Organische Chemie - Physiologische Chemie Tiermedizin

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CHEMISCHES ÜBUNGSSEMINAR DER TIERÄRZTLICHEN FAKULTÄT
München
Organische Chemie
Sommersemester 2010
© Lehrstuhl für Physiologische Chemie
Inhaltsverzeichnis
Praktikumsordnung
1. Übungsaufgabe: Thermische Zersetzung von Tribromessigsäure
S.4
2. Übungsaufgabe: Reaktionskinetik: Katalysator
S.8
3. Übungsaufgabe: Verteilung und Adsorption
S.12
4. Übungsaufgabe: Oxidation und Reduktion funktioneller Gruppen
S.25
5. Übungsaufgabe: Substitutions- und Additionsreaktionen
S.33
6. Übungsaufgabe: Nachweis von Kohlenhydraten, Aldehyden und Ketonen
S.38
Anhang 1
Weitere Aufgaben zu den Übungsseminaren des Sommersemesters
S.42
Anhang 2
Sicherheitsangaben zu den verwendeten Chemikalien
S.45
Anhang 3
Gefahrstoffsymbole, R- und S-Sätze
S.48
Hinweis:
Die Beschreibung der jeweiligen Übungsseminare enthält in einem allgemeinen Teil eine Einführung
in die theoretischen Grundlagen des jeweiligen Themas. Diese Einführungen sind jedoch kein
Lehrbuchersatz! Die notwendige Vertiefung des jeweiligen Lehrstoffes ist mit Hilfe der empfohlenen
Lehrbücher vorzubereiten.
2
Praktikumsordnung
Die Praktikumsordnung ist genau einzuhalten. Verstöße gegen diese Ordnung führen
zum Entzug des Arbeitplatzes.
Sicherheit ist das oberste Grundprinzip für das Arbeiten im chemischen Labor! Die Versuche sind immer so durchzuführen, dass weder Sie selbst, noch Ihre MitstudentInnen,
noch die Umwelt gefährdet oder gar geschädigt werden.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Jede(r) StudentIn ist für die Ordnung und
Sauberkeit des Arbeitsplatzes und der zugehörigen Ausrüstung verantwortlich.
Im Arbeitssaal ist ständig ein Arbeitskittel
(weißer Baumwollkittel) und eine Schutzbrille zu tragen.
Personen, die nicht zur Praktikumsgruppe
gehören, dürfen den Kurssaal nicht betreten.
Jede(r) Studierende hat sich vor Beginn
des Praktikums über die Absperrung der
Gaszufuhr, die Feuerlöscher, die Augenduschen, die Sanitätskästen und die Ganzkörperdusche zu informieren.
In den Kurssälen besteht Ess-, Trink- und
Rauchverbot.
Schwangere Studentinnen dürfen an den
praktischen Übungen nicht teilnehmen.
Eine Schwangerschaft ist dem Kursleiter
anzuzeigen.
Aus Sicherheitsgründen dürfen grundsätzlich nur die im Praktikumsheft aufgeführten Experimente durchgeführt werden.
Chemikalien und Ausrüstungsgegenstände
dürfen nicht aus dem Praktikum entnommen oder weitergereicht werden.
Der Arbeitsplatz und die gemeinschaftlich
genutzten Plätze (Chemikalienbereitstellungsplätze, Abfallentsorgungsplätze, Trockenschränke) sind während der Übungsstunden sauber zu halten und nach Beendigung des Praktikums sauber zu verlassen. Alle verwendeten Geräte und Chemikalienflaschen müssen gesäubert und aufgeräumt werden.
Flaschenstöpsel dürfen nicht vertauscht
werden. Um dies zu vermeiden wird empfohlen, den Stöpsel nicht aus der Hand zu
legen.
Sachbeschädigungen, Brände, Verletzungen und Unfälle sind sofort dem zuständigen Assistenten mitzuteilen.
12. Alle nicht mehr benötigten chemischen
Substanzen sind über die bereitgestellten
Sammelbehälter zu entsorgen. Das Eingießen in den Abfluss ist verboten. Gefahrstofffreie Feststoffabfälle (Glasbruch,
Filterpapier etc.) werden über die Abfallkübel entsorgt.
13. Lösungen sind grundsätzlich mit der
ausgegebenen Pipettierhilfe zu pipettieren.
14. Chemikalien und Lösungen nicht an
Mund, Augen und Hände bringen. Falls
doch, dann sofort Hände und Mund am
fließenden Wasser abspülen bzw. die Augenduschen benutzen.
15. Mit Chemikalien benetzte Kleidung entfernen, notfalls bis auf die Haut ausziehen,
mit Wasser und Seife, gegebenenfalls mit
Spülmittel reinigen.
16. Für die in den Übungsseminaren verwendeten Chemikalien sind in Anhang 2 die
Code-Nummern der verbindlichen Gefahrenhinweise (R-Sätze) und Sicherheitsratschläge (S-Sätze) angegeben. Der
Wortlaut der jeweiligen R- und S-Sätze ist
in das Versuchsprotokoll zu übernehmen.
Dazu liegen im Kurssaal Listen der R- und
S-Sätze auf.
17. Verhalten bei Unfall, Brand und Gefahr:
Personenschutz geht vor Sachschutz!
• Warnen Sie gefährdete Personen, und
begeben Sie sich zusammen mit diesen
aus der Gefahrenzone. Gegebenenfalls
den Raum verlassen!
• Verständigen Sie sofort den Kursassistenten oder den Kursleiter!
18. Schwere Verstöße, mangelnde Vorbereitung und Sorgfalt bei der Durchführung
der Aufgaben können zum Entzug des Arbeitsplatzes führen. Jede(r) StudentIn
haftet für Schäden an Personen und Sachen, die er durch unsachgemäßes oder
fahrlässiges Verhalten verschuldet hat.
3
1. Aufgabe
Thermische Zersetzung von Tribromessigsäure
Stichworte: Reaktionskinetik; Reaktionsgeschwindigkeit; Chemisches Gleichgewicht; Reaktionsordnung; Aktivierungsenergie; Halbwertszeit; Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit.
A. Allgemeines
Mit der Untersuchung der Reaktionsgeschwindigkeiten verfolgt man im wesentlichen zwei Ziele. Erstens interessiert aus praktischen Gründen, wie schnell eine Reaktion zu einer Gleichgewichtseinstellung führt. Die Geschwindigkeit dieses Vorgangs hängt u.a. vom Druck, der Temperatur oder der Anwesenheit eines Katalysators ab. Zweitens führt die Untersuchung der Reaktionsgeschwindigkeit zu
Erkenntnissen über die Mechanismen chemischer Reaktionen. Die Reaktionskinetik verwendet als
Messgröße die Änderung der Konzentration der an der Reaktion beteiligten Substanzen in Abhängigkeit von der Zeit. Chemische Reaktionen werden nach ihrer Reaktionsordnung unterschieden. Für jede
Reaktion kann ein Geschwindigkeitsgesetz angegeben werden. Diese mathematische Gleichung setzt
die Konzentrationen der Reaktanden mit der Reaktionsgeschwindigkeit in Beziehung. Für eine Reaktion 1. Ordnung, z.B. 2 N2O5 (A) ˆ 4 NO2 (B) + O2 (C) lautet das Geschwindigkeitsgesetz:
v =-
dc(A)
= k • c(A)
dt
dc(A)
= -k • dt
c(A)
c
d
Die Reaktionsgeschwindigkeit v (mol/L•s) einer Reaktion erster Ordnung hängt also von der Konzentration des Edukts A zum Zeitpunkt t und von der Geschwindigkeitskonstanten k (s-1) ab. Die Geschwindigkeitskonstante ist eine reaktionsspezifische Größe, die zudem temperaturabhängig ist. Die
bekannteste Reaktion erster Ordnung ist der radioaktive Zerfall. Die Integration und Umformung von
Gleichung d ergibt:
A
t
A0
0
∫ dc(A) / c(A) = ∫ - k • dt
e
ln c(A) - ln c 0 (A) = - k • t
f
ln c(A) = - k • t + ln c 0 (A)
g
wobei ln c0 (A) die Integrationskonstante ist und c0(A) die Anfangskonzentration von A zur Zeit t = 0.
Trägt man ln c(A) gegen t auf, so ergibt sich eine Gerade mit der Steigung -k und dem Ordinatenabschnitt ln c0(A). Aus der Steigung lässt sich der Wert von k bestimmen. Gleichung g lässt sich folgendermaßen umformen:
ln
c(A)
= - k•t
c 0 ( A)
h
4
c(A) = c 0 (A) • e- kt
i
Aus Gleichung i ergibt sich die Zeitabhängigkeit der Konzentration c(A). Der entsprechende Kurvenverlauf ist in den gängigen Lehrbüchern zu finden.
Die Reaktionszeit, nach der die Hälfte des Edukts A umgesetzt ist, nennt man die Halbwertszeit, t1/2.
Zu diesem Zeitpunkt ist c(A) = ½ c0 (A). Setzen wir den Wert in Gleichung hein, so folgt:
1
c 0 ( A)
2
ln
= - k • t1/ 2
c 0 ( A)
j
1
0,693
t1/ 2 = ln 2 =
k
k
k
Nach Auflösen der Gleichung:
Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit. Wie lässt sich diese erklären? Eine
chemische Reaktion kann nur dann erfolgen, wenn die Aktivierungsenergie E‡, die für die Bildung
eines Übergangszustandes notwendig ist, zugeführt wird. Diese Energie kann durch thermische Stöße
(z.B. im Temperaturbad) aufgebracht werden. Je höher die Temperatur, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen die für die Reaktion notwendige Aktivierungsenergie E‡ besitzt und die
Reaktion somit abläuft. Je höher die Temperatur, desto höher die Reaktionsgeschwindigkeit. Die
Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante wird durch die Arrhenius-Gleichung (10)
beschrieben. Was bedeutet die Konstante A? Für die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion ist
die Anzahl der reaktiven Stöße pro Zeiteinheit entscheidend. Damit eine Reaktion stattfinden kann,
müssen diese Stöße, wie oben bereits erwähnt, energiereich (Aktivierungsenergie E‡) sein, aber auch
darüber hinaus noch aus einer bestimmten Richtung erfolgen.
k= A ● eE‡/(RT)
l
(k = Geschwindigkeitskonstante, A = die reaktionsspezifische Arrhenius-Konstante, E‡ = molare Aktivierungsenergie, R = molare Gaskonstante, 8,31 J/mol-1 ● K-1)
B. Experimenteller Teil
Prinzip. Im durchzuführenden Experiment wird die thermische Zersetzung von
Tribromessigsäure zu Kohlendioxid und Tribrommethan untersucht. Die Zersetzung
erfolgt unter Wärmezufuhr und verläuft nach folgender chemischer Gleichung:
Der zeitliche Ablauf der Reaktion wird verfolgt, indem mehrere Reaktionsansätze mit
identischer Zusammensetzung in einem Wasserbad auf 75 °C erhitzt werden (Start
der Reaktion). Anschließend entnimmt man in bestimmten Zeitintervallen jeweils
5
eine Probe und kühlt sie ab (Abbruch der Reaktion). Die Konzentration der noch vorhandenen Tribromessigsäure wird durch Säure-Base-Titration bestimmt.
Durchführung. Stellen Sie 100 mL einer Tribromessigsäure-Lösung mit der Konzentration 0,0075 mol/L her. In fünf Reagenzgläser jeweils 10 mL der Lösung einpipettieren. Die Reagenzgläser in das 75 °C heiße Wasserbad stellen. Jeweils nach 3, 7,
12, 21 und 30 min ein Reagenzglas entnehmen und in ein Becherglas mit Eiswasser
stellen. Die Lösungen nach Abkühlen jeweils in einen Erlenmeyerkolben überführen,
mit einigen Tropfen des Indikators Phenolphthalein versetzen und mit NaOH-Lösung
(0,01 mol/L) bis zum Umschlagpunkt titrieren. In zwei weiteren Tritrationsversuchen die Konzentrationen der Tribromessigsäure-Lösung zum Zeitpunkt 0 und nach
30 min bei Raumtemperatur bestimmen.
Auswertung. Berechnen Sie aus dem Verbrauch der NaOH-Lösung in mL die jeweiligen Konzentrationen der Tribromessigsäure. Müssen Sie den Zerfall der
Stammlösung berücksichtigen? Tragen Sie die berechneten Werte für die jeweiligen
Temperaturen in ein Diagramm ein, in dem die Konzentration ln c(A) (y-Achse, Ordinate) gegen die Zeit t in min (x-Achse, Abszisse) aufgetragen wird. Bestimmen Sie
aus der Steigung der Geraden die Geschwindigkeitskonstanten k zu den jeweiligen
Zeitpunkten und die Halbwertszeit t1/2 (in min) der Reaktion.
Beispielsrechnung:
min
Temperatur
Stoffmengenkonzentration
ln c(A)
0
Raumtemperatur
Verbrauch von
0,01 molarer
NaOH in mL
7,0
3
75 °C
5,4
0,0054
-5,22
7
„
4,6
0,0046
-5,38
12
„
3,5
0,0035
-5,65
21
„
2,5
0,0025
-5,99
30
„
1,6
0,0016
-6,43
30
Raumtemperatur
7,0
0,007
-4,96
c(A) in mol/L
0,007
-4,96
6
Beispielsdiagramm:
Die Berechnung von k erfolgt durch Umformung von Gleichung h:
ln
c(A)
= -k•t
c 0 ( A)
c ( A) 1
ln 0
• =k
c(A) t
z.B. zum Zeitpunkt t=0 beträgt c0(A) 0,007 mol/L, nach 30 min beträgt c(A) 0,0016 mol/L (s. Tabelle
oben)
c ( A) 1
0,007mol / L
1
ln 0
• = k = ln
•
= 0,0492 min-1
c(A) t
0,0016mol / L 30 min
So kann für alle weiteren Zeitpunkte die Geschwindigkeitskonstante k bestimmt werden. Elegant ist es
(falls die Funktion im Taschenrechner vorhanden ist) die Geradengleichung g, wie im Beispieldiagramm dargestellt, direkt zu berechnen!
