einem
Fünf-Zoll-Teleskop von Meade
und einem Ha-Filter von Coronado auf.
Im Südwesten von Ägypten, im Gebiet
von Nabta Playa, fanden die Archäologen
allerdings vergleichsweise unspektaku­
läre Hinweise in Form nach den Him­
melsrichtungen ausgerichteter Steine
darauf, dass hier bereits etwa zwei Jahr­
tausende vor Stonehenge der jährliche
Sonnenlauf beobachtet wurde.
Trotz der beherrschenden Stellung der
Sonne am Himmel dominierte bis in die
frühe Neuzeit das geozentrische Welt­
bild mit der Erde als dem Mittelpunkt
des Universums. Im Jahre 1543 erschien
das Hauptwerk von Nikolaus Kopernikus
(De revolutionibus orbium coelestium),
in welchem das heliozentrische Weltbild
detailliert begründet wird: Dabei kam der
Sonne – umkreist von den Planeten – die
zentrale Rolle zu. Mit Hilfe des im Jahre
1609 erfundenen Linsenfernrohrs sich­
teten bald einige Astronomen, darunter
Galileo Galilei (1564 – 1642), unabhängig
voneinander erstmals mehrere dunkle
Stellen auf der Sonne, die Sonnenflecken,
jedoch ohne dieses eigenartige Phäno­
men deuten zu können.
Jahrhundertelang stellte man sich die
Sonne als einen brennenden Körper vor.
Die Sonnenflecken wurden demzufolge
als eine Art Schlacke oder Rauch aus der
Verbrennung betrachtet. Mit dem Auf­
kommen der modernen Chemie ab dem
19. Jahrhundert stellte sich jedoch rasch
heraus, das selbst eine nur aus Kohle und
Sauerstoff aufgebaute Sonne nur wenige
Jahrtausende lang durch Verbrennung
Energie im beobachteten Maße freiset­
zen würde. Alternativ wurde vorgeschla­
gen, dass ständig Tausende von Asteroi­
den und Kometen auf die Sonne stürzen
würden und sie dabei stark aufheizen. Im
Jahre 1814 untersuchte Josef von Fraun­
hofer (1787 – 1826) das Sonnenspek­trum
genauer und stellte fest, dass es zahlreiche
dunkle Linien enthält (Abb. 6). Die Be­
deutung dieser Linien blieb bis in die Mit­
te des 19. Jahrhunderts unklar, bis Gustav
Kirchhoff (1824 – 1887) und Robert Wil­
helm Bunsen (1811 – 1899) in Heidelberg
die Spektralanalyse entwickelten. Daraus
ergab sich, dass unsere Sonne eine heiße
Gaskugel ist, in der bestimmte chemische
Elemente bei spezifischen Wellenlängen

S
eit Anbeginn der Menschheit ist
uns die Sonne wohlvertraut, doch
bis in die fortgeschrittene Neuzeit
hinein blieb ihre wahre Natur ein Rätsel.
Auch heute noch wissen überraschend
viele Menschen auf die Frage, was die
Sonne eigentlich sei, keine so rechte Ant­
wort. Dabei lässt sie sich ganz einfach for­
mulieren: Die Sonne ist ein Stern und so­
mit ein sehr massereicher heißer Gasball,
der die abgestrahlte Energie in seinem In­
neren selbst erzeugt und daher von selbst
leuchtet (Abb. 1 und 2).
So auffällig und wichtig die Sonne da­
bei für uns auch ist: Es handelt sich nur
um einen von mehr als Hundert Milliar­
den Sternen innerhalb unseres Milchstra­
ßensystems, der Galaxis. Und angesichts
von mindestens Hundert Milliarden Ga­
laxien im beobachtbaren Universum
wird klar, dass es Sterne wie den sprich­
wörtlichen »Sand am Meer« gibt. Dieses
ernüchternde Resultat ist der Endpunkt
einer im Laufe der Geschichte wechseln­
den Bedeutung der Sonne für unser Welt­
bild.
Abb. 2: So sah unser Tagesgestirn am 10. August 1998 im
sichtbaren Licht aus. Zwei große
Sonnenflecken und eine größere
Fleckengruppe sind zu erkennen,
sonst wirkt die Sonne ruhig. Das
Bild nahm Erich Kopowski mit
einem 127-Millimeter-Refraktor
von Starfire auf.
Licht absorbieren und aus dem Kontinu­
um der Sonnenstrahlung entfernen.
Um 1884 schlug der Physiker Her­
mann von Helmholtz (1821 – 1894) vor,
dass die Sonne durch langsame Kontrak­
tion Energie erzeugt. Demnach müss­
te sie im Jahr nur um rund sechzig Me­
ter schrumpfen, um genügend Kompres­
sionswärme freizusetzen. Er wurde darin
von William Thomson (1824 – 1907), dem
späteren Lord Kelvin unterstützt, einem
der bekanntesten Physiker des 19. Jahr­
hunderts. Rechnungen zeigten aber, dass
die Schrumpfung der Sonne nur für etwa
dreißig Millionen Jahre Energie liefern
würde. Dem widersprachen jedoch Ge­
ologen und Paläontologen vehement,
zeigten doch ihre Untersuchungen schon
zu dieser Zeit, dass die Erde und das auf
ihr vorhandene Leben mindestens einige
Hundert Millionen Jahre alt sein musste,
und die Sonne seit dieser Zeit praktisch
unverändert leuchten müsse. Tatsächlich
liegt das Alter der Erde bei rund 4.5 Milli­
arden Jahren.
Die Wende kam 1938, als die Physi­
ker Hans Bethe (1906 – 2005) und Carl
Frie­drich von Weizsäcker (1912 – 2007)
»Sterne und Weltraum« im Physik-Unterricht
Z
u diesem Beitrag stehen Ihnen kostenlos auf unserer Internetseite
www.wissenschaft-schulen.de ausführliche didaktische Materialien zur Verfügung, bei denen es darum geht, Sonnenflecke mit einfachen schulischen Mitteln
zu beobachten, zu zählen, auszuwerten
und ihre Erscheinung zu erklären. Schü-
ler können aktiviert werden und erfahren etwas über den Lebenszyklus unseres
Tagesgestirns. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie
für Lehrer­fortbildung in Donaueschingen
durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert.
Sterne und Weltraum August 2007 71

