Methoden - BIOspektrum

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Methoden
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Ultraschnelle Methode zur Bestimmung von
Stoffwechselstörungen bei Neugeborenen
C. D. Langhans, D. Kohlmüller, P. Feyh
Universitätsklinikum Heidelberg, Kinderklinik, Stoffwechselzentrum
Einleitung
Im Verlauf des Intermediärstoffwechsels von Aminosäuren,
Fettsäuren und Kohlenhydraten
treten eine Vielzahl saurer Zwischen- und Endprodukte auf,
die auf Grund ihrer Wasserlöslichkeit über den Harn ausgeschieden werden und in dieser
Matrix einer chemischen Analyse zugänglich sind [1].
Der Begriff „Organische Säuren“, der in diesem Zusammenhang Verwendung findet,
wird dabei als Sammelbegriff für
eine breite Klasse von Verbindungen gebraucht, die sowohl
Mono- und Dicarbonsäuren als
auch Keto- und Hydroxysäuren
beinhaltet. Auch einige stickstoffhaltige Verbindungen wie
5-Oxoprolin (Pyroglutamat) und
Aminosäure-Konjugate wie Hippursäure (Benzoylglycin) fallen
darunter.
Störungen im Intermediärstoffwechsel, die zu einem Anstau von Carbonsäuren und ihrer
vermehrten Ausscheidung im
Urin führen, werden als Organoazidopathien bezeichnet. Ursache vieler Organoazidopathien
ist ein defektes Enzym oder dessen Cofaktor. Als Folge dieser
Funktionsstörung reichert sich
ein Substrat vor dem Enzymblock an. Aus dieser unphysiologischen Konzentrationserhöhung können Sekundärmetabolite auf alternativen Stoffwechselwegen entstehen. Das
Fehlen wichtiger Primärmetabolite sowie die toxische Wirkung einiger Sekundärmetabolite manifestiert sich in einer
Reihe klinischer Symptome.
Darunter sind Wachstumsstörungen, mentale Retardierung bis hin zum Tod in den
ersten Lebensmonaten im Falle
angeborener Stoffwechselerkrankungen [2].
BIOspektrum · Sonderheft 2/02 · 8. Jahrgang
Als erste einer langen Liste
wurde 1966 die Isovalerianazidurie beim Menschen beschrieben. Auslöser war der
auffällige Geruch einer UrinProbe [3].
Einige dieser Organoazidopathien resultieren aus Störungen
des intramitochondrialen Abbaus
verzweigtkettiger Aminosäuren.
Im Fall der Propionazidurie liegt
ein Defekt der biotin-abhängigen
Propionyl-CoA-Carboxylase im
Metabolismus der Aminosäuren
Isoleucin, Methionin, Threonin
und Valin vor. Bei der Methylmalonazidurie führt ein Defekt
der adenosylcobalamin-abhängigen Methylmalonyl-CoA-Mutase zu einer massiven Ausscheidung von Methylmalonsäure und
Methylcitronensäure.
Ebenso dokumentieren sich
auch Harnstoff-Zyklus Defekte,
Fettsäure-Oxidationsstörungen
(MCAD, SCAD) sowie Störungen im Pyrimdin- und im GABA-Stoffwechsel (SSADH-Mangel) in einer vermehrten Ausscheidung bestimmter Metabolite, die als spezifische Marker
für die jeweilige Erkrankung
dienen [4].
Um ein Bild der aktuellen
Stoffwechsellage zu bekommen,
wird ein chromatographisches
Profil der organischen Säuren im
Urin erstellt [5].
Dazu werden die sauren
Komponenten aus der Urin-Matrix extrahiert [6]. Es stehen verschiedene Methoden wie Ionenaustausch- oder Adsorptionschromatographie zur Verfügung, doch für den Routine-Betrieb hat sich die Flüssig-Flüssig-Verteilung unter sauren Bedingungen mit Ethylacetat oder
Diethylether als sehr effektiv erwiesen. Vorhandene Oxosäuren
und andere Carbonyl-Verbindungen werden vor der Extraktion zu Oxim-Derivaten umgesetzt [7]. Diese haben den Vorteil,
dass sie die in einem Keto-EnolGleichgewicht vorliegenden
Oxosäuren in ein definiertes Derivat überführen und somit die
Analytik erleichtern.
Nach der Extraktion muss die
polare Säure-Fraktion weiter derivatisiert werden, um für die
Gaschromatographie leichter
verdampfbar zu werden. Weit
verbreitet sind TrimethylsilylDerivate (TMS-Derivate), die
ohne großen Aufwand gebildet
werden können. Allerdings entstehen bei einigen Verbindungen wie den Acylglycinen neben
den Mono- auch Di-TMS-Produkte, was bei der quantitativen
Auswertung Probleme bereiten
kann. In diesem Fall sind Methylester besser geeignet [6].