Berechnung der Halbwertszeit:
Die Hälfte der Ausgangkonzentration von 0,007 mol/L, also 0,0035 mol/L muss umgesetzt sein. Sie
können den Wert von t1/2 aus dem Diagramm ablesen oder sie berechnen den Wert mit Gleichungk
(Der Wert von k aus dem Beispielsdiagramm ist eingesetzt!)
1
0,693
0,693
t1/ 2 = ln 2 =
=
= 14,7 min
k
k
0,047 min-1
7
2. Aufgabe
Reaktionskinetik: Katalysator
Stichwörter: Katalysator; Enzym; Enzymaktivität; Substratsättigung; Aktivierungsenergie; Aktivierung und Hemmung von Enzymen; Reaktionsordnung; Peroxid.
A. Allgemeines
Enzyme als Biokatalysatoren. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist von der Temperatur und der Konzentration der Ausgangssubstanzen abhängig. Darüberhinaus kann sie mit Hilfe eines Katalysators
beeinflusst werden. Katalysatoren erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit und beschleunigen die Einstellung des Gleichgewichts einer Reaktion. Auf die Lage des Gleichgewichts selbst hat ein Katalysator
keinen Einfluss! In biologischen Organismen würden ohne Katalysatoren fast alle chemischen Reaktionen zu langsam ablaufen. Darüberhinaus kann die Reaktionsgeschwindigkeit wegen der bestehenden
Isothermie auch nicht über eine Temperaturveränderung erhöht werden. Katalysatoren in biologischen Organismen sind Enzyme. Biochemisch sind Enzyme Proteine, die aus Aminosäuren
(Strukturformeln siehe Aufgabe 3) aufgebaut sind. Entscheidend für ihre Fähigkeit zur katalytischen
Aktivität ist die Ausbildung einer Bindungsstelle (aktives Zentrum), die lediglich einen kleinen Teil des
Gesamtenzyms ausmacht und aus verschiedenen Abschnitten der Aminosäurenkette gebildet wird. Die
zu verändernde Ausgangssubstanz (das Substrat) wird hochselektiv von Seitenketten der Aminosäuren
und/oder mithilfe von Kofaktoren im aktiven Zentrum gebunden. Substrat und aktives Zentrum
verhalten sich i.d.R. komplementär zueinander.
Abbildung 2.1: Enzyme beschleunigen Reaktionen, indem sie die Aktivierungsenergie (ΔG‡) herabsetzen.
8
Bei enzymatischen Reaktionen kommt es zur Verknüpfung oder Spaltung chemischer Bindungen. Der
Vorgang erfordert einen bestimmten Energiebetrag, den man als Aktivierungsenergie ΔG‡ bezeichnet
(s. Abbildung 2.1). Die Aktivierungsenergie ist eine Energiebarriere, die überwunden werden muss um
die Reaktion in Gang zu setzen. Am Scheitelpunkt liegt das Molekül in einem aktivierten Zustand vor,
den man als Übergangszustand (S‡) bezeichnet. An diesem Punkt entscheidet sich, ob das Molekül
umgesetzt wird oder die Reaktion zum Substrat zurückkehrt. Die Höhe der erforderlichen Aktivierungsenergie steht in Beziehung zur Reaktionsgeschwindigkeit. Je größer der Betrag der erforderlichen Aktivierungsenergie ist, desto kleiner ist die Reaktionsgeschwindigkeit. In diesem Fall besitzt nur
eine kleine Anzahl der Substratmoleküle den erforderlichen Betrag an kinetischer Energie um den
Übergangszustand zu erreichen und zum Produkt umgewandelt zu werden. Ein Enzym erhöht, wie
jeder andere Katalysator auch, die Reaktionsfähigkeit der umzusetzenden Moleküle, indem es die
Aktivierungsenergie ΔG‡ herabsetzt. Diesen dann verringerten Energiebetrag kann eine größere
Anzahl der Substratmoleküle aufbringen, so dass auch eine größere Anzahl der Substratmoleküle die
Energiebarriere überwindet. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu!
Im dritten Fachsemester erfolgt die genaue Besprechung der Enzymkinetik einschließlich der daraus
sich ableitenden Berechnung der Enzymaktivität bzw. der quantitativen Bestimmung von Stoffwechselmetaboliten mithilfe gereinigter Enzympräparationen. In der klinischen Chemie wird sowohl die
Quantifizierung von Enzymaktivitäten als auch die enzymatische Bestimmung der Konzentration von
Stoffwechselmetaboliten (z.B. Bestimmung der Glucosekonzentration im Serum) zur Unterstützung
der Diagnosestellung herangezogen. Bei bestimmten Erkrankungen verändern sich je nach Art und
Umfang der Zellschädigungen Enzymaktivitäten im Blut oder im physiologischen Zustand nicht vorhandene Enzyme treten im Serum plötzlich auf. Desgleichen werden mithilfe enzymatischer Tests
quantitativ Stoffwechselmetaboliten bestimmt, deren Konzentration im Serum aufgrund einer Erkrankung erhöht sein kann (z.B. Glucose aufgrund von Diabetes mellitus). Voraussetzung für diese routinemäßigen Bestimmungen ist es jedoch, dass die Messungen im linearen Bereich des Testansatzes
durchgeführt werden. Handelt es sich dabei um eine photometrische Bestimmung, so muss der gemessene Extinktionswert mit steigender Konzentration des Substrats linear ansteigen (siehe Übungsseminar Optische Messverfahren).
Peroxidase. Das Enzym Peroxidase katalysiert die Umsetzung von Wasserstoffperoxid in einer Redoxreaktion (Abbildung 2.2). H2O2 wird dabei zu H2O reduziert. In unserem Versuchsansatz stammen
die dazu erforderlichen Elektronen von o-Phenylendiamin (OPD). Es wird dabei zum orangefarbenen
o-Phenylendiimin (PDI) oxidiert. Das Extinktionsmaximum des oxidierten Produkts liegt bei einer
Wellenlänge von 490 nm.
NH
NH2
NH2
H2O2
NH
H2O
+
OPD
+
PDI
Abbildung 2.2: Peroxidasereaktion.
9
Experimentell wird in der Aufgabe der lineare Bereich der Umsetzung des Substrates o-Phenylendiamin (OPD) bei konstanter Enzymmenge gemessen. In einem zweiten Versuch wird die pH-Abhängigkeit der Enzymaktivität bestimmt, und in einem dritten Versuch die Hemmung der Enzymaktivität
durch einen Inhibitor untersucht.
B. Experimenteller Teil
1. Bestimmung des linearen Abschnitts der Reaktion
Zur Ermittlung der Linearität werden eine konstante Enzymmenge und eine konstante H2O2-Konzentration bei steigender OPD-Konzentration eingesetzt. Mit der
ansteigenden OPD-Konzentration wird vermehrt OPD zu PDI oxidiert. Die zunehmende Farbintensität wird photometrisch bei 492 nm bestimmt.
2. Abhängigkeit der Aktivität vom pH-Wert
Die Aktivität von Enzymen ist abhängig vom jeweiligen pH-Wert des Reaktionsgemisches. Die Bestimmung der pH-Abhängigkeit wird bei pH 4,0 bzw. 8,0 durchgeführt.
3. Hemmung des Enzyms
Peroxidase benötigt für ihre katalytische Funktion als Kofaktor ein Fe3+-Ion. Hydroxylamin bewirkt die Reduktion zu Fe2+ und somit eine Hemmung der katalytischen
Aktivität. Jeweils 0,5 mL Peroxidase-Lösung wird in sauberen Reagenzgläsern mit
0,25 mL Hydroxylamin-Lösung (für Ansatz 8, siehe unteres Schema) bzw. 0,25 mL
Puffer, pH 5,0 (für Ansatz 9, siehe unteres Schema) versetzt. Die Ansätze werden 10
Minuten bei Raumtemperatur inkubiert!
4. Durchführung:
a) Zur Bestimmung der Linearität und der Abhängigkeit vom pH-Wert ist zunächst
eine Verdünnungsreihe mit unterschiedlichen OPD-Konzentrationen herzustellen
(Tabelle A). Folgende Ansätze werden in Reagenzgläser pipettiert:
10
Tabelle A
Ansatz
1
2
0,5
9,5
-
1,0
9,0
-
3
4
5
6
7
8 bzw. 9
Lösung
mL OPD, pH 5,0
OPD (mL), pH 4,0
OPD (mL), pH 8,0
Puffer1(mL), pH = 5,0
Puffer (mL), pH = 4,0
Puffer (mL), pH = 8,0
Linearität
2,0
3,0
8,0
7,0
-
pH-Abhängigkeit
2,0
2,0
8,0
8,0
5,0
5,0
-
Hemmung
2,0
8,0
-
b) Aus den Verdünnungsansätzen werden folgende Reaktionsansätze in Messküvetten
hergerichtet und anschließend in einem der bereitstehenden Photometer gemessen:
Tabelle B
Ansatz
1
2
3
4
5
6
7
8
9
OPD (mL) (aus dem jeweiligen
Ansatz der Tabelle A !)
3%iges H2O2 (mL)
Peroxidase (mL)
Peroxidase +Hydroxylamin (mL)
(siehe B.3.!)
Peroxidase +Puffer (mL) (siehe
B.3.!)
1,0
1,0
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
-
0,5
0,5
0,5
-
-
-
-
-
-
-
-
-
0,5
Lösung
Linearität
1,0
1,0
1,0
pH-Abhängigkeit
1,0
1,0
Hemmung
1,0
1,0
In den Messküvetten 10 Minuten inkubieren!
0,1 M H2SO4 (mL)
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
Extinktionsänderung (ΔE) photometrisch (Wellenlänge 492 nm) von jeder Probe messen!
Die vorgegebenen Werte der OPD-Konzentrationen und die gemessenen Werte der
Extinktionsänderungen (x-Achse: mL OPD, y-Achse: ΔE) werden graphisch aufgetragen. Der lineare Bereich der Reaktion wird abgelesen!
Die Aktivität des Enzyms wird bei verschiedenen pH-Werten gemessen und das pHOptimum der Reaktion festgelegt!
Berechnen Sie die prozentuale Hemmung der Enzymaktivität!
1
Puffer, pH 5,0 = 50 mol/L Na2HPO4 + 20 mol/L Zitronensäure.
11
0,5
3. Aufgabe
Verteilung und Adsorption
Stichwörter: Verteilungsgesetz; protische und aprotische Lösungsmittel; Adsorption (nicht zu verwechseln mit Absorption!); intermolekulare Wechselwirkungen;
Chromatographie; Gas- und Flüssigkeitschromatographie; Dünnschichtchromatographie; Gel-, Ionenaustausch-, und Affinitätschromatographie; Reversed Phaseund Hochleistungsflüssigkeitschromatographie; Silicagel; Struktur, Säure-Base-Verhalten und Löslichkeitsverhalten der proteinogenen Aminosäuren; Ninhydrinreaktion; Titration; Indikator; Ionenaustauscher.
A. Allgemeines
1 Das Verteilungsgesetz. Stoff A hat die Möglichkeit sich zwischen zwei Phasen physikalisch zu
verteilen:
Diese Verteilung führt wie bei einer chemischen Reaktion zu einem Gleichgewicht, welches durch die
Beziehung
(1)
charakterisiert ist (C = Stoffmengenkonzentration, K = Gleichgewichtskonstante)
Erklärung: Die Geschwindigkeit des Übergangs von A aus Phase 1 in Phase 2 ist proportional der Konzentration von A in Phase 1:
Die Geschwindigkeit des rückläufigen Vorgangs ist proportional der Konzentration von A in Phase 2:
Die Geschwindigkeiten sind zunächst verschieden! Entsprechend dieser verschiedenen Geschwindigkeiten ändern sich beide Konzentrationen C (APhase1) und C(APhase2) so lange, bis sie sich angeglichen
haben. Dann gilt:
12
Daraus ergibt sich Gleichung (1). Diese Beziehung wird Nernst´sches Verteilungsgesetz genannt. Dieses besagt, dass das Verhältnis der Konzentrationen eines sich zwischen zwei Phasen verteilenden
Stoffes im Gleichgewichtszustand bei gegebener Temperatur konstant ist. Die Konstante K wird als
Verteilungskoeffizient bezeichnet und hat bei gegebenen Phasen für jeden Stoff einen charakteristischen Wert. Voraussetzung für die Gültigkeit des Gesetzes ist es, dass der Stoff in beiden Phasen denselben Molekularzustand aufweist.
Ist eine der beiden Phasen eine Gasphase, so kann bei gegebener Temperatur die Konzentration des
betreffenden Stoffes in der Gasphase durch den Druck ( c = p / R • T ), den er ausübt, ersetzt werden.