Die Sonne: Ein Stern unter vielen
Sterne sind keine Einheitsprodukte, son­
dern unterscheiden sich deutlich hin­
sichtlich ihrer Masse und Oberflächen­
temperatur. Die Typen der Sterne, in
deren Zentren die Wasserstofffusion ab­
läuft, reichen von den massearmen ro­
ten M-Sternen mit sehr geringer Leucht­
kraft hin zu den extrem leuchtkräftigen
Sternen des Spektraltyps O. Die Massen
von Hauptreihensternen des Spektral­
typs M liegen zwischen einem Zehn­
tel und einem Drittel der Sonnenmasse
und ihre Oberflächentemperatur beträgt
rund 3000 Grad Celsius. Sie erscheinen
in einem rötlichen Licht und leuchten am
hellsten im Infraroten. Die massereichen
O-Sterne können mehr als das Fünfzig­
fache der Sonnenmasse aufweisen, und
ihre Oberflächentemperaturen über­
schreiten 40 000 Grad Celsius. Wegen
der hohen Temperaturen leuchten sie am
hellsten im Ultravioletten, im sichtbaren
Licht erscheinen sie bläulich-weiß wie
die Farbe eines Schweißbrenners. Unse­
re Sonne ist ein mittlerer, gewöhnlicher
Stern des Spektraltyps G2V mit einer
Oberflächentemperatur von 5500 Grad
Celsius und einer gelblichen Farbe.
Wie Sterne entstehen
Der Prozess, der zur Bildung der Son­
ne und so vieler anderer Sterne führte,
läuft in den interstellaren Dunkelwolken
ab: Dies sind kühle, mit dunklem Staub
durchmischte Gaswolken, die hauptsäch­
lich aus Wasserstoff und Helium beste­
hen und sich bis zu mehreren Lichtjahren
ausdehnen können. Zu den bekanntesten
Regionen mit umfangreicher Sternent­
stehung gehören die dunklen Teile des
Orion­nebels Messier 42 (Abb. 7).
Über lange Zeiträume hinweg können
sich in solchen Dunkelwolken Verdich­
tungen mit einer hohen Zentraldichte bil­
den. Ab einem kritischen Wert überwiegt
die Eigengravitation dieser Materie. Über
Jahrmillionen kommt es nun zu einem
Gravitationskollaps, wobei sich ein oder
mehrere kompakte Kerne bilden. In ih­
ren Zentren heizt sich die Materie durch

Abb. 3: Der prähistorische Steinkranz von Stonehenge in Südengland, hier in einer Luftaufnahme,
diente zu Kultzwecken und als
Kalender. Er wurde vor rund 5000
Jahren errichtet.
72 Sterne und Weltraum August 2007
Steckbrief der Sonne
Spektraltyp:
Mittlerer Durchmesser:
Masse:
Mittlere Dichte: Temperatur (Photosphäre):
(Zentrum):
Neigung der Rotationsachse
zur Erdbahnebene (Ekliptik):
Rotationsperiode am Äquator:
Mittlere Entfernung zur Erde:
G2V
1 392 500 km
1.99 3 1030 kg
333 000 Erdmassen
1.41 g/cm3
5500 °C
15 000 000 °C
7.25 Grad
25 Tage, 9 Stunden
149 598 000 km
Chemische Zusammensetzung der Photosphäre
Element
Anteil in Massenprozent
Wasserstoff (H) 73.46
Helium (He)
24.85
Sauerstoff (O)
0.77
Kohlenstoff (C) 0.29
Eisen (Fe)
0.16
Neon (Ne)
0.12
Stickstoff (N)
0.09
Silizium (Si)
0.07
Magnesium (Mg) 0.05
Schwefel (S)
0.04
restliche Elemente
0.10
die dabei freigesetzte Kontraktionswär­
me extrem auf. Überschreitet die Tem­
peratur schließlich eine kritische Grenze
von mehreren Millio­nen Grad Celsius, so
zündet die Kernfusion – der Stern ist ge­
boren.
Die den jungen Stern umgebende,
nicht in seine Entstehung eingegangene
restliche Materie ordnet sich in einer ro­
tierenden, so genannten protoplanetaren
Scheibe aus Gas und Staub um ihn an. In
ihr können sich im Verlauf von wenigen
Millionen Jahren Planeten bilden. Wie
zur Bestätigung dieser auch für unser
Sonnensystem gültigen Modellvorstel­
lung wurde 1984 eine erste protoplane­
tare Scheibe um den sechzig Lichtjahre
entfernten jungen Stern Beta Pictoris ge­
funden. Und rund ein Jahrzehnt später
gelang mit dem Weltraumteleskop Hubble ein entscheidender Befund: Von Hun­
dert jungen Sternen im Orionnebel wies
etwa die Hälfte protoplanetare Scheiben
auf (Abb. 7). Seit 1995 fanden sich zudem
mehr als 240 extrasolare Planeten. Er­
wartungsgemäß besitzt also nicht nur die
Colour Library Books Ltd., Guildford, UK
die Fusion von Wasserstoffkernen (Pro­
tonen) zu Heliumkernen als die Haupt­
energiequelle der Sonne erkannten. Die­
ser Vorgang wird als Proton-ProtonReak­tion bezeichnet und weiter unten
beschrieben.
Die multispektrale Erfassung
Doch wie alle Sterne strahlt die Son­
ne nicht nur im sichtbaren Licht, sondern
auch in anderen Wellenlängenbereichen,
sie sendet also auch Radio-, Infrarot-, Ul­
traviolett- und Röntgenstrahlung aus.
Das volle elektromagnetische Spektrum
lässt sich aber nur jenseits der schüt­
zenden Erdatmosphäre erfassen, da sie
die Infrarot- und Ultraviolettstrahlung
weitgehend und Röntgenstrahlung ganz
absorbiert. Bereits 1962 begann daher
die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit
dem Satellitenprogramm Orbiting Solar
Observatory (Oso) zur eingehenden Un­
tersuchung unseres Tagesgestirns. Wei­
tere Höhepunkte der raumgestützten
Sonnenforschung waren die deutschen
Sonden Helios 1 und 2 (Start 1974 und
1976) und die bemannte US-Raumstation
Skylab (betrieben 1973/74; siehe SuW
1/2001, S. 28ff.).
Die gemeinsam von der Nasa und
der Europäischen Weltraumbehörde Esa
im Jahre 1990 gestartete Sonde Ulysses
überflog mehrmals die Pole unserer Son­
ne und ist noch immer aktiv. 1995 brach­
te die Esa Soho, das Solar Heliospheric
Observatory ins All, welches seitdem die
Sonne permanent beobachtet (Abb. 5). Im
September 2006 hob der Satellit Hinode
(japanisch für Sonnenaufgang) der japa­
nischen Weltraumbehörde Jaxa ab, der
vor allem die Sonnenatmosphäre unter­
sucht. Und im Oktober 2006 startete die
Nasa die Zwillingssonden Stereo-A und
-B. Beide Sonden umrunden unser Zen­
tralgestirn auf erdbahnähnlichen Orbits.
Dabei fliegt Sonde A der Erde voraus und
Sonde B hinterher (Abb. 8). So lässt sich
unser Tagesgestirn aus verschiedenen
Blickwinkeln dreidimensional erfassen.

