Auftragsstudien von Pharmaunternehmen

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Auftragsstudien von
Pharmaunternehmen
Laut dem Mediziner Klaus Lieb gefähr­
den Auftragsstudien durch die Pharma­
industrie die Objektivität und Neutra­
lität der Forschung (»Mein Essen bezah­
le ich selbst!«, Juni 2013, S. 36).
Martin Diefenbach, Edewecht: Die Hypothese ist plakativ und in dieser Form
falsch. Keine Forschung ist unabhängig,
es sei denn, sie kommt ohne Forscher,
Geld und Geräte aus. Fließt weniger
Geld aus der Industrie, wird weniger geforscht und nicht über andere Themen.
Woher die Gelder stammen, bestimmt
die Richtung der Forschung, kann aber
die Ergebnisse nicht beeinflussen. Lediglich die Interpretation mag wohlwollend formuliert werden. Deshalb gibt es
in jeder wissenschaftlichen Publikation
neben der »Diskussion« auch »Material
und Methoden« und »Ergebnisse«.
Zu Ihren drei Punkten. Erstens: Die
Aussage, Themen beziehungsweise Forschung, für die kein Geld vorhanden ist,
finden nicht statt, ist banal und keine
manipulative Beeinflussung der Forschung. Dass andere Themen dadurch
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vernachlässigt oder Kapazitäten gebunden werden, stimmt nicht, denn ein Forscher kann sich frei entscheiden, wie er
seinen Lebensunterhalt bestreitet.
Zweitens: Nicht die Pharmaindustrie
bestimmt die Forschungsmethoden.
Das Ziel einer Arzneimittelprüfung ist
der Nachweis der Überlegenheit gegenüber dem Placebo und nicht des eigenen
Produkts gegenüber dem des Konkurrenten. Die Studien werden im Arzneimittelgesetz §§40-42b (AMG) geregelt.
Jede davon in Deutschland wird nach
Good Clinical Practice durchgeführt und
muss vor Beginn geplant und durch das
Bundesinstitut für Arzneimittel und
Me­dizinprodukte/Paul-Ehrlich-Institut
und eine Ethikkommis­sion genehmigt
werden. Schon vor dem Start ist die
­Methodik im Prüfplan eindeutig festgelegt. Von jeder heute laufenden Studie
muss das Ergebnis der zuständigen Bundesoberbehörde zur Eingabe in die all­
gemein verfügbare Datenbank nach
§67a Absatz 2 AMG zur Verfügung gestellt werden. Damit hat sich auch Ihr
dritter Punkt erledigt, denn die Daten
sind inzwischen öffentlich.
Ein negatives Studienergebnis bedeutet, dass der Arzneistoff nicht bes-
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leserbriefe
Wie stark werden Ärzte durch Gefälligkeiten der Pharmaindustrie beeinflusst?
ser wirkt als ein Placebo. Deshalb ist er
nicht unwirksam oder das Placebo besser, sondern vielleicht nur die Methodik nicht geeignet. Eine Fehleranalyse
der Studie führt zu einem besseren Versuchsplan, der dann vielleicht ein po­
sitives Ergebnis liefert. Dadurch dass
negative Studien nicht publiziert werden, wird die Wahrnehmung des Wirkstoffs in der wissenschaftlichen Welt
nicht »manipuliert«. So wie Sie es schildern, kommt der falsche Eindruck auf,
dass nicht publizierte Studien eine
­negative oder keine Wirkung belegen
­würden.
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SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · august 2013
Antwort des Autors Klaus Lieb: Dass
»keine Forschung unabhängig ist«,
dem stimme ich zu. Im Leserbrief
kommt aber der Eindruck auf, alle
(pharmafinanzierte) Forschung laufe
nach klaren Regeln, unabhängig und
frei. Das ist oft nicht der Fall. Mir geht
es nicht um plakative Pauschalurteile,
sondern um eine Sensibilisierung für
wissenschaftlich nachgewiesene Einflüsse: Industrie und Forscher können
sehr wohl die Methodik und damit
auch die Ergebnisse von Studien zu
ihren Gunsten beeinflussen, interes­
sen­geleitete Forschungsthemenplatzierung kann sehr wohl zur Vernachlässigung von Forschung mit Patientennutzen führen, und nicht publizierte
Studien sind deutlich häufiger Studien
mit negativem Ergebnis. Das heißt weder, dass jede Pharmastudie schlecht
ist, noch, dass alle Forscher manipulieren. Es heißt nur, dass Interessenkonflikte Forschung beeinflussen können
und wir dafür verstärkte Aufmerksamkeit brauchen.
