Vorlesungsmitschrift Psychosomatik SS 1999 Psychogene Erkrankung / Tress Grundlagen (Krankheitsmodelle, Therapieverfahren) / Franz Psychosomatik körperlicher und chronischer Erkrankungen / Alberti Somatoforme Störungen / Kruse Hysterie und Konversion / Franz Psychosomatosen / Wöller Psychotherapie – Methoden und Ergebnisse / Ott Angsterkrankungen / Reister Depression und suizidales Verhalten / Tress Zwangserkrankungen / Hartkamp Zwang / Phobien WS 1998/99 / Tress Eßstörungen / Franz Anhang WS 98/99: Borderline – Störungen Narzißmus Psychosomatik Vorlesung 06.04.99 Prof. Tress PSYCHOGENE ERKRANKUNG Psychogene Erkrankung = Normabweichungen des inneren und äußeren Verhaltens und/oder körperlicher Funktionen und Strukturen, die in einem ätiologischen Sinne ganz wesentlich aus den vergangenen und aktuellen psychosozialen Lebensumständen einer Person erwachsen, vermittelt über psychische Prozesse und deren körperliche Korrelate (Zwischenhirn/Hippocampus): Psychoneurosen Persönlichkeitsstörungen Psychosomatische Erkrankungen Erscheinungsdimensionen psychogener Erkrankungen • • • - körperlich: Müdigkeit, Schwäche, Schweiß, Schmerzen, Funktionsstörungen (z.B. im GIT) è Psychosomatische Störungen seelisch: Angst, Depression, Zwänge, Suizidimpulse è Psychoneurosen Charakteristisches zwischenmenschliches Verhalten: Eifersucht, Aggressivität, Lügen, Streitsucht, Rechthaberei, chron. Partnerschaftsstörungen, sexuelle Verhaltensabweichungen, Sucht è Persönlichkeitsstörungen Frauen > Männer kein Einfluß der politisch - historischen Gesamtsituation während der Kindheit Unterschicht > Mittel- und Oberschicht Fälle > kritische negative Lebensereignisse > Nichtfälle Def. : Seelische Gesundheit (Sigmund Freud) = Lieben, Genießen, Leisten Der Beeinträchtigungs-Score (BSS) → erlaubt die Einschätzung der psychogenen Beeinträchtigung auf 3 Subskalen • • • körperlich psychisch sozialkommunikativ Range 0 – 12, Fallschwelle ≥ 5 Ute Laber je 0 – 4 Punkte 0 = keine Beeinträchtigung 1= 2 = Hausarzt 3 = Facharzt 4 = Klinikeinweisung 2 Psychosomatik Vorlesung Systematische Nosologie der psychogenen Erkrankungen maßgeblich psychosozial beeinflußt somatisch somatoform Herzneurose FOB/FUB Schmerzen psychisch sozial-kommunikativ organdestruierend Asthma bronchiale Neurodermitis ess. Hypertonie Dysthenie Angsterkrankungen PTSD(=post-traumated- Suchterkrankungen Borderline-Pers.störungen sex. Deviationen stress-disease) psychosomatisch psychoneurotisch charakterneurotisch Syndrom – shift: Patienten wechseln im Laufe der Zeit die Symptomklassen /Erkrankung . (Angststörung → Sucht) Positive Prognose: Ehe, keine Scheidung, harmonische Partnerschaft schwächere Symptomatik soziale Attraktivität und Kompetenz wenig Konflikte unbelastete Frühkindheit, als Kinder seelisch gesund Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Gegenstand des Faches : pychogene Erkrankungen Behandlungsmethode : Psychotherapie Fachärztliches Gebiet: Psychotherapeutische Medizin Erkennung, psychotherapeutische Behandlung, Prävention und Rehabilitation psychogener Erkrankungen. = Bio-psycho-soziale Gesamtschau Ute Laber 3 Psychosomatik Vorlesung 13.04.99 Dr. Franz Grundlagen (Krankheitsmodelle, Therapieverfahren) 30 – 40% der Varianz der psychogenen Erkrankung ist genetisch bedingt, 60 – 70% psychosozial. Ätiopathogenese der psychogenen Erkrankung im Zeitablauf Präventive salutogene Faktoren Genetische Ausstattung Pathogene Faktoren intrauterine Störfaktoren Geburt fördernde und/oder kompensatorische Einflüsse Persönlichkeits- perinatale Risiken 1.-6.Lj: intrafamiliäre pathogene Umwelt entwicklung Coping, Erfolge, Befriedigung in Leistung und/oder außerfamiliären Kontakten social support (Wertschätzung, Freundschaften) 7.-18.Lj: inner- und außerfamiliäre Umwelt (Schule, Sozietät) Weichenstellung fehlender social support (Vulnerabilität) VVS/LE Symptomausbruch Coping ggf. Symptompersistenz Therapie (=Versuchungs-Versagens-Situation) z.B.Sex, Beziehungen, Auszug aus dem Elternhaus chronifizierende Faktoren (sozial, psychologisch, medizinisch) Psychogene Erkrankungen sind Beziehungserkrankungen! Es handelt sich um klinisch relevante Anpassungsstörungen als Ausdruck einer konflikthaft situationsbezogenen und persönlichkeitsspezifischen Erlebnisverarbeitung. In Entstehung und Auslösung sind die psychogenen Erkrankungen auf die psychosoziale Biographie des jeweiligen Individuums bezogen. Ute Laber 4 Psychosomatik Vorlesung Tiefenpsychologische Gesichtspunkte - Residuen traumatischer, infantiler Interaktionserfahrungen interaktionelle Genese Abwehrfunktion, Aufrechterhaltung einer suboptimalen Anpassung Affektäquivalent bzw. Konfliktchiffre archaisch – vorsprachliche Symbolisierung, kommunikative Funktion beeinflußbar im Rahmen einer psychotherapeutischen Beziehung häufig Selbstwert-, Beziehung- und sexuelle Triebkonflikte Jedes psychogene Symptom ist ein Versuch, sich selbst zu stabilisieren = Hilferuf ! Systematische Nosologie der psychogenen Erkrankungen psychogen Ätiologie Symptome Dg somatisch psychisch funktionell strukturell chron. Schmerzen Duodenalulcus Depressionen psychogene Paresen Colitis ulcerosa Zwangsneurosen Anfälle Hyperthyreose Phobien sexuelle Fkt.störung Neurodermitis Organbeschwerden Asthma bronchiale ess. Hypertonie rheumat. Polyarthritis sozial-kommunikativ Eßstörungen Suchterkrankungen Borderline – Störungen sex. Deviationen (= „holy seven“ ) Kategorien psycho - somatisch psycho – neurotisch charakter - neurotisch Psychosomatische Modellvorstellungen - Streßmodell, lerntheoretische Modelle psychophysiologische Modelle entwicklungspsychologische Modelle (Freud) neuropsychologischer Ansatz psycho – neuro – immunologisches Modell Bindungsforschung epidemiologische Befunde Ute Laber 5 Psychosomatik Vorlesung Streß – Adaptations – Modell (Darwin) Darwin (1859) Selektionsdruck, streßinduzierte verminderte Reproduktionsrate, survival of the fitest Bernard (1865) mechanische Theorie, Dekompensation protektiver Faktoren aufgrund äußerer Belastungen, Störungen des inneren Milieus Cannon (1914) Homöostase (Freud bezieht sich auf die Homöostase), Streßbegriff, auch emotional qualifizierte Rolle der Katecholamine, „fight or flight“, Notfallreaktion Selye (1936) Begründer der modernen Streßtheorie, pathogene Wirkung von Streßbelastungen, allgemeines Adaptationssyndrom (1946), Streß = unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Belastung (1971), Eustreß (konstruktiv) /Dystreß (aversiv) (1974) Streß – Adaptations – Modell Psychologische Streßreaktion nach Selye (1946) Neuroendokrinologische Reaktionsschablone auf physikalische und psychosoziale Dauerbelastung Sympathikotonus, Katecholamine, ACTH, Glucocortikoide Glucose-Utilisation ↑, Insulin ↑, Sensibilisierung der Gefäßmuskulatur, Schilddrüse, Sexualität ↓ Hypertonus, Suppression von Reproduktion, Wachstum ↓, Immunabwehrfunktion ↓ Alarmphase------------------------------> Adaptation---------------------------> Erschöpfung - - - -> Exitus letalis ↓ ↓ Distreß: neg. Wertigkeit Trias: Thymusatrophie (Abwehr ↓) Chronizität NN-Hypertrophie (Cortison↑) Kontrollverlust (keine Einflußmöglichkeit) Magenulcera Objektverlust (Beziehungsperson für das eigene Wertempfinden) Ute Laber 6 Psychosomatik Vorlesung Psychovegetative Modellvorstellung Konzept der Konfliktspezifität nach Alexander (1961) Konflikt Rivalität Abhängigkeit (positive Abhängigkeitswünsche z.B. Liebespaar) aggressiv passiv Dauererregung Dauererregung Sympathikus Parasympathikus Blockade Blockade Kampf/Flucht Versorgung Neuroendokrinum dauerhafte Selye-Reaktion Hypertonus Migräne Asthma bronchiale Ulcus duodeni Affektgesteuertes Willkürverhalten, Ausdrucksinnervation und Vegetativum sind immer gleichzeitig vorhanden, wenn ein Konflikt angesprochen wird. Entwicklungspsychologisches Modell Triebtheoretisches Konversionsmodell nach Freud (1926) Konversion = psychische Symptomatik, die in ein körperliches Ausdruckssymptom umgeformt wird soziale Aktualisierung / VVS unbewußter,ödipaler, sexueller Konflikt---------------> über Triebwunsch <--------------------------- Triebe, zeitlos, keine Kausalität, Lustprinzip Unbewußtes Signalangst Symptom, teilbefriedigender Kompromiß aus sexuellem Triebwunsch und Abwehr, Triebkontrolle Ute Laber Über-Ich, internalisierte Normen, Elternbilder Ich, Abwehrorganisation, Angstbewältigung Regression der Realitätsbewältigung (ödipale, anale, orale Fixierung) 7 Psychosomatik Vorlesung Konzept der De-/Resomatisierung Zweizeitige Symptomentstehung nach Schur (1955) (1) Körper-Ich des Säuglings geringe Möglichkeit der intrapsychischen Affektsymbolisierung, extreme LustUnlust-Spannungen, reale Angewiesenheit auf empathiefähiges Primärobjekt. ( => Erleben einer respondiblen Mutter – Kind – Beziehung = Respondiv) SG erlebt a) Ausdrucksmöglichkeit b) Verstanden zu werden Körpersymptom ist identisch mit Affekt keine Möglichkeit des Ausdrucks mit Sprache (2) direkte somatische Affektabwehr zunehmende Reifung Desomatisierung Affektdifferenzierung intrapsych. Verarbeitung ↑ (3) Resomatisierung Regression Konflikt differenzierte Affektsymbolisierung Erwachsenen – Ich adaptives Verhalten, Versprachlichung, Frustrationstoleranz Psychosomatische Patienten können das nicht ! Neuro – psychologische Modellvorstellung Untersuchung durchgeführt an split – brain – Patienten. (Durchtrennung des Corpus callosum bei extremer Epilepsie) Funktionelle Hemisphärenspezialisierung wichtig für Alexithyme: können nicht über Gefühle sprechen wichtig für PTSD: Konzentration↓, schwerste Angstzustände, Alpträume, emotionale Erstarrung Zwei komplementäre Strategien zur Erfassung relevanter Ereignisketten. intuitive, gestalthaft – synoptische Erfassung und Reizbewertung, ganzheitliche Mustererkennung re Hemisphäre li Hemisphäre Affektsignal Sprachbewußtsein sequenzanalytische Erfassung der kausal-logischen Bedingungsstruktur Ute Laber 8 Psychosomatik Vorlesung Faserverbindung des Corpus callosum bei Frauen dichter als bei Männern! Der Psycho – neuro – humorale Ansatz Es existieren enge humorale funktionelle strukturelle Verbindungen zwischen ZNS und Immunsystem. è diese unterliegen psychosozialen Einflüssen. (Die Synapsendichte steigt, wenn Ratten nach der Geburt gestreichelt werden) Kommunikation: ZNS ↔ Immunsystem Rattenversuch : niedrige soziale Partizipation (Außenseiter) hat niedrige Immunparameter 150.000 Benzodiazepin – Rezeptoren auf jedem Makrophagen Inhibierung der Synthese von IL-1 und TNF „ Die Seele unterhält sich mit dem Immunsystem!“ Axon Lymphoyzyt è intime synaptische Verbindung zwischen vegetativen Nerven und lymphatischem Gewebe Bindungsforschung: - Herstellung von Nähe zu Bindungsfigur bei Streß /Bedrohung Objektidentifizierung, Affektidentifizierung Bindungsformen: sicher – ambivalent - vermeidend Ute Laber 9 Psychosomatik Vorlesung 20.04.99 Dr. Alberti Psychosomatik körperlicher und chronischer Erkrankungen Sekundär psychosomatische Erkrankungen (1) Es muß eine organisch verursachte Grunderkrankung vorliegen. (2) Diese Grunderkrankung muß von gravierender Schwere und Dauer sein oder sie muß gravierende und alternierende therapeutische Maßnahmen nach sich ziehen. (3) Die sekundäre psychogene Erkrankung muß in Symptomwahl und Verlauf in einer nachvollziehbaren Beziehung zur Grunderkrankung stehen. 