Nur bei relativ wenigen, nahen Riesen­
sternen (zum Beispiel Beteigeuze im
Sternbild Orion) kann durch eine ausge­
klügelte Beobachtungstechnik die Ober­
fläche grob als Scheibe aufgelöst werden.
Aufgrund ihrer großen Entfernungen er­
scheinen Sterne für gewöhnlich punkt­
förmig, und lediglich die Stärke und ge­
gebenenfalls auch die Variabilität ihrer
Strahlung in verschiedenen Spektralbe­
reichen geben Auskunft über sie.
Somit ist unsere nur rund 150 Millio­
nen Kilometer entfernte Sonne mit ihrem
Durchmesser von 1.4 Millionen Kilome­
tern (dies entspricht der 109-fachen Erd­
größe) ein ideales Anschauungsobjekt,
um Details der Oberfläche zu studieren
sowie Theorien zu prüfen.
Erdgestützte Sonnenbeobachtungen
im optischen Bereich werden hierbei mit
speziellen Sonnenteleskopen, wie man sie
auf den Kanarischen Inseln (Abb. 4) und
im Westen der USA findet, durchgeführt.
Es sind meist Turmteleskope. Das heißt:
das eigentliche Teleskop ist fest montiert
und das Sonnenlicht fällt über spezielle
Umlenkspiegel, so genannte Coelestaten,
ein, die dem Lauf der Sonne exakt nach­
geführt werden.
Thilo Günter
Sonne, sondern auch eine Vielzahl ande­
rer Sterne ein Planetensystem.
Zudem können die bei Supernovaex­
plosionen massereicher und damit kurz­
lebiger Sterne abgeworfenen Gashüllen
durch ihren Aufprall auf benachbarte
interstellare Wolken die Bildung neuer
Sterne auslösen oder beschleunigen. Of­
fenbar spielte einst eine nahe Supernova
für die Entstehung unserer Sonne eine
Rolle. In Meteo­riten, Überresten der Pla­
netenentstehung vor 4.5 Milliarden Jah­
ren, finden sich Tochterelemente kurzle­
biger Radioisotope wie Aluminium-26,
die durch deren Zerfall entstanden. Alu­
minium-26 weist eine Halbwertszeit von
nur rund 700 000 Jahren auf und ist daher
nach wenigen Millionen Jahren praktisch
vollständig verschwunden. Es entsteht
aber in großer Menge bei Supernovaex­
plosionen und wurde von der Sonne und
ihren Planeten bei der Bildung aufgenom­
men (siehe auch SuW 10/2003, S. 26).
Abb. 5: Die Sonnensonde Soho
der Esa, hier in der Endmontage,
startete 1995 und beobachtet
seitdem unsere Sonne.
Davon verspricht sich die Nasa detaillier­
te Informationen über die Auswirkungen
der Sonnenaktivitäten auf die Erde.
Die Anatomie der Sonne
Insbesondere die Langzeitbeobachtung
durch die Sonde Soho ermöglichte uns
ein erweitertes Bild der Sonne. Selbst in
Zeiten vermeintlicher Ruhe erweist sich
unser Zentralgestirn als auffallend ak­
tiv, mit häufigen und zum Teil sehr vehe­
Esa

Abb. 4: Das Sonnenobservatorium auf Teneriffa befindet sich in
2400 Meter Höhe auf dem Gelände des Observatorio Astronomico
del Teide. Links im Bild ist das
Gebäude des 38 Meter hohen Vakuum-Turm-Teleskops zu sehen,
des Hauptinstruments der deutschen Sonnenforschung auf der
Insel.
Sterne und Weltraum August 2007 73
D
Eb
F
H
J
Die gesamte von der Sonne abge­
strahlte Energie stammt aus der Zentral­
region, die sich über etwa ein Viertel des
Sonnenradius von rund 700 000 Kilome­
tern erstreckt. Sie enthält die Hälfte der
Sonnenmasse, nimmt aber nur etwa 1.6
Prozent des Gesamtvolumens ein. Bei ei­
ner Temperatur von 15.1 Millionen Grad
Celsius ist die Materie im Kern vollständig
ionisiert, das heißt, es handelt sich um ein
Plasma, in dem sich Atomkerne und Elek­
tronen ungebunden voneinander bewe­
gen können. Die Dichte im Kern beträgt
rund 150 Gramm pro Kubikzentimeter.
Zum Vergleich: Der überwiegend aus Ei­
sen bestehende Erdkern besitzt im Mittel
eine Dichte von rund elf Gramm pro Ku­
bikzentimeter.
Im Sonnenkern reicht die Tempera­
tur für die Verschmelzung von Wasser­
stoff- zu Heliumkernen aus. Dieser Vor­
gang wird als Proton-Proton-Reaktion
bezeichnet (Abb. 12). Im Sonneninneren
stoßen zwei Wasserstoffkerne, also Pro­
tonen, unter hohem Druck und hoher
Temperatur aufeinander und verschmel­
zen zu einem Deuteriumkern. Dabei
wandelt sich ein Proton um in ein Neu­
tron, das im Kern verbleibt, und in ein
Posi­tron und ein Neutrino, die beide den
Kern verlassen. Der Deuteriumkern stößt
mit einem weiteren Proton zusammen,
wobei ein Heliumkern des leichten Iso­
tops 3He entsteht. Schließlich kollidieren
zwei 3He-Kerne miteinander, dabei ent­
steht ein Kern des schwereren Isotops 4He
und zwei Protonen werden freigesetzt,
die mit weiteren Protonen oder Helium­
kernen reagieren können.
Pro Sekunde werden in der Sonne 564
Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Mil­
lionen Tonnen Helium umgewandelt; die
fehlenden vier Millionen Tonnen (also 0.7
Prozent) werden in Energie umgesetzt,
Nasa/C. R. O’Dell/Rice University
menten Veränderungen an ihrer Oberflä­
che und in ihrer Atmosphäre.
Während diese Bereiche leicht zu be­
obachten sind, ist das Innere der Sonne
einer direkten Untersuchung unzugäng­
lich. Hier muss man sich der inzwischen
weitentwickelten theoretischen Model­
le zum Sternaufbau bedienen, die nach­
prüfbare physikalische Parameter für die
Oberfläche (Temperatur, gesamte Ener­
gieabgabe u. a.) liefern. Es zeigt sich, dass
im Sonneninneren ein enormes Druckund Temperaturgefälle von der Oberflä­
che bis zum Zentrum besteht. Von rund
5500 Grad Celsius an der Oberfläche
steigt die Temperatur in Richtung des
Zentrums bis auf 15.1 Millionen Grad
Celsius an. Die Sonne gliedert sich dabei
in verschiedene Zonen und zeigt dabei
einen schalenförmigen Aufbau (Abb. 9).
Dabei sind die Übergänge im Allgemei­
nen nicht sehr scharf definiert.
G
Deutsches Museum München