Evolution versus
Erfindungen
In Afrika gab es schon vor dem Homo
sapiens die ersten kreativen Menschen,
berichtete Heather Pringle (»Die Geburt
der Kreativität«, Juni 2013, S. 22)
Peter Kosek, Gütersloh: Da hat nicht einer vor vielleicht 200 000 Jahren mal
ein bisschen angefangen, Feuer zu machen und diese Anfangsfertigkeit weitergegeben, sondern er machte richtiges Feuer, stellte fest, wie das ging und
wozu man es brauchte – und machte
danach immer wieder Feuer. Eine Erfindung von heute auf morgen.
Das ist der Unterschied zwischen
Evolution und Erfindung: Das eine
braucht Weile, das andere kann durch
den »Sperrklinkeneffekt« (SdW 6/2013,
S. 28) mit einem Heureka gleichsam
vom Himmel fallen, will heißen »geboren« werden. Somit ist die »Geburt der
Kreativität« auf Grund der möglichen
Plötzlichkeit, mit der etwas geschieht,
durchaus als sinnvolle Bezeichnung anzusehen.
www.spektrum.de
Sauerstoffkonzentration
als Triebfeder
Die Biologen William Martin, Nick Lane
und Valérie Schmitt erläuterten, wie
höher entwickelte Zellen entstanden.
(»Der Schritt zum komplexen Leben«,
Juli 2013, S. 40)
Dietrich H. Nies, Halle: Zwei Anmerkungen seien mir als Mikrobiologen
­erlaubt: Erstens sind Bacteria und Ar­
chaea, eigenständige »Superkingdoms«
neben dem der Eukaryota, nicht zu
»tumb«, um komplexe intrazelluläre
Strukturen zu bewältigen (siehe Endosporenbildung), sie folgen nur einer
­anderen grundsätzlichen Evolutions­
strategie, die auf möglichst schnelles
Wachstum ausgerichtet ist. Die Geschwindigkeit hängt aber ab vom Verhältnis der Energieaufnahmeleistung,
proportional zur Oberfläche, zur Wachstumsarbeit, proportional zu Masse und
Volumen. Nach unten wird die Effizienzsteigerung durch Verkleinerung begrenzt durch die Notwendigkeit, bei
sich ändernden Umweltbedingungen
ausreichend viele Gene parallel zu aktivieren. Diese Grenzen definieren die
Größe einzelner Bakterienarten. Der
Evolutionsdruck der schnell wachsenden Bakterien auf die auf Überdauerung ausgerichteten Eukaryoten könnte diese zur Individualisierung gezwungen haben, also zur Sexualität mit dem
ganzen Meiose- und Paarungsaufwand.
Zweitens konnten frühe Eukaryoten,
die den Sauerstoff zu ihren Endosymbionten schaffen mussten, nur dann
mit Bakterien, die direkten Zugriff haben, konkurrieren, nachdem die Sauerstoffkonzentration ausreichend hoch
geworden war. Dies setzte die »Erfindung« der oxygenen Fotosynthese
durch die Zyanobakterien sowie die Akkumulation dieser eigentlich hochgif­
tigen Substanz in der Umwelt voraus,
und war erst möglich nach der ersten
großen Oxygenierung der Erde vor
etwa 2,4 Milliarden Jahren. Es könnte
­jedoch sein, dass Bakterien fressende
Ureukaryoten sich schon vorher ein
Bakterium zur Sauerstoffentgiftung
versklavt hatten. Eukaryoten sind mit
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großer Sicherheit Produkt einer »Hochzeit« von Bakterien mit Archaeen. Ob
allerdings der Mitochondrienvorläufer
der erste Partner war oder ob dieses Alphaproteobakterium bereits in das Produkt einer früheren Hochzeit einwanderte, sozusagen als »flotter Dreier«, ist
noch offen. Weiterhin musste später
der Sauerstoff auch effektiv zu den Zellen eines Vielzellers transportiert werden, was wiederum eine höhere Sauerstoffkonzentration erforderte und damit vermutlich erst nach der zweiten
großen Oxygenierung vor rund 800
Millionen Jahren möglich war. Die steigende Sauerstoffkonzentration und die
Nutzung dieses Gifts zur Energiekonservierung durch versklavte Bakterien
könnte damit in der Tat die Triebfeder
der Evolution von Komplexität auf unserem Planeten gewesen sein.
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