Gleichung (1) geht dann über in
(2)
Die Löslichkeit eines Gases ist bei gegebener Temperatur proportional zu seinem Druck (Henry-Daltonsches Gesetz). Der Proportionalitätsfaktor K´ wird in diesem Fall auch „Löslichkeitskoeffizient“
genannt. Erhöht man also den Druck eines Gases, wie z.B. von Sauerstoff, aufs vierfache, so steigt
auch seine Löslichkeit in Wasser um den gleichen Betrag.
2 Chromatographie. Chromatographie kann als Trennmethode definiert werden, bei der eine gelöste Substanzmischung mithilfe eines Gas- oder Flüssigkeitsstromes über eine stationäre Phase geleitet und dabei in die einzelnen Bestandteile der Mischung aufgetrennt wird. Gemäß der Eigenschaften der mobilen Phase unterscheidet man zwischen Gaschromatographie (GC) und Flüssigkeitschromatographie. In der Gaschromatographie lassen sich Gase und flüchtige Substanzen bestimmen. Ein
inertes Trägergas, wie z.B. Helium oder Stickstoff strömt durch eine thermostatisierte Säule und die zu
analysierenden Substanzen werden im Gasstrom detektiert. Die Säulen sind entweder mit feinkörnigem Trägermaterial (z.B. auf der Basis von Aluminium- oder Siliciumdioxid) gefüllt, oder sie sind an
der inneren Oberfläche mit einer flüssigen stationären Phase beschichtet. Die Detektion erfolgt unter
anderem durch die Messung der Flammenionisation oder der Wärmeleitfähigkeit. Die GC wird u.a. in
der Lipidanalytik eingesetzt. Die Flüssigkeitschromatographie trennt gelöste Substanzen auf. Die
Substanzmischung wird dabei, abhängig von der Löslichkeit, in schwach konzentriertem Puffer oder in
einer Mischung aus H2O/organischem Lösungsmittel aufgenommen. Das Laufmittel, die mobile
Phase, vermittelt die Wechselwirkungen der zu trennenden Substanzen mit der spezifischen Oberfläche, der stationären Phase. Letztere besteht aus einem festen Trägermaterial mit kovalent gebundenen
funktionellen Gruppen. Je nach Stärke der Wechselwirkungen, die die zu trennenden Komponenten
eingehen können, wird ihr Transport mehr oder weniger verzögert. In der Regel werden drei
unterschiedliche Trägermaterialien verwendet: a) Biopolymere wie Cellulose, Dextran oder Agarose, b)
synthetische Polymere wie Polyacrylamid, Methacrylate oder Polydivinylbenzol/Polystyrol und c)
anorganische Träger wie Kieselgel, Hydroxyapatit oder poröses Glas. Die Trägermaterialien müssen so
stabil sein, dass Form und Festigkeit der Partikel auch bei hohen Druck- und Flussraten erhalten
bleiben. Eine große Oberfläche soll eine ausreichende Zugänglichkeit für die chromatographischen
Wechselwirkungen gewährleisten und gleichzeitig soll keine Eigenadsorption an das Trägermaterial
13
stattfinden. Die Veränderung von chemischen Gruppen des Trägermaterials durch die kovalente
Bindung funktioneller Gruppen legt den chromatographischen Trennmodus fest.
Abhängig vom verwendeten Trägermaterial der stationären Phase unterscheidet man Säulen-, Papierund Dünnschichtchromatographie. Die Säulenchromatographie, z.B. zur Isolierung von Proteinen, ist
die in der Bioanalytik am weitesten verbreitete Ausführungstechnik. Dies liegt in ihren vielseitigen
Einsatzmöglichkeiten, der Automatisierbarkeit und der höheren Nachweisempfindlichkeit begründet.
Deswegen wird in den nachfolgenden Erläuterungen diese Chromatographieart ausführlicher beschrieben. Zum besseren Verständnis des durchzuführenden Experiments (s. experimenteller Teil 2.)
wird zunächst kurz die Dünnschichtchromatographie (DC) erläutert. Anzumerken ist, dass die Trennung und Detektion von Aminosäuren mittlerweile routinemäßig mit der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) und Fluoreszenzdetektion durchgeführt wird. Der Versuch wird in diesem Übungsseminar deswegen durchgeführt, weil sich das Trennprinzip, welches zur Auftrennung
eines Aminosäurengemisches führt, mithilfe der DC besonders gut erläutern lässt.
a Dünnschichtchromatographie. Die DC mittels Kieselgel (siehe Abbildung 3.1) beruht auf der
Trennung durch ein sich ausbildendes Adsorptions- und Verteilungsgleichgewicht (Nernst´scher Verteilungssatz). Dabei befindet sich das Kieselgel, die stationäre Phase, in Form einer dünnen Schicht
(0,2 mm) auf einer Aluminiumfolie oder einer Glasplatte. Die Proben werden auf einen vorher markierten Bereich der Platte aufgetragen. Als Laufmittel wird z.B. ein Gemisch aus vier Volumenanteilen
n-Butanol, einem Volumenanteil Eisessig und einem Volumenanteil Wasser verwendet. Beim
Einstellen in das Laufmittel, das sich in einer Entwicklungskammer befindet, ist darauf zu achten,
dass die Auftragszone anfangs nicht mit dem Laufmittel in Kontakt kommt. Die Atmosphäre in der
Entwicklungskammer ist mit dem Dampf des Laufmittels, das durch Kapillaradhäsion aufsteigt, gesättigt. Die DC-Auftrennung der Aminosäuren beruht auf ihrer unterschiedlichen Löslichkeit in unterschiedlich polaren Lösungsmitteln. Zunächst adsorbiert die stationäre Phase, das Kieselgel, die Aminosäuren. Je polarer die einzelnen Aminosäuren sind, umso stärker werden sie adsorbiert und umso
langsamer werden sie durch ein Laufmittelgemisch, wie oben angegeben, wieder eluiert. Wird jedoch
die Polarität des Laufmittels erhöht, dann gehen polare Aminosäuren leichter von der stationären in
die mobile Phase über. Wird dem Laufmittel, wie oben beschrieben, Wasser zugesetzt, dann überziehen sich die Kieselgel-Partikel mit einem Wasserfilm. Das zu trennende Substanzgemisch kann nun
nicht mehr am Kieselgel adsorbiert werden; es verteilt sich zwischen der flüssigen mobilen Phase
(Laufmittel) und der ebenfalls flüssigen stationären Phase (Wasserfilm). Im sauren Lösungsmittelgemisch (Zusatz von Eisessig s. oben) sind die geladenen polaren Aminosäuren bevorzugt wasserlöslich,
während Aminosäuren mit hydrophoben Anteilen wegen ihrer besseren Löslichkeit in der mobilen
Phase am schnellsten wandern.
Eine charakteristische Größe bei der Dünnschichtchromatographie ist der Rf-Wert. Er ist definiert als:
Rf =
Zurückgelegte Strecke der Substanz (cm)
Strecke Start bis Lösungsmittelfront (cm)
Der Rf - Wert ist eine Konstante, die allerdings nur für das jeweilige Trennsystem definiert ist, der
Wert hängt demnach von der Art des Laufmittels und der stationären Phase (Plattenbeschichtung) ab.
14
Die Lokalisation der Aminosäuren eines getrockneten Chromatogramms ist durch Besprühen mit
Ninhydrinreagenz möglich (s. experimenteller Teil).
Abbildung 3.1: Bildung von Polykieselsäuren aus Monokieselsäure (Orthokieselsäure). Im dargestellten Beispiel führen intermolekulare Kondensationsreaktionen zu Dikieselsäure, Trikieselsäure
und zu den kugelförmigen, amorphen Polykieselsäuren. Letzere bilden in wässrigen Lösungen ein
Kolloid mit Teilchen zwischen 5 und 150 nm. Um das stabile Kieselgel (Silicagel) zu erreichen müssen
die Polykieselsäureteilchen neue Si-O-Si Bindungen ausbilden.
b Säulenchromatographie. An Stelle der Dünnschichtplatte wird eine hohle Glassäule verwendet,
die mit einem Trägermaterial gefüllt („gepackt“) ist und die stationäre Phase bildet. Die adsorbierten
Komponenten eines Substanzgemisches, nachfolgend als Analyt bezeichnet, werden von der Säule
eluiert! Das Eluat benötigt dabei ein spezifisches Volumen oder eine spezifische Zeit, das Retentionsvolumen oder die Retentionszeit, um die Trennsäule zu verlassen. Die wichtigsten säulenchromatographischen Verfahren werden nachfolgend besprochen.
Gelchromatographie (Ausschlusschromatographie). Die Ausschlusschromatographie trennt
gelöste Moleküle nach ihrer Größe und basiert auf der unterschiedlichen Wanderung der Analyten in
einem porösen Trägermaterial mit kontrollierter Porengröße. Diese Methode ermöglicht die Abtrennung großer Moleküle von kleineren dadurch, dass die kleineren Moleküle in die Poren der Gelkügelchen der stationären Phase eindringen können (Hohlraumdiffusion). Moleküle ab einer bestimmten
Größe können nicht in die Poren des Trenngels eindringen und eluieren zusammen mit der Lösungsmittelfront im Ausschlussvolumen (V0). Somit können sich kleinere Moleküle ungehindert zwischen
den einzelnen Teilchen der stationären Phase und den Poren des Trägermaterials bewegen. Dadurch
wird ihre Wanderung durch das Säulenmaterial verzögert. Die kleinsten Komponenten haben somit
die längste Aufenthaltsdauer in den Poren und werden zuletzt eluiert. Da die größeren Moleküle von
den kleineren „abgesiebt“ werden, bezeichnet man derartige stationäre Phasen auch als Molekularsiebe. Sie ermöglichen die Trennung von Verbindungen mit relativen Molekülmassen zwischen 700
und 200.000 Dalton2. Die Ausschlusschromatographie wird im Falle wässriger Trennsysteme auch als
Gelfiltrationschromatographie bezeichnet. Die Gelfiltrationschromatographie wird häufig als ein
Schritt von mehreren bei der Isolierung von spezifischen Proteinen aus Zell- und Gewebeextrakten
eingesetzt.
2
Dalton ist eine Masseeinheit benannt nach John Dalton (1766-1844). Ein Dalton entspricht 1/12 der Masse des KohlenstoffIsotops 12C und damit fast genau der Masse des Wasserstoffisotops 1H.
15
Ionenaustauschchromatographie. Grundlage für den Ionenaustausch ist die kompetitive Wechselwirkung geladener Ionen. Dabei konkurriert ein Probenmolekül mit Salz-Ionen um die geladenen
Positionen auf einer Ionenaustauschermatrix. Ionenaustauscher (s. Abbildungen 3.2 und 3.3) sind
natürliche oder künstlich hergestellte organische oder anorganische Stoffe, die Ionen aufnehmen und
diese nach Erhöhung der Ionenstärke oder Änderung des pH-Wertes wieder abgeben können. Starke
Ionenaustauscher (Abbildung 3.2) sind Gruppen, die über einen weiten pH-Bereich den Ladungszustand konstant halten. Sie werden u.a. zum Entsalzen von Wasser verwendet. Für die Isolierung bestimmter Proteine aus einem Gemisch werden schwache Ionenaustauscher (Abbildung 3.3) eingesetzt.
Im nachfolgenden werden die Grundprinzipien der Ionenaustauschchromatographie von Proteinen
erläutert. Im ersten Schritt bindet dabei das Proteinmolekül an die kovalent fixierten Ladungen der
stationären Phase des schwachen Ionenaustauschers. Im zweiten Schritt erfolgt die Verdrängung und
Elution des Proteinmoleküls durch die steigende Salzkonzentration des Eluenten. Ein Protein trägt
aufgrund der sauren und basischen Seitengruppen einzelner Aminosäuren negative und/oder positive
Ladungen. Der Gesamtladungszustand eines Proteins ist abhängig vom pH-Wert der umgebenden
Lösung. Im sauren pH-Bereich liegen Aminogruppen, hauptsächlich von Lysin, Arginin und Histidin,
protoniert vor, und das Protein zeigt ein kationisches Verhalten. Im basischen pH-Bereich hingegen
überwiegen die negativen Ladungen an den Seitenketten von Asparaginsäure und Glutaminsäure, das
Protein verhält sich anionisch. Die Aminosäurenzusammensetzung eines Proteins bestimmt dessen
isoelektrischen Punkt (pI). Der pI ist definiert als der pH-Wert an dem sich positive und negative
Ladungen ausgleichen; die Nettoladung eines Proteins entspricht dann gleich Null. Weist ein Protein
einen Wert unter sechs auf, so bedeutet dies, dass die negativ geladenen Aminosäurenseitengruppen
überwiegen, man spricht von einem sauren Protein3. Liegt der pI höher als acht, so ergibt sich dieser
Wert aufgrund überwiegend positiv geladener Aminosäurenseitengruppen. Diese Proteine werden als
basisch bezeichnet4. Welche Bedeutung hat nun der pI-Wert eines Proteins und der pH-Wert der
Pufferlösung für die Ionenaustauschchromatographie? Im pH-Bereich nahe dem pI sind die
Wechselwirkungen des Proteins mit dem Ionenaustauscher schwach; sie werden stärker, je mehr sich
die Werte unterscheiden. Ist der pH-Wert der mobilen Phase (Pufferlösung) größer als der pI-Wert,
dann sind Bedingungen für Anionenaustausch gegeben. In diesem Fall trägt das Protein überwiegend
negative Ladungen (Deprotonierung s. oben) und kann an eine positiv geladene DiethylaminoethylMatrix gebunden werden. Im umgekehrten Fall sind die Bedingungen für den Kationenaustausch
gegeben. Liegt der pI-Wert des Proteins höher als der pH-Wert der Pufferlösung, dann enthält das
Proteinmolekül überwiegend positive Ladungen (Protonierung s. oben) und kann an eine negativ
geladene Carboxymethyl-Matrix gebunden werden. Die Ablösung der gebundenen Proteine von der
Matrix erfolgt dann mit einer über einen bestimmten Zeitraum ansteigenden Konzentration (Gradient,
bis 1 mol/L) von NaCl in einer ansonsten niedrig konzentrierten Pufferlösung (10-20 mM/L). Die
zugeführten Na+ - bzw Cl- -Ionen konkurrieren um die Bindung an die Ionenaustauschgruppen der
Trägermatrix. Stärker geladene Proteine werden dabei fester zurückgehalten und eluieren erst bei
hoher Ionenstärke.