A a B C
Abb. 6: Josef von Fraunhofer
zeichnete 1814 das Spektrum der
Sonne erstmals detailliert auf. Er
beschriftete die stärksten dunklen Linien mit den Buchstaben
A bis J, eine Bezeichnungsweise, die noch heute üblich ist. Die
Kurve gibt die Strahlungsintensität an, die Sonne leuchtet am
hellsten im gelben und grünen
Licht.
Nasa/Esa/M. Robberto

74 Sterne und Weltraum August 2007
Abb. 7: Im Orionnebel Messier
42 entstehen auch heute noch
zahlreiche neue Sterne. Viele von
ihnen sind, wie die Ausschnittsvergrößerung oben zeigt, von
protoplanetaren Scheiben aus
Gas und Staub umgeben. Beide
Bilder entstanden mit dem Weltraumteleskop Hubble, verwendet
wurden die Instrumente Wide
Field Planetary Camera 2 (WFPC2) und Advanced Camera for Surveys (ACS).
tigen Strömen nach oben fließen, dort
abkühlen und als dichteres Plasma wie­
der zum Sonneninneren hin absinken.
Sie lassen sich an der Sonnenoberfläche
als körniges Muster, die »Granulation« er­
kennen. Eine durchschnittliche Granule
(abgeleitet vom lateinischen Wort granu­
lum = Körnchen) an der Sonnenoberflä­
che erstreckt sich über etwa tausend Ki­
lometer (Abb. 14).
Klaus Tschira Stiftung gGmbH, Landesakademie für Fortbildung und
Personalentwicklung an Schulen, Max-Planck-Institut für Astronomie
ermöglichen durch ihre Kooperation
Schulen!«. Astronomie Heute ist Anfang 2006
die Entwicklung und Bereitstellung neuer
dazugekommen. Diese Initiative des
praxisnaher Unterrichtsmaterialien für
Spektrum der Wissenschaft Verlages bietet
den Physikunterricht.
Schülern und Lehrern naturwissenschaftlicher
Fächer kostenlos hochwertige didaktische
Ein erfahrener Mitarbeiter der Landes-
Zusatzmaterialien für den Unterricht.
akademie entwickelt im Rahmen dieser
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Weitere Informationen:
Sterne und Weltraum sowie Astronomie Heute
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Der Praxistest erfolgt in den Lehrerfort-
Klaus Tschira Stiftung gGmbH
bildungskursen der Landesakademie und
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in monatlichen Unterrichtsstunden an
Landesakademie für Fortbildung und
einer ausgewählten Stützpunktschule.
Personalentwicklung an Schulen
www.akademie-donaueschingen.de
Sterne und Weltraum ist seit Herbst 2003
Max-Planck-Institut für Astronomie
Partner der Aktion »Wissenschaft in die
www.mpia.de

Nasa
gemäß der Äquivalenz von Masse und
Energie (siehe auch SuW-Special 4, Son­
ne, 1999). Dabei entsteht pro Sekunde
eine Leistung von 4 3 1026 Watt – genug,
um Europa vier Millionen Jahre lang mit
Energie zu versorgen.
Die Energie wird in Form von Gam­
mastrahlung frei, deren Photonen je­
doch die Oberfläche nicht direkt errei­
chen können. Sie stoßen immer wieder
mit den Teilchen des Plasmas im Sonnen­
inneren zusammen, werden absorbiert
und wieder abgestrahlt. Dabei nimmt
die Strahlungsenergie der Photonen ab
und ihre Wellenlänge zu. Tatsächlich
benö­tigt ein derart ständig absorbiertes
und re­emittiertes Photon etwa 100 000
Jahre, um die Sonnenoberfläche zu er­
reichen. Das Licht, das wir heute sehen,
wurde also vor langer Zeit erzeugt. Die­
ser Prozess findet hauptsächlich in der so
genannten Strahlungszone statt, die sich
vom Rand des Kerns bis rund 70 Prozent
des Sonnenradius nach außen erstreckt
(Abb. 9).
Auf die Strahlungszone folgt die Kon­
vektionszone, die rund 140 000 Kilome­
ter mächtig ist. In ihr wird die Energie
nicht mehr durch Strahlung weitergege­
ben, sondern durch die Bewegung heißer
Plasmaballen nach außen transportiert.
Dabei bilden sich Konvek­tionszellen aus,
in denen Pakete von heißer und damit
etwas weniger dichter Materie in mäch­
Abb. 8: Die beiden Stereo-Sonden
der US-Raumfahrtbehörde Nasa
nehmen die Sonne aus zwei verschiedenen Blickwinkeln in Visier
und können sie so dreidimensional erfassen. Hier ist eine Protuberanz künstlerisch dargestellt.
Eine Sonde (Stereo-A) fliegt der
Erde auf ihrer Bahn voraus, die
andere (Stereo-B) folgt ihr.

