Unberechtigte Kritik Der Systemökologe Gunnar Brandt berechnete die Ursachen des Untergangs der Osterinsel-Kultur neu (»Das Rätsel der Rapa Nui«, Forschung aktuell, August 2015, S. 12 ). Fabian Cundano Maltez, Erfurt: Die Darstellungen Jared Diamonds als »plakativ« zu kritisieren, erscheint mir von Seiten der Autoren dieses Artikels mehr als unangemessen. Im Gegenteil, Diamond wurde mehrfach für seine in­ terdisziplinären Analysen unter Ver­ knüpfung von Archäologie, Biologie, Geschichte und selbst Linguistik ausge­ zeichnet (zum Beispiel mit dem »Dick­ son Prize in Science« im Jahr nach der Herausgabe von »Kollaps«). Seine en­ gen Kontakte und sein breites Wissen über verschiedene Ureinwohnervölker auch der heutigen Zeit sind heraus­ ragend. Inwiefern die im Artikel ange­ sprochene Popularität seiner Bücher den Wert seiner Arbeiten schmälern sollte, ist mir ein Rätsel. Zum Zweiten zeigen gerade die Ar­ beiten Diamonds den großen Schwach­ punkt des Analysemodells dieses Bei­ trags: Die Autoren verwenden für den Zeitpunkt der ersten Besiedlung der ­Osterinsel bis hin zum Zusammen­ bruch das gleiche mathematische Mo­ dell – gesellschaftliche Umwälzungen, kul­turelle Veränderungen, Lernprozes­ se (zum Beispiel beim Anblick schwin­ dender Baumbestände oder bei der ­Realisierung des Rattenproblems) und hieraus resultierende Veränderungen des Zusammenspiels von Mensch und Natur bleiben weit gehend unberück­ sichtigt. So unterlag beispielsweise das Verhältnis Ackerbau-HolzverbrauchBevölkerungswachstum maßgeblich dem Ressourcenverbrauch zum Bau der enormen Monumente, welcher wie­ derum durch die vorherrschende Re­ gierungsform bestimmt wurde – und gerade hier ergaben sich im Lauf der Besiedlungsgeschichte große Verände­ rungen. Die Betrachtung des Zusam­ menspiels von nur statischen zehn Pa­ rametern erscheint mir für die kom­ plexen Vorgänge im Lauf von sechs Jahrhunderten schlicht zu einfach, zumal viele Fak­toren/Berechnungen nach Angaben der Autoren so lange an­ gepasst worden sind, bis sie eben zu den belegten Funden passen. Leser- und Bestellservice: Helga Emmerich, Sabine Häusser, Ute Park, Tel. 06221 9126-743, E-Mail: [email protected] Vertrieb und Abonnementverwaltung: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, ­ c/o ZENIT Pressevertrieb GmbH, Postfach 81 06 80, 70523 Stuttgart, Tel. 0711 7252-192, Fax 0711 7252-366, E-Mail: [email protected], Vertretungsberechtigter: Uwe Bronn Chefredakteur: Prof. Dr. phil. Dipl.-Phys. Carsten Könneker M. A. (v.i.S.d.P.) 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ISTOCK / SEBASTIEN COTE LESERBRIEFE Gewaltige Steinskulpturen, die so genannten Moai, auf Rapa Nui sind für Touristen der Grund, die Osterinsel zu besuchen; im Übrigen ist die Landschaft karg und wenig anziehend. Eine tiefer gehende Auseinanderset­ zung mit den Analysen Diamonds an Stelle von plumper Kritik hätte der hier vorgestellten Arbeit der Wissenschaft­ ler sicher gutgetan. Verbreitung, öffentliche Wiedergabe oder öffentliche Zugänglichmachung, ist ohne die vorherige schriftliche Einwil­li­gung des Verlags unzulässig. Jegliche unautorisierte Nutzung des Werks berechtigt den Verlag zum Schadensersatz gegen den oder die jeweiligen Nutzer. Bei jeder autorisierten (oder gesetzlich gestatteten) Nutzung des Werks ist die folgende Quellenangabe an branchenüblicher Stelle vorzunehmen: © 2015 (Autor), Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg. 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KG, Marktweg 42 – 50, 47608 Geldern Sämtliche Nutzungsrechte an dem vorliegenden Werk liegen bei der Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH. Jegliche Nutzung des Werks, insbesondere die Vervielfältigung, Erhältlich im Zeitschriften- und Bahnhofs­ buchhandel und beim Pressefachhändler mit diesem Zeichen. SPEK TRUM DER WISSENSCHAF T · OK TOBER 2015 Antwort des Autors Gunnar Brandt: Vielen Dank für die Kommentierung des Artikels, den Sie keinesfalls als Ge­ neralkritik an Jared Diamonds Werk verstehen sollten, denn Wissenschaft lebt von der Kontroverse! Wie Sie schät­ ze ich Diamond sehr für seinen inter­ disziplinären Ansatz und als außerge­ wöhnlichen Autor. Allerdings erfährt seine im Buch »Kollaps« veröffentlich­ te Geschichte eines artikulierten Öko­ zids unter Archäologen mit großer Er­ fahrung auf der Osterinsel derzeit kaum Zustimmung, weil