Präsenzübung 07 Lösungsskizzen - Fakultät für Mathematik

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Lösungsskizzen zur Präsenzübung 07
Hilfestellung zur Vorlesung Anwendungen der Mathematik
im Wintersemester 2015/2016
Fakultät für Mathematik
Universität Bielefeld
Veröffentlicht am 14. Dezember 2015 von:
Mirko Getzin
E-Mail: [email protected]
Homepage: https://www.math.uni-bielefeld.de/~mgetzin/
Tutor zur Vorlesung Anwendungen der Mathematik im Wintersemester 2015/2016.
Keine Gewähr auf vollständige Richtigkeit und Präzision aller (mathematischen) Aussagen. Das
Dokument hat lediglich den Anspruch, eine Hilfestellung beim Verständnis der Vorlesungsinhalte darzustellen und Lösungsideen für die Aufgaben möglichst vollständig (bis auf Ausnahmen)
zu skizzieren.
Eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung ist nur nach Rücksprache mit dem Urheber dieses
Dokuments erlaubt. Angehängt befindet sich das Aufgabenblatt, sowie der pdf-Ausdruck von
verwendeten Tabellenblättern. Die Tabellenblätter sind im ods-Format auf der unten angegebenen Homepage zu finden.
1
Lösungsskizzen
Die Aufgaben dieser Präsenzübung sollen das Grundverständnis über bedingte Wahrscheinlichkeiten und stochastische Unabhängigkeit. Für die Bearbeitung der Aufgaben wird vor allem der
Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit und der Satz von Bayes verwendet. Darüber hinaus
nutzen wir in der letzten Aufgabe für die stochastische Unabhängigkeit die Bedingung, dass
zwei Ereignisse A, B stochastisch unabhängig sind, falls P(A ∩ B) = P(A) · P(B) gilt. Dies
lässt sich sehr leicht aus der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit für zwei stochastisch
unabhängige Ereignisse herleiten. Es folgen nun eine Definitionen und Sätze, welche für den
aktuellen Themenkomplex relevant sein können.
Definition 1 (Bedingte Wahrscheinlichkeit).
Sei (Ω, A , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Seien A, B ∈ A zwei Ereignisse und P(B) = 0.
Dann definieren wir die bedingte Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von A, wenn B bereits
gegeben ist, als
P(A|B) :=
P(A ∩ B
P(B)
(1)
Definition 2 (Stochastische Unabhängigkeit).
Sei (Ω, A , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Zwei Ereignisse A, B ∈ A heißen stochastisch Unabhängig, falls gilt
(i) P(A|B) = P(A)
(ii) P(B|A) = P(B).
(2)
Die Eigenschaften (i) und (ii) sind äquivalent zueinander (es genügt also eins davon zu zeigen).
Die stochastische Unabhängigkeit ist somit eine symmetrische Eigenschaft von Ereignissen.
Satz 3 (Multiplikationssatz).
Sei (Ω, A , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Seien Ai ∈ A Ereignisse für alle i ∈ {1, ..., n}.
Dann gilt
P(A1 ∩ A2 ∩ ... ∩ An ) = P(A1 ) · P(A2 |A1 ) · P(A3 |A1 ∩ A2 ) · ... · P(An |A1 ∩ ... ∩ An−1 ).
(3)
Wir identifizieren die Wahrscheinlichkeit für der linken Seite der Gleichung als Wahrscheinlichkeit für das Eintreten jenes Pfades in Baumdiagrammen, welcher entlang der Ereignisse
A1 , ..., An bzw. entlang der Schnitte läuft.
Satz 4 (Totale Wahrscheinlichkeit).
Sei (Ω, A , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Sei B ∈ A ein beliebiges Ereignis und es bilden
2
A1 , ..., An ∈ A ein vollständiges Ereignissystem auf Ω, d.h. es gilt Ai ∩ Aj = ∅ für i 6= j und
A1 ∪ ... ∪ An = Ω. Dann gilt
P(B) =
n
X
P(B|Ak ) · P(Ak ).
(4)
k=1
Satz 5 (Bayes).