Strahlungszone
Kern
Photosphäre
Abb. 9: Der Aufbau unserer Sonne. Im Kern wird die Energie erzeugt und durch Strahlung in der
anschließenden Strahlungszone
nach oben transportiert. Weiter
außen wird die Energie durch
Konvektionsvorgänge befördert
und von den äußeren Schichten
abgestrahlt.

Abb. 10: Hans Bethe (links) und
Carl Friedrich von Weizsäcker
(rechts) erkannten 1938 unabhängig voneinander die Fusion
von Protonen zu Heliumkernen
als die Energiequelle der Sonne.
Die sichtbare Sonnenoberfläche, die
Photosphäre, ist eine im Vergleich zum
Sonnenradius hauchdünne Schicht mit
einer Dicke von nur 400 Kilometern. Erst
hier wird die aus dem Sonneninneren
stammende Energie in sichtbares Licht
umgewandelt, die Temperatur beträgt
5500 Grad Celsius.
Oberhalb der Photosphäre beginnt die
Sonnenatmosphäre. Ihr unterer Bereich
besteht aus der bis in etwa 12 000 Kilome­
ter Höhe reichenden Chromo­sphäre, wel­
che vornehmlich aus ionisiertem Wasser­
stoff und Helium besteht. Die Gasdichte
in der Chromosphäre ist etwa zehntau­
send Mal geringer als in der Photosphäre,
Cornell University

AstroDienst
Korona
76 Sterne und Weltraum August 2007
die Temperatur liegt bei rund 10 000 Grad
Celsius. Die Chromosphäre ist kurz vor
Beginn beziehungsweise nach Ende einer
totalen Sonnenfinsternis als himbeerro­
ter Saum am Mondrand für wenige Se­
kunden sichtbar. Aus ihr brechen die Pro­
tuberanzen (s. u.) hervor.
An die Chromosphäre grenzt als äu­
ßerer Bereich der Atmosphäre die extrem
ausgedehnte Korona an. Sie besteht aus
sehr dünnem ionisiertem Gas und kann
nur, von technischen Hilfsmitteln einmal
abgesehen, bei einer totalen Sonnenfins­
ternis beobachtet werden (Abb. 11).
Erst durch die Verdunklung der Son­
nenscheibe durch den Mond ist die Ko­
rona als Strahlenkranz mit der vielfachen
Ausdehnung des Sonnendurchmessers
sichtbar. Wegen ihrer hohen Temperatur
von etwa einer Million Grad Celsius ist sie
eine starke Röntgenquelle. Die Ursache
der hohen Temperatur ist noch nicht völ­
lig verstanden und steht möglicherweise
mit magnetischen Prozessen im Zusam­
menhang. Darüberhinaus ist die Gestalt
der Korona zeitlich und räumlich varia­
bel, abhängig von der ebenfalls veränder­
lichen Sonnenaktivität. Die Korona ist die
Quelle des Sonnenwinds, eines Stroms
elektrisch geladener Partikel (Ionen), der
das gesamte Sonnensystem erfasst. Sie
besitzt keine scharfe äußere Grenze. Tat­
sächlich reicht sie weit über die Bahn des
äußersten Planeten Neptun hinaus und
bildet die so genannte Heliosphäre. So
gesehen umkreisen alle Planeten unser
Zentralgestirn innerhalb der Sonnenat­
mosphäre.
MPG
Konvektionszone
Korona
Abb. 11: Am 29. März 2006 verfinsterte der Neumond die Sonne
über Libyen. Sehr schön ist hier
der ausgedehnte Strahlenkranz
der Korona zu verfolgen. Das Bild
nahmen Miloslav Druckmüller
und Peter Aniol mit einem 400Millimeter-Teleobjektiv auf.
Ein sehr aktiver Stern
Seit Jahrhunderten dokumentieren die
Astronomen zeitweise dunkle Flecken
auf der Oberfläche. Die Sonnenflecken
wandern scheinbar über die Sonnen­
scheibe hinweg und treten oft auch in
Gruppen auf. Sie verändern sich in Größe
und Form und vergehen spätestens nach
Wochen (manchmal Monaten) wieder.
Sie treten im Allgemeinen in zwei Zonen
beiderseits des Sonnenäquators auf. Wie
die Granulation sind auch sie ein Phä­
nomen der Photosphäre. Im Extremfall
können Fleckengruppen die mehrfache
Größe der Erde überschreiten, manchmal
übertreffen sie sogar Jupiter, den größ­
ten Planeten des Sonnensystems. Solch

Abb. 12: Energiequelle im Son­
nen­­inneren ist die Proton-Proton-Reaktion, bei der vier Wasser­
stoffkerne (Protonen p) in einen
Helium-4-Kern (4He) verschmelzen. Zunächst bildet 1.5
sichmmaus
zwei kollidierenden 1.5
Protonen
mm
wobei
ein Deuteri­umkern (2H),
0.8 mm
sich eines der Protonen in ein
Neu­tron, ein Positron und ein
Neu­trino umwandelt (oben). Mit
einem weiteren Proton bildet der
2H-Kern unter Aussendung eines
Photons einen 3He-Kern (Mitte).
Stoßen zwei davon zusam­men,
ent­steht ein 4He-Kern, und zwei
Protonen werden freigesetzt.
stattliche Fleckengruppen können dann
sogar mit dem bloßen Auge in der Mor­
gen- oder Abenddämmerung als dunkle
Punkte auf der Sonnenscheibe sichtbar
werden. Dennoch sollte man auch dann
nur kurz nach der Sonne Ausschau hal­
ten, schnell geraten die Augen durch die
Strahlung in Gefahr.
Die Sonnenflecken entstehen durch
magnetische Anomalien, hier ist die Feld­
stärke gegenüber dem allgemeinen Mag­
netfeld der Sonne um mehrere Größen­
ordnungen erhöht. Dieses örtlich starke
Feld behindert den Aufstieg der heißen
Gase aus dem Sonneninneren, sodass
sich die oberflächennahen Schichten ab­
kühlen (Abb. 13). Deshalb sind die Fle­
p
2H
p
2H
Positron
3He
Gammaphoton
p
3He
3He
Neutrino
4He
p
p
cken etwa 2000 Grad Celsius kühler als
ihre Umgebung und erscheinen sie im
Vergleich zu dieser dunkel. Sieht man
sich die Sonnenflecken im Teleskop ge­
nauer an, so erkennt man, dass sie aus
einem schwarzen Kern, der Umbra und
einem helleren Rand, der Penumbra, be­
stehen. In besonders guten Aufnahmen
von Sonnenflecken lassen sich hier nach
den Magnetfeldlinien ausgerichtete Gas­
massen erkennen, die vom dunklen Zen­
trum wegströmen (Abb. 14).
Die vermeintliche Wanderung der ei­
gentlich ortsfesten Flecken erklärt sich
durch die Rotation der Sonne. Da die
Sonne ein großer Gasball ist, rotiert sie
nicht starr wie die Erde als fester Körper,
sondern differenziell: Am Äquator benö­
tigt sie für eine Umdrehung rund 25 Tage,
in Polnähe dagegen 35 Tage.
Unsere Sonne zeigt einen elfjährigen
Aktivitätszyklus, dessen Ursache noch
nicht restlos geklärt ist. Alle elf Jahre er­
reicht die Zahl der Flecken ein – zumeist
unterschiedlich hohes – Maximum, wäh­
rend im Minimum oft über Wochen oder
Monate hinweg kein einziger Fleck aus­
zumachen ist. Das letzte Maximum durch­
lief die Sonne im Jahr 2001, das nächste
Minimum wird für die zweite Jahreshälfte
2007 erwartet. Der Sonnenfleckenzyklus
hängt mit Veränderungen ihres allgemei­
nen Magnetfelds zusammen.
Zeigt die Sonne viele Flecken, so ist sie
auch sonst meist sehr aktiv: Heftige Ma­
Sterne und Weltraum August 2007 77
Abb. 13: Ein Sonnenfleck besteht
aus einem dunklen Kernbereich,
der Umbra, und seiner etwas helleren Penumbra. Die Umbra ist
bis zu 2000 Grad Celsius kühler
als die umgebende Sonnenoberfläche und erscheint im Kontrast
zu dieser schwarz.

