Physikalisches Grundpraktikum, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Universität Leipzig E6 Magnetische Hysterese Aufgaben 1 Nehmen Sie mit Hilfe eines Teslameters die Neukurve und die Hysteresekurve eines ferromagnetischen Kreises mit Luftspalt auf! Die Neu- und die Hysteresekurve sind in einem Diagramm B(HFe) graphisch darzustellen und zu diskutieren. Ermitteln Sie die Remanenzinduktion BR und die Koerzitivfeldstärke HC! 2 Bestimmen Sie aus den Werten der Neukurve die Werte der relativen Permeabilität μr des Eisenkerns! Es ist die Abhängigkeit μr(HFe) grafisch darzustellen und zu diskutieren. Der Maximalwert der relativen Permeabilität ist zu ermitteln. Zusatzaufgaben: Bestimmen Sie die relative Permeabilität μr des Ferritkernmaterials einer geschlossenen Ringspule bei Zimmertemperatur in Abhängigkeit vom Scheitelwert der magnetischen Feldstärke! Sofern noch genügend Zeit zur Verfügung steht, ermitteln Sie die Curie-Temperatur des Kernmaterials. Literatur Physikalisches Praktikum, 12. Auflage, Hrsg. D. Geschke, Elektrizitätslehre, 2.0.3, 2.3 Gerthsen Physik, H. Vogel, 20. Auflage, 7.4.4 Grundwissen Experimentalphysik, H. Pfeifer, H. Schmiedel, 18.4 Zubehör Gleichspannungsregler, Stelltransformator, Teslameter, Multimeter, Toroidspule (Ringspule) mit Luftspalt, Messplatz -Curie-Temperatur- mit Thermostat und Wechselstrommessbrücke zur Messung der Induktivität des Spulenkerns. Schwerpunkte zur Vorbereitung - Zusammenhang zwischen magnetischer Urspannung, magnetischer Feldstärke und magnetischer Flussdichte bei einer eisengefüllten Toroidspule mit und ohne Luftspalt - Durchflutungsgesetz - Magnetisierung, Permeabilität, Suszeptibilität - Diamagnetismus, Paramagnetismus, Ferromagnetismus, Curie-Temperatur - Hysteresekurve, Remanenzinduktion, Koerzitivfeldstärke - Funktionsprinzip eines Teslameters mit Hallsonde Bemerkungen Vor Beginn der Messung ist das Toroidmaterial durch den Versuchsbetreuer entmagnetisieren zu lassen. Es werden zusätzliche praktische Hinweise zur Versuchsdurchführung am Arbeitsplatz gegeben. Zur Durchführung der Zusatzaufgabe ist durch den Betreuer eine Einweisung in den speziellen Messplatz erforderlich. Die zur Beschreibung des Verhaltens ferromagnetischer Stoffe im magnetisierenden Feld eingeführte Feldstärke H in der Gleichung B = μ0 ( H + M ) = μ0 H + μ0 χ m H = μ0 (1 + χ m ) H = μ0 μ r H (1) bezieht sich auf die im Inneren des Stoffes herrschende Feldstärke H=HFe, die im Allgemeinen verschieden von der ohne magnetisierenden Stoff vorhandenen äußeren Feldstärke H0 ist. Die für einen ferromagnetischen Stoff erhaltene Kurve B(H0) nennt man gescherte Kurve, deren Verlauf außer von den magnetischen Eigenschaften des Probekörpers auch maßgeblich von dessen Form abhängt. Um zu einer formunabhängigen (ungescherten) Hysteresekurve B(H) zu kommen, muss man den Übergang von H0 zu H realisieren, den man Zurückscheren nennt. Nach dem Durchflutungsgesetz besteht zwischen der magnetischen Feldstärke H und einem die N Windungen der Spule durchfließenden Strom I die Beziehung H l = N I = Vm , (2) wobei sich l auf die Länge des magnetischen Kreises bezieht und die Größe Vm die magnetische Spannung (Einheit A) ist. Der magnetische Kreis enthält für die verwendete Ringspule mit Luftspalt zwei verschiedene magnetische Stoffe, den Eisenkern und einen schmalen Luftspalt. Durch die Addition der beiden Anteile ergibt sich als magnetische Gesamtspannung Vm = N I = H Fe lFe + H Lu d = H 0l (3) Dabei sind lFe die mittlere Länge des Eisenkernes, d die Breite des Luftspaltes sowie l die Gesamtlänge l = lFe + d des magnetischen Kreises. Abb. 1 Zur Messung der Hysteresekurve (schematisch) Ringspule (N Windungen) mit Eisenkern (Länge lFe) und Luftspalt der Breite d ( lFe d ) r, mittlerer Radius des Kerns mittlere Länge des Kerns l ≅ lFe = 2 π r Der magnetische Fluss Φ hat im gesamten Kreis die gleiche Größe bei gleicher Querschnittsfläche, da die magnetische Flussdichte ein quellenfreier Vektor ist und demzufolge die entsprechenden Feldlinien nahezu ungestört durch die Spaltflächen des Eisenkernes verlaufen. Für die Beträge der Normalkomponenten der magnetischen Flussdichte folgt damit BFe=BLu=B und es gilt B = μ0 μ r H Fe = μ0 H Lu = μ0 μ ∗ H 0 . (4) In Gl.