Sei (Ω, A , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Seien A, B ∈ A beliebige Ereignisse, so dass
P(B) > 0 gilt. Es bilden ferner A1 , ..., An ein vollständiges Ereignissystem auf Ω. Dann gelten
die folgenden Identitäten:
P(A) · P(B|A)
,
P(B)
P(Ai ) · P(B|Ai )
P(Ai ) · P(B|Ai )
(ii) P(Ai |B) =
= P
für alle i = 1, ..., n.
n
P(B)
P(B|Ak ) · P(Ak )
(i) P(A|B) =
(5)
(6)
k=1
Bei (i) handelt es sich um den Spezialfall von Bayes für zwei beliebige Ereignisse, während für
(ii) ein vollständiges Ereignissystem nötig ist. Insbesondere beachte man, dass man Bayes gut
”
“ anwenden kann, wenn man gewisse bedingte Wahrscheinlichkeiten bereits (aus der Aufgabestellung bspw.) kennt.
Bemerkung 6.
Zum Abschluss der theoretischen Einführung möchten wir noch einige Bemerkungen betrachten.
• Die bedingte Wahrscheinlichkeit liefert kein Konzept, welches nur in mehrstufigen Zufallsexperimenten oder nur in Experimenten mehrerer Beobachtungen greift. Als Beispiel
hierfür betrachte man den einfachen, fairen Würfelwurf mit der Augenzahl als beobachtetes Ergebnis. Ferner betrachte man die Ereignisse A = {2, 4, 6} und B = {1, 3, 5} und
C = {1, 6} und man berechne gemäß der Definition die paarweise bedingten Wahrscheinlichkeiten (6 Stück!).
• Die stochastische Unabhängigkeit kann für beliebig viele Ereignisse auch definiert werden.
In dieser Vorlesung betrachten wir jedoch nur paarweise stochastische Unabhängigkeit von
2 Ereignissen.
• Kausalität ist kein mathematisches Prinzip. Wir können also nicht von der Kausalität
zweier Ereignisse im Realkontext darauf schließen, dass die Ereignisse in unserem Modell
auch stochastisch abhängig oder unabhängig sind. Andersherum kann man von stochastischer Unabhängigkeit oder Abhängigkeit nicht auf Kausalität schließen.
3
Lösung zur Aufgabe 1 (Verlässlichkeit eines Alarms).
Sei zunächst (Ω, A , P) ein geeigneter Wahrscheinlichkeitsraum. Zur formalen Definition dieses
Experiments mittels bedingter Wahrscheinlichkeiten, müssten wir theoretisch weitere Wahrscheinlichkeitsräume in verschiedenen Beobachtungsstufen des Experiments definieren. Hierauf
möchten wir im Rahmen dieser Vorlesung verzichten.
Wir betrachten das Ereignis A ∈ A für einen eintretenden Alarm und B ∈ A für gegebene
Bodennähe (Gefahrensituation). Als Komplemente dieser Ereignisse finden wir also den nicht
eingetretenen Alarm AC ∈ A und die nicht gegebene Bodennähe B C ∈ A .
Der Aufgabenstellung entnehmen wir die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Alarms,
wenn die Bodennähe bereits vorliegt, als P(A|B) = 0, 998. Weiter finden wir die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Alarams, wenn bereits sicher keine Bodennähe vorliegt, als
P(A|B C ) = 0, 00003. Außerdem ist in einem von 2000000 Fällen einer Messung tatsächlich
Bodennähe gegeben, so dass wir P(B) =
scheinlichkeit P(B C ) = 1 −
1
2000000
erhalten. Entsprechend ist die Gegenwahr-
1
.
2000000
a) Gesucht ist die bedingte Wahrscheinlichkeit P(B|A) für das tatsächliche Vorhandensein von
Bodennähe, wenn der Alarm bereits ausgelöst wurde. Nach Bayes erhalten wir
P(B|A) =
P(B) · P(A|B)
.
P(A)
Wir benötigen also zunächst die Wahrscheinlichkeit P(A), um die Aufgabe lösen zu können.
Diese Wahrscheinlichkeit erhalten wir mittels des Satzes über die totale Wahrscheinlichkeit:
P(A) = P(A|B) · P(B) + P(A|B C ) · P(B C ).
Wir haben alle Wahrscheinlichkeiten hierfür im Aufgabenkontext gegeben uns setzen nur noch
alles ein. Dann erhalten wir:
P(B|A) =
P(B) · P(A|B)
≈ 0, 016.
P(A|B) · P(B) + P(A|B C ) · P(B C )
In etwa 1,6% aller Fälle, in denen ein Alarm ausgelöst wird, liegt auch tatsächlich Bodennähe
und damit eine Gefahrensituation vor.
b) Es gibt offenbar deutlich häufiger Fehlalarme als berechtigte Alarme. Bei vorliegender Gefahrensituation durch Bodennähe könnte der Alarm somit von den Piloten aufgrund der routinierten Fehlalarme auf Dauer ignoriert werden, weil es ja eh wieder nur ein Fehlalarm ist“.
