Einseitige Weltanschauung Über die Netzhaut ins Gehirn blicken

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leserbriefe
Marah J. Hardt und Carl Safina be­
schrieben, wie sich die Versauerung der
Meere auf deren Fauna auswirkt.
(»Ozeane in Gefahr«, Februar­2011, S. 82)
Prof. Dr. Dr. Hans E. Müller, Braunschweig: Die Autoren berichten, dass
der mittlere pH-Wert in den oberen
Wasserschichten der Ozeane seit Beginn
der industriellen Revolution um 0,12
auf 8,1 gesunken ist, und schreiben von
saurer werdendem Meerwasser. Doch
handelt es sich nur um eine leichte Verschiebung im basischen Bereich. Sie ist
zweifelsohne partiell dem weltweit gestiegenen CO2-Gehalt in der Atmosphäre geschuldet, und dieser wiederum ist
teilweise anthropogen, teilweise aber
auch geogen bedingt. Niemand wird die
von den Autoren zusammengetragenen Negativeffekte auf heterophobe Lebewesen leugnen. Doch dabei kommen
die positiven Effekte etwas zu kurz.
Schließlich ist CO2 für Phytoplankton und Algen ein Wachstumsfaktor.
CO2 wird gebunden und langfristig wieder in fossile Brennstoffe verwandelt,
auf die Deutschland ab 2050 völlig verzichten soll. Weshalb die so genannte
Versauerung die Verfügbarkeit von Ei-
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sen für Phytoplankton erschweren soll,
ist wenig überzeugend, denn normalerweise steigt die Löslichkeit von Eisen­
ionen mit sinkendem pH-Wert an. Und
so keimt beim Leser der Verdacht, dass
hier keine ideologiefreie Wissenschaft,
sondern die fragwürdige Weltanschauung eines so genannten Klimaschutzes
vermittelt werden soll.
Über die Netzhaut
ins Gehirn blicken
Der Psychiater Karl Deisseroth stellte die
von ihm mitentwickelte Methode der
Optogenetik vor, die es erlaubt, einzel­ne
Nervenzellen anzuregen. (»Lichtschalter
im Gehirn«, Februar 2011, S. 22)
Dr. Dr. Horst J. Koch, Aue: Der interessante Ansatz von Deisseroth wird sicher die diagnostischen und möglicherweise auch die therapeutischen Optionen in der Nervenheilkunde bereichern.
Ganz neu ist der Gedanke optisch aktivierbarer Proteine allerdings nicht. In
den 1990er Jahren habe ich, angeregt
durch Untersuchungen von Amiram
Grinvald (Grinvald, A. et al.: Real-Time
Optical Imaging of Naturally Evoked Ac­
tivity in Intact Frog Brain. In: Nature
308, S. 848 – 850, 1984), mit Farbstoffen
und intrinsischen elektrischen Signa-
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Darren Braun
Einseitige
Weltanschauung
Mehr als nur schöner Schein: Hirnforscher
erachten die Opto­genetik bereits als neues
Glanzstück in ihrem Methoden­arsenal.
len experimentiert. Dabei bin ich auf
die Möglichkeit gestoßen, über die Re­
tina direkt die elektrophysiologischen
Eigenschaften von Hirnanteilen zu untersuchen (retinal optical imaging).
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Farbstoffe eignen sich Farbstoffe leider
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SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · April 2011
nicht für die praktische Anwendung am
Menschen. Hämoglobin oder andere
intrinsische spannungssensitive Moleküle könnten hier weiterhelfen. Vielleicht bietet die Retina für die Opto­
genetik einen hilfreichen innovativen
Zugangsweg, um die Funktion zentraler Neurone zu beurteilen (Koch, H. J.:
Optical Imaging of the Retina Using
­Intrinsic Signals: A Possible Diagnostic
Neurological Tool? In: Romanian Journal
of Neurology 39, S. 81 – 84, 2001).
Erdbeben
als Auslöser
Der Geograf Kenneth Hewitt erörterte
die möglichen Ursachen für die giganti­
schen Bergstürze im Karakorum.