(4) sind B die mit dem Teslameter gemessene magnetische Flussdichte im Luftspalt und μ ∗ die Permeabilität des magnetischen Kreises. Mit der Bedingung d lFe und somit l ≅ lFe ergibt sich B d H Fe ≅ H 0 − . (5) μ0 l Die Feldstärke HFe im Eisen ist also um den Betrag (B/μ0)(d/l) kleiner als die Feldstärke H0 ( H 0 = N I / l ) im Luftspalt. Man bezeichnet diese Erscheinung auch als Entmagnetisierung. Um die ungescherte Hysteresekurve B(H=HFe) grafisch darstellen zu können, sind die korrigierten H- 2 Werte nach Gl.(5) zu bestimmen. Für die Ermittlung der Werte μr(HFe) des Eisenkerns erhält man unter Berücksichtigung der Gln.(4) und (5) die folgende Berechnungsformel: −1 ⎛ 1 d⎞ . μr = ⎜ ∗ − ⎟ l⎠ ⎝μ Wenn man μ ∗ unter Berücksichtigung von Gl.(4) ersetzt, ergibt sich d⎞ ⎛μ H μr = ⎜ 0 0 − ⎟ l⎠ ⎝ B (6) −1 . (7) Zur Versuchsausführung Bei Aufgabe 1 baut man die Schaltung nach Abb. 1 mit einem regelbaren GleichstromLabornetzgerät (U), der Toroidspule mit N Windungen und einem Digitalmultimeter (A) für die Strommessung auf. Mit dem Labornetzgerät ist die Veränderung des Erregerstromes I zur Erzeugung des magnetisierenden Spulenfeldes möglich. Bei hohen Stromstärken muss zügig gemessen werden, um eine zu starke Erwärmung der Spule zu vermeiden. Bei starker Erwärmung kann sich die die Permeabilität des Eisenkerns verändern. Zur Kontrolle der Temperatur im Luftspalt kann neben der Hallsonde ggf. auch der Messfühler eines Digitalthermometers angebracht werden. Für die Länge der Toroidspule soll die Ungleichung l D (D mittlerer Spulendurchmesser) gelten, so dass das magnetische Feld H0 mit der Gleichung H 0 = N I / l bei Kenntnis von N und l berechnet werden kann. Die magnetische Flussdichte B wird mit einem Magnetfeld-Messgerät (digitales Teslameter mit tangentialer Feldsonde) gemessen, dessen Feldsonde zwischen den Polflächen im Luftspalt befestigt wird. Zur Aufnahme der Neukurve und der Hysteresekurve wird schrittweise der Strom bis zu einem gegebenen Maximalwert (Sättigungsbereich) erhöht und anschließend der in Abb. 3 skizzierte Verlauf zur Aufnahme der Hysteresekurve durchlaufen. Die Umkehr des Feldes erfolgt bei I=0 durch Umpolung der Gleichspannung. Zur grafischen Darstellung der Neukurve und der Hysteresekurve in einem Diagramm B=f(HFe)sind aus den Werten H0 mit Gl.(5) bei gegebenen Werten für l und d die HFe-Werte zu berechnen. Aus den Schnittpunkten des Grafen der Hysteresekurve mit den Koordinatenachsen kann man die Werte für die Remanenzinduktion BR und die Koerzitivfeldstärke HC ermitteln. Die Koerzitivfeldstärke entspricht derjenigen Feldstärke, bei der ein ausreichend großes Gegenfeld mit der Feldstärke H=HC den Wert B=0 bewirkt. Ist der Betrag der Koerzitivfeldstärke klein, spricht man von weichmagnetischen Werkstoffen (HC<10 A/cm), während bei großen Werten der Stoff als hartmagnetisch bezeichnet wird (Dauermagnete, HC>100 A/cm). Bei magnetischen Wechselfeldern ist zu beachten, dass die von der Hysteresekurve eingeschlossene Fläche (Einheit: Ws/m3) betragsmäßig dem Wert der Energie entspricht, die bei einem Magnetisierungszyklus für die magnetischen Umpolarisierungen aufgewendet werden muss. Dem entsprechend muss bei hohen Wechselströmen die Wärmeentwicklung durch Hystereseverluste möglichst klein gehalten werden. Das bedeutet, dass bei der Entmagnetisierung durch ein magnetisches Wechselfeld nur für kurze Zeit hohe Wechselströme an die Spule gelegt werden dürfen. Für Aufgabe 2 sind die Permeabilitäten μr nach Gl.