Für die weitere Analyse der
derivatisierten Extrakte ist die
Kopplung der Gaschromatographie mit der Massenspektrometrie die Methode der Wahl.
Mit Hilfe der modernen Kapillarsäulen-Technik wird bereits eine weitgehende Tren-
Abb. 1: Totalionenstromchromatogramm der Organischen Säure-Fraktion des Urins eines Patienten mit
Propionazidurie
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nung des komplexen Urin-Extraktes erreicht. Eine Identifizierung der einzelnen
Bestandteile allein auf der Basis der Retentionszeiten ist allerdings nicht empfehlenswert, da einige Komponenten wie z.B. 2- und
3-Hydroxyglutarsäure coeluiert werden. Erst
der Einsatz der Massenspektrometrie als
effizienter Detektor erlaubt eine sichere
Peakzuordnung, auch von Verbindungen,
deren gaschromatographische Trennung
schwierig ist.
Bei den üblicherweise verwendeten 30 m
Fused-Silica Kapillarsäulen mit 0.25 – 0.32
mm Innendurchmesser und einer Filmbe-
+
+
NH 3
Valin
NH 3
Isoleucin
-
COO
-
COO
O
O
2-Oxo-Isovalerat
2-Oxo-3-Methyl-Valerat
-
COO
-
COO
O
O
SCoA
Isobutyryl-CoA
2-Methyl-butyryl-CoA
SCoA
O
O
Methacrylyl-CoA
OH
2-Methyl-3-OH-Butyryl-CoA
SCoA
OH
SCoA
O
3-OH-Isobutyryl-CoA
3-OH-Isobutyrat
Tiglyl-CoA
SCoA
O
2-Methyl-3-Oxo-Butyryl-CoA
-
O
Methylmalonyl-semialdehyd
O
OH
O
SCoA
O
O
SCoA
O
-
O
O
Propionyl-CoA
Propionylglycin
SCoA
Propionyl-CoACarboxylase
3-OH-Propionsäure
O
-
Methylmalonyl-CoA
Methylcitrat
OOC
SCoA
Propionsäure
Succinyl-CoA
O
-
OOC
SCoA
Citrat-Zyklus
4-Aminobutyrat
(GABA)
-
OOC
NH 3
-
OOC
CHO
+
Transaminase
Succinat-Semialdehyd
SuccinatsemialdehydDehydrogenase
4-Hydroxybutyrat
Succinat
-
OOC
-
OOC
OH
-
COO
Abb. 2: Schema des Stoffwechselweges der verzweigtkettigen Aminosäuren Valin und Isoleucin sowie
des Neurotransmitters 4-Aminobuttersäure (GABA)
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deutung ist in diesem Fall die
chromatographische Abtrennung der 4-Hydroxybuttersäure
vom benachbart eluierenden
Harnstoff-diTMS. Dies unterstreicht die Effizienz der analytischen Methode.
Literatur
[1] M. Spiteller, G. Spiteller. J. Chromatography 164 (1979) 253 – 317.
[2] J. Zschocke, G.F. Hoffmann.
“Vademecum Metabolicum – Diagnose
und Therapie erblicher Stoffwechselkrankheiten“, Milupa – Schattauer,
Stuttgart, 2. Auflg. 1999.
[3] K. Tanaka, M.A. Budd, M.L.
Efron, K.J. Isselbacher. Proc. Natl.
Acad. Sci. USA 56 (1966) 236.
[4] S. I. Goodman, S.P. Markey.
„Diagnosis of organic acidemias by gas
chromatography- mass spectrometry“,
Alan Liss, New York, 1981.
Abb. 3: Totalionenstromchromatogramm der Organischen Säure-Fraktion des Urins eines Patienten
mit SSADH-Mangel
legung von 0.25 – 1.5 µm sind
Analysenzeiten von 50 – 60 Minuten für die Aufnahme eines
Säureprofils üblich [8].
Durch die Entwicklung der
Fast-GC-Methodik [9], d. h. kurzen Dünnfilm-Trennsäulen mit
kleinen Innendurchmessern
(< 0.1 mm) ist eine deutliche
Verkürzung der Analysenzeiten
auf 4 Minuten ohne Einbuße an
chromatographischer Auflösung
möglich. In Verbindung mit den
schnellen Scan-Raten der Timeof-flight (ToF) Massenspektrometrie wird die GC-ToF-Kopplung zu einem effizienten Analysensystem, das im Routine-Betrieb im Bereich der Organischen-Säure-Analytik eine
schnelle und sichere DiagnosenStellung erlaubt.