3
4
Bitte zu beachten: dies ist eine indirekte Schlussfolgerung aus der Bestimmung des pI. Liegt der pI im sauren pH-Bereich so
bedeutet dies, dass die Anzahl der positiven Ladungen (protonierte Aminogruppen z.B. von Lysin, Arginin, Histidin) die
“ursprünglich“ vorhandenen negativen Ladungen „egalisiert“.
Auch hier ist die indirekte Schlussfolgerung zu beachten: liegt der pI im basischen Bereich, so bedeutet dies, das die Anzahl
der negativen Ladungen (Seitenketten von Asparaginsäure und Glutaminsäure) die “ursprünglich“ vorhandenen positiven
Ladungen „egalisiert“.
16
A
B
Abbildung 3.2: Kopolymerisate aus Styrol-Divinylbenzol, die durch Sulfonierung in starke Kationenaustauscher (A) bzw. durch Chlormethylierung und Umsetzung mit Aminen in starke Anionenaustauscher (B) überführt wurden.
A
B
Abbildung 3.3: Schwache Ionenaustauscher mit Cellulose oder Agarose als Trägermaterial. Die
Einführung von Carboxymethylgruppen (CM) ergibt einen Kationenaustauscher (A), wohingegen die
Modifizierung des Trägermaterials mit Diethylaminoethylgruppe (DEAE) für den Anionenaustausch
verwendet wird (B).
Affinitätschromatographie. Diese Technik beruht auf der spezifischen und reversiblen Adsorption
eines Moleküls (Adsorbent) an einen matrixgebundenen Bindungspartner. Bei Proteinen sind typische
Bindungspaare z.B. Antikörper und Antigene, Enzyme und Coenzyme, Glykoproteine und Lektine. Ein
verfügbarer, affiner Bindungspartner wird kovalent an eine Matrix gebunden und dient als
immobilisierter Ligand. Der Ligand ändert dabei seine Bindungseigenschaften nicht. Die
biospezifische Wechselwirkung mit dem Liganden wird genutzt, um einen Bindungspartner selektiv
aus einer komplexen Mischung heraus zu adsorbieren. Beispielsweise kann das Pflanzenprotein Concanavalin A aufgereinigt werden, indem man einen Rohextrakt auf eine Säule mit kovalent gebundenen Glucoseresten gibt. Concanavalin A wird aufgrund seiner hohen Affinität an die Glucose
gebunden, während die meisten anderen Proteine im Rohextrakt nicht an Glucose binden und im
Durchfluss eluieren. Mitunter erfolgt die Bindung des Liganden an die Säulenmatrix über eine Art
Abstandshalter (Spacer), damit Protein und Liganden effizient interagieren können und keine
sterische Behinderung auftritt. Wenn ein kleiner Ligand wie z.B. ein enzymatischer Kofaktor direkt an
das Säulenmaterial gebunden wird und die Bindungsstelle für dieses kleine Molekül sehr tief im zu
isolierenden Protein liegt, ist eine Interaktion der beiden unmöglich. Die eingesetzten Spacerarme
17
vergrößern den Abstand des Säulenmaterials zum Liganden. Die richtige Länge des Spacerarms ist
sehr wichtig: ist der Arm zu kurz, so ist er ineffektiv und es kommt noch immer zu keiner Interaktion
zwischen Ligand und dem zu isolierenden Protein. Ist er zu lang, kommt es oft zu unspezifischen
Interaktionen wie z.B. hydrophoben Wechselwirkungen zwischen Spacerarm und dem zu isolierenden
Protein. Die selektiv an die Säule gebundenen Proteinmoleküle können dann durch Zugabe eines
Überschusses des freien Liganden wieder von der Säule eluiert werden (kompetitive Verdrängung!).
Auch ein Konformationswechsel durch Änderung des pH-Wertes oder der Ionenstärke kann den
Adsorbenten aus seiner Bindung zum immobilisierten Liganden freisetzen. Diese Chromatographieart
ist die Trennmethode mit der größten Spezifität und Selektivität für die Isolierung und Reinigung von
Biomolekülen. Idealerweise sollte der Ligand eine Affinität (Bindungskonstanten, KD-Werte) von 10-4
bis 10-8
M
für die gewünschte Komponente in freier Lösung haben. Ist die Affinität zu niedrig, bindet
die Komponente während der Chromatographie nicht fest genug an den Liganden am Säulenmaterial.
Wenn die Affinität des Liganden zu hoch ist (KD-Werte > 10-8
M),
lässt sich die gewünschte
Komponente oft nicht mehr ohne Beeinträchtigung seiner Aktivität vom Liganden lösen.
Reversed phase- und Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC). Wenn OHGruppen polarer Trägermaterialien (z.B. Kieselgel) über Etherbindungen mit langen Kohlenwasserstoffketten modifiziert werden, dann erhält man unpolare Trägermaterialien, sogenannte Umkehrphasen oder reverse Phasen. Demzufolge kommt es bei der reversed phase-Chromatographie (RPC) zu
hydrophoben Wechselwirkungen der zu analysierenden Substanz mit der unpolaren stationären Phase
im polaren, wässrigen Lösungsmittel. Die Elution erfolgt mithilfe eines unpolaren Lösungsmittels (z.B.
Methanol, Acetonitril), das mit dem adsorbierten Molekül um die Bindungsstellen konkurriert. Hauptsächlich werden Kieselgele als Trägermaterial benutzt, welche mit Alkylresten in der Länge von C2
(Ethyl) bis C18 (n-Oktadecyl) substituiert wurden. Typischerweise werden mit RPC niedermolekulare
Substanzen und Peptide aufgetrennt. Wichtig für analytische Trennungen ist es eine hohe Auflösung
zu erzielen. Deshalb werden möglichst kleine modifizierte Kieselgelpartikel mit einem Durchmesser
von ca. 5 µm eingesetzt und in Stahlsäulen (2-4 mm Durchmesser, 10-30 cm Länge) gepackt. Dadurch
ergibt sich eine Porengröße von ca. 10-30 nm. Der hydrophobe Charakter der stationären Phase steigt
mit der Länge der Kohlenwasserstoffkette. Für Peptidtrennungen oder Rückstandsanalytik (Arzneimittel, Dopingmittel!) werden häufig C18-Säulen bevorzugt, wohingegen man bei größeren, hydrophoben Proteinen C4-Säulen verwendet. Eng verbunden mit der beschriebenen Trennmethode ist die
Entwicklung der HPLC. Da durch die kleine Partikelgröße der Trägermaterialien (s. oben) die Oberfläche und Trennleistung stark ansteigt, ist die Schwerkraft zu gering, um einen ausreichenden Fluss der
mobilen Phase durch die feinkörnige, stationäre Phase zu bewerkstelligen. Durch entsprechende Pumpen muss der Druck erhöht werden. Deshalb werden auch keine Glas- oder Plastiksäulen, sondern
Stahlsäulen, die diesem erhöhten Druck standhalten können, verwendet.
18
B. Experimenteller Teil
1. Verteilung von Benzoesäure zwischen Toluol und Wasser
In einen Erlenmeyer-Schliffkolben (100 mL) 2, 6, 10 oder 20 mL (je nach Beschriftung des Kolbens!) der ausgegebenen Lösung von Benzoesäure (C6H5COOH) in Toluol (7,5 g/100mL) pipettieren und mit Toluol auf je 20 ml Gesamtvolumen auffüllen. Zu diesen Lösungen jeweils 50 ml Wasser hinzufügen und die Kolben verschließen. Da die Einstellung des Verteilungsgleichgewichts Zeit benötigt, wird der
Kolben etwa 5 min lang kräftig geschüttelt.
Aus dem Schliffkolben mit einer Pipette 10 mL aus der unteren Wasserphase entnehmen, und nach Zugabe von einigen Tropfen Indikatorlösung mit Natriumhydroxid-Lösung (NaOH) der Stoffmengenkonzentration 0,1 mol/L titrieren. Um zu verhindern, daß in der Toluolphase gelöste Benzoesäure in die Pipette gelangt, vor dem
Durchstoßen der Toluolschicht die Pipettierhilfe ein Stück ausfahren und beim Passieren der Toluolphase vorsichtig wieder einfahren. Die hervorperlenden Luftblasen
verhindern, dass Toluol aufgesaugt wird. Mithilfe der verbrauchten mL an Titrierlösung berechnet man Menge und Konzentration der Benzoesäure in der Wasserschicht. Aus der Gesamtmenge ergibt sich dann der entsprechende Wert für die Toluolschicht. Um Ihnen die Berechnung zu erleichtern, nachfolgend ein Beispiel.
Berechnung:
Anmerkung: es wird eine Beispielsrechnung durchgeführt! Anstelle der in diesem Beispiel eingesetzten
Werte müssen Sie Ihre experimentell ermittelten Werte einsetzen!
1.
Anfangskonzentration an Benzoesäure (BS):
7,5 g/100 mL Toluol, davon werden 10 mL entnommen (dies entspricht 0,75 g Benzoesäure) und auf
20 mL mit Toluol aufgefüllt.
Molare Masse der Benzoesäure: 122g/mol
122 g = 1 Mol
0,75 g = x Mol
x = 0,006 Mol = 6 mmol Benzoesäure
19
2. Titration der in die Wasserphase (50 mL) übergetretenen Benzoesäure
Von 50 mL Wasser werden 10 mL für die Titration eingesetzt!
Es werden z.B. 5 mL einer NaOH-Lösung mit c=0,01 mol/L verbraucht. Es erfolgt somit eine Zugabe
von 0,05 mmol OH-. Damit werden 0,05 mmol H+ neutralisiert. Dies entspricht 0,05 mmol Benzoesäure (sowohl Lauge als auch Säure sind einwertig!).
In 50 mL Wasser sind 0,25 mmol Benzoesäure enthalten!
3. In der Toluolphase (20 mL) befinden sich dann:
6 mmol Benzoesäure
(siehe 1. Stoffmenge der Benzoesäure am Anfang)
Stoffmenge in der Wasserphase)
- 0,25 mmol Benzoesäure
(in 2. ermittelte
= 5,75 mmol Benzoesäure
4. a) Berechnung der Stoffmengenkonzentration C (C=n/V) in der jeweiligen Phase:
CBS/W = 0,00025 mol/0,05 L = 0,005 mol/L
CBS/T = 0,00575 mmol/0,02 L = 0,29 mol/L
5. Der Verteilungskoffizient wird unter Berücksichtigung der Dimerbildung von Benzoesäure (Abbildung 3.4) in aprotischen Lösungsmitteln berechnet:
K=
CBS/ T
=
CBS/W
C
O
OH
0,29
0,54
=
= 108
0,005 0,005
OH
O
C
Wasserstoffbrückenbindungen
Abbildung 3.4: Dimerbildung der Benzoesäure
20
2.
Dünnschicht-Chromatographie von Aminosäuren
Ziel des Experimentes ist es, ein Gemisch von Aminosäuren durch DünnschichtChromatographie aufzutrennen und zu identifizieren. Die Auftrennung erfolgt mittels einer Kieselgel 60 DC-Alufolie. Auf ihr wird mit einem Bleistift 1,5 cm vom unteren Rand eine Startlinie eingezeichnet. Die Startpunkte der jeweiligen Probenlösungen werden im Abstand von 1,5 cm markiert und beschriftet. Als Vergleichssubstanzen dienen 0,4%ige wäßrige Lösungen u.a. von Glycin, Lysin, Histidin, Methionin,
Tryptophan und Asparaginsäure. Mithilfe eines Hämatokritröhrchens wird ein kleiner Tropfen der Lösungen aufgetragen. Anschließend wird abgewartet bis die Proben eingetrocknet sind. Dann wird die Platte in die Chromatographiekammer, die
vorher mit 100 mL Laufmittel beschickt wurde, eingestellt. Als Laufmittel dient eine
Mischung aus vier Volumenanteilen n-Butanol, einem Volumenanteil Eisessig und
einem Volumenanteil Wasser (Aqua dest.). Nach 1 Stunde (in der das Laufmittel ca.
8 - 10 cm wandert) wird die Platte herausgenommen, getrocknet und unter dem Abzug mit Ninhydrin-Spray besprüht. Anschließend wird sie dann für 10 min im Trockenschrank (100 - 120°C) erhitzt. Dabei färben sich die Aminosäureflecken blauviolett an (der Reaktionsmechanismus ist in Abbildung 3.5 dargestellt!).
Erklären Sie mithilfe der in Abbildung 3.5 dargestellten Formeln die experimentell
erhaltene Auftrennung der Aminosäuren!
21
Abbildung 3.5: Die 20 L-Aminosäuren, aus denen alle Proteine aufgebaut sind.