(7) zu berechnen und grafisch als Funktion von HFe darzustellen. Der Kurvenverlauf soll diskutiert werden. Aus dem Maximum des Grafen bestimmt man den Maximalwert der Permeabilität μr,max Der Wert für die relative Permeabilität μr(H) für ferromagnetische Stoffe infolge des nichtlinearen B(H)-Verhaltens kann über den Anstieg an einem ausgewählten Punkt (Arbeitspunkt AP) der Neukurve bestimmt werden: 1 dB μr ( H AP ) = (8) μ0 d H H = H AP Diese wir häufig auch als differentielle Permeabilität bezeichnet. Den Wert für differentielle Per3 meabilität erhält man über die Steigung der Magnetisierungskennlinie bei der betrachteten Feldstärke. Den Wert für H=0 bezeichnet man als Anfangspermeabilität μra. Die differentielle Permeabilität erlangt unter anderem eine technische bei Glättungsdrosseln. Dabei ist der Gleichstromvormagnetisierung eine Wechselstrom-Aussteuerung überlagert. Der Arbeitspunkt ist dann durch den Gleichstromanteil des zu glättenden Gleichstromes festgelegt. Die Schwankungen des Stromes verursachen die Feldstärkenänderungen dH, und diese führen zu Flussdichteänderungen dB. Kurze Hinweise zu den Grundlagen Bei ferromagnetischen Stoffen können von einem äußeren Magnetfeld der Bahndrehimpuls sowie der Eigendrehimpuls (Spin) der Elektronen ausgerichtet werden und es resultiert ein großes magnetisches Moment. Ferromagnetische Stoffe werden stark von einem Magnetfeld angezogen. In die Gruppe der ferromagnetischen Stoffe gehören z.B. Fe, Co, Ni. Bei diamagnetischen Stoffen heben sich die magnetischen Momente der Elektronen paarweise auf; der Stoff erscheint nach außen hin unmagnetisch. Durch den Einfluss eines äußeren Magnetfeldes werden atomare Kreisströme induziert, die dem erregenden Magnetfeld entgegen gerichtet sind. Diamagnetische Stoffe werden daher von einem Magnetfeld abgestoßen (z.B. Cu, Bi, W,H , H O, 2 2 Na Cl). Bei den paramagnetischen Stoffen werden wie bei den diamagnetischen Stoffen atomare Kreisströme durch ein äußeres Magnetfeld induziert; zusätzlich werden aber vorhandene magnetische Momente in die Richtung des äußeren Magnetfeldes gedreht. Paramagnetische Stoffe werden dabei von einem Magnetfeld angezogen (z.B. Al, Pt, O ). 2 Wertebereiche für magnetische Stoffe μr μr-1 Typische Zahlenwerte für χ Ferromagnetismus >> 1 >>1 Paramagnetismus >1 >0 10 ... 10 ≈ 0,01 Diamagnetismus <1 <0 ≈ - 0,00001 6 Die magnetischen Eigenschaften eines Werkstoffes sind auch von der Frequenz und der Temperatur abhängig. Mit höherer Frequenz und mit steigender Temperatur wird die Permeabilität geringer. Bei Erhöhung der Temperatur nimmt die Ordnung der magnetischen Spinmomente ab, bis sie oberhalb der ferromagnetischen Curie-Temperatur TC vollständig zerstört wird. Die CurieTemperatur liegt für Eisen bei 770 °C, für Kobalt bei 1130 °C und für Nickel bei 360 °C. Oberhalb TC zeigt der ursprünglich ferromagnetische Stoff nur noch paramagnetisches Verhalten, und es gilt C , wobei C die Curie-Konstante das Curie-Weißsche Gesetz χ m = T − TC Charakteristisch für ferromagnetische Materialien ist das nichtlineare Verhalten der magnetischen Flussdichte B in Abhängigkeit von der magnetischen Feldstärke H, das auf ein verhältnismäßig kompliziertes μr-Verhalten zurückzuführen ist. Der spezielle Verlauf μr(H) ist nicht nur vom Stoff sondern auch von dessen Vorbehandlung abhängig. In Abb. 2 ist schematisch die magnetische Flussdichte B in Abhängigkeit von der magnetisierenden Feldstärke H dargestellt (Hysteresekurve). 4 Abb. 2 (entnommen vom IWE Karlsruhe -Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik) 5 6