Experimenteller Teil
Probenvorbereitung
Das einem Kreatinin-Gehalt von
1µmol entsprechende Urin-Volumen wird mit D4-4-Nitrophenol und 2-Oxocapronsäure als
Innere Standards versetzt und
mit 0.5n H2SO4 angesäuert. Zur
Oximierung wird Pentafluorbenzylhydroxylamin (PFBHA)
zugesetzt und eine Stunde bei
Raumtemperatur oximiert und
die Reaktionsmischung mit
Ethylacetat extrahiert. Der über
Na2SO4 getrocknete Extrakt
wird nach Verdampfen des Lösungsmittels mit N-Methyl-NTrimethylsilyl-Heptafluorbutyramid (MSHFBA) silyliert.
GCMS-Bedingungen
Alle Trennungen werden auf einer unpolaren 5% Phenyl Dimethylpolysiloxan-Phase (BPX5MS, SGE) mit 7,5 m × 0,1 mm
und 0,1 µm Filmdicke durchgeführt. Die Ofentemperatur wird
von 50 °C mit 55°/min auf 280 °C
erhöht (TRACE GC 2000, ThermoFinnigan). Die Injektortemperatur beträgt 290 °C. Als Trägergas wird Helium verwendet.
Die Datenaufnahme mit dem
To F - M a s s e n s p e k t r o m e t e r
(TEMPUS, ThermoFinnigan)
erfolgt mit 20 scans pro Sekunde.
Diskussion
In Abb. 1 ist das chromatographische Profil der Organischen Säuren im Urin eines Patienten mit
einer Propionacidurie dargestellt. Charakteristisch für dieses
Krankheitsbild ist die vermehr-
te Ausscheidung von Methylcitronensäure, 3-Hydroxy-Propionsäure,
3-Hydroxy-Valeriansäure, Propionylglycin und
Tiglylglycin. Eine schematische
Darstellung des Stoffwechsels
von Valin und Isoleucin ist in
Abb. 2 gezeigt. Die inhibitorische
Wirkung des akkumulierten Propionyl-CoA auf das Glycin-Cleavage-Enzym führt zu einer Anreicherung von Glycin und erklärt das Auftreten von Propionylglycin und Tiglylglycin im
Harn des Patienten. Im Chromatogramm treten diese beiden
pathologischen Metabolite als
Mono- und Di-TMS-Derivate
auf.
In Abb. 3 ist das charakteristische Chromatogramm eines
SSADH-Mangels (4-Hydroxybutyracidurie) dargestellt. Ein
Mangel an dem Enzym Succinatsemialdehyd-Dehydrogenase
führt dazu, dass der Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA) zu 4-Hydroxybuttersäure
verstoffwechselt wird anstatt zu
Bernsteinsäure (s. Abb. 2). Als
weitere Metabolite können 3,4Dihydroxybuttersäure,
4,5Dihydroxycapronsäure sowie
dessen Lakton vorkommen. Für
die Diagnosenstellung von Be-
[5] H. Böhles, G. Hoffmann, D.
Kohlmüller, E. Mayatepek, A.
Sewell, L. Wagner. „Befunde des
metabolischen Labors – Darstellung typischer Laborbefunde bei der Diagnostik
angeborener Stoffwechselerkrankungen“
SHS Gesellschaft für klinische Ernährung
mbH, Heilbronn 1999.
[6] L. Sweetman, „Organic acid
analysis” in: F.A. Hommes (ed.).
„Techniques in Diagnostic Human Biochemical Genetics: A Laboratory Manual”
p. 143 – 176, Wiley-Liss, New York 1991.
[7] G. F. Hoffmann, S. Aramaki, E.
Blum-Hoffmann, W.L. Nyhan, L.
Sweetman. Clin. Chem. 35 (1989) 587 –
595.
[8] W. Meier-Augenstein, G.F. Hoffmann, B. Holmes, J.L. Jones, W.L.
Nyhan, L. Sweetman. J. Chromato-
graphy 615 (1993) 127-135.
[9] R. Sacks, H. Smith, M. Nowak.
Anal. Chem. 70 (1998) 29A – 37A.
Korrespondenzadressen:
Dr. C. D. Langhans
Dr. D. Kohlmüller
P. Feyh
Universitätsklinikum Heidelberg
Kinderklinik, Stoffwechselzentrum
Im Neuenheimer Feld 150
D-69120 Heidelberg
Thermo Finnigan GmbH
Dr. H. Kandewitz
Boschring 12
D-63329 Egelsbach
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