3 Gruppen von Patienten: • • • Patienten, die die psychische Erkrankung auch psychisch erleben ð therapeutisch am besten zugänglich Patienten, die die psychische Erkrankung somatisch erleben ð therapeutisch schwierig zugänglich Patienten, die durch ihre primär organische Erkrankung psychische Probleme bekommen Ideal - Selbst Wohlbefinden Sicherheit Real - Selbst Real – Selbst = Einschätzung von sich selbst ( entspricht bei nicht gestörten Personen in der Regel der Einschätzung der Umgebung) Ideal – Selbst: Abstand zwischen Real - und Ideal – Selbst ist in der Regel genau so groß, daß die Spannung noch ausgehalten werden kann → innerer Ansporn Wenn die Beziehung zwischen Ideal - und Real – Selbst zusammenbricht è narzißtische Krise Unterschiede im Idealbild: Idealbild: Athlet → Beinverlust => tiefe Krise Idealbild: Intellektueller → Beinverlust => nicht ganz so tiefe Krise Ute Laber 10 Psychosomatik Vorlesung Biopsychosoziales Bedingungsgefüge Biologische Faktoren wirken verlaufsbeeinflussend Biologisch-genetische Faktoren wirken mitbedingend Biologische Faktoren sind Folge der Erkrankung Individuelle Erkrankung Psychosoziale Faktoren sind mitbedingend Psychosoziale Faktoren sind Folge der Erkrankung Psychosoziale Faktoren wirken verlaufsbeeinflussend Stufenprogramm psychosozialer – psychotherapeutischer Behandlungsschritte bei körperlichen Erkrankungen Indikation Art der Therapie Auseinandersetzung mit der Erkrankung und ihren Auswirkungen Information und ärztliches Gespräch soziale Unterstützung Selbsthilfegruppen Krankheitsbewältigung Gruppentherapie mit Bewältigungstraining Seelische Störungen Stützende Psychotherapie, unterschiedliche Fachpsychotherapie Psychogenese = psychologische Grundlage organischer Erkrankung (Krebs) → nicht bewiesen, das Gegenteil aber auch nicht ! „Alles macht krank, wenn man daran glaubt !“ Es gibt keine optimale Bewältigungsstrategie für eine chronische Erkrankung. Die Strategien wechseln je nach Patient und auch bei Patienten in verschiedenen Krankheitsphasen. Ute Laber 11 Psychosomatik Vorlesung Phasen der Krebserkrankung Prädiagnostische Phase: Diagnosemitteilung: Initialphase der Erkrankung : Chronizität: Terminale Phase: Patient spürt etwas => „Soll ich zum Arzt gehen ?“ wenn ja: Gefahr des Hoffnungsverlustes wenn nein: Bestehen der Unsicherheit Verleugnung Patient muß seine Hoffnung aufgeben Hoffnungslosigkeit Hoffnungslosigkeit erfährt Bewältigung Aggressivität gegenüber helfenden Berufen 20 – 50% der Patienten haben Depressionen nach Krebs die Suizidneigung ist gegenüber der Normalbevölkerung nicht erhöht vorzeitige Berentung mit Verstärkung des Minderwertigkeitsgefühls Aufbau einer hilfreichen Beziehung 1) Anerkennung der körperlichen Störungen, dem Leiden des Patienten Raum und Aufmerksamkeit geben 2) Verständnis und Akzeptanz für den Patienten 3) Positive Abwehrhaltungen unterstützen, negative therapieren 4) Behandlungsziele sollten realistisch aber auch zuversichtlich und hoffnungsvoll sein 5) Behandlungsfortschritte würdigen und betonen Aufarbeitung innerseelischer Konflikte, die im Zusammenhang mit der körperlichen Erkrankung stehen 1) Patient soll Gefühle und Gedanken ausdrücken, die im Zusammenhang mit der Erkrankung und seiner Lebenssituation stehen. 2) Gemeinsames Verständnis der Erkrankung wird erarbeitet. 3) Therapeut nimmt seine bisher beziehungsgestaltende Haltung zunehmend zurück und geht langsam zu tiefenpsychologischen Techniken über. Die Bedeutung der Erkrankung darf aber trotz aller neurotischen Konflikte nie übersehen werden. Ziel einer Psychotherapie bei körperlichen Erkrankungen 1) 2) 3) 4) Verbesserte Bewältigung der körperlichen Erkrankung Verbesserte Bewältigung der seelischen Belastung / Symptomatik Verbesserung des Gesundheitsverhaltens : aktive Mitverantwortung wenn erreichbar : Verbesserung der körperlichen Erkrankung Ute Laber 12 Psychosomatik Vorlesung 27.04.99 Dr. Kruse Somatoforme Störungen Synonyme: Vegetative Dystonie Psychogene Syndrome Vegetative Neurose Vegetative Areflexie Vegetative Stigmatisation Vegetative Ataxie Vegetativ-endokrines Syndrom Funktionelle Erkrankung Organneurose Lavierte Depression Somatisation funktionelle Störungen Typisch für Patienten mit somatoformen Störungen ist das Auftreten von bis zu 10 verschiedenen, wechselnden Störungen verschiedenster Organe. Somatoforme Störungen (nach ICD-10): • • • somatisch nicht zu erklärende Beschwerden hartnäckige Weigerung der Patienten, zu glauben, daß keine Störung vorliegt Neigung der Patienten, immer wieder zum Arzt zu gehen 1) Somatisierungsstörung (mehrere Arztbesuche, psychosozialer Auslöser, oft wechselnde Beschwerden, > 2 Jahre, > 6 Monate somatische Krankheit ohne organische Störung) 2) Somatoforme autonome Funktionsstörung (kardiovaskulär, GIT, UGT, Respir.) 3) Somatoforme Schmerzstörung (keine somatischen Veränderungen oder somat. Veränderungen, die das Schmerzausmaß nicht erklären können) 4) Hypochondrische Störung ( incl. körperdysmorpher Störung = Patienten sehen sich anders als sie sind, z.B. krumme Nase, obwohl sie gerade ist), Krankheitsangst steht im Vordergrund 5) Undifferenzierte somatoforme Störung 6) Andere somatoforme Störungen (z.B. Torticollis, Globus, Jucken, Dysmenorrhoe, Bruxismus) 7) Somatoforme Störungen Modell der Symptomentstehung (Psychogenese) Persönlichkeit, prämorbide ↓ auslösende Situation ↓ Symptomatik ↓ Chronifizierungsprozesse Ute Laber 13 Psychosomatik Vorlesung Psychosomatische Diagnose soll auch positiv gestellt werden ( nicht nur: „wenn nichts anderes zu finden ist, dann ist es eben psychosomatisch“) Große allgemein – auslösende Situation (z.B. allgemeines Unglücklichsein über Beziehung / Leben) Kleine auslösende Situationen (z.B. Ende einer kurzen Beziehung) => Beziehungs„geschichten“ : Lebensziele: Was will der Patient ? Was ist ihm wichtig im Leben ? Psychosomatische DD bei chronischen Schmerzen - psychogener Schmerz (keine somatische Ursache) psychosomatischer Schmerz (Belastungssituation → Verspannung → WS-Verschleiß → Schmerz) primär organisch bedingter Schmerz Schmerzen im Rahmen psychischer Erkrankungen, Simulation, artifizielle Erkrankung (absichtliches Zufügen von Schmerz) Emotionale Deprivation in Kindheit und Jugend psychogener Schmerzpatienten - Beziehung zur Mutter nicht tragfähig Beziehung zum Vater nicht tragfähig Zuwendung der Eltern materiell oder an Leistung gekoppelt Prügel / Mißhandlung durch Eltern häufiger bei Meinungsverschiedenheiten keine persönliche Auseinandersetzung mit den Eltern möglich Streit zwischen den Eltern Scheidung / Trennung bis zum 18.Lj. Scheidung / Trennung bis zum 7.Lj. Familienbetrieb / beide Eltern immer berufstätig Geborgenheit in Kindheit und Jugend gesamt Kindheitsbelastungswert Lieblingsspielzeug als Ersatz für eine Bezugsperson sexueller Mißbrauch Zur Bedeutung der Affekte und des Affektausdrucks: „Affektverarbeitung“ 1) Die Affekte sind darauf gerichtet, die Umwelt nach unseren Bedürfnissen zu formen (→ in Beziehung treten mit anderen Menschen). 2) Die Affekte sind Bindeglieder zwischen sozialen, somatischen und seelischen Aspekten des Lebens. 3) Affekte sind verbunden mit physiologischen, individuell verschiedenen, Veränderungen im Körper (Trauer → weinen; Wut → HF↑, RR↑; Angst → schwitzen). 4) Die physiologischen Begleitvorgänge der Affekte können ablaufen, ohne daß der Affekt wahrgenommen wird. 5) Je weniger wir die Affekte wahrnehmen und ausdrücken können, desto intensiver ist die begleitende körperliche Reaktion. 6) Insbesondere nicht wahrgenommene negative Affekte wie Ekel, Wut, Ärger, Trauer, Angst, Scheu, Furcht scheinen mit physiologischen Reaktionen verbunden zu sein, die in eine psychogene Erkrankung münden können. Ute Laber 14 Psychosomatik Vorlesung → wie kommt der Affekt in den Körper ? (1) Konversionsmodell (Symptome = symbolische Mitteilung an die Umgebung) körperliches Symptom ist Ausdruck eines inneren Konflikts → man möchte zuschlagen, darf es aber nicht => Lähmung → psychogene Blindheit, Hypästhesien (v.a. im Gyn – Bereich), Lähmungen (2) Psychophysiologische Begleitreaktion chronisch aggressive Spannungen → Schmerzreaktion Anspannung = physiologische Reaktion (4) Typische psychosomatische Störungen, Alexithymie Patienten mit sehr eingeschränktem Affekteinsehen Innenwelt kann nicht sortiert, differenziert werden (alles gut oder schlecht) → chronisches Magenulcus auslösende Situation--------------------------------------> Symptomatik Affektverarbeitung o.g. Modelle Auslösende Situationen - Störungen der sozialen Integration Verlust an Geborgenheit und Versorgung Trennungen ( z.B. Aus-/Umsiedler) beruflicher Aufstieg Heirat (hierdurch Trennung von Eltern, etc) Geburt von Kindern individuell sehr unterschiedliche Zusatzfaktoren ð entsprechen Trennungssituationen subjektiv!!! z.B. Beförderung → Trennung von Kollegen, „man kann nicht mehr mit ihnen in der Kneipe sitzen, weil man ja jetzt der Chef ist“ Teufelskreis somatoformer Störungen körperlicher Reiz körperliche Symptome Wahrnehmung Physiologische Veränderungen Gedanken „Gefahr“ Angst Ute Laber 15 Psychosomatik Vorlesung (sichtbares Verhalten) Persönlichkeit - nicht einheitlich Probleme im Affektausdruck (Ärger, Angst) leistungsorientiert 50% leiden unter einer manifesten Depression oder Angsterkrankung 30% haben ein Elternteil vor dem 30. Lebensjahr verloren 40% haben einen gewalttätigen oder sexuellen Mißbrauch erlebt Arzt – Patient – Beziehung - Patienten sind affektiv verschlossen („Herr Doktor, ich hab´s nicht im Kopf, sondern im Bauch – untersuchen Sie mich!“) Klagen sind Anklagen → Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit diagnostische Unsicherheit des Arztes → Überweisungen → Angst des Patienten steigt → iatrogene Folgekrankheit Iatrogene Folgeerkrankungen - Komplikationen - Psychopharmaka → Sucht häufige Krankenhauseinweisungen, sekundäre organische Komplikationen durch unnötige OPs Chronifizierung Therapie - vertrauensvolle Atmosphäre schaffen dem Patienten ausreichend Zeit zur Symptomschilderung geben einmalige sorgfältige Abklärung der somatischen Befunde über die Erkrankung plastisch informieren (am Modell erklären) keine Minibefunde mitteilen Zurückhaltung bei der Verordnung von Medikamenten (Tranquilizer, Digitalis, etc.) physikalische Therapiemaßnahmen psychosoziale Situation erkunden Zeitkontingente, Wiedereinbestellung Patienten zur Psychotherapie ermuntern Patienten vor eingreifenden Untersuchungen und OPs schützen Ute Laber 16 Psychosomatik Vorlesung Primärpersönlichkeit / Psychodynamik Es findet sich keine spezifische Charakterstruktur. Bei zahlreichen Patienten lassen sich die Traumatisierungen in der Kindheit nachweisen, andere Patienten entstammen sehr rigiden, überangepaßten Familien. Zugrunde liegt nicht selten ein depressiver Grundkonflikt. Als Folge unzureichender Versorgung oder traumatisierender Einflüsse in der Kindheit bleibt der spätere Erwachsene in seinen zentralen Beziehungswünschen unbefriedigt. → Als Kind konnte der Patient nicht das Bild eines beschützenden, zugewandten Menschen verinnerlichen, der Schmerzen, Angst und Unlust auffängt und Selbstvertrauen vermittelt. Daher entwickelt der Patient starke Sehnsüchte nach einem Menschen, der ihn liebt, bestärkt, Sicherheit und Fürsorge vermittelt und ihn auch vor unangenehmen Gefühlen schützt. Diese Sehnsüchte werden aber wegen ihres unrealistischen Gehalts oftmals enttäuscht => Trauer, Angst, Rache, Enttäuschung, Zorn, Anklage, Vorwurf, Zurücksetzung, etc. Selbstwertkrise, Gefühle