(»Nützliche Katastrophen«, Februar
2011, S. 72)
Ditmar Friendli, Witterswil (Schweiz):
Im Alpenraum, wo sich seit der letzten
Vergletscherung ebenfalls dramatische
Bergstürze ereignet haben, gilt der Rückzug der Gletscher als häufige Ursache:
Hänge wurden nicht mehr vom Eis gestützt und glitten zu Tal. Dies könnte
durchaus auch für das in der Kaltzeit
von Gletschern durchflossene Industal
zutreffen. Zudem ist dort vorstellbar,
dass Talflanken durch die Tiefenerosion
der Gebirgsflüsse zu steil werden und
nach einem Erdbeben oder Starkniederschlag abrutschen.
Schließlich darf man auch nicht das
Auftauen des Permafrosts infolge der
Klimaerwärmung vergessen. Der im
­Artikel erwähnte Bergsturz von Randa
ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das Eis in den Klüften des
Talhangs das Felsgestein nicht mehr
zusammenhielt. Für mich kommen Beben eher als Auslöser und nicht so sehr
als primäre Ursache für die Bergstürze
in Betracht.
Antwort des Autors Kenneth Hewitt,
Wilfried Laurier University, Waterloo
(Kanada):
Sie haben Recht: Auch die von Ihnen
aufgelisteten Phänomene können das
Grundgestein Hunderte von Metern
tief destabilisieren und somit Bergstürwww.spektrum.de
ze und Muren auslösen – doch manche
erst im Lauf von Jahrhunderten oder
gar Jahrtausenden. Jener Felslawine im
Gebiet des Bualtar-Gletschers vom August 1986 etwa, die mein Interesse an
dem Thema weckte, ging kein Erdbeben
voraus. Wahrscheinlich war das Gestein
durch den schwindenden Gletscher,
vielleicht auch durch auftauenden Permafrost allmählich brüchig geworden.
Als unmittelbarer Auslöser kommen
auch extreme Schmelzwasser nach einem außergewöhnlich schneereichen
Winter und Frühling sowie heftige Niederschläge im Sommer in Frage. Damals rutschten gut 20 Millionen Kubikmeter zu Tal. Megabergstürze, deren
Volumen um mindestens den Faktor
100 größer ist, erfordern aber tiefer gehende Störungen des Grundgesteins
und vor allen Dingen weit mächtigere
»Trigger«. Erdbeben sind ein guter Kandidat dafür, insbesondere solche der
Stärke 8 und mehr auf der Richterskala.
In diesen könnten sich tektonische
Spannungen auf einmal entladen, die
sich über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende aufgebaut haben. Das würde
auch besser erklären, warum Megabergstürze in der Vergangenheit des
Karakorum Cluster bildeten, also zur
gleichen Zeit im ganzen Gebiet auftraten. Wohlgemerkt ist das derzeit nur
ein Modell – doch es passt gut zu den
bisherigen Daten und Beobachtungen.
Es geht nicht
ohne klinische Studien
Hans Lehrach und Urban Wiesing
diskutierten, ob eine individualisierte
Medizin auf Grundlage der Genom­
sequenz möglich ist. (»Der modellierte
Patient«, Januar 2011, S. 60)
Christian Monnerjahn, Magdeburg:
Herrn Lehrach geht es darum, die ge­
netische Disposition eines Tumors zu
bestimmen und im Abgleich mit einer
­Effizienz-Datenbank das vermutlich
optimale Medikament auszuwählen.
Dieser Ansatz ist im Grunde positiv –
sowohl für den einzelnen Patienten, der
zumindest weniger zum »Versuchskaninchen« wird, als auch für die Kran-
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kenkassen, da der Einsatz teurer Krebsmedikamente effizienter erfolgen sollte – sofern das Verfahren funktioniert.
Das hängt von der Qualität der zu erstellenden Datenbank ab.
Hier stellt sich die Frage, woher die
Daten kommen. Letztlich können sie
nur auf klinischen Studien beruhen, bei
denen die Tumoren der einzelnen Pa­
tienten genetisch untersucht wurden.
Das ist problematisch, wenn einer solchen »Weiterverwendung« der Daten
von den Patienten nicht zugestimmt
wurde. Datenschutz und Datenmanagement sind somit zentrale Herausfor­
derungen. Hier bietet die EU-Gesetzgebung für klinische Forschung durchaus
einen Rahmen. Ferner ist eine Erfolgskontrolle nötig – und die kann nur wieder in klinischen Studien erfolgen.
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