Abb. 14: Das Swedish Solar Telescope auf den Kanaren ermöglicht durch seine adaptive Optik besonders scharfe Aufnahmen der Sonnenoberfläche. Sehr
schön lassen sich die Umbra und
Penumbra des Sonnenflecks von
etwa doppelter Erdgröße erkennen. Bei der körnigen Struktur
um den Fleck handelt es sich um
die Granulation.

Granulation

Magnetfeld
Abb. 15: Eine riesige Protuberanz
beobachtete die Sonde Soho am
14. September 1999 im Ultravioletten. Sie stieg bis in eine Höhe
von 200 000 Kilometern auf. Die
hellen Flecken auf der Oberfläche
sind Gebiete weiterer Aktivität.
Penumbra
Umbra:
3400°C
Photosphäre:
5500°C
oberste Schicht der
Konvektionszone:
100 000 °C
Flußröhren
Esa
Göran Scharmer/Kai Langhans/ISP/Royal Swedish Academy
AstroDienst
Schnitt durch einen Sonnenfleck
78 Sterne und Weltraum August 2007
ff
Die Bedeutung für unsere Erde
Beständig strömen von der Sonne gela­
dene Teilchen ins All. Die Stärke dieses
als Sonnenwind bezeichneten Teilchen­
stroms ist zeitlich variabel. Er besitzt Ge­
schwindigkeiten von bis zu 500 Kilome­
tern pro Sekunde und erreicht nach Ver­
lassen der Sonnenumgebung innerhalb
weniger Tage unsere Erde.
Starke Sonnenwinde und besonders
der Teilchenstrom der solaren Eruptionen
erzeugen die imposanten Polarlichter. Sie
entstehen, wenn die geladenen Teilchen
vom irdischen Magnetfeld zu den Polen
hingelenkt werden, wo sie in Höhen von
Hundert Kilometern und mehr mit den
dort dünn verteilten Atomen der Erdat­
mosphäre zusammenstoßen und sie zum
Leuchten anregen.
Starke Eruptionen auf der Sonne ha­
ben allerdings auch weniger harmlose
Folgen: Dies reicht von der Störung des
internationalen Funkverkehrs über den
Orientierungsverlust wandernder Tiere
und Zugvögel bis hin zur Schädigung
der Elektronik von Satelliten und erd­
gestützten Anlagen. So sorgte im Jahre
1989 in der kanadischen Provinz Quebec
ein weiträumiger Stromausfall für Aufse­
hen. Durch den Aufprall des stark erhöh­
ten Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld
wird dieses zusammengeschoben und
verdichtet, sodass seine Intensität lokal
stark ansteigen kann. Dadurch können in
Stromleitungen und anderen elektrischen
Anlagen starke Störspannungen indu­
ziert werden, welche zur Abschaltung
der Netze führen. Diese oft sprunghaften
Veränderungen des Erdmagnetfelds wer­
den auch als »geomagnetische Stürme«
bezeichnet.
Daher gewinnt die permanente Beob­
achtung der solaren Teilchenströme so­
wie ihrer Wechselwirkung mit der Erde
und ihrer Magnetosphäre zunehmend
an Bedeutung. Zu diesem Zweck startete
die Esa im Jahre 2000 die vier Satelliten
des Projekts Cluster-II, welche die Erde
auf verschiedenen Bahnen umrunden.
Zudem wird ein verbessertes Vorwarn­
system für dieses »Weltraumwetter« an­
gestrebt, das beginnende starke Sonnen­
aktivitäten erkennt und möglichst auch
vorhersagen kann. Mit den neuen Missio­
nen Hinode und Stereo möchte man
hierzu auf den mit Soho und Cluster-II
erzielten Erfolgen aufbauen.
Die uns im Alltag ruhig erscheinende
Sonne ist mit ihrer lebensspendenden En­
ergie von unabdingbarer Wichtigkeit für
die Erde. In Verbindung mit einem geeig­
neten Abstand schuf sie klimatisch güns­
tige Bedingungen auf dem Blauen Pla­
neten.
Sie spendete schon vor mehr als 3.8
Milliarden Jahren den ersten Einzellern
in den Urmeeren reichlich Licht für die
Photosynthese und beeinflusste maßgeb­
lich die weitere Entwicklung der Erdat­
mosphäre und des Lebens. Die Überres­
te vergangenen Lebens wandelten sich
teilweise in fossile Brennstoffe um – eine
Form von gespeicherter Sonnenenergie,
Esa
Leben und Erdklima