der Nichtigkeit, Leere, Gekränktheit, Verzweiflung, Angst vor dem Alleinsein Ausbildung verschiedener Charaktere abhängige Personen Personen mit labilem Selbstwertgefühl (narzißtische Persönlichkeit) Personen mit dem „falschen“ Selbstwertgefühl „Fassadenpersönlichkeit“ in ihren Wünschen und Gefühlen orientieren sie sich ganz nach den Bedürfnissen der anderen Menschen → wirken in ihrer Vitalität eingeschränkt und unecht Erkrankung wenn Versorgung gefährdet ist. Erkrankung, wenn sie gekränkt werden. Erkrankung, wenn sie ihre Persönlichkeit als bedroht erleben. Ute Laber 17 Psychosomatik Vorlesung 04.05.99 Dr. Franz Hysterie und Konversion Hysterie Definition: Psychogene Modellerkrankung, an welcher für das Verständnis psychogener Erkrankungen wichtige Konstrukte entwickelt wurden (infantile Sexualität, das Unbewußte, Konfliktbegriff) Frauen > Männer, Männer = “Kriegszitterer” Symptome I : Astasie / Abasie Psychogene Anfälle Paresen / Plegien, Kontrakturen (links > rechts) Hyp-/ Anästhesien sensorische Störungen: Amaurosen, Aphonien, Erbrechen, motorisch ausgestaltete Anfälle, Ohnmachten → indifferente Einstellung zu gravierenden Ausfällen prädisponierende Faktoren: Frauen Kindheitsbelastungen hohe psychische Beeinträchtigung Depressivität häufige und multiple ärztliche Inanspruchnahme Symptome II : Dämmerzustände, Trance, lebhafte Phantasie, Wachträume Pseudohalluzinationen szenischer Art (Schlangen, Aliens, Entführung durch Aliens) Konzentrationsstörungen, Amnesien Pseudologica phantastica (Münchhausen – Syndrom) Ganser – Syndrom (Pseudopsychose, bizarres aber systematisches Verhalten → Patienten spielen wahnsinnig) Puerilismus (kraß – infantiles Verhalten, evtl. Kleinkindsprache) Pseudodemenz (auch basale Kenntnisse fehlen: 2+2, Identifikation eines Messers) Symptome III : starke Erotisierung, gestörte Erlebnisfähigkeit, Vermeidung des Geschlechtsverkehrs arc de cercle, Scheinschwangerschaft Hypersexualität (Nymphomanie, Don Juanismus) Theatralische Launenhaftigkeit, Affektlabilität Beziehungsstörungen, kaum tiefgehende Kontakte Suggestibilität, hohe Identifizierungsbereitschaft Ute Laber 18 Psychosomatik Vorlesung Epochale psychogenetische Umdeutung durch Sigmund Freud – Freud´sches Konversionsmodell - als Ursache für die hysterische Erkrankung: sexueller Mißbrauch in der Kindheit später symbolischer Ausdruck eines aus dem Bewußtsein verdrängten Triebkonfliktes Heute gelten beide als mögliche Teilursachen. Konversion Definition: Komplexer psychischer Vorgang, der der Entlastung dient umfaßt 11 Schritte der Symptomentstehung phänomenal: Konversionsstörungen dissoziative Persönlichkeitsstörungen histrionische Persönlichkeit Symptomentstehung: 1) Sex – Wunsch mit nahen Personen, Aggressivität gegen nahe Personen = für das Individuum nicht annehmbare Wünsche 2) Stimulation 3) Hemmung des offenen Ausdrucks durch Abwehr 4) Verdrängung des Impulses, vorläufige Konfliktentlastung 5) Verbindung mit der Vorstellung von körperlichem Vorgang, Somatisierung 6) Leitschiene ist die unbewußte subjektive Vorstellung von symptomatisch relevanten körperlichen Vorgängen, Symptomwahl ist konstitutionell 7) Dissoziation von körperlichem Vorgang und zugehöriger Vorstellung umschriebener Bewußtseinsveränderung 8) körperlicher Vorgang kann sich unbehindert von der Abwehr Ausdruck verschaffen, ist dem Individuum nur unverständlich 9) Entlastungseffekt = primärer Krankheitsgewinn 10) Symptom = Kompromiß zwischen verpönter impulshaften Vorstellung und der gegen diese gerichtete Abwehr, “lokaler Totstellreflex” 11) Umgebung reagiert mit weiterer Entlastung = sekundärer Krankheitsgewinn Psychodynamik: Es geht darum, jemand anderes sein zu wollen, weil das Erleben eigener (sexueller, aggressiver, passiver) Impulse und Wünsche zu ängstigend ist. - mit Hilfe von Verdrängung, Identifikation und Emotionalisierung rollenhafte, unecht wirkende Inszenierungen → Veränderung des Selbsterlebens, Regression diese ermöglicht die Flucht vor dem Gewissen latente Befriedigung des abgewehrten Wunsches im Symptom Ute Laber 19 Psychosomatik Vorlesung Moderne Theorien: - Entwicklungstraumen, Zusammenspiel früher (dyadischer) und ödipaler (triadischer) Beziehungserfahrung pathologische Mutter–Kind–Beziehung (path. Dyade) Hinwendung des Entwicklungsbedürfnisses zum Vater → dieser versagt in der triangulierenden Funktion Sexualisierung der Vater–Kind–Beziehung Verleugnung der Enttäuschung am Vater, Idealisierung Illusion: Trennung vom traumatischen Mutterbild gelungen Unbewußte Realität: infantile Abhängigkeit persistiert Wiederholung: sexualisierte Suche nach versorgender Bezugsperson Sexualisierung von Beziehungen = der untaugliche Versuch, sich mit ängstigenden Triebwünschen aus einer bedrohlich erlebten (mütterlichen) Abhängigkeit appelativ einer väterlich – sichernden Bezugsperson zuzuwenden. Klinische Diagnostik der Anfälle: - nicht tonisch – klonisch, eher motorisch – expressiv selten Verletzungen (Zungenbiß) selten Initialschrei oder Urinabgang Augenlider werden zugehalten keine PBZ, Pupillenstarre keine postiktale Erschöpfung, EEG – Zeichen keine postiktale Prolactinerhöhung (CK-MB) Versprecher: “Muttagsschlaf”, “Orgasminus” Ute Laber 20 Psychosomatik Vorlesung è Hysterie – Symptomatik Somatisierungsstörung polysymptomatische Hysterie vor allem bei jungen Frauen (20 – 35 Jahre, keine Geschlechtspräferenz bei Jugendlichen) multiple, flüchtige, rasch wechselnde Symptomatik (Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, sexuelle Störungen) ∼> psychovegetative Störung, funktionelle Syndrome häufig begleitende Ängste im Verhalten: affektive , “übertriebene” Art der Symptomdarstellung Konversionsstörung pseudoneurologische, psychogene Störungen, Anfälle (arc de cercle – heute ausgesprochen selten), Störungen der Motorik (schlaffe, selten spastische Paresen, Hemiplegien, grobschlägiger Tremor, Dysbasie, Abasie, choreiforme Bewegungsstörungen), Sensibilität und Wahrnehmung (Anästhesie, Dysästhesie, Sehstörungen (selten), Taubheit (selten, aber: Ohrgeräusche), Schwindelattacken (häufig), Dysphonie, Aphonie Dissoziative Störung charakteristische Bewußtseinsstörung, große Bandbreite von subklinischen bis schwer beeinträchtigenden Bildern (Geistesabwesenheit, „Verträumtheit“, Trance, Amnesie, psychogener Dämmerzustand, multiple Persönlichkeit) Histrionische Persönlichkeit Hysterische Persönlichkeitsstörung (extrovertiert – egozentrisches Persönlichkeitsbild = schauspielerartig) • • Konversion als Umsetzung einer Erregungssumme ins Körperliche Konversion wird ermöglicht durch somatisches Entgegenkommen als „Kristallisationskern“. Quantitativer Aspekt eines psychischen Phänomens wird von der Bedeutung „abgetrennt“ und erscheint als zunächst unverständliches körperliches Symptom, während die dazugehörige Vorstellung unbewußt bleibt. (= Dissoziation) • Hysteriker verfügen über Fähigkeit, eine Bedeutungsbiographie zu entfalten : - seelischer Binnenraum vorhanden • Hysterie: Somatisierungsstörung ist sehr häufig vorhanden (?), monosymptomatische Konversionsstörungen sind sehr selten. Ute Laber 21 Psychosomatik Vorlesung Entwicklungspsychologie (interpersonelle „Geschichte“) - - - wurde geliebt für Attraktivität und Unterhaltungswert, Kompetenzen wurden lächerlich gemacht è beschäftigt mit hübsch und unterhaltend sein, vermeidet Kompetenzen, Angst vor Abhängigkeit anderer dem gleichgeschlechtlichen Elternteil vorgezogen è Verachtung für Personen gleichen Geschlechts äußere Erscheinung, Charme, um Pflegeperson zu beeinflussen è Selbstkonzept wird von der Fähigkeit bestimmt, andere durch Charme zu Fürsorglichkeit zu veranlassen familiäre „als – ob“ – Beziehungen („als ob wir uns alle mögen“) è charmant, unterhaltend aber persönlich unzugänglich Kränklichkeit, Bedürftigkeit um Pflegeperson zu beeinflussen è fordert Versorgung, wenn bedürftig Beispiele für hysterische Typen: Salonlöwen, Prinzessin, der ewige Jüngling • instrumentelle Inkompetenz: eine Menge Fähigkeiten wurden nicht erworben, da Arbeit immer an andere abgegeben wurde => Patienten müssen im Rahmen der Psychotherapie diese Fähigkeiten erst erwerben. Die Patienten sind oberflächlich intakt. • Entwicklungspsychologie (intrapsychische Dimension) inzestuöse Besitzwünsche mit dazugehöriger Feindseligkeit gegenüber Rivalen; Festhalten an ödipalen Objekten auch unter dem Preis des Verzichts auf sexuelle Erfüllung Regression: erfolgt auf die phallische bzw. phallisch – narzißtische Stufe. Körperlichkeit dient der narzißstisch – phallischen Glanzentfaltung, exhibitionistische Darbietung eigener Attraktivität, Erotisierung der Beziehungen unter Ausschaltung sexueller Vollzüge („ewige Braut“, „ewiger Jüngling“, „Salonlöwe“) prädominierende Affekte Angst vor körperlicher Beschädigung (Kastrationsangst), Befürchtung, daß etwas Schlimmes (Ungerechtes) geschehen sei è Penisneid (unbewußte) Phantasien, oft sexuellen Inhalts wirken ursächlich (v.a. für die Therapie wichtig) Ichstörung: Wißbegierde, „Es-wissen-wollen“bleibt defizitär, ↓ Antizipationsfähigkeit, Verharren in „kindlich unschuldiger“ Ahnungslosigkeit Über –Ich: Überwiegen situativ begründeter Verhaltensregeln („Beziehungsmoral“ statt „Gesetzesmoral“) Ute Laber 22 Psychosomatik Vorlesung • Abwehrmechanismen klassische Abwehrmechanismen: Verdrängung und Verleugnung tritt klinisch in Erscheiung als Nichternstnehmen, Bagatellisieren, Verharmlosen der Realität, „belle indifférence“ Identifizierungsneigung: welches auch zu dem Eindruck des Unscharfen, Labilen im Charakter hysterischer Personen beiträgt; Abwehrmechanismus, durch den sich eine Person unbewußt an die Stelle einer anderen setzt und deren Eigenschaften und Verhalten übernimmt Hyperemotionalität „Szene“, „Anfall“,, „Nervenzusammenbruch“ → führt oft zur Abwertung Agieren Verdrängung des Selbstbildes Gewissensberuhigung nach innen Symbolisierung ausdrucksartige Darstellung innerer Konflikte in Symptomen Dissoziation Verdrängung der Bewußtheit, Tagträume • kognitive Aspekte Denkstil ist an subjektiven Eindrücken orientiert („ Oh, er ist wunderbar ! Er ist zack-bumm, das ist alles ! Einfach zack-bumm !