22
Abbildung 3.6: Reaktionsmechanismus beim Nachweis von Aminosäuren mit Ninhydrin. Ninhydrin bewirkt eine oxidative Decarboxylierung der Aminosäure. Die Hydrolyse der
Schiffschen Base des decarboxylierten Produkts führt zu einem Aldehyd und einem Ninhydrinderivat,
das den Aminstickstoff der Aminosäure trägt. Dieses Ninhydrinderivat bildet mit dem mittleren Carbonyl-C-Atom eines zweiten Ninhydrinmoleküls eine Schiffsche Base, die durch Deprotonierung einen
blauvioletten Farbstoff ergibt.
23
Gly
Ala
Ser
AsN
Lys
Arg
His
Cys
Met
Trp
Abbildung 3.7: Beispielhafte Auftrennung von Aminosäuren in der Dünnschichtchromatographie.
Abkürzungen: Gly=Glycin, Ala=Alanin, Ser=Serin, AsN=Asparagin, Lys=Lysin, Arg=Arginin,
His=Histidin, Cys=Cystein, Met=Methionin, Trp=Tryptophan. Der Pfeil zeigt die Laufrichtung an.
Überlegen Sie, warum Sie unter den Bedingungen des in diesem Übungsseminars durchgeführten
Experiments dieses Trennmuster erhalten!
24
4. Aufgabe
Oxidation und Reduktion funktioneller Gruppen
Stichworte: Oxidation; Reduktion; Redoxreaktionen; Oxidationszahlen; Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen, Alkoholen, Carbonsäuren und Aromaten;
biologische Oxidation; Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD+); Benzoldiole.
A. Allgemeines
Oxidations- und Reduktionsvorgänge sind im Stoffwechsel von Organismen für die Gewinnung von
Energieträgern (siehe Abschnitt biologische Oxidation und Reduktion, diese Aufgabe) und in einer
Reihe synthetischer Prozesse (z.B. Fettsäurensynthese) die treibenden Kräfte. Wie wir im Wintersemester gesehen haben, ist bei anorganischen Verbindungen ein Oxidations- und Reduktionsvorgang
leicht als Elektronenabgabe bzw. -aufnahme zu erkennen. Bei Reaktionen organischer Verbindungen
ist es in der Regel weniger offensichtlich, ob Elektronen aufgenommen oder abgegeben werden. In der
organischen Chemie wird die Oxidation deswegen zweckmäßiger definiert: Ein Vorgang, bei dem
elektronegative Elemente, wie z. B. ein Halogen- oder Sauerstoffatom, an ein Molekül addiert oder
Wasserstoff entfernt wird, bezeichnet man als Oxidation. Umgekehrt wird die Entfernung von Sauerstoff oder die Addition von Wasserstoff als Reduktion definiert. Lediglich bei einem Teil der Reaktionen findet ein direkter Elektronentransfer statt. Grundlegende Oxidations- und Reduktionsmechanismen sind u.a. a) direkte Elektronenübertragungen, wie z.B. Oxidation von Verbindungen mit πElektronen (Zwei-Elektronenschritt), „single electron transfer“ (SET) - Reaktionen (Einelektronenübertragungen mithilfe von Radikalen), Oxidation von Kohlenwasserstoffen durch Metall-Ionen, b)
Wasserstoffübertragungen durch Abstraktionen von H-Atomen, wie z.B. Dehydrierung5 von
Kohlenwasserstoffen oder Alkoholen c) Hydridübertragungen unter Abstraktion von H-, d) Addition
von Sauerstoff (z.B. durch molekularen Sauerstoff, Ozon oder Persäuren), e) Oxidationen über Ester
anorganischer Säuren, wie z.B. die Oxidation von Alkoholen durch Chromsäure (siehe Experiment 4!).
Oxidationsmittel sind Stoffe hoher Elektronenaffinität (Elektrophilie). Demgegenüber lassen sich
Stoffe umso leichter oxidieren, je höher ihre Tendenz zur Elektronenabgabe (Nucleophilie) ist. Wir
sehen somit, dass einige, bereits aus der Vorlesung bekannte Reaktionsmechanismen, auch als Redoxvorgänge betrachtet werden können. So führen eine radikalische Substitution, wie z.B. die Umsetzung
von Ethan mit Br2 oder eine elektrophile Additionsreaktion, wie z.B. die Umsetzung von Ethen mit Br2
zur Oxidation der beteiligten Kohlenwasserstoffe.
Oxidationszahlen. Die Regeln zur Verwendung von Oxidationszahlen, wie sie in der Vorlesung zur
anorganischen Chemie besprochen wurden, gelten ebenso bei organischen Verbindungen. Der Partner
mit der höchsten Elektronegativität erhält formal die Elektronen zugeteilt. Kohlenstoff als zentrales
Element tritt dabei in den Oxidationszahlen von +4 (CCl4, CO2) bis -4 (CH4) auf.
5
Unter Dehydrierung versteht man den Entzug von Wasserstoff, genauer gesagt den Entzug von zwei Elektronen und zwei
Protonen. Die Dehydrierung ist der Reaktionsmechanismus in der biologischen Oxidation.
25
Biologische Oxidation und Reduktion. Bei vielen biologischen Redoxreaktionen, die innerhalb
von Stoffwechselwegen auftreten, werden C-H Bindungen gespalten. Letzendlich kommt es zum Verlust von zwei Bindungselektronen des Kohlenstoffatoms. Diese werden auf einen Elektronenpaarakzeptor wie z.B NAD+ übertragen6, der zu NADH reduziert wird (s. Lehrbücher der Biochemie). Insgesamt wird in dieser Reaktion H-, ein Hydrid-Ion, übertragen, weiterhin wird H+, ein Proton, vom Substrat abgegeben. Letztlich werden die Elektronenpaare, die von den Metaboliten durch ihre Oxidation
entfernt werden auf molekularen Sauerstoff (O2) übertragen. Im Grundzustand ist dieses Molekül
jedoch ein Biradikal, dessen ungepaarte Elektronen parallelen Spin haben. Entsprechend den Regeln
der paarweisen Anordnung von Elektronen in Orbitalen (Pauli-Prinzip) kann O2 nur ungepaarte
Elektronen akzeptieren. Somit kann zu einem bestimmten Zeitpunkt nur immer ein Elektron übertragen werden (üblicherweise werden in Redoxprozessen ansonsten Elektronen paarweise übertragensiehe dazu die Redoxreaktionen im anorganischen Teil!). Von den Elektronen, die von Metaboliten
paarweise abgegeben werden, kann mithilfe einer Elektronentransportkette nur immer eines zu einem
bestimmten Zeitpunkt auf O2 übertragen werden. Dieser Übertragungsmodus wird durch konjugierte
Coenzyme, die im oxidierten Zustand stabile Radikale ausbilden und deshalb in der Lage sind sowohl
Ein-Elektron- als auch Zwei-Elektronen-Redoxreaktionen durchzuführen, sichergestellt. Bei Aerobiern
wird durch die Oxidation von Kohlenhydraten freie Energie in den Energieträger ATP überführt. In
biologischen Systemen wird Oxidation und Reduktion durch spezielle Enzyme, die als Oxidoreduktasen bezeichnet werden, bewirkt. Innerhalb dieser Enzymklasse werden Enzyme, die Dehydrierungen
durchführen als Dehydrogenasen bezeichnet. So wird z.B. die Überführung von Ethanol durch das
kationische Oxidationsmittel NAD+ in Acetaldehyd von der Alkoholdehydrogenase katalysiert. Eine
Acetaldehyddehydrogenase wiederum katalysiert NAD+-abhängig den Abbau von Acetaldehyd zur
Essigsäure, die metabolisch verwertet wird. Die direkte Einführung von Sauerstoffatomen in organische Moleküle, auch als Hydroxylierung7 bezeichnet, wird von Oxidasen (Oxygenasen) katalysiert.
Eine der wichtigsten Gruppen sind die Monooxygenasen der Cytochrom P-450-Familie, die Hämb
(Porphyrinringgerüst mit zentralem Eisenatom) als prosthetische Gruppe enthalten. Ergebnis der
Enzymwirkung ist die Hydroxylierung organischer Substanzen, die deren Wasserlöslichkeit erhöht. In
der Leber dient dieser Prozess dem entgiftenden Abbau körperfremder (xenobiotischer8) Substanzen,
beispielsweise von eingenommenen Medikamenten. Die Ausscheidung wird dadurch beschleunigt und
toxische Konzentrationen werden verhindert. Selektiv wird die Hydoxylierung bei der Synthese von
Steroiden (s. Vorlesung Cycloalkane) genutzt. So wird beispielsweise aus Progesteron durch dreifache
Hydroxylierung an den Kohlenstoffatomen 11, 17 und 21 Cortison gebildet.
Oxidation von Phenolen. Phenole werden zu Carbonylverbindungen oxidiert, Monoketone sind
jedoch nicht isolierbar. Die Reaktion läuft bis zur Stufe der Cyclohexadiendione (Benzochinone). In
Versuch 5 werden Oxidationsreaktionen von Benzoldiolen (Brenzcatechin, Resorcin, Hydrochinon)
durchgeführt.
NAD+ = Nicotinsäureamid-Adenin-Dinucleotid.
Bitte zu beachten: als Folge der Einführung eines Sauerstoffatomes entsteht eine OH-Gruppe! (Insofern ist die Bezeichnung
“Hydroxylierung“ etwas irreführend, weil sie zu der Annahme führt, dass eine OH-Gruppe in das Molekül eingeführt wird).
8 Xenobiotika (griech.: dem Leben fremde Stoffe) sind chemische Stoffe, die nicht natürlich gebildet, sondern durch den
Menschen synthetisiert werden und dem biologischen Stoffkreislauf fremd sind.
6
7
26
Die Oxidation von z.B. 1,4-Benzoldiol (Hydrochinon), das die substituierten Hydroxylgruppen in
para-Stellung enthält, führt zur Bildung von 2,5-Cyclohexadien-1,4-dion (p-Benzochinon). Ebenso
kann 1,2-Benzoldiol (Brenzcathechin), das die substituierten Hydroxylgruppen in ortho-Stellung enthält, durch Oxidation in sein entsprechendes Chinon überführt werden. Hingegen ist eine Oxidation
von 1,3-Benzoldiol (Resorcin), das die substituierten Hydroxylgruppen in meta-Stellung enthält, nicht
möglich, weil ein m-chinoides System aufgrund der Bindungsverhältnisse nicht gebildet werden kann.
Es gibt eine Reihe natürlich vorkommender chemischer Prozesse, an denen 1,4-Benzoldiole (p-Hydrochinon) und 2,5-Cyclohexadien-1,4-dione (p-Benzochinone) beteiligt sind. So ist das Redoxpaar Benzochinon/Hydrochinon Bestandteil der im Abschnitt biologische Oxidation und Reduktion erwähnten
Reaktionskaskade, die die Reduktion von O2 zu H2O bewirkt. Eine wichtige Gruppe dabei sind die
Ubichinone (Coenzym Q). Es handelt sich um substituierte 2,5-Cyclohexadien-1,4-dion-(p-Benzochinon-)Derivate, die eine Seitenkette aus 2-Methyl-1,3-butadien-Einheiten (Isopren-Einheiten) besitzen.
Ein NADH-abhängiges Enzymsystem überführt Coenzym Q in seine reduzierte Form (QH2). QH2 ist
an einer Serie von Redoxreaktionen mit Elektronen-übertragenden eisenhaltigen Proteinen (Cytochrome) beteiligt. Die Reduktion von Fe3+ zu Fe2+ in Cytochrom b beginnt mit einer Folge von Elektronen-
27
übertragungen, an denen sechs verschiedene Proteine beteiligt sind. Das Ergebnis ist die Reduktion
von O2 zu Wasser unter Aufnahme von vier Elektronen und vier Protonen.
Ein weiteres Beispiel für die biologische Bedeutung von Benzoldiolen stellt das Vitamin E (Tocopherol)
dar. Als Antioxidans schützt es, genauso wie einige weitere Phenolderivate, Zellmembranen (Doppellipidschichten) vor oxidativer Schädigung. Es besteht neben einer dem 1,4-Benzoldiol ähnlichen Struktur, aus einer langen Kohlenwasserstoffkette, wodurch es lipidlöslich wird und in der Zellmembran
verankert ist. Das entsprechende Phenoxid-Ion (siehe B.5., diese Aufgabe) ist ein hervorragender
Elektronendonor. Die bei einer schädigenden Lipidoxidation auftretenden radikalischen Zwischenprodukte ungesättigter Fettsäuren werden somit reduziert. Dies führt zur Unterbrechung der für radikalische Reaktionen typischen Kettenreaktion.
Die Experimente des vorliegenden Übungsseminars sollen zeigen, dass a) Redoxreaktionen, an denen
organische Moleküle beteiligt sind, häufig als Hydrierungs- bzw. Dehydrierungreaktionen ablaufen
und b) Umstellungen funktioneller Gruppen innerhalb eines Moleküls das Redoxvermögen beeinflussen. Ein weiteres Ziel ist es, die Funktionsweise biologisch wichtiger Redoxpaare zu verstehen.
B. Experimenteller Teil
1. Oxidation von Ameisensäure mit Kaliumpermanganat
10 mL einer Ameisensäure-Lösung (1,0 mol/L) wird in einen 250mL-Erlenmeyerkolben pipettiert. Die Säure wird mit KMnO4-Lösung der Stoffmengenkonzentration 0,1
mol/L bis zum Farbumschlag nach schwach rot-braun titriert.