”
4
c) In dieser Aufgabe müssen wir die Wahrscheinlichkeiten optimieren, so dass wenigstens in 50%
der Fälle der Alarm berechtigt ist. Wir setzen hierzu P(B|A) ≥ 0, 5 und betrachten P(A|B C )
als neue unbekannte Wahrscheinlichkeit. So erhalten wir mittels Termumformungen:
P(B) · P(A|B)
P(A|B) · P(B) + P(A|B C ) · P(B C )
P(A|B) · P(B) − 0, 5 · P(A|B) · P(B)
⇔ P(A|B C ) ≤
0, 5 · P(B C )
P(A|B) · P(B)
=
P(B C )
0, 5 ≤ P(B|A) =
≈ 0, 00000049.
5
Lösung zur Aufgabe 2 (Defekte Bauteile).
Sei (Ω, A , P) ein geeigneter Wahrscheinlichkeitsraum. Auch hier verzichten wir auf genauere
Formulierungen des Wahrscheinlichkeitsraums mittels bedingter Wahrscheinlichkeiten.
Wir betrachten die Ereignisse A, B, C, D ∈ A als Ereignisse, dass ein betrachtetes Bauteil
vom jeweiligen Hersteller A, B, C bzw. D kommt. Weiter sei K ∈ SA das Ereignis, dass ein
betrachtetes Bauteil kaputt ist und K C ∈ A das Gegenereignis, also dass es nicht kaputt
ist. Wir erkennen, dass A, B, C, D ein vollständiges Ereignissystem bilden, da die paarweisen
Mengenschnitte leer sind und die Vereinigung ganz Ω ergibt. In diesem Formalismus erhalten
wir die folgenden totalen Wahrscheinlichkeiten aus dem Aufgabenkontext:
P(A) = 0, 25
P(B) = 0, 35
P(C) = 0, 18
P(D) = 0, 22
Außerdem können wir direkt aus der Aufgabenstellung die bedingten Wahrscheinlichkeiten für
defekte Bauteile ablesen:
P(K|A) = 0, 04
P(K|B) = 0, 02
P(K|C) = 0, 05
P(K|D) = 0, 03
a) Wir suchen die totale Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein betrachtetes Bauteil defekt ist. Mit
dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit erhalten wir also
P(K) = P(K|A) · P(AA) + P(K|B) · P(B) + P(K|C) · P(C) + P(K|D) · P(D) = ...
Das Ergebnis erhalte man durch das Einsetzen der Werte aus der Aufgabenstellung.
b) Wir suchen die Wahrscheinlichkeit dafür, dass unter der Bedingung eines defekten Bauteils
das betrachtete Bauteil vom Hersteller A, B, C bzw. D kommt. Mittels des Satzes von Bayes
6
(i) erhalten wir:
P(A) · P(K|A)
P(K)
P(B) · P(K|B)
P(BK) =
P(K)
P(C) · P(K|C)
P(C|K) =
P(K)
P(D) · P(K|D)
P(D|K) =
P(K)
P(A|K) =
Die Ergebnisse erhalte man durch das Einsetzen des Ergebnisses von Aufgabenteil a) und der
bedingten Wahrscheinlichkeiten aus der Aufgabenstellung.
7
Lösung zur Aufgabe 3 (Stochastische Unabhängigkeit).
Sei (Ω, A , P) der Wahrscheinlichkeitsraum für das Experiment zum Skatspiel. Dann ist für
Ω1 := {♠, ♥, ♣, ♦} und Ω2 := {7, 8, 9, 10, B, D, K, A} der Ergebnisraum Ω = Ω1 × Ω2 . Weiter
handelt es sich um ein Laplace-Experiment und wir setzen A := P(Ω) und P(M ) :=
|M |
|Ω|
für
alle M ∈ A .
Nun können wir die totalen Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse A, B, C und D direkt
berechnen, da es 8 Herzkarten gibt, 4 Damen und Könige und jeweils 4 Achten, Neunen und
Zehnen. So erhalte man
8
32
4
P(B) =
32
4
P(C) =
32
4+4+4
P(D) =
32
P(A) =
1
4
1
=
8
1
=
8
3
=
8
=
Darüber hinaus lassen sich die Schnittwahrscheinlichkeiten sofort angeben, da es jeweils eine
Herzdame, einen Herzkönig, eine Herzacht, eine Herzneun und eine Herzzehn im Kartendeck
gibt. Weiter beachte man, dass keine Karte gleichzeitig Dame, König, 8, 9 oder 10 sein kann.