“) Denkstil ist im allgemeinen global und relativ diffus, wenig an Details interessiert → impressionistisch → Tendenz zur schnellen Reaktion auf das Beeindruckende. • Therapie: psychoanalytisch orientierende Therapie, kognitive Therapie keine Unterstützung der abhängig – bedürftigen Haltung Notwendigkeit realistische Wahl zu treffen bzgl. Lebensstils /eigener Identität Ute Laber 23 Psychosomatik Vorlesung 11.05.99 Dr. Wöller Psychosomatosen Organsystem Funktionelle Störung Psychosomatose Herz – Kreislauf Herzneurose psychogene Synkopen AMI, KHK, essentielle Hypertonie Atemwege Hyperventilationssyndrom Asthma bronchiale Magen, Duodenum funktionelle Oberbauchbeschwerden Ulcus ventriculi Ulcus duodeni Darm funktionelle Ober- und Unterbauchbeschwerden Colitis ulcerosa M. Crohn Bewegungsapparat Psychogene Lähmungen Chronische Polyarthritis Weichteilrheumatismus Lumboischialgie Stoffwechsel Diabetes mellitus Endokrinum Hypothyreose Gynäkologie Unterbauchschmerzen funktionelle Sexualstörungen Dermatologie Psychogener Pruritus Neurodermitis HNO Psychogene Hörstörung Psychogener Schwindel Hörsturz Tinnitus Psychosomatosen → funktionelle Störung, somatische Komponente psychogene Störung → es existiert kein organpathologisches Korrelat Ute Laber 24 Psychosomatik Vorlesung Asthma bronchiale subjektiv: anfallsweise Atemnot objektiv: reversible Atemwegsobstruktion infolge Entzündung und Hyperreaktivität der Atemwege Prävalenz: 3 – 6% Mortalität: 3500 asthmabezogene Todesfälle pro Jahr in den USA, Tendenz steigend Klinik: unterschiedlich: symptomfreie Intervalle bis Status asthmaticus Ätiologie: Bereitschaft zu überschießender Bronchokonstriktion genetisch determiniert → notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für klinische Manifestation nicht asthma-spezifisch: bei 80% aller Patienten mit Heuschnupfen, 61% aller Patienten mit Neurodermitis, bei Patienten mit chonischer Bronchitis abhängig von - genetischen Faktoren - Sensibilität der Rezeptoren in der Bronchialschleimhaut - Stärke der Reflexbahnung - modulierende Einflüsse des autonomen Nervensystems Psychosoziale Faktoren: (1) Anfallsauslösung und Symptomverstärkung (2) Schwere Anfälle können durch psychosoziale Faktoren (mit-)ausgelöst werden, meistens in Verbindung mit anderen Faktoren. Psychosoziale Faktoren können das Ansprechen auf die anti-asthmatische Pharmakotherapie erschweren oder zur Therapie-Resistenz führen. Krankheitsverhalten: - Compliance – Defizite Risikokrankheitsverhalten: Verzögerung der Inanspruchnahme eines Arztes bei schweren Anfällen In 60 – 70% schwerer Anfälle Mitbeteiligung emotionaler Faktoren bei der Auslösung neben anderen Formen: exogen-allergisch unspezifisch-irritativ immunologisch-entzündlich vegetativ-psychotisch Bei Auslösung durch emotionale Faktoren keine Unterschiede zwischen allergischen und nicht-allergischen Asthmatikern. Ute Laber 25 Psychosomatik Vorlesung Anfälle sind induzierbar durch Exposition gegenüber bedeutungsaufgeladenen emotionalen Situationen → emotional gefärbte Situationen → Aktivierung von Angst, Wut, aber auch freudige Empfindungen → besonders Aufstau von Emotionen, die aus inneren oder äußeren Gründen nicht adäquat ausgedrückt werden können Unbewußte emotionale Konfiguration der Enttäuschung, des Verstoßen– und im Stich–gelassen– werdens, der Wehrlosigkeit und des Ausgeliefertseins. Die Mobilisierung aggressiver Regungen bei Wut, Ekel, Angst, Scham bei gleichzeitiger Unfähigkeit sich zu wehren. Konfliktspezifitätstheorie nach Alexander (1950) (1) keine spezifische Persönlichkeitsstruktur mit Asthma bronchiale (2) Autonomie – Abhängigkeits – Konflikte bei 50% der Patienten, daneben auch andere Konflikte (ambivalente, nicht gelöste Abhängigkeitskonflikte zur Mutter oder Mutter-Ersatzfigur) (3) Typicalty als klinisches Konstrukt Interaktion allergischer und psychischer Faktoren Die Exposition gegenüber dem gleichen Allergen, gegen das eine Sensibilisierung besteht, führt in der Nähe der Eltern zu einem Anfall. Hinweise auf eine psychogene Auslösung - Verlust / Trennung von einer Schlüsselfigur als Auslöser des 1. Anfalls in 50% der Fälle - Verschlechterung eines bestehenden Asthmas bei Verlust / Trennung einer Bezugsperson Psychogenese / Autonomie – Abhängigkeits – Konflikte: 1) defizitäre frühe Objekterfahrung ⇒ Mütter werden vorwiegend dominierend, besitzergreifend, erniedrigend geschildert, Vater fehlt oft (Trennung, Tod), wenig präsent oder schwach 2) abhängige Persönlichkeitsstruktur ⇒ offen abhängig: ängstlich, anklammernd, häufige Arztbesuche pseudoautonom: betont selbstständig, wenig Arztbesuche 3) symptomauslösende Situation ⇒ Verluste / Trennungen Ohnmachts-/ Hilflosigkeitserfahrungen (real, ausgedacht) 4) Symptomausbildung Ute Laber 26 Psychosomatik Vorlesung Kritisches Krankheitsverhalten (1) offen – abhängiger Persönlichkeitstypus - zahlreiche Arzt- und Notarztkontakte - übermäßiger Medikamentenkonsum, insbesondere inhalative ß-Mimetika - lange Klinikaufenthalte (2) pseudoautonomer Persönlichkeitstypus - Beschwerdeverleugnung vor nächsten Angehörigen: Angst, als krank und schwach zu gelten (bedrohte Selbstwertregulierung) vor dem Arzt: Angst vor Klinikeinweisung (Abhängigkeitsängste) - arztvermeidendes Verhalten spärliche Arztkontakte auch bei schweren Beschwerden Verzögerung der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe im schweren Anfall (cave.Mortalität!) frühzeitige Klinikentlassung - Compliance – Defizite Selbstwertproblematik Autonomieproblematik ⇒ Einnahme von asthmaspezifischen Medikamenten (Cortison) stellt eine Gefährdung des Selbstwertgefühls dar. Ärztlicher Umgang (1) organmedizinische Diagnose und Therapie (2) psychosomatische Diagnose Exploration des psychosomatischen Hintergrundes (Familie, Beruf) im Hinblick auf symptomauslösende Situationen Exploration im Hinblick auf Risikokrankheitsverhalten (Non-Compliance, Arztvermeidung) (3) Aufklärung und Information Patientenschulung (4) Patientenführung Autonomieproblematik, insbesondere Abhängigkeitsängste sowie Selbstwertproblematik beachten (5) Psychotherapie- Indikation prüfen Betreuung im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung bei deutlich psychosozialer Symptomauslösung oder Risikokrankheitsverhalten Psychotherapie in allgemein-stationärer Psychotherapie in einer psychosomatischen Klinik bei leichterem Asthma auch ambulant Ute Laber 27 Psychosomatik Vorlesung Psychodynamik In der Kindheit waren diese Patienten in ihren Abhängigkeits- und Versorgungswünschen zurückgewiesen und in der Entwicklung einer reifen Autonomie behindert worden. Offen – abhängige Patienten zeichnen sich durch Anklammerungstendenzen und Überängstlichkeit bei Anfällen aus. Pseudounabhängige Patienten, deren Abhängigkeitswünsche abgewehrt sind, neigen dazu, ihre Beschwerden auch gegenüber ihren Bezugspersonen zu leugnen. Die Angst vor Kritik und Zurückweisung und die Furcht vor dem Vorwurf, sie würden sich nur „anstellen“, verbunden mit der Angst, als krank und schwach zu gelten, führen dazu, daß diese Patienten das Ausmaß ihrer Beschwerden herunterspielen, um so das Gefühl von Autonomie zu wahren und das Selbstwertgefühl zu regulieren. Psychosoziale Auslöser für Asthma: - Situationen der Hilf- und Hoffnungslosigkeit, sowie Verlassenheit Gefühle von ohnmächtiger Wut, ohne die Möglichkeit, sich zu wehren Affekte von Wut und Ärger bei gleichzeitiger Unfähigkeit, diese auszudrücken. intensive Nähewünsche bei gleichzeitigem intensiven Distanzierungswunsch (Ambivalenzkonflikt) Verlust einer Schlüsselfigur (bei 50% der Patienten zu Beginn der Erkrankung und/oder des Anfalls explorierbar) Trennung von wichtigen Bezugspersonen führt häufig zur Verschlechterung eines bestehenden Asthmas. Ute Laber 28 Psychosomatik Vorlesung 18.05.99 Dr.Ott Psychotherapie – Methoden und Ergebnisse Psychotherapie = Die von einer Krankheitslehre abgeleitete Art und Weise der Kommunikation zur Behandlung von seelisch (mit-) bedingten Krankheitszuständen. Psychotherapie meint: - einen bewußt geplanten interaktionellen Prozeß zur Beeinflussung von Leidenszuständen und Verhaltensstörungen die in einem Konsensus (zwischen Patient, Therapeut und gesellschaftlicher Bezugsgruppe und Institution) für behandlungsbedürftig gehalten werden und zwar mit psychologischen Mitteln ( durch verbale/averbale Kommunikation) in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturveränderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. Averbale Therapieformen: KörperTanzMusikGestaltungsWerk- THERAPIE „Passung“ : Patient, Therapeut und Methode müssen zueinander passen, damit die Therapie zu einem Erfolg führt. Ute Laber 29 Psychosomatik Vorlesung Psychotherapeutische Methoden • Suggestive und Entspannungsverfahren Hypnose Autogenes Training nach J.H. Schultz Progressive Relaxation nach E.Jakobson • Psychoanalytisch begründete Verfahren (Einzel und Gruppe) Klassische Psychoanalyse Analytische Psychotherapie Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapieindikationen Psychoanalytisch-interaktionelle Psychotherapie Katathymes Bilderleben • Verhaltenstherapeutische Verfahren (Einzel und Gruppe) Systematische Desensibilisierung Angstbewältigungstraining Exposition und Reizkonfrontation Operante Methoden Modellernen Selbstsicherheitstraining Problemlösungstraining kognitive Umstrukturierung Selbstkontrolle • Gesprächstherapie • Paar- und Fanmilientherapieverfahren • Psychodrama • Bewegungs- /Körper- / Tanztherapie • Musiktherapie • Gestaltungstherapie Allgemeines Modell zur therapeutischen Wirkung (ORLINSKY) (1) (2) (3) (4) (5) Therapeutischer Vertrag Therapeutische Beziehung Arbeitsmodell und therapeutische Techniken Patientenmerkmale Therapieverlauf Ad (2): Therapien, in denen die Therapeut – Patient – Beziehung getragen ist durch gegenseitige Ute Laber 30 Psychosomatik Vorlesung Achtung, Respekt, Verständnis, emotionale Akzeptanz, wechselseitiges Verpflichtet-sein, empathische Resonanz, gegenseitige Bestätigung als Grundakkord sowie Offenheit haben im allgemeinen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit. Ad (3): Interventionen stehen dann in einer konstruktiven Beziehung zum therapeutischen Prozeß, wenn sie in der Lage sind, auf dem Fundament einer tragfähigen Therapeut – Patient – Beziehung integrierbare Neuerfahrungen und –bewertungen beim Patienten anzustoßen oder zu vertiefen. Im Arbeitsmodell und in den Techniken verdichtet sich die professionelle Strategie zur Erklärung und Behebung der jeweiligen Störung. Gute Theorien ranken sich um die folgenden Veränderungsmodelle der Persönlichkeit: Veränderungen der Persönlichkeit Veränderungen durch somatopsychische Einflüsse Veränderungen durch eingreifende zwischenmenschliche Beziehungen Veränderungen durch Wiederholung relevanter alter, und Provokation oder Ausprobieren neuer Interaktionsmuster Veränderungen durch Krisen und Einschnitte der Entwicklung mit der Chance der Um-/Neubewertung fixierter Haltungen und Gewohnheiten Veränderungen der Persönlichkeit durch Lernen Erster therapeutischer Erfolg wird nach 8 Sitzungen erreicht 60% des Therapieziels nach 30 Sitzungen, 90% nach 100 Sitzungen. wichtig: Differenzierte Indikationsstellung Beziehungsmuster in der therapeutischen Beziehung A– P – B (Arzt-Patient-Beziehung) Diagnose Symptomatik Konflikt Beziehungsmuster Struktur Somatische Disposition Diagnose Beziehungsmuster im aktuellen sozialen Feld (Familie, Beruf) Arbeitsstörung Aktualisierung eines - unbewußten Konfliktes - strukturellen Vulnerabilität durch Verlust/ Versuchung mit Mobilisierung - unbewußte Wünsche/Ängste - Beziehungsmuster Diff. Indikation Therapie - Empfehlung strukturelle Störungen strukturelle Vulnerabilität Ute Laber Konflikte - Über-Ich – Konflikt - Ödipaler Konflikt - Selbstwert – Konflikt - Kontrolle vs. Unterwerfung - Abhängigkeit vs. Autonomie - Versorgung vs. Selbstversorgung 31 Psychosomatik Vorlesung Ödipale Wünsche Selbstwert – Abwertung Kontrolle – Unterwerfung Abhängigkeit – Autonomie Bindungsbedürfnisse 25.05.99 Dr. Reister Angsterkrankungen Angsterkrankungen - produktive Psychosen (schizophrene Erkrankungen) } verbunden mit elementaren, - Paranoia dauerhaften Panikattacken ---------------------------------------------------------------------------------------- Hypochondrie - Angstneurose (genet., Anfälle) - Herzangstneurose (Herzphobie) - Phobien (- Zwangsneurosen) Angst - - Gefühl der Angst ist verbunden mit der gedanklichen Antizipation oder der unbewußten Vorstellung einer Gefahr, gegen die das Ich hilflos ist Angst drückt sich aus durch vegetative Erregung, Erhöhung der Vigilanz und Aufmerksamkeit Elementaraffekt