Die Reaktion läuft nach folgender Reaktiongleichung ab:
Ameisen(Methan)säure
Formulieren Sie mit Hilfe der Oxidationszahlen die Teilgleichungen dieser Reaktion!
Überlegen Sie, ob auch die in der homologen Reihe der Carbonsäuren folgende Essigsäure durch KMnO4 oxidiert wird. Begründen Sie Ihre Aussage!
2. Nachweis von Carbonylverbindungen mit der Silberspiegelprobe
Um diesen Nachweis zu führen wird das Tollens Reagenz hergestellt. Es wird wie
folgt vorbereitet: 5 mL Ammoniak-Lösung (25% v/v) zu 150 mL einer Silbernitratlösung (0,1 mol/L) geben. Der entstandene Niederschlag wird durch Zugabe von weiteren 5 mL Ammoniak-Lösung aufgelöst. Braune Fläschchen mit dem Reagenz befinden sich an den Arbeitsplätzen. Die Lösung kann direkt verwendet werden.
28
Sie führen folgendes Experiment durch: Von der ausgegebenen Tollens-Lösung jeweils 3 mL in zwei Reagenzgläser pipettieren. Anschließend mit einer Pasteurpipette
10 - 15 Tropfen Butyraldehyd in das erste Reagenzglas geben und die gleiche Tropfenzahl Aceton in das zweite Reagenzglas. Die Reagenzgläser im Wasserbad für 5 Minuten erwärmen.
Welche Veränderungen der Lösungen beobachten Sie? Stellen Sie die Reaktionsgleichung(en) unter Einbeziehung der Oxidationszahlen auf!
Um Ihnen die Erklärung zu erleichtern, geben wir Ihnen die nachfolgenden Hinweise:
Silbernitrat zerfällt in wässriger Lösung vollständig in seine Ionen.
Ammoniak-Lösung wirkt alkalisch, so dass Silber-Ionen mit Hydroxid-Ionen schwerlösliches Silberoxid bilden, welches als Niederschlag ausfällt.
Dieser Niederschlag wird mit weiterer Ammoniak-Lösung in einem löslichen Diamminsilber(I)-komplex gebunden.
Gibt man anschließend einen Aldehyd dazu, so werden die Ionen zu metallischem Silber reduziert,
welches sich an der Innenwand des Reagenzglases absetzt. Der Aldehyd selbst wird zur entsprechenden Carbonsäure oxidiert.
Metallisches Silber wird somit abgeschieden. Überlegen Sie sich mit welcher Chemikalie Sie das Reagenzglas reinigen können ohne die geringsten Spuren des abgeschiedenen Silbers zu hinterlassen!
29
3. Oxidation von Ethanol durch Kaliumdichromat
Primäre und sekundäre Alkohole können ohne Spaltung von C-C-Bindungen mit
Dichromat bis zu ihrer jeweiligen Carbonsäure oxidiert werden. So wird Ethanol nach
folgender Gleichung zu Essigsäure oxidiert :
Die ausgegebene Lösung enthält Kaliumdichromat in der Stoffmengenkonzentration
0,1 mol/L und verdünnte Schwefelsäure in der Konzentration 6 mol/L. 1 – 2 mL der
Lösung in ein Reagenzglas pipettieren und einige Tropfen Ethanollösung dazugeben.
Die Reaktion verläuft zweistufig. Zuerst entsteht Acetaldehyd, der im zweiten Schritt zur Säure oxidiert wird. Als Oxidationsmittel dient Kaliumdichromat in der Oxidationsstufe 6, das bis zum Chrom(III) reduziert wird. Betrachtet man den Reaktionsverlauf, so bildet sich in einer Gleichgewichtsreaktion ein Chromsäureester. Im Anschluss an die Esterbildung findet die eigentliche Reduktion statt. Es
wird der Aldehyd gebildet und eine Chrom-(IV)-Verbindung. Letztere ist nicht stabil und zerfällt zu
Cr3+.
Welche Veränderung beobachten Sie? Formulieren Sie die Redoxgleichung, die zur
Bildung von Acetaldehyd führt! Warum können tertiäre Alkohole nicht durch
Chromate oxidiert werden?
4. Oxidierbarkeit von primären, sekundären und tertiären Alkoholen
Wir verwenden für dieses Experiment 1-Propanol (primärer Alkohol), Isopropanol
(sekundärer Alkohol) und tertiären Butanol (tertiärer Alkohol). Drei Reagenzgläser
werden wie folgt vorbereitet: zu 1 mL Kaliumpermanganatlösung (0,006 mol/L) wird
1 mL NaOH-Lösung (1 mol/L) zugegeben. Anschließend in das erste Reagenzglas 2
mL 1-Propanol, in das zweite 2 mL Isopropanol, in das dritte 2 mL tertiären Butanol
geben. 1-Propanol reagiert nach folgendem Ablauf mit dem Permanganat-Anion:
30
Notieren Sie Ihre Beobachtungen! Erklären Sie die Befunde und geben Sie die Redoxgleichungen mit
den jeweiligen Teilgleichungen an!
5. Oxidation von Benzoldiolen
Für die nachfolgenden Versuche setzen wir Brenzcatechin (1,2-Benzoldiol), Resorcin
(1,3-Benzoldiol) und Hydrochinon (1,4-Benzoldiol) ein.
Der Redoxprozess der Hydrochinon (1,4 Benzoldiol) und p-Benzochinon (2,5-Cyclohexadien-1,4-dion)
ineinander überführt, kann als Folge von Protonen- und Elektronenübertragungen aufgefasst werden.
Bei der zunächst erfolgenden Deprotonierung entsteht ein Phenoxid-Ion, das durch Ein-ElektronenOxidation in ein Phenoxy-Radikal überführt wird. Die Dissoziation der zweiten OH-Gruppe ergibt ein
Semichinon-Radikalanion, eine zweite Ein-Elektronen Oxidation führt zum p-Benzochinon.
a) Reaktion der isomeren Benzoldiole mit Eisen(III)-chlorid
Jeweils 4 mL der ausgegebenen 1%igen Lösungen der Benzoldiole in getrennte Reagenzgläser mit der Glaspipette einfüllen. Dazu 1-2 Tropfen FeCl3-Lösung zugeben.
Brenzcatechin zeigt eine grüne, Resorcin eine rotviolette und Hydrochinon zunächst
31
eine bläuliche, dann gelbliche Färbung. Diese Reaktionen können folgendermaßen
erklärt werden:
Ähnlich wie Phenol9 reagieren auch Brenzcatechin und Resorcin mit Fe3+ unter Bildung farbiger Komplexe. Hydrochinon wird sehr schnell durch Fe3+ zu orange-gelbem p-Benzochinon, das keinen farbigen Komplex mit FeCl3 bildet, oxidiert. Brenzcatechin wird nur in geringem Umfang zu o-Benzochinon
oxidiert; der Komplex mit FeCl3 ergibt eine grüne Farbe. Resorcin zeigt keine Redoxreaktion mit Fe3+,
weil die beiden Hydroxygruppen sich in meta-Position zueinander befinden und demzufolge kein
chinoides System ausbilden können. Es bildet einen rot-violetten Komplex mit FeCl3.
b) Reaktion der isomeren Benzoldiole mit Silber-Ionen (siehe Versuch 2)
Es werden zwei Experimente durchgeführt: a) jeweils 3 mL einer AgNO3-Lösung (0,1
mol/L) in getrennten Reagenzgläsern mit 5-10 Tropfen einer 1%igen Lösung von
Brenzcatechin, Hydrochinon sowie Resorcin versetzen und b) jeweils 3 mL einer
ammoniakalischen Silbernitrat-Lösung (s. Versuch 2) in getrennten Reagenzgläsern
mit 5-10 Tropfen einer 1%igen Lösung von Brenzcatechin, Hydrochinon sowie Resorcin versetzen. Notieren Sie Ihre Beobachtungen! Formulieren Sie für beide Experimente die Reaktionsgleichungen (bitte einschließlich der Teilgleichungen und Oxidationszahlen!)
Um Ihnen wiederum die Erklärung etwas zu erleichtern: Brenzcatechin und Hydrochinon reduzieren
Silbernitrat bereits bei Raumtemperatur zu metallischem Silber, wohingegen bei Resorcin Erwärmen
und Ammoniakzusatz notwendig sind, um die Reaktion auszulösen. Aus diesem Grund finden 1,2- und
1,4-Isomere als Entwickler in der Fotographie Verwendung. Es bildet sich im Falle von Brenzcatechin
und Hydrochinon rasch ein schwarzer Niederschlag von elementarem Silber, im Falle des Resorcin
nicht.
9
Übrigens diese Farbreaktion wird schon seit über 2000 Jahren zur Herstellung von Eisengallustinte genutzt! Natürlich wusste
man nichts über die chemischen Zusammenhänge. Heute weiß man, dass die dokumentenechte schwarze Farbe durch
Komplexbildung zwischen Fe3+ und den in der Tinte enthaltenen Phenolen und Polyphenolen hervorgerufen wird.
32
5. Aufgabe
Substitutions- und Additionsreaktionen
Stichworte: Elektrophile und nukleophile Substitutionsreaktionen; Additionsreaktionen; Eliminierung; säurekatalysierte Esterbildung; saure und alkalische Esterhydrolyse; Keto-Enol Tautomerie; Amine; Carbonsäuren; Hydroxamsäure.
A. Allgemeines
Ziel dieser Übung ist es, mithilfe einfacher Handversuche die in der Vorlesung theoretisch besprochenen Reaktionsmechanismen der organischen Chemie zu vertiefen. Zur Vorbereitung für die Experimente empfiehlt es sich die Mechanismen der elektrophilen Addition und nukleophilen Substitution,
wie in der Vorlesung besprochen, zu wiederholen. Die Ester aus Carbonsäuren und Alkohol werden in
diesem Übungsseminar deswegen ausführlich besprochen, weil sie in der Natur häufig vertreten und
Ausgangsstoffe für eine Reihe technisch wichtiger Produkte sind. So sind beispielsweise Fette und fette
Öle Ester höherer aliphatischer Monocarbonsäuren (Fettsäuren) mit Glycerol als dreiwertiger Alkoholkomponente. Ebenso sind sie in Wachsen (Ester höherer einwertiger Alkohole mit höheren einwertigen Carbonsäuren) sowie in Riechstoffen (zumeist niedermolekulare Ester in ätherischen Ölen)
enthalten. Technisch finden sie u.a. Anwendung in Arzneimitteln (z.B. Acetylsalicylsäure), als Weichmacher, als Kunststoffe (z.B. Polyester, Plexiglas, Bernstein ist ein in der Natur vorkommender Polyester!) sowie als Aroma- und Duftstoffe.
Esterbildung. Eine der wichtigsten Reaktionen der Alkohole ist ihre Umwandlung in Ester. Dieser
Begriff bezieht sich meistens auf organische Ester, die in einer Gleichgewichtsreaktion aus Carbonsäure und Alkohol entstehen10:
Die rasche Einstellung des Gleichgewichts der Esterbildung erfordert höhere Temperaturen und eine
Vergrößerung der H+ - Ionenkonzentration, die durch Zugabe von Mineralsäure (z.B. konz. H2SO4) als
Katalysator erreicht wird (Säurekatalyse).
Für die Esterbildung gilt ebenso wie für alle chemischen Gleichgewichte das Massenwirkungsgesetz.
Die Gleichgewichtskonstante K errechnet sich wie folgt:
10
Bedenken Sie, dass auch mit anorganischen Säuren, wie z.B. der Phosphorsäure oder der Chromsäure anorganische Ester
erzeugt werden können.
33
K=
c(Ester) c(H2O)
c(Säure) c(Alkohol)
Überlegen Sie wie eine vollständige Veresterung zu erreichen ist!
Der Mechanismus der säurekatalysierten Veresterung, gezeigt am Beispiel des Essigsäuremethlyesters,
verläuft wie folgt:
Zunächst erfolgt die Addition eines Protons an das O-Atom der Carboxylgruppe, wodurch ein mesomeriestabilisiertes Kation entsteht und das Carbonyl-Kohlenstoffatom stärker positiviert wird. Dadurch wird ein nukleophiler Angriff des Methanols auf das Carbonyl-Kohlenstoffatom ermöglicht.
Durch Abspaltung eines Protons aus dem ersten Addukt entsteht das tetraedrische Zwischenprodukt
der nukleophilen Addition (Schritt 2). Dieses stellt den entscheidenden Schritt in der säurekatalysierten Reaktionsabfolge dar. Erfolgt nämlich die Protonierung an einem der beiden Hydroxy-Sauerstoffatome, dann kommt es zur Abspaltung von Wasser und zur Bildung des Esterprodukts (Schritt 3).
Umgekehrt leitet die Protonierung am Methoxy-Sauerstoffatom die Rückreaktion ein. Es kommt über
die Reaktionsfolge der Schritte 2 und 1 zur Abspaltung von Methanol.
34
Esterhydrolyse (Verseifung). Die Spaltung eines Esters kann sowohl säurekatalysiert als auch
basenkatalysiert erfolgen. Während die säurekatalysierte Hydrolyse, wie bereits erwähnt, ein Gleichgewichtsprozess ist (siehe oben), wird bei der baseninduzierten Hydrolyse die Säure in das CarboxylatIon überführt. Dieser Schritt ist irreversibel.
Bei Carbonsäuren zerfällt das tetraedrische Zwischenprodukt, das beim Angriff eines Nucleophils auf
das Carboxyl-Kohlenstoffatom gebildet wird, durch die Abspaltung einer Abgangsgruppe (AlkoholatIon). Im Ergebnis wird die Abgangsgruppe durch das Nucleophil substituiert, man nennt diesen Ablauf Additions-Eliminierungs-Reaktion.