terie- und Strahlungsausbrüche brechen
aus ihrer Oberfläche hervor. Sie stehen
vielfach auch in direkter Verbindung mit
den Flecken und den dortigen, extrem
verstärkten Magnetfeldern. So verwun­
dert es nicht, dass die im sichtbaren Licht
dunkel erscheinenden Flecken auf den
Aufnahmen von Raumsonden wie Soho,
Stereo oder Hinode im sehr energierei­
chen Ultraviolett- und Röntgenbereich
aufgrund ihrer hohen Strahlungsintensi­
tät auffallend hell hervortreten.
Die beobachteten Phänomene sind
ausgesprochen spektakulär. Bei einem
gewaltigen Materieausbruch in Gestalt ei­
ner so genannten Protuberanz lösen sich
aus der Chromosphäre heiße Gasmassen,
die mit einigen Hundert Kilometern pro
Sekunde Zehntausende bis Hunderttau­
sende von Kilometern oder noch höher
aufsteigen. Sie folgen oft in Strömen ent­
lang von Magnetfeldlinien. In der Folge
können sie sich entweder vollständig von
der Oberfläche lösen oder fallen wieder
auf die Sonne zurück (Abb. 15).
Bei einer in der Chromosphäre statt­
findenden Eruption (auch englisch »Flare«
genannt) hingegen, die zwischen einer
Minute und einer Stunde dauern kann,
werden Plasmawolken mit Geschwindig­
keiten von rund 1500 Kilometern pro Se­
kunde ausgestoßen. Sie erreichen die Erde
typischerweise nach etwa einem Tag und
lösen dort unter anderem Polarlichter aus
(s.u.).
Zugleich wird bei einem Flare Strah­
lung im gesamten elektromagnetischen
Spektrum freigesetzt. Besonders auffällig
ist hierbei die intensive, sehr energiereiche
Ultraviolett- und Röntgenstrahlung. Bil­
der der Sonde Soho zeigten, dass nach ei­
ner Flare-Eruption regelrechte Sonnenbe­
ben auftreten, sodass sich mit der solaren
Seismik ein neues Forschungsfeld auftat
(Abb. 16).
Außerdem erkannte man, dass unser
Stern auch im Fleckenminimum recht
aktiv ist. Soho enthüllte schnelle, ausge­
dehnte koronale Materieauswürfe. Die
dreidimensionale Erfassung dieser Phä­
nomene wie auch der gesamten sehr dy­
namischen Korona ist eine der Hauptauf­
gaben der beiden neuen Stereo-Sonden.
Ihre Daten sollen die hier wirksamen,
aber noch nicht in allen Details verstan­
denen Auswurfmechanismen erklären.
Abb. 16: Eine Stoßwelle breitet
sich am 9. Juli 1996 nach einem
Flare auf der Sonnenoberfläche
mit hoher Geschwindigkeit bis
in eine Entfernung von 100 000
Kilometern zum Eruptionsort aus
und wurde mit der Sonnensonde
Soho beobachtet.
Sterne und Weltraum August 2007 79
Merkur
0.38 AE
Venus
0.72 AE
Erde
1 AE

Sonne
Abb. 17: Der Tod der Sonne in
etwa sieben Milliarden Jahren
wird unser Planetensystem drastisch verändern. Zunächst wird
Merkur von der sich ausdehnenden Sonne verschluckt, dann
folgt Venus, wenn die Sonne Helium im Kern verbrennt. Am Ende
bleibt von ihr nur ein Weißer
Zwerg zurück.