wie Scham, Ekel, Freude, Wut. Reaktion auf äußere und /oder innere Gefahren. handlungssteuernd, anpassungsfördernd Bewältigung abhängig von Persönlichkeitsreife Symptomatik: psychisch Engegefühl, Aufregung, innere Unruhe, Anspannung, Aufregung, Kollapsgefühl, Kontrollverlust, Panik, Todesangst, Weltuntergang somatisch Tachykardie, Brustenge, Schwindel, Schwäche, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Atemnot, Tachypnoe, Magenschmerz, vasomotorische Dysregulation, Übelkeit, Harn-/Stuhldrang Pathologische Angst - wiederholtes Auftreten Unangepaßtheit und Situationsangemessenheit Unfähigkeit des Betroffenen, sie willentlich zu kontrollieren oder durch rationale Erklärungen zu beseitigen Vermeidungsverhalten des Betroffenen 3 – 6% der Bevölkerung haben eine path. Angst mit Krankheitswert. (Vergleich: 25% der Bevölkerung haben eine psychosomatische Störung von Krankheitswert.) Angststörung oft → Sucht als Folge (Alkohol, iatrogen mit Medikamenten) Ute Laber 32 Psychosomatik Vorlesung Angstformen frei flottierende Angst: nicht auf bestimmte Situation oder Objekt bezogen, „Panikattacke“, Entwicklung von Angst vor der Angst objekt- oder situationsbezogene Form DD endokrine Angstsyndrome ⇒ Hyper-/Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Thyreotoxikose, Phäochromozytom, Cushing – Syndrom, Karzinoidsyndrom metabolische Angstsyndrome ⇒ Hypoglykämie, Hypokaliämie Herz- Angstsyndrome ⇒ KHK, AMI, HRST, Herzinsuffizienz, Postkardiotomiesyndrom cerebrale Angstsyndrome ⇒ zerebrale Anfallsleiden, AIDS, Encephalomyelitis disseminata, vestibuläre Störungen, M. Parkinson, dementielle Erkrankungen, Chorea Huntington, M. Wilson, cerebrale Vaskulitiden pulmonale Angstsyndrome ⇒ Asthma bronchiale, COPD, Pneumothorax, Lungenembolie, Lungenödem Enstehung von Angsterkrankungen verhaltenstherapeutischer Ansatz: neurotische Angst = Ergebnis pathologischer Konditionierung neutraler Reiz + bedrohlich erlebte Erfahrung → Angstreaktion mit Vermeidungsverhalten kognitiver Ansatz: inadäquate Wahrnehmung und Interpretation von Reizen psychophysiologischer Ansatz: körperliche Veränderungen angstauslösend, wenn diese als Gefahrensignale erlernt werden können entwicklungspsychologischer Ansatz: 2./3.Lebensjahr → „ Trennung und Wiederannäherung“ → Kind macht erste Entdeckungsreisen alleine und kehrt danach in Mamas Arme zurück ⇒ Kind macht Angsterfahrung (Vogel, andere Tiere), flüchtet zur Mutter; beim nächsten Mal kann es mit der Angst umgehen bei Angsterkrankungen: überbehütende Mutter alleinlassende Mutter ⇒ beide verhindern, daß das Kind lernt, mit der Angst umzugehen in der Regel haben Angstpatienten überfürsorgliche Mütter oder Bezugspersonen → wichtige Phase für die Entwicklung des Autonomiegefühls, zweite wichtige Phase: Pubertät Patienten haben meist einen „Bodyguard“: andere Person, Talisman, Tranquilizer in der Tasche, die aber nicht benutzt werden Ute Laber 33 Psychosomatik Vorlesung Koryphäen – Killer – Syndrom : „Ich war schon bei allen Ärzten, aber keiner konnte mir helfen. Aber Sie, Sie sind der Beste, Sie werden mir sicherlich helfen.“ ⇒ endet mit gegenseitiger Enttäuschung Realangst: objektiv bedrohliche Gefahren = Alarmierungssituation, emotionale, kognitive, vegetative Aktivierung angesichts einer objektiven äußeren Bedrohung neurotische Angst: subjektiv, Ursache unbewußt traumatische Konflikte/Angst (primär) Signalangst (sekundäre Verarbeitung) Kern jeder Neurose ist Angst, vor inneren, unbewußten internalisierten Gefahren war einmal Realangst, stellt somit einen Anachronismus dar Symptomatik abhängig von biologischer Basis, Art des abgewehrten Konfliktes Angsterkrankung: Leitsymptom Angst Freud´s erste Angsttheorie von 1895 - klassische Beschreibung der klinischen Symtomatik Ätiologie: frustrane sexuelle Erregung ohne adäquate somatische Abfuhr („abnorme Verwendung der Erregung“) viscero – reflektorische Modellvorstellungen Triebtheorie (neurotische Angst) 1) Frühorale, intentionale Phase schizoide Konstellation, Angst vor Objektverlust, Trennungsangst, Verleugnung, Beziehungsvermeidung 2) Orale Phase depressive Konstellation, Angst vor Liebesverlust, anklammernde Objektkontrolle, Wendung der Aggression gegen das Selbst 3) Anale Phase zwanghafte Konstellation, Angst vor dem Gewissen, Strafangst, Wiedergutmachen, Ungeschehenmachen 4) Ödipale Phase ödipale Konstellation, Angst vor partnerbezogener sexueller Erregung, Verdrängung, Verschiebung, Konversion Hypochondrie - übersteigerte ängstliche Selbstbeobachtung des Körpers (Karzinophobie, Dysmorphophobie) - Gewißheit, an einer vital bedrohlichen Erkrankung zu leiden, kann wahnhafte Züge annehmen - archaisch-magisches Körperbild, unreifes Ich, präpsychotische Introjekte (= „innere Verfolger“) entsprechen traumatischen, nicht integrierbaren Beziehungserfahrungen („interaktioneller Abszeß“) Ute Laber 34 Psychosomatik Vorlesung - Konflikthafte soziale Beziehungen werden ersetzt durch Beziehung zum hypochondrischen Objekt - Nähe zu Borderline-Syndrom, schlechte Prognose, interaktionelle Psychotherapie, Neurolepsie - Th: auch leichte Neuroleptika Angstneurose → mittleres Reifungsniveau der Persönlichkeit, massive, oft traumatische Störung zur Zeit der frühen Ich – Entwicklung ⇒ Ich - Schwäche frei flottierende Angstphänomene → nicht an bestimmten Inhalt oder Objekt gebunden, Menschen mit diese Störung haben vor allem und jedem Angst plötzlich (ohne Anlaß) einsetzende massive Angst, Panik bis zur Todesangst mit starker aber unspezifischer vegetativer Begleitsymptomatik bis zu mehrmals täglich mehrminütige Episoden ungenügende Angsteinbindung /-eingrenzung - - - aggressive oder expansive Triebimpulse werden als unmittelbar existentiell bedrohlich phantasiert ambivalentes Mutterintrojekt, Patienten fühlen sich nicht in ihren Individuationswünschen von einer gewährenden Mutter begleitet Verselbstständigung (VVS) = aggressive Attacke gegen Mutterbild = Bedrohung des eigenen Ich häufiger Hintergrund: narzistische Okkupation des Kindes durch die Mutter, latente Ablehnung, Überprotektion stabile innere Vorstellungen von der eigenen Person im Sinne realistischer Selbstbilder und eines funktionierenden Ich resultieren aus der elterlichen Zuwendung, der Fürsorge und dem Interesse am Wohl des Kindes. Angst kann in bestimmten Quantitäten dann von kindlichen Ich erlebt oder zugelassen werden, wenn eine vertrauenspendende Sicherheit gegeben ist in erster Linie wirkt ein verwöhnendes Milieu pathogen → erst das Aufsuchen von Gefahr, in der Angst entstehen kann, bringt die innere Auseinandersetzung mit dem Affekt in Gang → überbesorgte Mütter verhindern diese Auseinandersetzung ⇒ Erlebnis innerer Gefahr → Angst → schwaches Ich → Durchbruch der Angst Symptome der Angstneurose: 1. Allgemeine Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Geräuschempfindlichkeit 2. Ängstliche Erwartungshaltung 3. Angstanfälle 4. körperlich: Herzrasen, Hyperventilation, Schweißausbrüche, Zittern, Harndrang, Diarrhoe 5. Nächtliches Auftreten von Alpträumen 6. Schwindel bis hin zur Ohnmacht 7. Brechreiz, Übelkeit 8. Parästhesien Ute Laber 35 Psychosomatik Vorlesung Herzangstneurose Synonyme: Herzphobie, Da–Costa–Syndrom, Michaelis–Syndrom Prävalenz in der Bevölkerung: ca. 2% in 60% der Fälle phobisches Muster, bei dem die Angst im Vordergrund steht in 40% kontraphobisches Muster, bei dem die Schmerzen im Vordergrund stehen akute herzbezogene Sensationen (Tachy-/ -arrhythmien, Schmerzen) verbunden mit ängstlicher Beunruhigung bis hin zur Todesangst herzbezogene Selbstbeobachtung, intensiver Arztbesuch, Zweifel an organischer Ausschlußdiagnostik, phobische Einengung auf häuslichen Bereich - auslösende Situationen: reale oder befürchtete Verlustsituation, besonders Tod einer Schlüsselfigur Todesfall in der näheren Umgebung, meist durch AMI ambivalenter Trennungswunsch iatrogene Auslöser durch Mitteilung von Befunden ohne Krankheitswert - Psychodynamik ähnlich der Angstneurose, jedoch bessere Angsteingrenzung, Adaptivität des Ichs → Reifungsniveau der Persönlichkeit ist höher als bei der Angstneurose ⇒ Symptome können auf ein Organ bezogen werden anklammernder, kontrollierender Beziehungsmodus häufig sehr enge, symbiotische Beziehung zu einer unbewußt sehr zwiespältig geliebten Schlüsselfigur (Mutter, Partner). Ihr gegenüber kann der Patient seine Eigenständigkeit und Autonomie nicht aufrechterhalten. Befürchtete Trennungen können die Herzsymptomatik ebenso auslösen wie Abgrenzungswünsche, die unbewußt auch als Trennung erlebt werden. verwöhnender, autonomieeinschränkender Erziehungsstil ⇒ defizitäre Autonomie – Entwicklung, da die Erfahrung mit einer Selbständigkeit gewährenden und trotzdem Sicherheit gebenden Mutter nicht verinnerlicht werden konnte - Patienten brauchen immer wieder Versicherung, „daß nichts Böses in Ihnen ist“ können dies nicht glauben, da ihre expansiven Individuationswünsche triebhafter Natur sind sehnen sich daher nach einem steuernden Objekt (Arzt, Droge), an das sie nicht selbst umsetzbare Aktivitäten/Entscheidungen delegieren cave: Alkohol, Benzodiazepine u.ä., hohes Suchtrisiko - Herzneurose Herzinfarkt RF fehlen jünger Schmerz lokal keine EKG – Zeichen keine path. Laborwerte spontan RF vorhanden älter eher ausstrahlend ST – Hebung CK-MB, HBDH nach körperlicher Belastung Therapie: - Berücksichtigung der neurotischen Abhängigkeitswünsche des Patienten Ernstnehmen der Beschwerden, klare Diagnostik, klare Aussagen, keine Minimalbefunde, keine erneute Diagnostik Ute Laber 36 Psychosomatik Vorlesung - I. Klarstellung der interaktionellen Genese keine Medikamente, ß-Blocker niedriger Dosierung Gesprächsangebote, Psychotherapie Konfliktmodell der Angstentstehung: auslösende Situation (Versuchung oder Versagen) unbewältigte/bewältigte Angst (Signalfunktion) Regression Wiederbelebung infantiler (Trieb-)Konflikte unbewältigte/bewältigte Angst (Signalfunktion) Konfliktspannung ↑ Abwehranstrengung ↑ „Mißlingen der Abwehr“ Erlebnis „innerer Gefühle“ Angst ~> unbewußte innere Konflikte → durch eine äußere auslösende Situation wiederbelebt, können sie bei entsprechend Disponierten mit einem strengen Gewissen (Über-Ich) zu einem Zusammenbruch der Abwehr und konsekutiv zur Entwicklung des Angstaffekts führen II. Strukturschwächemodell Entwicklung stabiler innerseelischer Strukturen mit einem konsistenten Bild von der eigenen Person, dem was die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht, ist vor allem in den frühen Lebensphasen störbar. Sind die Strukturen von Ich und Selbst infolge frühtraumatischer Erfahrungen, mangelhafter Entwicklungsbedingungen oder aus konstitutionellen Gründen defizitär geblieben, führen innere und äußere Bedrohungen per se zu einer Gefährdung des schwachen Ich, das entsprechend mit Angst reagiert. ⇒ Erlebnis „innerer Gefahr“ → unzureichende Möglichkeit der Kompensation/Abwehr → Angst III. ethologisches Angstmodell → Bedrohung des Verhaltensystems „ Bindung“ Ute Laber 37 Psychosomatik Vorlesung Reflektorisch entwickelt sich der Affekt der Angst, wenn das evolutionär konstituierte Bindungsbedürfnis, des aufgrund entsprechender Erfahrungen bindungsunsicheren Individuums, bedroht ist. Angst bezieht sich auf das Erleben, verlassen zu werden. IV. lerntheoretische Modelle 01.06.99 Prof.Tress Depression und Suizidalität Depression Grundsymptome: affektiv: Verstimmung bis zur Suizidalität, Anhedonie (=Unfähigkeit, Freude zu empfinden), Leeregefühl, Unzufriedenheit, Rückzug, libidinöse/aggressive Hemmung kognitiv: Konzentration/Gedächtnis herabgesetzt, Entschlußlosigkeit, Einengung von Aufmerksamkeit, Interesse und Denken mit Selbstvorwürfen/-zweifeln, Hilflosigkeit, Pessimismus vegetativ: 00 Schlafstörungen (Früherwachen: Patienten wachen morgens früh (4 Uhr) auf, können nicht mehr einschlafen, haben aber nicht die Kraft, aufzustehen wegen Antriebsmangel), Appetitmangel, Gewichtsverlust, Alibidie, Magenbeschwerden, chronische Schmerzen, Brustdruck/-enge psychomotorisch: Antriebshemmung, verarmte Mimik/Gestik, Vernachlässigung des Äußeren, Stupor (= schwere psychomotorische Hemmung) - große Selbstzweifel oft tageszeitliche Schwankungen: morgens am schlimmsten (v.a. psychomotorische Symptome) Abgrenzung zur Trauer: - keine Einschränkung im Selbstwertgefühl Trauernder denkt an Objekt seiner Trauer, Depressiver denkt an sich selbst Trauer = Zeichen der Loslösung von dem verlorenen Objekt „Wenn der Depressive traurig wird, ist er auf dem Weg der Heilung.