Keto-Enol Tautomerie. Unter Tautomerie versteht man das Auftreten zweier isomerer Verbindungen, die unter Verschiebung von σ- und π-Bindungen entstehen und miteinander im Gleichgewicht
stehen. Meist unterscheiden sich die tautomeren Formen durch die Stellung eines Protons voneinander. Stehen Keto- und Enolform miteinander im Gleichgewicht, so spricht man von Keto-Enol Tautomerie. Da gesättigte Ketone im allgemeinen gegenüber ihren Enolen energetisch begünstigt sind, kann
man die spontane Keto-Enol Tautomerie nur bei solchen Ketonen beobachten, bei denen die durch
Enolisierung entstehende Doppelbindung resonanzstablisiert ist. Eine weitere Stablisierung kann
durch intramolekulare Wasserbrückenbindungen erfolgen. Letzere ist bei der Verbindung Acetylessigsäureethylester zu beobachten.
35
B. Experimenteller Teil
1. Nachweis einer ungesättigten Kohlenwasserstoffverbindung
1 mL der Probenlösung Cyclohexen mit 2 Tropfen Bromlösung versetzen. [Die
Reaktion wird unter dem Laborabzug des kleinen Kurssaals durchgeführt]. Welche
Reaktion beobachten Sie? Welcher Reaktionsmechanismus liegt vor? Zeigen Sie mit
Formeln die Reaktionsfolge!
2. Herstellung von tertiärem Butylchlorid aus tertiärem Butanol
0,5 mL tertiäres Butanol mit 2 mL einer konzentrierten HCl-Lösung versetzen. Die
zunächst klare Lösung wird trüb, und schließlich scheidet sich unlösliches tertiäres
Butylchlorid (2-Methyl-2-chlorpropan) ab. Erklären Sie mit Hilfe von Gleichungen
den
Reaktionsmechanismus!
Worauf
ist
die
Unlöslichkeit
des
Produkts
zurückzuführen?
3. Nachweis einer Esterbindung
Einen Tropfen Speiseöl in ca. 2 mL Isopropanol lösen. Anschließend 2 Tropfen einer
alkalischen Hydroxylaminlösung zugeben. Nach 3-minütigem Schütteln wird mit 1-2
Tropfen konz. Salzsäure angesäuert, 0,5 ml Eisen(III)-chloridlösung hinzugefügt
und die Farbbildung beobachtet.
Hydroxamsäuren lassen sich aus Carbonsäurehalogeniden oder -estern und Hydroxylamin darstellen.
Der Ester aus Fettsäuren und dem dreiwertigen Alkohol Glycerol wird gespalten und es entsteht die
jeweilige Hydroxamsäure. Die Hydroxamsäuren sind schwache Säuren, die Fehlingsche Lösung reduzieren und infolge des tautomeren Gleichgewichts mit der Hydroximsäure eine für Enole charakteristische Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid eingehen.
36
4. Esterbildung
In einem Reagenzglas 1 mL Ethanol und 1 mL Eisessig mit 2 mL konzentrierter
H2SO4 versetzen und bei Siedetemperatur in ein Wasserbad stellen. Nach einiger Zeit
wird abgekühlt und überschüssige H2SO4 durch Zugabe von Na2CO3 neutralisiert
(Vorsicht!). Es sollte nach UHU®-Kleber riechen, dem typischen Geruch des
Essigsäureethylesters! Formulieren Sie den Reaktionsmechanismus!
5. Esterhydrolyse
Mit einer Pasteurpipette 20 Tropfen Essigsäureethylester jeweils in 3 Reagenzgläser
geben. Anschließend jeweils 2 mL Aqua dest. hinzufügen. Es bilden sich zwei Phasen.
Eine Probe mit 2 Tropfen H2SO4 (konz.), eine andere mit 2 Tropfen NaOH-Lösung
(10%) versetzen. Danach die 3 Reagenzgläser in einem Wasserbad bei 60-70 °C unter
leichtem Schütteln erwärmen.
Achten Sie auf das Verschwinden des Estergeruchs. In welchem Reagenzglas löst
sich die Phasentrennung von Ester und H2O zuerst auf? Das Ausgangsprodukt ist
hydrophob, die gebildeten Produkte hydrophil. Warum? Wodurch kommt der Unterschied zwischen saurer und basischer Verseifung zustande? Die Reaktanden
Schwefelsäure
und
Essigsäure
liegen
sowohl
bei
der
säurekatalysierten
Esterbildung (Versuch 4) als auch bei der sauren Esterhydrolyse im Reaktionsgemisch vor. Warum wird in einem Fall (Versuch 4) der Ester gebildet, im anderen Fall gespalten?
6. Ein besonderer Ester: Acetessigsäureethylester (AEE)
5 Tropfen AEE mit 5 mL Wasser und 2 Tropfen FeCl3-Lösung versetzen. Die Lösung
färbt sich rot. Unter Schütteln 2 mL Bromwasser hinzugeben. [Die Zugabe von
Bromwasser wird unter dem Laborabzug des kleinen Kurssaals durchgeführt]. Die
Farbe verschwindet zunächst, erscheint dann aber wieder. Bei erneuter Zugabe von
Bromwasser verschwindet die Farbe abermals. [Die Zugabe von Bromwasser wird
unter dem Laborabzug des kleinen Kurssaals durchgeführt].
Erklären Sie diese Befunde und stellen Sie mithilfe Strukturformeln die Reaktion
von AEE mit Brom dar!
37
6. Aufgabe
Nachweis von Kohlenhydraten, Aldehyden und Ketonen
Stichworte: Funktionelle Gruppen; Fehlingsche Probe; Aldehyde und Ketone (von
jeder Stoffgruppe, Einteilung, Eigenschaften, Strukturformeln und Reaktionen
vorbereiten!); reduzierende und nichtreduzierende Kohlenhydrate, Monosaccharide,
Disaccharide, Polysaccharide, und Carbonsäuren (von jeder Stoffgruppe Einteilung,
Eigenschaften, Strukturformeln und Reaktionen vorbereiten!); Additionsreaktionen
(Reaktionsmechanismus); Endiolbildung.
A. Allgemeines
Kohlenhydrate dienen in Stoffwechselprozessen als Energielieferanten und stellen - als Polymer (z.B.
Chitin) - den molekularen Baustoff dar, der Gliedertiere, Weichtiere und Pflanzen stabilisiert.
Darüberhinaus besitzen Kohlenhydrate weitreichende physiologische Funktionen als Träger
biologischer Informationen. Zuckerketten werden häufig an Proteine und Lipide verknüpft auf der
Zelloberfläche präsentiert. Innerhalb dieser Ketten führen eine Vielzahl von möglichen
Kombinationen aus Zuckermonomeren gleichsam zu kodierenden Einheiten, die spezifisch von
kohlenhydrat-bindenden Proteinen erkannt werden. Aufgrund dieser Wechselwirkungen können
biochemische Signale erzeugt und weitergeleitet werden11. Technologisch werden Kohlenhydrate als
Zusatzstoffe in Lebensmitteln, wie z.B. als Süssungsmittel, Gelbildner, Dickungsmittel oder auch als
Stabilisatoren, verwendet.
In der vorliegenden Aufgabe werden Nachweisreaktionen für Aldehyde und Ketone zusammen mit
denen der Kohlenhydrate durchgeführt. Chemisch gesehen sind Kohlenhydrate Carbonyl-Verbindungen und Alkohole zugleich. Sie enthalten die jeweiligen funktionellen Gruppen und zeigen deshalb
auch die entsprechenden chemischen Reaktionen. Wie bereits in der 4. Aufgabe gezeigt, können
Aldehyde Silber-Ionen zu metallischem Silber reduzieren (Silberspiegelprobe) und werden dabei
selbst oxidiert. Die Oxidierbarkeit der Aldehyde wird nocheinmal im Versuch 1 in der Reaktion mit
dem Oxidationsmittel Kaliumpermanganat gezeigt. Ketone wirken unter den Bedingungen dieses
Experimente nicht als Reduktionsmittel. In den Versuchen 2-4, werden Aldehyde und reduzierend
wirkende Kohlenhydrate mit Fehlingscher Lösung nachgewiesen.
Nachweisreaktionen mit Fehlingscher Lösung. Die Aldehydgruppe der Aldosen lässt sich
durch Fehlingsche Lösung (I und II) oxidieren. α-Hydroxyketone und somit auch Ketosen reagieren
ebenso positiv und können oxidiert werden. Deren Ketogruppen gehen im alkalischen Medium über
11
Für weitergehende Informationen und zum vertiefenden Studium wird das aktuelle Lehrbuch „The Sugar Code
- Fundamentals of Glycosciences“, Hrsg. H.-J. Gabius, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, 2009, empfohlen.
Mehrere Exemplare sind in der Fakultätsbibliothek vorhanden.
38
die Zwischenstufe der Endiolform in reduzierend wirkende Aldehydgruppen über. So bildet sich z.B.
zwischen D-Fructose (Ketose) und D-Glucose (Aldose) bzw. D-Mannose (Aldose) ein Gleichgewichtszustand aus. Die Reaktion mit Fehlingscher Lösung benötigt zur Gleichgewichtseinstellung alkalisches Milieu. Unter diesen Bedingungen bildet sich aber zunächst Kupfer(II)-hydroxid, das nicht mit
dem Aldehyd reagiert. Somit müssen die Kupfer(II)-Ionen durch Komplexbildung in Lösung gehalten werden. Zu diesem Zweck wird Kaliumnatriumtartrat, ein Salz der Weinsäure, zugegeben. Es bildet sich der tiefblaue Ditartratocuprat(II)-Komplex, der ähnlich oxidierend wirkt wie das Cu2+-Ion.
Die Fehlingsche Lösung setzt man erst kurz vor dem Experiment aus zwei Komponenten zusammen,
nämlich der Kupfer(II)-sulfat-Lösung (Fehling I), sowie der alkalischen Kaliumnatriumtartrat-Lösung (Fehling II). Der Grund dafür ist, dass der Ditartratocuprat(II)-Komplex nicht allzu stabil ist,
weil mit der Zeit auch die Weinsäure durch Cu2+-Ionen oxidiert wird.
Aldehyde werden nach Zugabe von Fehlingscher Lösung zu Carbonsäure oxidiert, während mit
Tartrat komplexierte Cu2+-Ionen zu Kupfer(I)-oxid reduziert werden und als rot-brauner
Niederschlag ausfallen.
Jod-Stärke-Komplex. Der wechselseitige Nachweis von Jod und löslicher Stärke beruht auf der
Bildung einer tiefblauen Einschlussverbindung, dem sogenannten Jod-Stärke-Komplex. Die Reaktion
ist ein chemisches Gleichgewicht:
39
Die Bildung des Komplexes ist exotherm, beim Erwärmen wird die endotherme Rückreaktion begünstigt und der Komplex dissoziiert in seine Ausgangssubstanzen. Beim Abkühlen bildet sich der Komplex
zurück (Prinzip von Le Chatelier!). Wie kommt die blaue Farbe zustande? In wässriger Lösung liegt
Jod nicht molekular als J2 vor, weil Jodmoleküle in Wasser kaum löslich sind. Zur Erhöhung der Löslichkeit wird Jod mit Kalium-Jodidlösung vermischt. Darin sind verschiedenste Jod-Jodidkomplexe
wie [J3]- oder [J5]- vorhanden. Beim eingelagerten Jod handelt es sich um Polyjodid-Anionen wie z.B.
[J5]-, das sich aus Jodid-Ionen und zwei Jodmolekülen bildet. Aufgrund der ungleichen Bindungsabstände der 5 Jodatome ist anzunehmen, dass es sich bereits bei diesem Jod/Jodid-Assoziat um einen
„Charge-Transfer-Komplex“ (CT-Komplex, Donor-Akzeptor-Komplex) handelt. CT-Komplexe beruhen
auf der Wechselwirkung der π-Elektronen einer elektronenreichen Komponente (Donor) und einer
elektronenarmen Komponente (Akzeptor). Im vorliegenden Fall ist Jodid der Elektronendonor. Aufgrund der Wechselwirkung der π-Elektronen kommt es zu einer erleichterten Anregbarkeit durch
elektromagnetische Strahlung. Daraus resultiert die auffällige Färbung aller CT-Komplexe; das vorliegende Jod/Jodid-Assoziat ergibt eine dunkelbraune Färbung. Darüberhinaus kann auch Stärke als
Donor-Molekül fungieren, was nochmals zu einer Farbvertiefung, diesmal aber einheitlich in Richtung
auf blau, führt. Beim Erwärmen kommt die Anordnung aufgrund der Molekülschwingungen nicht
zustande, deshalb bleibt die blaue Farbe aus.
B. Experimenteller Teil
1. Unterschied zwischen Aldehyden und Ketonen
Um zwischen Aldehyden und Ketonen zu unterscheiden wird die Oxidierbarkeit der
Aldehyde herangezogen. Zu etwa 1 mL der Probenlösung (Butyraldehyd bzw. Aceton) werden 2 Tropfen Kaliumpermanganat-Lösung (1%) gegeben und gut geschüttelt.
Notieren Sie Ihre Beobachtungen und formulieren Sie die Reaktionsgleichungen
(mit Oxidationszahlen) !