die aktuelle Datenlage einen derartigen Verlauf nicht stützt. Zu Ihrem zweiten Punkt: Ein Modell ist per Definition eine (starke) Vereinfa­ chung der Realität und berücksichtigt nie alle Details. Modelle werden daher häufig ob ihrer Einfachheit kritisiert, weil angenommen wird, dass komplexe Modelle bessere Ergebnisse liefern wür­ den. Das Gegenteil ist allerdings oft der Fall! Ein komplexeres Modell zu entwi­ ckeln, ist nur dann sinnvoll, wenn man genaue Kenntnisse über die zusätzlich notwendigen Annahmen und Prozesse besitzt, denn mit einem komplexen Modell und hinreichend Freiheit be­ züglich der Annahmen und Randbedin­ gungen kann man jede beliebige Da­ tenreihe simulieren, ohne das System­ verständnis zu verbessern. Es ist natürlich sehr unwahrschein­ lich, dass sich das von Ihnen angespro­ chene Verhältnis über die Jahrhunderte gar nicht änderte, aber nicht einmal Diamond kann genaue und belastbare Angaben zum zeitlichen Verlauf wich­ tiger Parameter des Mensch-UmweltSystems Osterinsel machen. Darüber hinaus präsentieren Terry Hunt und Carl Lipo in ihrem Buch »The Statues that Walked: Unraveling the Mystery of Easter Island« eine überzeugende Alter­ native zu Diamonds These des ressour­ cenhungrigen Statuenkults. In einer solchen Situation beachtlicher Unsi­ cherheit bezüglich der Modellannah­ men haben wir uns entschieden, mit ­einem eher einfachen, aber dafür ro­ busten Modell zu arbeiten, um die ge­ sicherten Erkenntnisse der Geschichte der Osterinsel nachzuvollziehen. WWW.SPEK TRUM .DE Holger Bauer, Moers: Das Foto mit den Moai auf S. 13 wurde beschrieben, ich zitiere: »Gewaltige Steinskulpturen, die so genannten Moai, blicken weit über das Meer.« Das stimmt so nicht, diese Stein­skulpturen schauen mit ihrem Gesicht landeinwärts. Eines der Myste­ rien dieser Kultur. Antwort der Redaktion: Herr Bauer hat Recht. Bis auf wenige Ausnahmen blicken die Moai landein­ wärts zu den Ansiedlungen. Falsche Signalauswertung? Der Paläoklimatologe Tas van Ommen berichtete über eine Zeitverzögerung von rund 200 Jahren zwischen Klima­ umschwüngen auf der Nord- und Südhalbkugel (»Norden stößt Klimaschaukel an«, Forschung aktuell, ­August 2015, S. 15). Michael Jungnickl, Neunkirchen am Brand: Im Artikel wird behauptet, das Klima in Grönland führe zu einem Kli­ mawechsel in der Antarktis. Ich bin der gegenteiligen Meinung. Auf S. 16 befin­ det sich eine Grafik mit einem Rechteck und einem Sägezahn als Verlauf der Temperatur für die Arktis und die Ant­ arktis. Über den Temperaturverlauf der Antarktis lässt sich ein Schmitt-Trigger mit Hysterese legen. Das Signal ent­ spricht dann dem Temperaturverlauf in der Arktis. Auffällig dabei ist, dass sich das Klima in Grönland sprunghaft ändert. Das heißt, es ist entweder insta­ bil oder wird durch Änderungen in der Meeresströmung von außen gelenkt. Neuer Pfad zu den Wurzeln der Kognition Schon kleine Kinder kooperieren in Situationen miteinander, stärker und anders als es Affen tun, berichtete Gary Stix (»Gute Zusammenarbeit«, Mai 2015, S. 52 ). Peter Wolter, Lübeck: Ein hohes Lob dem Anthropologen Michael Toma­ FOLGEN SIE UNS IM INTERNET www.spektrum.de/facebook www.spektrum.de/youtube www.spektrum.de/googleplus www.spektrum.de/twitter sello, der einen neuen Pfad zu den Wur­ zeln der Kognition zu beschreiten wagt. Kooperation als evolutionäre Kompo­ nente menschlicher Kulturentwicklung wird wahrscheinlich nicht unwider­ sprochen bleiben, implementiert es doch systemische Grundlagen, die von einem Teil der Sozialwissenschaftler (und auch der Laien) als »ideologi­ scher« Irrweg angesehen werden dürf­ ten. Das junge Forschungsgebiet wird noch viel Arbeit erfordern, und man darf gespannt sein, wann die Zusam­ menhänge der Kooperation sich zu konkretisieren beginnen. Es bleibt dann zu hoffen, dass auch die Ursachen der Kooperationsverweigerung, die der Menschheit jahrtausendelang so viel Leid aufluden, näher beleuchtet und er­ klärt werden können. B R I E F E A N D I E R E DA K T I O N … sind willkommen! Schreiben Sie uns auf www.spektrum.de/leserbriefe oder schreiben Sie mit Ihrer kompletten Adresse an: Spektrum der Wissenschaft Leserbriefe Sigrid Spies Postfach 10 48 40 69038 Heidelberg oder per E-Mail: [email protected] Die vollständigen Leserbriefe und Antworten der Autoren finden Sie ebenfalls unter: www.spektrum.de/leserbriefe 95