“ Pathologische Trauer: Trauerzustand, der nicht nachlässt „noch Rechnung offen“ mit dem Verstorbenen, „Sargdeckel“ kann nicht geschlossen werden → Trauer persistiert Depression: Ambivalenz → Bezugsperson wird geliebt, obwohl gleichzeitig Vorwürfe gemacht werden. Da eine Abhängigkeit zur Bezugsperson besteht, werden Vorwürfe auf eigene Person angewendet, um diese nicht zu verlieren. Fixation auf Zuwendung von Bezugspersonen Sehnsucht nach Liebe Wunsch nach Abhängigkeit Ute Laber Wut auf sich selbst, daß man sich derart zurücknimmt, „Pseudoaltruismus“ 38 Psychosomatik Vorlesung ⇒ hohe innerseelische Ambivalenz depressive Wahnformen: a) Kleinheitswahn („völlig unwertes Geschöpf“) b) Krankheitswahn c) Verarmungswahn d) Versündgungswahn („größter Verbrecher auf Erden zu sein“) DD Depression somatogen organische D.: Arteriosklerose, M.Parkinson, Medikamente, Demenzen, Endokrinum endogene D.: affektive Psychose, Erbfaktoren, abrupter Beginn, kein Auslöser, Morgentief, zyklisch-phasenhafter Verlauf, manische Phasen, Wahn, 4./5. Ljz. endoreaktive D.: Auslöser + Klinik endogener Depressionen neurotische D.: langsamer Beginn, Auslöser, Verlust, „oraler“ Bezug typisch, 2./3. Ljz. reaktive D.: akute oder chronische Belastung psychogen Stillstand Depression (Selbstwertstörung, PSM) Wendung der Aggression nach innen (Autoaggression) Angst vor Liebesverlust rigides Gewissen Angststörung Ambivalenz Vergangenheit Zukunft Kränkung /Verlust Verlustangst heute Erschütterung Ichstärke/Bewältigung TRAUMA Autonomie /Abschied Ute Laber 39 Psychosomatik Vorlesung Trauer Entwicklung Therapeutische Maßnahmen bei Depressionen (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) Verlustereignis ansprechen, Trauer ermöglichen in jedem Fall Suizidalität explorieren bei allen schweren Depressionen Antidepressiva stützen, entlasten, Hoffnung geben in der akuten Phase keine Konfliktaufdeckung Aufklärung der Angehörigen auf Suizidalität unter der Therapie achten Suizidalität Spezifikum des Menschen als Folge psychischer Erkrankung Freitod äußerst selten (Äußere Bedrohung), aggressiver Beziehungsabbruch (Abschiedsbriefe) 1996: 13.000 Suizide, 1/3 Frauen, 70% über 65Jahre ca. 8000 Verkehrstote, ca. 150/Mill. Einwohner Januar : Mai = 1 :1,3 (gesteigerter Antrieb im Frühling?) gehäuft in Sachsen → genetische Faktoren? Ungarn: 400/Mill. Einwohner Griechenland: 30/Mill. Einwohner Rückgang ca. 1/3 in 20 Jahren trotz Drogen, Alkohol, Arbeitslosigkeit, Alter, Single, Scheidung, Religion pos. Auswirkung: Psychotherapie, Psychopharmaka Harte Methoden: erhängen, erschießen, Sprung aus großer Höhe, überfahren lassen, Insulin, Digitalis, Antidepressiva, Einnahme primär toxischer Substanzen (E 605, Zyankali) Weiche Methoden: Medikamente, „einmal Ruhe haben“, oft kombiniert mit Alkohol Harte Methoden meist Männer, weiche meist Frauen. Überlebende meist Frauen Auslöser: unheilbare Krankheit, Tod des Partners, materielle und emotionale Verlust, Leistungsprobleme, Alter, Isolation, Liebeskummer, Trennungen, Freiheitsverlust/ Gefängnis Krankheit: Depressive Zustände bei Psychosen, Borderline-Patienten, narzistische Persönlichkeitsstörungen, Depression durch narzistische Kränkungen, sexueller Mißbrauch, Alkoholismus (7fach m /21fach w) Zustand: hochintensiver Drang, Impulshandlung, kurze Entschlußzeit Versuche:~ 100.000/a, 3/4 Frauen, weiche Methoden korrigierbare Beziehungskonflikte, meist jüngere Patienten Wiederholungen immer gefährlicher (20%) Appelle, extreme Beziehungsgestaltung Gefährdete leugnen meist, aber auf direktes Ansprechen öffnen sie sich meist. Ute Laber 40 Psychosomatik Vorlesung Grundstimmung nach Entschlußfassung: positiv, erleichtert cave: Fehleinschätzung!!! 08.06.99 Dr. Hartkamp Zwang Symptomatik: Persistierende, als ichfremd (wesensfremd, unsinnig, angstauslösend) erlebte Bewußtseinsinhalte, Handlungsimpulse oder Handlungen, die der Betreffende nicht oder nur schwer kontrollieren kann. Denkstörungen Zwangsantriebe Zwangshandlungen Denkstörung: unablässiges Grübeln, Weitschweifigkeit, Unfähigkeit das Wesentliche zu erfassen, alles dominierender Zweifel (Ambivalenz) „Nichts ist sicher, alles muß bezweifelt werden.“, magische Grundeinstellung, „sinnlose“, affektarme Gedanken (Zählen, Rechenaufgaben lösen). Zwangsantriebe: „verbotene“, obszöne, aggressive Impulse (jemanden angreifen, zu ermorden, z.B. die eigenen Kinder), z.B. auch sich sozial unangemessen zu verhalten Zwangshandlungen: ritualisierte Verhaltensweisen als Folge von Zwangsantrieben. Werden vom Betroffenen als absurd erlebt und dennoch ausgeführt (Wasch-, Zähl-, Ordnungs-, An- und Auskleidezwänge, Rituale in Zusammenhang mit dem Aufsuchen der Toilette oder mit sexuellen Handlungsweisen, Kontrollzwänge) Epidemiologie: gelegentlich auch bei Normalpersonen auftretend mindestens 0,05% der Bevölkerung (geschätzt) 5% der Neurosekranken Männer ~ Frauen häufiger in höheren sozialen Schichten Unterschied zu Normalpersonen: Normalpersonen gewinnen die Überzeugung, daß z.B. die Tür abgeschlossen ist. Entwicklungspsychologie (interpersonelle Geschichte“) rücksichtsloser Zwang zu leisten, die Normen zu erfüllen, egal, was es einen kostet Gedankenloses dominieren anderer, Perfektionismus, der mit einem ausgeglichenen Selbstkonzept unverträglich ist. Unterwürfigkeit gegenüber Autoritäten und moralischen Prinzipien, unabhängig von den jeweiligen Bedingungen „Schreckliches Kind“, wurde bestraft dafür, nicht perfekt zu sein und für Erfolge nicht belohnt, bestraft sich selbst und andere dafür, nicht perfekt zu sein; fokussiert auf Fehler und Versagen Ute Laber 41 Psychosomatik Vorlesung perfekt zu sein und für Erfolge nicht belohnt, entsprechendes wurde bei Geschwistern beobachtet; wurde verantwortlich gemacht, ohne Einfluß zu haben zu sein; fokussiert auf Fehler und Versagen Regeln wurden ohne persönliches Beteiligtsein vermittelt unterwürfig, gefügig, aber persönlich unzugänglich, herzlich-warme Gefühle eingeschränkt Entwicklungspsychologie (Intrapsychische Dimension) Ausgangsebene: ödipale Triangulierung, einerseits rigide Strenge verbunden mit Unbeherrschtheit, Willkür, z.T. aggressive Gewalttätigkeit (oft Vater), andererseits (oft Mutter) leidensbereit, ablehnend, abwertend Kind identifiziert sich ambivalent mit beiden elterlichen Objekten: → es wird, vordergründig, masochistisch „Schmerzlust“ intendiert, während, unbewußt, die moralischsadistische Vernichtung des anderen angestrebt wird →Bestrafungsangst Es geht nicht mehr um (sexuelles / genitales) Rivalisieren, sondern um die Frage, wer der Stärkere ist, die größere Willenskraft hat, wer wen fertigmacht, wer sich durchsetzen kann. Lust wird vor allem erlebt im Zusammenhang mit dem Bezwingen, Festhalten oder Ausstoßen eines Objekts (antisoziale Tendenz). bestechliches Über-Ich: Durch Unterwerfung unter die rigiden inneren Normen wird eine Berechtigung zur Wiederholung des verpönten Tuns erworben. Ich – Störung: Unfähigkeit zur Eigen-willigen Handlungsführung. Unfähigkeit, die Abgeschlossenheit eigener Handlungen zu erleben. (fehlende Beurteilung des Ausprobierens → kein ad-gredere → Aggressionshemmung) Häufig als Kinder motorisch sehr aktiv → konnten aufgrund der Verhältnisse zuhause diese Aktivität nicht ausprobieren, nicht als positiv erleben. Ute Laber 42 Psychosomatik Vorlesung Persönlichkeitscharakteristika Enge Beziehung zwischen Grundpersönlichkeit und Symptomatik. Pedanterie, Enge und Rigidität des Denkens, Bedürfnis nach Sauberkeit, ausgeprägte Moralvorstellung, aggressive Gehemmtheit, Unzulänglichkeitsgefühle, Neigung zu Ängstlichkeit, Skrupulanz, Entschlußunfähigkeit, fruchtloser Kampf mit Nichtigkeiten. Freud: zwangsneurotische Trias (sog. Analcharakter) Sparsamkeit → Geiz Eigensinn → Fanatismus Ordnungsliebe → Pedanterie Aber: kein durchgängiger Zusammenhang zwischen Analcharakter und Zwangsneurose. dynamische Struktur eher charakterisiert durch: emotionale Autarkie (affektiver Selbstversorger) Vermeiden wirklich autonomer Handlungen Gefühl des Getriebenseins (imaginärer Aufpasser im Nacken) Abwehrmechanismen: Isolierung primärer Abwehrmechanismus: Handlungsimpuls bzw. innere Vorstellung und Affekt werden voneinander getrennt. Im ausgeprägten Fall erscheint eine sonst ängstigende (beschämende, ärgerliche,...) Vorstellung ganz affektfrei. Unvollständige Isolierung: unklare Gefühlswahrnehmung → „Verwirrung“ Ungeschehenmachen: sekundärer Abwehrmechanismus: ritualisierte Gedanken oder Handlungen, die angstberuhigend wirken (Strecke mit dem Auto wiederholt abfahren; als Reaktion auf den Gedanken, der Vater werde sterben: Lichtschalter berühren und innere Formel: „Ich nehme den Gedanken zurück“) Reaktionsbildung: sekundärer Abwehrmechanismus: führt zur Herausbildung bestimmter Charaktermerkmale: betonte Friedfertigkeit statt aggressiver Impulse; betonte Unterwürfigkeit statt Versuch, andere zu beherrschen etc. Ute Laber 43 Psychosomatik Vorlesung Kognitive Aspekte Rigidität, Starrsinn, passiver Widerstand ↓ ↑ ↓ ↓ ↓ Zulassen neuer Gesichtspunkte /anderer Sichtweisen Detailorientierung; intensive, scharfe Fokussierung auf Einzelheiten Flexibilität (willentliche Lenkung der Aufmerksamkeit) zufällige oder momentane Eindrücke erfassen (sich erfassen lassen, so daß etwas „hängenbleibt“) Wahrnehmung von „Atmosphärischem“ („unsensibel“) Aktivität und Anstrengung ↑ sich – Mühe – geben ↑ eigentlich sollte ich ... ↑ ständiges Beschäftigtsein mit Arbeit ↑ perfektes Erfüllen einer Rollenvorstellung Realitätsverlust (sehr diskret) im Sinne eines Verlustes von Unmittelbarkeit „Es muß wohl so sein.“ statt „So ist es.“ „Das paßt gut zusammen.“ statt „Mir gefällt es.“ Therapie Insgesamt eher unbefriedigend, häufig chronifizierender Verlauf. nach 10Jahren: 25% gesund 50% gebessert, aber nicht symptomfrei 25% verschlechtert Pharmakotherapie: Clomipramin (Anafranil ® = Antidepressivum) bei schweren Verläufen Entlastung Verhaltenstherapie: Reizkonfrontation mit Reaktionsverhinderung, alleinige symptomorientierte Therapie unzureichend, kognitive Mechanismen, Beziehungsstörungen müssen ebenfalls bearbeitet werden psychoanalytische Therapie: gute Resultate, wenn Patient sich auf phantasieren einlassen kann, setzt lange Behandlungsdauer voraus Ute Laber 44 Psychosomatik Vorlesung Arzt-Patient-Beziehung : häufig belastet, durch die vordergründig lächerliche und unsinnige Symptomatik WS 98/99 Prof. Tress Zwang / Klassische Phobien „ Ich weiß, es ist verrückt, aber ich kann nicht !