2. Nachweis von Aldehyden und reduzierenden Kohlenhydraten mit
Fehlingscher-Lösung
Etwa 1 mL der Probenlösung und je 1 mL Fehling'sche Lösung I und II werden 5 min
im Wasserbad erhitzt. Der Test ist positiv, wenn gelbes oder rotes Kupfer(I)-oxid
ausfällt. Als Probensubstanzen werden
D-Glucose,
Butyraldehyd und Benzaldehyd
verwendet.
Beschreiben Sie ihre Beobachtungen! Warum kann Benzaldehyd nicht mit der Fehlingscher-Lösung nachgewiesen werden?
40
3. Nachweis von nicht reduzierenden Kohlenhydraten
Nichtreduzierende Zucker müssen vor der Reaktion mit Fehling'scher Lösung durch
Säurehydrolyse in die einzelnen Zucker überführt werden. Man gibt zu etwa 1 mL
der Saccharoselösung 2 Tropfen verdünnte Salzsäure und erhitzt im siedenden Wasserbad. Anschließend führt man die Reaktion mit den Fehlingschen Lösungen
durch.
Saccharose besteht aus D-Glucose (Aldose) und D-Fructose (Fructose). Zeigen Sie
mit Hilfe offenkettiger Konfigurationsformeln den Übergang von der Keto- in die
Aldehydform! Welche der folgenden Di- und Polysaccharide reagieren ohne vorherige Säurehydrolyse: Lactose, Trehalose, Maltose, Inulin, Cellobiose?
4.
Bestimmung der Gruppenzugehörigkeit einer unbekannten Probe
Mit Hilfe der in den Versuchen 1 und 2 verwendeten Nachweisreagenzien wird eine
unbekannte Probe identifiziert.
Warum wirken Ketone nicht reduzierend, α-Hydroxyketone und Ketosen hingegen
schon?
5.
Der Jod-Stärke-Komplex
1 mL Stärkelösung wird mit 5 mL Wasser im siedenden Wasserbad erhitzt und unter
fließendem Wasser abgekühlt, anschließend fügt man 1 Tropfen Jod-KaliumjodidLösung hinzu. Der Reaktionsansatz wird tiefblau. Die tiefblaue Farbe verschwindet
beim Erhitzen und tritt beim Abkühlen wieder auf.
Erklären Sie diesen Effekt!
41
Anhang 1
Weitere Aufgaben zu den Übungsseminaren des Sommersemesters
1.
Im einem zwei-Phasensystem Benzol-Wasser lösen Sie in einem Fall Essigsäure und im anderen
Fall Hexansäure. Anschließend titrieren Sie jeweils 10 mL der wässrigen Phase mit Lauge. Welches
Ergebnis erwarten Sie bezüglich des Laugenverbrauchs? (Keine Rechnung, nur Erklärung!)
2.
Erklären Sie die Prinzipien der Ionenaustauschchromatographie und der Affinitätschromatographie!
3.
Essigsäure, Trichloressigsäure, Propionsäure und Monochloressigsäure unterscheiden sich in Ihrer Acidität. Geben Sie die Strukturformeln dieser Verbindungen an! Ordnen Sie diese Verbindungen nach aufsteigender Säurestärke und begründen Sie Ihre Entscheidung!
4.
Benzoesäure wird mit Ethanol und einigen Tropfen H2SO4 zur Reaktion gebracht. Es entsteht ein
Produkt mit pfefferminzartigem Geruch. Erläutern Sie unter Verwendung von Strukturformeln
den Mechanismus dieser Reaktion und benennen Sie das organische Endprodukt.
5.
Ordnen Sie die Substanzen Anilin, Methylamin (Aminomethan) und Ammoniak nach ansteigender
Basenstärke und begründen Sie Ihre Aussage mithilfe von Strukturformeln.
6.
1-Butanol und 2-Methyl-2-propanol (tertiäres Butanol) sollen in getrennten Versuchen zu ihren
jeweiligen Bromalkanen umgesetzt werden.
a) Welchen Reaktionspartner würden Sie für beide Umsetzungen wählen: Kaliumbromid-Lösung
oder konzentrierte HBr? Begründen Sie Ihre Aussage!
b) Der erste Schritt beider Reaktionen führt zu einem organischen Kation. Beschreiben Sie die
weiteren Reaktionsschritte mit Formeln! Welche Reaktionsmechanismen liegen den Reaktionen zugrunde?
7.
Zeigen Sie mithilfe mesomerer Grenzformeln weshalb Phenol eine acide Substanz ist! Auch die
Derivate 2-Nitrophenol und 2-Methylphenol sind acide. Ordnen Sie Phenol und die gegebenen
Derivate nach abnehmender Acidität und begründen Sie Ihre Entscheidung!
8.
Sie versetzen Phenol mit NaOH-Lösung. Welche Reaktion erfolgt? Geben Sie die Reaktionsgleichung an! Ist das Produkt aus dieser Reaktion hydrophiler oder hydrophober als die Ausgangsverbindung?
9.
Eine wässrige Lösung enthält entweder Ethanol oder Phenol. Welche chemischen Eigenschaften
der beiden Alkohole können Sie experimentell ausnutzen, um sie voneinander zu unterscheiden
(Bitte Formeln angeben)?
42
10. Der Siedepunkt von Formaldehyd beträgt -21 °C, der von Methanol +65 °C. Worauf ist dieser
Unterschied zurückzuführen? (Bitte Formeln angeben!).
11. Würde man die Struktur eines Benzolmoleküls als Cyclohexatrien auffassen, so müßte bei der
Totalhydrierung eine Enthalpie von ca. 360 kJ/mol frei werden. Tatsächlich mißt man eine
Hydrierungsenthalpie von etwa 209 kJ/mol.
a) Erklären Sie den Unterschied zwischen erwartetem und gefundenem Wert der Hydrierungsenthalpie!
b) Benennen und formulieren Sie mithilfe von Strukturformeln den Mechanismus der Bromierung bis zum Monobrombenzol!
c) Im Vergleich zu Benzol reagiert Phenol wesentlich schneller mit Brom. Erklären Sie dieses
Reaktionsverhalten!
12. Beschreiben Sie die Durchführung der Nitrierung (Sulfonierung) von Benzol, und erläutern Sie
unter Einbeziehung von Strukturformeln den Mechanismus dieser Reaktion.
13. Propansäure soll in säurekatalysierter Reaktion mit Methanol umgesetzt werden. Beschreiben Sie
mithilfe von Strukturformeln den Mechanismus dieser Reaktion.
14. Carbonylverbindungen sind wichtige Ausgangsstoffe in der präparativen organischen Chemie.
a) Gegeben sind die folgenden Aldehyde:(A) Benzaldehyd, (B) 2,2-Dimethylpropanal, (C) Propanal. Eine für bestimmte Aldehyde und Ketone typische Reaktion führt unter dem Einfluss verdünnter Laugen zu Verbindungen, die in ß-Stellung zur Carbonylgruppe eine Hydroxygruppe
tragen.
a1) Stellen Sie die Strukturformeln der unter a) genannten Stoffe A, B und C dar! Geben Sie an,
welcher der genannten Stoffe auf die beschriebene Weise reagiert, und begründen Sie Ihre
Aussage!
a2) Formulieren Sie die Einzelschritte dieser basenkatalysierten Reaktion mit Strukturformeln!
b) Die Geschwindigkeit der Reaktion mit Ammoniak steigt vom Ethanal über Methanal zum
Trichlorethanal an. Begründen Sie diesen Befund!
c) Mit Propanal, Propanon und Hydroxypropanon wird in getrennten Versuchen die FehlingProbe durchgeführt. Erklären Sie mithilfe von Strukturformeln das Redoxverhalten der gegebenen Carbonylverbindungen und stellen Sie eine Redoxgleichung auf!
15. Propen und Propensäure reagieren in getrennten Versuchen mit Wasserstoffbromid.
a) Stellen Sie den Mechanismus der Reaktion von Propen mit Wasserstoffbromid unter Verwendung von Strukturformeln dar!
b) Bei der Reaktion zwischen Propensäure und Wasserstoffbromid entsteht 3-Brompropansäure.
Vergleichen Sie den Verlauf der Reaktion unter a) mit dem der Reaktion unter b) und erläutern Sie den Unterschied!
43
c) Sowohl bei der Bromierung von Ethen als auch bei der von Benzol erhält man zunächst ein
organisches Kation als Zwischenprodukt. Erklären Sie mithilfe von Strukturformel, weshalb
die weiteren Reaktionsschritte nicht übereinstimmen.
16. Die aromatischen Ringsysteme von Benzol und Anilin (Aminobenzol) sollen zu Monobromderiva-
ten umgesetzt werden. Erläutern Sie mithilfe von Strukturformeln den Reaktionsmechanismus der
Bromierung von Benzol! Vergleichen Sie die Reaktionsbedingungen für die Bromierung von Benzol und Anilin und erläutern Sie unter Einbeziehung von mesomeren Grenzformeln den Unterschied!
17. Sie versetzen in einem Reagenzglas 1 mL Ethylbromid mit einigen Tropfen NaOH-Lösung und
geben anschließend AgNO3 hinzu. Es entsteht ein Niederschlag. Sie verwenden anstatt Ethylbromid Benzylbromid. Es entsteht kein Niederschlag mit AgNO3.
a) Um welchen Reaktionstyp handelt es sich?
b) Erstellen Sie die Reaktionsgleichung und den Reaktionsmechanismus!
c) Warum entsteht bei Verwendung von Benzylbromid kein Niederschlag?
18. Erklären Sie anhand der Strukturformel, ob Maltose (Trehalose) ein reduzierender oder ein nicht-
reduzierender Zucker ist!
44
Anhang 2
Sicherheitsangaben zu den verwendeten Chemikalien
Bezeichnung
R-Sätze
S-Sätze
(Hinweise auf besondere
(Sicherheitsratschläge)
Gefährlichkeitsmerkmale
Gefahrensymbol
Gefahren)
Acetessigsäureethylester
36
24
reizend
Aceton
11-36-66-67
(2-)9-16-26
leichtentzündlich, reizend
Ameisensäure
35
(1/2)-23-26-45
ätzend
Ammoniakwasser
34-50
(1/2)-2636/37/39-4561
reizend, umweltgefährdend
Benzaldehyd
22
(2)-24
gesundheitsschädlich
Benzoesäure
22-26
24
gesundheitsschädlich
Brenzcatechin
21/22-36/38
(2)-22-36-37
gesundheitsschädlich
Brom
26-35-50
(1/2)-7/9-2645-61
sehr giftig, ätzend,
umweltgefährdend
n-Butanol
10-22-37/3841-67
(2)-7/9-13-2637/39-46
gesundheitsschädlich
Butanol (tert.)
11-20
(2)-9-16
leichtentzündlich, gesundheitsschädlich
Butyraldehyd
11
(2)-9-29-33
leichtentzündlich
Cyclohexen
11-21/22
16-23-3336/37
leichtentzündlich, gesundheitsschädlich
Citronensäure
36
26
reizend
Eisen(III)chlorid
22-38-41
26-39
gesundheitsschädlich
Essigsäureethylester
11-36-66-67
16-23-29-33
leicht entzündlich, reizend
(NH4OH)
45
Bezeichnung
R-Sätze
S-Sätze
(Hinweise auf besondere
(Sicherheitsratschläge)
Gefährlichkeitsmerkmale
Gefahrensymbol
Gefahren)
Fehling´sche Lösung I
35
(2)-22-60-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend
Fehling´sche Lösung II
35-36
(1/2)-24/2526-37/39-45
ätzend, reizend
Ethanol
11
(2)-7-16
leichtentzündlich
Hydrochinon
22-40-68-4143-50
(2-)2636/37/39-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend
Hydroxylamin
5-22-37/38-4143-48/22-50
(2-)2636/37/39-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend
Isopropanol
11-36-67
(2)-7-1624/25-26
leichtentzündlich, reizend
Jod
20/21-50
(2)-23-25-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend
Kaliumdichromat
45-46-60-61-826-25-21-3442/43-48/2350/53
53-45-60-61
sehr giftig, umweltgefährdend, brandfördernd
Kaliumjodid
-
-
-
Kaliumpermanganat
8-22-50/53
(2)-60-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend,
brandfördernd
Natriumhydroxid-Lösung (Natronlauge, NaOH)
35
(1/2-)2637/39-45
ätzend
Ninhydrin
22-36/37/38
26-28-36
gesundheitsschädlich
o-Phenylendiamin
20/21-25-3640-43-50/5360
(1/2)-2836/37-45-6061
giftig, umweltgefährdend
Phenolphthalein
40
36/37
gesundheitsschädlich
1-Propanol
11-41-67
(2)-7-16-2426-39
leichtentzündlich, reizend
Resorcin
22-36/38-50
(2)-26-61
gesundheitsschädlich,
umweltgefährdend
(Kupfersulfatlösung)
(alkal. Kaliumnatriumtartratlösung)
(KMnO4)
O
O
T
46
Bezeichnung
R-Sätze
S-Sätze
(Hinweise auf besondere
(Sicherheitsratschläge)
Gefährlichkeitsmerkmale
Gefahrensymbol
Gefahren)
Saccharose
-
-
-
Salzsäure
34-37
(1/2)-26-45
ätzend
Schwefelsäure
35
(1/2)-26-3045
ätzend
Silbernitrat
34-50/53
(1/2)-26-4560-61
ätzend, umweltgefährdend
Toluol
11-38-48/2063-65-67
(2)-36/37-6246
leichtentzündlich, gesundheitsschädlich
Tribromessigsäure
21-22-23-35
26-27-28-3739
giftig, ätzend
-
(HCl)
(AgNO3)
T
47
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