So erhalte man
1
32
1
P(A ∩ C) =
32
3
P(A ∩ D) =
32
0
P(B ∩ C) =
=0
32
0
=0
P(B ∩ D) =
32
0
P(C ∩ D) =
=0
32
P(A ∩ B) =
Nun können wir die paarweise stochastische Unabhängigkeit der Ereignisse A, B, C und D
ermitteln. Prüfe hierzu die Gleichheit von den Schnittwahrscheinlichkeiten mit den Produkten
der totalen Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Ereignisse, d.h. prüfe P(M ∩ N ) = P(M ) · P(N ).
8
Es gilt:
1
= P(A ∩ B)
32
1
P(A) · P(C) =
= P(A ∩ C)
32
3
P(A) · P(D) =
= P(A ∩ D)
32
1
P(B) · P(C) =
6= 0 = P(B ∩ C)
64
1
P(B) · P(D) =
6= 0 = P(B ∩ D)
64
1
P(C) · P(D) =
6= 0 = P(C ∩ D)
64
P(A) · P(B) =
Da die Gleichheit in den ersten drei Rechnungen oben gegeben ist, ist das Ereignis A paarweise stochastisch unabhängig zu den Ereignissen B, C, D. Die Ereignisse B, C, D sind jeweils
untereinander paarweise stochastisch abhängig, da die Gleichheiten nicht gegeben sind.
9
Universität Bielefeld
G. Elsner
Wintersemester 2015/16
Präsenzübungen zur Vorlesung
Anwendungen der Mathematik
Blatt 7
Aufgabe 1
Moderne Düsenflugzeuge verfügen über Bodennäherungswarnanlagen, die den Piloten akustisch
und optisch warnen, wenn sich das Flugzeug ungeplant dem Boden nähert. Aus langjährigen
Studien hat sich Folgendes ergeben:
Wenn in einer Flugminute tatsächlich eine ungeplante Bodennäherung vorliegt, dann schägt das
System mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,8 % Alarm. Wenn dagegen in einer Flugminute
tatsächlich keine ungeplante Bodennäherung vorliegt, so gibt das System mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,003 % falschen Alarm.
Eine ungeplante Bodennäherung ist aufgrund der hohen navigatorischen und technischen Zuverlässig-keit der Verkehrsluftfahrt sehr selten. Durchschnittlich nur in einer von zwei Millionen
Flugminuten ist eine solche ungeplante Bodennäherung zu erwarten.
a) Wenn das System Alarm gibt, wie wahrscheinlich ist es dann, dass sich das Flugzeug
tatsächlich ungeplant dem Boden nähert?
b) Was bedeutet das Ergebnis von a) psychologisch für die Piloten, die selbstverständlich
jederzeit die Möglichkeit haben, die Bodennäherungswarnanlage abzuschalten?
c) Auf welchen Wert müsste die Wahrscheinlichkeit eines Fehlalarms von den genannten
0,003 % reduziert werden, damit es im Falle eines Alarms wenigstens wahrscheinlicher
ist, dass eine ungeplante Bodennäherung vorliegt, als dass sie nicht vorliegt?
Aufgabe 2
In einer Firma wird ein elektronisches Bauteile verarbeitet. Dieses Bauteil bezieht die Firma von
vier verschiedenen Zulieferfirmen. Die Firma A liefert 25 %, Firma B 35 %, Firma C 18 % und
die Firma D 22 % der Bauteil. Ferner ist bekannt, dass ein zufällig ausgewähltes Bauteil von
Firma A mit einer Wahrscheinlichkeit von 4 %, von Firma B mit einer Wahrscheinlichkeit von
2%, von Firma C mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % und von Firma D mit 3 %.
a) Ein Bauteil wird zufällig herausgegriffen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist es defekt?
b) Mit welcher Wahrscheinlichkeit stammt ein solches defektes Teil von Zulieferer A (von
Zulieferer B, von Zulieferer C bzw. Zulieferer D)?
Aufgabe 3
Aus einem gut gemischten Skatspiel (32 Karten) wird eine Karte gezogen. Welche der folgenden
Ereignisse sind voneinander unabhängig?
A: Es wurde eine Herzkarte gezogen.
B: Es wurde eine Dame gzogen.
C: Es wurde ein König gezogen.
D: Es wurde eine 8, eine 9 oder eine 10 gezogen.
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