“ (Von der Obstipation zur Obstruktion) → Zwangsneurose ICD. F42.0 Zwangsstörung, OCD Symptomatik kontinuierlicher Übergang von harmlosen Zwangserscheinungen zwanghafter Persönlichkeit Zwangserkrankung Zwangserscheinungen normal für eine bestimmte kindliche Entwicklungsphase (2 – 4 J) gelegentlich und vorübergehend bei Gesunden (z.B. Tür, Licht) zwanghafter Charakter Freud´sche Trias : Sauberkeit Ordentlichkeit Eigensinn charakterologisch organisierte Abwehr anal – sadistischer Impulse Def. Zwangsneurose relativ häufiges, schweres Krankheitsbild nicht zu unterdrückender innerer Zwang als ich - fremd, unvernünftig und aversiv empfundene Gedanken oder Handlungen unter großem Einsatz von Zeit und Energie exzessiv wiederholen zu müssen, bei Nichterfüllen extreme Angstzustände. → dient der Abwehr / Bewältigung extremer Angstzustände Thematik und Inhalte der Zwangsgedanken und Zwangshandlungen kreisen immer um Kontrolle oder Durchbruch von magischen Aggressions – und Zerstörungsphantasien /-impulsen Gefühlen von Wut und Haß analerotisch getönter Sexualität Schmutz, Beschmutzung, Ansteckung und Unordnung Erkrankungsbeginn : Ute Laber 20 – 25 J 50% 25 – 30 J 75% 45 Psychosomatik Vorlesung Männer: Frauen: 20 J 25 J Zwangsgedanken : 26,5% Zwangshandlungen: 21,3% Lebenszeitprävalenz für Zwangsneurosen: 1,5% Psychische Symptome (1) Zwangssymptome im engeren Sinne Zwangsvorstellung, -gedanken (Zählzwang), -befürchtungen → erzeugt Angst Zwangsimpulse (jemanden zu töten), - handlungen (Waschzwang), Rituale → lindert Angst (2) Denkstörungen Zweifeln, Grübeln, formal – logisch aber unflexibel magisches Denken (3) affektive Störungen Angst, Schuldgefühle bezogen auf innere Vorgänge Dysphorie, Verbitterung, Gefühlsimpulse Charaktersymptomatik - Verlustängste (Be „sitz“), Sparsamkeit bis Geiz Ordnungsliebe bis zur quälenden Pedanterie Eigensinn bis zum Trotz und latente Obstruktion Ambivalenz bis zur Entscheidungsunfähigkeit Zögerlichkeit, Zaudern, Bedenkenträgerei Übergewissenhaftigkeit bis zur Prinzipienreiterei Autoritätsgläubigkeit, penetrante Unterwürfigkeit Anforderungen durch sklavische Erfüllung am falschen Ort zur falschen Zeit ad absurdum führen bis zum Zynismus graues, fades peinlich geordnetes Äußeres, langweilige Sterilität latente Aggressivität - sadistische Regungen latente Lust am Quälen Hinterhältigkeit klammheimliche Schadenfreude auf den letzten Drücker, Stänkern, Anscheißen Ordnungsfanatismus Körpersymptomatik - Obstipation Herzbeschwerden Kopfschmerzen sexuelle Störungen Ute Laber 46 Psychosomatik Vorlesung Ätiologie primär organisch, EPS, frontale Hyperaktivität erbgenetische Faktoren KR EZ > ZZ lerntheoretisch psychodynamisch biologisch – organische Faktoren postkontusionell, postencephalitisch, familiäre Häufung neurologische softsigns, TIAs, Läsionen im Bereich der Basalganglien Frontallappensyndrom PET/MRT: erhöhte Hirnaktivität im orbitofrontalen Cortex, Ncl. caudatus, Gyrus cinguli, Hippocampus, Amygdala („loops“) Hinweis auf gestörtes 5 - HT – System (Subsensitivität) gestörte Integration sensorischer Informationen mit emotionalen und motivationalen Impulsen lerntheoretische Faktoren - - aversive Konditionierungsprozesse ursprünglich neutrale Reize (unkonditionierte Stimuli) werden zu bedingten Reizen, auf welche der Patient unter emotionaler Anspannung zur Angstvermeidung mit Zwangshandlung /-gedanken reagiert. Amygdala (Assoziation sensorischer Informationen mit emotionalem Gehalt) entscheidend für Konditionierungsprozesse Familienmilieu restriktiv, triebfeindlich formal – autoritär, rigide, expansionsfeindlich Sauberkeit (möglichst früh), Ordnung massiv sanktionierender Erziehungsstil brandmarkendes Moralisieren („ An das Böse zu denken ist, es getan zu haben.“) wenig Einfühlung und Verständnis für die kindlichen Entwicklungsbedürfnisse Anale Phase der psychosexuellen Organisation (2 – 4 J) - Beherrschung der Sphinktermotorik Abgrenzung und Verteidigung des „Ich“, des eigenen Willens übende Entfaltung expansiver Motorik und aggressiver Impulse magisches Realitätskonzept (Allmacht der Gedanken, Zauberei) Denken (interne Willensbildung) = Probehandeln Entstehung des Über – Ich, internalisierte Verbote, Gut und Böse Gewissen als intrapsychische Angstquelle (Rituale) erotisches Erleben auf Rectum und Anus erweitert → Lernziele: - das Gewollte durch motorisch – aggressive Aktivität verwirklichen -Etablierung der Willensführung durch selbstinitiierte Aktionen -Stabilisierung des Identitätsgefühls durch Selbstbestimmung -Ich – Findung und Legitimität der Ich – Abgrenzung -Gewissensbildung → blockierte spätere Reifungsprozesse bei konflikthaftem Verlauf - Fähigkeit zur liebevollen Hingabe ohne Verlustängste Ute Laber 47 Psychosomatik Vorlesung - vertrauensvolles Sich–Überlassen durch Selbstaufgabe (fehlt meist bei Zwangspatienten) CMS Introjekt Internalisierung Identifikation Wünsche und Befürchtungen des Patienten Umgang des Patienten mit sich selbst Verhalten des Patienten Reaktionen der anderen Therapie: supportive Verhaltenstherapie, psychosomatische Grundversorgung Verhaltenstherapie (Reizexposition, Reaktionsverhinderung,...) Antidepressiva tiefenpsychologische Therapie Berücksichtigung der oft erheblich beeinträchtigten Familie Zusammenfassung Zwangsstörung Zwangsgedanken äußern sich in immer wieder identischen Vorstellungen, sowie einem Verlust für die Einschätzung des Wesentlichen. Inhaltlich finden sich unsinnige abstrakte Fragestellungen, z.B. als Zählzwänge, aggressiv – schmutzig – anstößige und /oder grob – sexuell – perverse Gedanken und magische Gedankenverknüpfungen (z.B. „Ich muß immer und überall Hinweise auf die Zahl 4 entdecken, damit die Eltern nicht sterben.“) Zwangsimpulse werden als irrationaler Impuls erlebt, jemanden zu verletzen oder sonstwie zu schädigen, die Kontrolle zu verlieren. Zwangshandlungen schließlich äußern sich in Ritualen (z.B. stets mit dem linken Fuß zuerst die Straße zu betreten), Kontrollzwänge (Türschloß) und Ordnungszwänge (Waschzwang). Psychodynamisch wird das Zwangssymptom als mißglückter Lösungsversuch eines reaktualisierten infantilen Konfliktes aufgefaßt. Es handelt sich dabei überwiegend um Wünsche, Phantasien und Impulse aus der analen Entwicklungsphase, wo es auf somatischer Ebene um die Sphinkterkontrolle, symbolisch und im Erleben um die Entwicklung von „Autonomie gegen Scham und Zweifel“ (Erickson) geht. Ute Laber 48 Psychosomatik Vorlesung Anal – lustvolle Wünsche, sich zu beschmutzen, anal – sadistische, aggressiv – kontrollierende und sexuell – antisoziale Impulse treffen auf eine frühkindlich präformierte Gewissensstruktur, die sich nicht nur erziehungsbedingt durch Strenge und Rigidität auszeichnet. „Spontanität, Eigenwille, lebhafte Motorik und Aggressivität müssen früh unterdrückt und mit Angst – und Schuldgefühlen abgewehrt werden.“ Ich ist unfähig, frei und selbstbestimmt zu handeln => immerwährende Zweifel, emotionale Ambivalenz 15.06.99 Dr. Franz Eßstörungen Allgemein - taktil-orale Entwicklungsphase, präverbal hospitalisierte Kleinkinder, 20% Schulanfänger Ängste, Kontaktstörungen, emotionale Ablehnung ambivalente Einstellung der Eltern → unbewußte Schuldgefühle →einengende Überbesorgtheit → Appetitstörung Nahrung als Allheilmittel bei jeder Irritation → keine Einfühlung → keine Affektdifferenzierung → latente Ablehnung → Essen als Droge / Substitut → Adipositas Reaktion auf Objektverlust (Trauer, Depression) Formen 1) Psychogene Adipositas 2) Anorexia nervosa 3) Bulimia nervosa Psychogene Adipositas Adipositas allgemein Körpergewicht >20% Übergewicht 20 – 50% in westlichen Industrieländern Frauen > Männer, Unterschicht genetische Faktoren, Leptinresistenz, sozial vermittelt, Prozesse im Bereich des Hypothalamus, Inselzelladenom, Cushing Psychogene Adipositas pathologisches Eßverhalten, Hyperphagie rauschartig, Dauer-, Viel-, Nachtesser Persönlichkeit - orale Haltungsstruktur (Impuls symptombildend) alles haben wollen, Passivität, Abhängigkeit, angewiesen auf verfügbare Versorgungsfigur Beziehung: wer versorgt wen? oraler Neid depressive Reaktionsbereitschaft Auslöser: Trennungen, Ärger, Individuationsstreß (Examen o.ä.) Psychodynamik - eingeschränkte Impulskontrolle Ute Laber 49 Psychosomatik Vorlesung - Ich-strukturelle Störung Regressive Kompensation von Frustration /Kränkung /Depression Essen = liebevoll-narzißtische Zufuhr bedürftige Mutter bindet das Kind oral Nahrung als Hauptbeziehungsregulativ Kind wird der Mutter zuliebe dick Therapie - schwierig, Suchtcharakter Patient wird nicht ernstgenommen („könnte ja anders...“) Appelle, Argumente zwecklos aggressive GÜ (Gegenübertragung) (eigener oraler Neid) kein Arbeitsbündnis, destruktive Eskalationen Aufklärung, Sport, Selbsthilfegruppen (am effektivsten), VT (Verhaltenstherapie) Anorexia nervosa (Pubertätsmagersucht) 0,5 – 1,0% Adoleszenten, junge Erwachsene 90% Frauen ca. 47.000 in der BRD schwere, lebensgefährliche Erkrankung (Mortalität 0,6% /a, 12x höher als in gesunder Bezugsgruppe) Zunahme, westliche Industrieländer erbgenetische, kulturelle, psychodynamische Einflüsse Klinik, Diagnose - Weigerung, Minimalgewicht zu halten Angst vor Gewichtszunahme objektiv gestörtes Körperschema weniger als 65% des Normgewichtes - BMI ( Gewicht..in..KG ) < 17,5 - Hypothermie, Hypotonie, Bradykardie Obstipation, Amenorrhoe, Osteoporose QT-Verlängerung, linksventrikuläre Hypothrophie massive Ängste (zu dick, Entdeckung) kognitive Präokkupation: Essen Verleugnung äußerer Realitäten fehlende Krankheitseinsicht gestörtes Selbstwertempfinden äußerst rigides Über-Ich depressive Einbrüche (Suicidalität) hirnorganische Störungen (CT→ Erweiterung der Furchen) Größe..in..m ² Labor - Leukopenie, leichte Anämie T3/T4 erniedrigt sekundärer Hyperaldosteronismus, ACTH und Cortisol erhöht Ute Laber 50 Psychosomatik Vorlesung - Krea, G-Bili, GOT,GPT, Amylase erhöht niedrige hypothalamische GnRH – Sekretion niedrige hypophysäre FSH /LH – Sekretion Östrogene „präpubertär“ erniedrigt relativ spezifische Parameter Subtypen restriktiver Typus: schonender Gewichtsverlust ohne Impulsdurchbrüche (=Freßattacken) purging – Typus: Freßattacken mit Erbrechen und anderen aggressiven, auf rasanten Gewichtsverlust abzielenden Maßnahmen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion - systematisches Lügen /Rückzug Hyperaktivität, extremer Ausdauersport strikt kalorienarme Diät Weglassen /Protrahieren von Mahlzeiten Verleugnung des eigenen Hungers Laxantien, Diuretika, Appetitzügler, Schilddrüsenhormone Erbrechen nach Impulsdurchbrüchen Aspekte - Auszehrung (kaschiert, weiße Haut, weite Kleider) rauhe Haut Lanugobehaarung, kindliches Aussehen Hungergesicht (große Augen, Wangenknochen) Parotisschwellung schlechter Zahnstatus (v.a. Innenseite der oberen Schneidezähne) Mundwinkelrhagaden aufgerauhter Handrücken ⇒ Erbrechen !!! sek. Hyperaldosteronismus Erbrechen Laxantien HYPOKALIÄMIE ⇒ HRST, Nierenversagen Diuretika Hyperkortizolizismus Prognose - Mortalität bis 20% dichotoner Verlauf („ Iß oder stirb!