heute
Abb. 18: Die abgeworfenen Gashüllen eines ehemaligen Roten
Riesen werden durch die starke
Ultraviolettstrahlung des Weißen
Zwergs für einige wenige zehntausend Jahre zum Leuchten angeregt. Danach haben sich die
Gasschwaden so weit verflüch­
tigt, dass sie unsichtbar werden.
Das Bild zeigt den 600 Lichtjahre
von uns entfernten Helixnebel
NGC 7293 im Sternbild Wassermann und wurde mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen.
Mars
1.52 AE
in 6.5 Milliarden Jahren
Roter Riese
Venus
0.93 AE
Erde
1.17 AE
Mars
1.85 AE
in 6.7 Milliarden Jahren
Riese auf dem asymptotischen Ast
Erde
1.61 AE
Mars
2.46 AE
SuW/Reinhold Henkel
in 7 Milliarden Jahren
Weißer Zwerg
die wir heute für die Energieerzeugung
nutzen. Zusätzlich erhält die direkte Nut­
zung von Solarenergie in Gestalt von So­
larzellen und -kollektoren zunehmende
Bedeutung.
Die Sonnenstrahlung treibt die Wetterund Klimamaschine der Erde an. In den
tropischen und subtropischen Breiten
wird dabei mehr Energie ins Klimasystem
gepumpt, als wieder ins All durch Ab­
strahlung entweicht, es besteht ein Strah­
lungsüberschuss. In höheren Breiten ist
es umgekehrt, dort herrscht ein Strah­
lungsdefizit. Durch die unterschiedliche
Erwärmung kommen in Verbindung mit
der Erdrotation Luftströme in Gang, die
das Wetter und Klima prägen (siehe SuW
2/2007, S. 70). Das Klimasystem ist durch
überaus komplizierte Wechselwirkungen
zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen
als Wärmespeichern, den Landflächen,
den polaren Eismassen und der Biosphäre
geprägt. Daher sind nach wie vor auch die
besten Modellrechnungen für die Klima­
entwicklung mit großen Unsicherheits­
faktoren behaftet.
Etwa alle 100 000 Jahre kam es in den
letzten sechs Millionen Jahren zu gro­ßen
Klimaschwankungen, den Eiszeiten. In
diesem zeitlichen Rhythmus ver­formt
sich die Erdbahn um die Sonne von ei­
ner kreisförmigeren hin zu einer ellip­
tischeren, was zu einer veränderten Son­
neneinstrahlung und damit zu einem
Eingriff ins Klimageschehen führt. Diese
Eiszeitzyklen wurden nach ihrem Ent­
decker Milutin Milankovic̆ (1879 – 1958)
benannt, der sie Anfang des 20. Jahrhun­
derts erstmals beschrieb.
80 Sterne und Weltraum August 2007
Erde
1.61 AE
Mars
2.46 AE
Es werden jedoch auch kurzzeitigere
Klimaveränderungen durch die Sonne
ausgelöst. Die Analyse von Bohrkernen
aus polaren Eispanzern und Tiefseebö­
den deutet darauf hin, dass in der Ver­
gangenheit Klimaschwankungen mit un­
terschiedlich intensiver Sonnenaktivität
recht deutlich miteinander einhergingen.
Ein anschauliches Beispiel ist möglicher­
weise die »Kleine Eiszeit« etwa von 1645
bis 1715, als Europa unter besonders lan­
gen und kalten Wintern litt. Denn genau
in diesem Zeitraum fielen die elfjährigen
Sonnenfleckenmaxima auffallend niedrig
aus. Da wenige Sonnenflecken zugleich
eine insgesamt geringere Sonnenaktivi­
tät bedeuten, erhielt die Erde zu jener Zeit
wenngleich auch nur minimal weniger
Strahlung von der Sonne.
Die Auswirkungen der Kleinen Eiszeit
mit kühlem Klima bis etwa 1850 lassen
sich besonders gut in den Hochgebirgen
ausmachen. Durch die geringeren Tem­
peraturen und hohen Niederschlagsmen­
gen lagerten sich dort große Mengen an
Schnee in der Höhe ab und ließen dadurch
die Gletscher wachsen. Sie reagierten ver­
zögert auf die neuen Bedingungen und
stießen – manchmal um mehrere Kilome­
ter – in die Täler vor und zerstörten Wäl­
der, Ackerflächen und Siedlungsgebiete.
Der Höchststand der Gletscher wurde um
1850 erreicht. Damals waren beispiels­
weise die Eismassen in den Alpen so lang
und mächtig wie nie zuvor in den letzten
10 000 Jahren seit der letzten großen Eis­
zeit. Es wäre daher kein Fehler, der leicht
variablen Sonne etwas mehr Raum in den
Klimamodellen einzuräumen.
Die Erde im Sonnenfeuer
Unsere Sonne hat inzwischen knapp die
Hälfte ihres Lebens erreicht. In etwa sechs
Milliarden Jahren wird in ihrem Kern die
Weitere Informationen:
[1] Joachim Biefang: Farbiger Jahresausklang – Der Polarlichtsturm vom
14. Dezember 2006, SuW 3/2007, S.
70
[2] Reinhold Müller-Mellin: Die Sonne
in 3-D, Astronomie Heute 4/2007,
S. 22
[3] SuW Special 4/1999: Sonne – Der
Stern in unserer Nähe. Spektrum
der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg 1999. ISBN 3-87973-503-4
[4] Yemane Asmerom et al., Solar forcing of Holocene climate, Geology,
1/2007, S. 1–4.
[5] Informationen über die Sonnenobservatorien auf Teneriffa und auf
dem Schauinsland im Schwarzwald:
www.kis.uni-freiburg.de
Weblinks zu diesem Thema finden
Sie unter www.suw–online.de/artikel/
893401
Wissen
Nasa/Noao/Esa/M. Meixner/ T.A. Rector
was heute wichtig ist
Wasserstofffusion erlöschen. Sie breitet
sich stattdessen in einer Kugelschale um
den dann toten, aus Helium bestehen­
den Kern aus. Dabei werden die äußeren
Schichten der Sonne stark aufgebläht und
unser Stern entwickelt sich zu einem Ro­
ten Riesen, der unsere inneren Nachbar­
planeten Merkur und Venus verschluckt
(Abb. 17).
Auf der Erde wird die Temperatur ört­
lich auf rund 1000 Grad Celsius ansteigen,
die Ozeane verdampfen und entweichen
mitsamt der Atmosphäre ins All. Zurück
bleibt ein lebloser, glühender Felsenball.
In diesem Entwicklungszustand
kommt es zudem zu extrem starken
Schwankungen in der Leuchtkraft der
Sonne, sie kann größenordnungsmäßig
bis zu 1000-mal heller als heute leuchten.
Durch einen extremen Sonnenwind ver­
liert unser Zentralgestirn fast ein Drittel
seiner Masse. Dadurch wandern die Pla­
neten, deren Bahnenergie konstant ist,
weiter nach außen, sodass die Erde der to­
talen Vernichtung entgeht.
Schließlich steigen Temperatur und
Druck im Kern der Sonne derart an, dass
die Heliumkerne zu Kohlenstoff- oder
Sauerstoffkernen verschmelzen. Diese
Phase dauert etwa hundert Millionen Jah­
re. Schließlich ist alles Helium im Kern
umgewandelt, und die Heliumfusion
frisst sich ebenfalls in einer Kugelschale
nach außen. Dabei verliert die Sonne wei­
tere zehn Prozent ihrer Masse. Schließlich
erlöschen alle Fusionsreaktionen im Son­
neninneren und der extrem heiße Kern
wird freigelegt, der sich zu einem Weißen
Zwerg entwickelt. Dieser ist nur etwa so
groß wie unsere Erde, enthält aber rund
55 Prozent der Sonnenmasse und besteht
aus entartetem Kohlenstoff und Sauer­
stoff. Ein Kubikzentimeter seiner Materie
würde rund eine Tonne wiegen.
Er besitzt keine innere Energiequelle,
sondern strahlt für Milliarden von Jah­
ren die in seinem Inneren gespeicherte
Energie ab, bis er schließlich als Schwar­
zer Zwerg für immer verlischt. Für we­
nige zehntausend Jahre kann der Weiße
Zwerg die vorher ausgestoßenen Gas­
massen durch seine starke Ultraviolett­
strahlung zum Leuchten anregen, ein so
genannter Planetarischer Nebel kenn­
zeichnet den Ort des gestorbenen Sterns
(Abb. 18).
So düster dieses Szenario erscheinen
mag: Auch der Weltraum hat seine Zy­
klen vom Werden und Vergehen – sie
sind ein Teil des großen Ganzen. Und
um wieviel besser haben wir es doch als
unsere Vorfahren, die noch nicht wissen
konnten, ob ihnen die Sonne lebenslang

erhalten bleibt.
Die Redaktion von spektrumdirekt inforThilo Günter studierte
in Hamburg Physik, Astronomie und Geowissenschaften und promovierte dort in Astrophysik. Als Fachautor veröffentlicht er seit 1989
Text- und Bildbeiträge in SuW.
miert Sie schnell, fundiert und verständlich
über den Stand der Forschung.
www.spektrumdirekt.de/heute
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