“) Chronifizierung in 40% erhöhtes Psychose /Suchtrisiko körperliche Spontanheilung 20 – 30% soziale Randexistenzen Schlechter Verlauf Ute Laber 51 Psychosomatik Vorlesung Dauer der Erkrankung später Beginn, späte Ersthospitalisierung Impulsdurchbrüche extremer Gewichtsverlust Selbstwert- /Kontaktstörungen chronischer Verlauf: Krea erhöht letaler Verlauf: Albumin erniedrigt (Albumin erniedrigt und Gewicht <60% → 70% Mortalität, sonst 1,7%) Todesursachen - - HRST Nierenversagen Infektionen (v.a. durch Streuung aus dem Zahnbereich) Stoffwechselentgleisungen Suicid (30 – 50%) Modell kollektive Leitidee genetische Vulnerabilität konfluierendes Familiensystem Kampf um Autonomie Erhalt des Status quo dyadische Entwicklungskonflikte, Triebängste pubertärer Reifungsdruck reale /phantastische Trennung von Familie dyadische Entwicklungskonflikte: Mutter hat die Bedürfnisse des Kindes nur konflikthaft befriedigt erbgenetische Faktoren - erhöhte Konkordanz bei EZ erhöhte Erkrankungsrate bei Verwandten kulturpsychologische Faktoren - Leistung und Erfolg = Resultat eigenen Triebaufschubes narzißtisches Unabhängigkeitsideal Ute Laber 52 Psychosomatik Vorlesung - individuelle Freiheit, Selbstbestimmung Entemotionalisierung triebhafter Körperbedürfnisse ⇒ Mechanisierung des Körpers : „hat keine Bedürfnisse, hat zu funktionieren“ Fitness, Schlankheit, Coolness, nicht –reproduktive Sexualität, narzißtische „Attraktivität“ Weiblicher Rollenkonflikt Doppelbelastung durch Normenwandel sexuell attraktiv, aber nicht reproduktiv Individuation Kinderwunsch Karriere Mutterschaft Emanzipation Versorgtsein Unabhängigkeit Abhängigkeit selbstunsichere junge Frau kaum gesellschaftliche Unterstützung Familiendynamik - konfluierende Verfilzung (keine Privatsphäre, Inzestproblematik liegt in der Luft) moralisierend – asketisches Leistungsideal (triebfeindlich) überwiegendes Vaterbild : oraler Pascha Spannungen, die nicht offen ausgetragen werden dürfen Therapie - frühstmögliche, offensive Diagnose Konfrontation (Prognose, Wissen um Notlügen) Konsequente Haltung (GÜ) stationäre Therapie mit Zustimmung der Eltern 3500 kcal /d, Magensonde, Sedierung, Intensivstation Bettruhe, Kontrolle (Medikamente, heimliches Erbrechen) 220g Gewichtszunahme /d kontrollieren verbindlichen Therapieplan (Teamspaltung) psychodynamische Teamsupervision Konflikt: psychoanalytische Psychotherapie Symptom: Verhaltenstherapie Umfeld: Familientherapie non-verbale Therapieverfahren cave: Verführung, Pseudoflirts, Enttäuschung (Betrug, Arroganz, Entwertung) Patienten versuchen, Therapeuten gegeneinander auszuspielen Ute Laber 53 Psychosomatik Vorlesung Anhang Themen, die im SS nicht behandelt werden, aber trotzdem abgeprüft werden WS 1998/99 Ute Laber 54 Psychosomatik Vorlesung Ich – strukturelle Störungen / Borderlinestörungen strukturelle Störung = entwicklungsbedingte = frühe = traumatisch bedingte Störungen Über-Ich Ideal-Ich Selbstrepräsentanz IR ↑↓ Objektrepräsentanz Identität - Realitätsprüfung - Selbstbeurteilung - Fremdbeurteilung - Nähe-Distanz-Regulierung - Frustrationstoleranz - Affektdifferenzierung - Impulskontrolle - Reizschutz - Abwehr /Bewältigung Realität Triebwünsche (Sexualität /Aggressivität) Autonomiebedürfnisse Bindungsbedürfnisse (Sicherheit, Versorgung, Unterstützung, affektiver Austausch, Anregung, Anleitung, Zuneigung, Bestätigung, Konstanz) • Patienten sind krank an dem Unglück, keine guten, versorgenden Strukturen /Bindungspersonen gehabt zu haben - Zurückweisung - Mißbrauch - kein glückliche Kindheit - haben das Gefühl, ein Nichts in der Welt zu sein • Autonomiebedürfnisse müssen von den versorgenden Bezugspersonen (Eltern) gefördert werden => Entwicklung von Autonomie => Erkundung der Welt ist die Entwicklung von Autonomie gestört, bleibt evtl. eine starke Abhängigkeit bestehen (keine Selbständigkeit) Ute Laber 55 Psychosomatik Vorlesung → Bezugspersonen fördern /akzeptieren Wünsche nicht ⇒ Frustration beim Kind ⇒ gestörte Integration von sexuellen Bedürfnissen /Aggression in die Persönlichkeit ⇒ Aufschieben von Frustration ist nicht möglich • Ich - Funktionen → Differenzierungen von Personen (Student vs. Dozent, etc.) → Spüren von verschiedenen Affekten (Freude, Trauer, Scham, etc.) und Differenzierung (Umgang damit) → den Umständen angepaßtes Verhalten (Nähe vs. Distanz, etc.) • Borderline – Patienten: - „Ich bin nichts, ich bin ein Versager!“ versuchen immer in jeder Situation, dieses Motto zu bestätigen. falls die Therapie positiv wirkt, versuchen die Patienten, den Erfolg zu vernichten, da in ihrem Leben nichts Positives vorkommen darf (Selbstzerstörung etc.) Selbstbilder bzw. Bilder von anderen sind radikal (schwarz-weiß-Malerei, keine Nuancen) ⇒ keine Differenzierung möglich negatives Selbstbild, ständiger Versager, sehr grob überzeichnet ⇒ Unfähigkeit, mit der Umwelt differenziert umzugehen - genet. Faktoren soziale Faktoren Persönlichkeit Aufbau des Kommunikationssystems Aufbau des Bindungssystems Aufbau des Autonomiesystems Aufbau der psychosexuellen und sozialen Identität Objektbeziehungsstruktur Selbst- und narzißtische Regulation Ichfunktion Inneres Orientierungssystem bezüglich der Bedürfnisse ist nicht oder nur gestört vorhanden. Bei Patienten mit Ich-strukturellen Störungen sind häufig schon die Aufbauten gestört, da z.B. kein „normales“ Bindungssystem (Kommunikationssystem), z.B. bei Eltern vorhanden ist. Aufbau des Bindungssystems: gestört, falls er auf Zufall beruht, keine Verläßlichkeit: heute so, morgen so. Ute Laber 56 Psychosomatik Vorlesung Autonomieentwicklung z.B. gestört, wenn Kinder das Gefühl haben, Eltern verstehen sich nur, wenn sie anwesend sind. Neurosen Ichstrukturelle Störung Schizophrenie Persönlichkeitsstrukturen Cluster A: Cluster B: Cluster C: paranoide Persönlichkeitsstörung schizoide Persönlichkeitsstörung schizotypische Persönlichkeitsstörung 0,4 – 1,8% 0,4 – 0,9% 0,7 – 5,6% dissoziale Persönlichkeitsstörung Borderline Persönlichkeitsstörung histrionische Persönlichkeitsstörung narzißtische Persönlichkeitsstörung 1,5 – 3,2% 1,1 – 4,6% 1,3 – 3,0% 0 – 0,4% zwanghafte Persönlichkeitsstörung ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung abhängige Persönlichkeitsstörung 1,7 – 2,2% 1,1 – 1,4% 1,5 – 1,7% Borderline – Störungen ein durchgängiges Muster von Instabilität im Bereich der Affektivität Impulskontrolle und Bedürfnisregulierung der zwischenmenschlichen Beziehungen des Selbstbildes Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Krankheit manifestiert sich in den verschiedenen Lebensbereichen. mindestens 5 der folgenden Kriterien sollten erfüllt sein: 1) Ein Muster von instabilen, aber intensiveren zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen Extremen der Überidealisierung und Abwertung auszeichnet. 2) Impulsivität bei mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, z.B. Geldausgeben, Sexualität (Reinszenierung eigener Erfahrungen z.B. Mißbrauch), Substanzmißbrauch, Ladendiebstahl, rücksichtsloses Fahren, Freßanfälle. 3) Wiederholte Suizidandrohungen, -ankündigungen /-andeutungen oder –versuchen oder andere selbstverstümmelnden Verhaltensweisen. 4) übermäßig starke Wut oder Unfähigkeit , die Wut zu kontrollieren. 5) Instabilität im affektiven Bereich, z.B. ausgeprägte Stimmungsänderungen von der Grundstimmung zu Depression, Reizbarkeit, Angst, wobei diese Zustände gewöhnlich einige Stunden, oder, in seltenen Fällen, länger als einige Tage anhalten. Ute Laber 57 Psychosomatik Vorlesung 6) Ausgeprägte und andauernde Identitätsstörung, die sich in Form von Unsicherheit in mindestens zwei der folgenden Lebensbereiche manifestiert: - dem Selbstbild - der sexuellen Orientierung - den langfristigen Zielen oder Berufswünschen - in der Art der Freunde oder Partner, oder - in den persönlichen Wertvorstellungen. 7) Chronisches Gefühl der Leere und Langeweile 8) Verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein. → Funktion der Suizidandrohungen: Beziehungsregulierung, Regulierung innerer Zustände. Mit Hilfe von selbstschädigendem Verhalten wird getestet, ob die Beziehung tragfest ist → „Bin ich auszuhalten?“ ~> Erpressung des Therapeuten oder der Mitmenschen Ziele der Therapie: 1) Patient soll Affekte differenzieren lernen 2) Patient soll Affekte anderen mitteilen können, mit ihnen umgehen lernen. → Musik-, Körper-, Gestaltungstherapie ⇒ bessere Affektwahrnehmung. 3) Verbesserung der Impulskontrolle Ute Laber 58 Psychosomatik Vorlesung Völlig losgelöst: Schizoide, Narzißmus • • • • Versuch, das zerbrochene Selbstwertgefühl /Bild von sich selbst nach außen durch Ausstrahlung von Stärke, Unverletzbarkeit überzukompensieren. keine Gefühle preisgeben → keine Schwäche zeigen starkes Mißtrauen anderen gegenüber Stärke spielen, „Ich bin der Größte !!!“, mir kann nichts passieren. Gefühle der Hilflosigkeit und Schwäche werden durch Omnipotenzphantasien überkompensiert. wirken im allgemeinen überheblich, arrogant, abschätzig ⇒ Patienten ziehen Abwertungsmechanismen auf sich. Angst, Mißtrauen → werden abgetan → ich bin unbesiegbar ↓ Umgebung hat das Gefühl, Patient sei arrogant → Ablehnung • Real – Selbst = Einschätzung von sich selbst (entspricht bei normalen Personen in der Regel der Einschätzung der Umgebung) Ideal – Selbst = Abstand zwischen Real – und Ideal – Selbst ist in der Regel genau so groß, daß die Spannung gerade noch ausgehalten werden kann → innerer Ansporn. Abstand darf nicht zu groß werden. Bei narzißtischen Personen ist der Abstand enorm groß: Real: „Ich bin nichts wert“ (Keller) Ideal: Top → ist oft unrealistisch hoch ⇒ der Patient muß lernen, sein Ideal-Selbst auf eine adäquate Höhe zu bringen • Ideal – Objekt: äußere Person, die so ist, wie man selbst sein möchte • verschmelzen Real – und Ideal – Selbst und das Ideal – Objekt, dann ist das Selbstwertgefühl des narzißtischen Patienten ideal /in Ordnung. ( „Glücksgefühl“ ) Der narzißtische Patient braucht ständig Glücksgefühle, damit sein Selbstwertgefühl in Ordnung ist. • Entwicklungspsychologie: primärer Narzißmus: 6 Monate: Unterscheidung Mutter – Fremde Erlebnis existentieller Abhängigkeit „ aus eigener Macht wohlversorgt“ 8-Monats – Angst Identifizierung: Entwicklung eigener Identität Entwicklung des Selbst (3. – 4. Lj. abgeschlossen) Ute Laber 59 Psychosomatik Vorlesung • Selbst – Objekt: der andere ist Erfüllungshilfe, er hat so zu funktionieren, wie der narzißtische Patient ihn haben will. • Bei narzißtischen Patienten existiert sowohl sich selbst als auch anderen gegenüber nur das Gefühl „top“ oder „hop“. Keine qualitativen Übergänge • Sind die Eltern einigermaßen gut, entstehen bei Kindern Gefühle der Versorgung bezüglich primär narzißtischer Bedürfnisse. Später kommt es immer wieder zu Frustrationen ⇒ Gefühl der absoluten Allmacht wird modifiziert ⇒ es entsteht ein inneres Bild der Welt (es entwickelt sich das „Selbst“ → Selbstrepräsentanz) Vorstellung, wie man sich selbst ist → dauert an → Charakter. Gefühl von sich selbst entwickelt sich im Umgang mit anderen Menschen. • Identifizierung Unterscheidung „Ich – die anderen“ ist Voraussetzung. 1. Abschnitt der Identitätsbildung ist im 3./4. Lj. abgeschlossen, innere Bilder können aber noch nicht modifiziert werden. „Vorstellung von mir, wie ich bin.“ 2. Abschnitt: Pubertät → vulnerable Phasen: 1. – 4. Lj. und Pubertät • latente Selbstwertstörung (z.B. durch frühkindliche Objektverluste /Beziehungsmangel) und auslösende Situation (erneute Krise z.B. durch Selbstschädigung etc.) ⇒ Ausbruch der narzißtischen Persönlichkeitsstörung • narzißtische Persönlichkeiten sind kühl – funktionierend → Beziehungen nicht so wichtig Ute Laber 60