Hochschule Luzern Technik & Architektur | Struktur & Material | FS 2013 THESENPAPIER I THESE I Das handwerkliche Können geht bei präfabrizierten Mauerwerken verloren. Die Recherchen zum Kollhoff-Tower haben bei mir die Frage aufgeworfen, ob diese präfabrizierten Mauerwerkselemente wirklich materialgerecht sind und ob so nicht das handwerkliche Können eines Maurers verloren geht. Kollhoff-Tower, Berlin Der Kollhoff-Tower wurde von Hans Kollhoff entworfen und steht am Podsdamer Platz in Berlin. Der Bau wurde 1999 nach vier Jahren Bauzeit fertiggestellt. Das Gebäude misst 103 Meter und hat 25 Etagen. Bereits 2003 musste das Gebäude wieder eingerüstet werden, da die Fassade Frostschäden aufwies. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Fassade im gotischen Verband zu mauern. Der Aufwand wäre riesig gewesen. Also hat man sich entschlossen ein konventionelles Betonskelett zu errichten, eine Dämmschicht zu applizieren und schlussendlich Fassadenelemente anzubringen. Diese Fassadenelemente sind mit Klinkersteinen gemacht. Im Vergleich dazu: das höchste selbsttragende Gebäude aus Backstein ist das Monadnock Building in Chicago. Dieses hat 18 Stockwerke, die allesamt auf einer 2 Meter dicken Wand im Erdgeschoss lasten! Fassadenelemente oder präfabrizierte Mauerwerke haben generell das Problem mit den Anschlussfugen. Wie werden diese optisch schön gelöst? Dieses Problem umging man beim Kollhoff-Tower indem man wann immer möglich die Fassadenelemente in verschiedenen Ebenen anzubringen. Dies hatte nebst dem Umgehen des Anschlussproblems einen weiteren optischen Vorteil. Zwar wirkt so die Fassade platischer, da sich nicht alle Teile in einer Ebene befinden. (vgl. Abb. 2) Herstellung der Fassadenelemente Die Fassadenelemente des Kollhoff-Towers in Berlind sind eigentlich nichts anderes, als verkleidete Betonelemente. Am besten kann ich das erklären, indem ich die Herstellung dieser Elemente kurz erläutere (Abbildungen befinden sich auf Seite 2): Als erstes wird eine Gummimatrize hergestellt, damit ein gleichmässiges und exaktes Fugenbild entstehen kann. Diese wird dann in eine Stahlschalung gelegt. In die Matrizen werden dann die halbierten, dunklen Torfbrand-Klinkersteine gelegt. Die Fugen werden nun in einem weiteren Schritt Abb. 1: Kollhoff-Tower, Berlin (montrilac.lima-city.de, 2013). Legende: 1 Brüstungselement 2 Stützenverkleidung 3 Lisene 4 Sprosse Abb. 2 Grundriss & Ansicht. Hochschule Luzern Technik & Architektur | Struktur & Material | FS 2013 THESENPAPIER I dunkel ausgegossen. Dies ergibt nun die äussere Sichtebene des Elements. Danach wird auf diese Schicht die Bewehrung verlegt und anschliessend mit normalem Beton gefüllt. Dadurch, dass der halbierte Klinkerstein eine poröse Oberfläche aufweist, kann der Stein mit dem Beton einwandfrei und fest verbunden werden. Die äussere Schicht mit den dunklen Torfbrand-Klinkersteinen täuscht heute eine massive Mauerwerkskonstruktion vor. Wenn man den Bauablauf jedoch kennt, weiss man, dass dieser Schein trügt und die Klinkersteine keine statische Funktion übernehmen. Sie haben lediglich die Aufgabe das dahinter verborgene Betonelement zu kaschieren. Abb. 3: Gummimatrize. Abb. 4: eingelegte, halbierte Klinkersteine. Abb. 5: Fugen ausgiessen. Abb. 6: Bewehrung darüberlegen. Mit Beton ausgiessen. Fazit für mich: Diese Fassadenelemente sind sehr raffiniert und es sieht sehr echt aus, vor allem, weil die einzelnen Elemente geschickt und fast unmerklich miteinander verbunden sind. Doch mit der Baukunst eines Mauerwerks hat dies nicht viel zu tun in meinen Augen. Diese Bauweise ist sicherlich eine gute Alternative zu einem massiven Mauerwerk. Vor allem wenn in solche Höhen gebaut wird. Chilehaus, Hamburg Als Gegensatz dazu das Parade-Backsteinhaus schlechthin. Das Chilehaus in Hamburg ist ein 10 stöckiger Massivbau, bei dem für mich die ganze Kunst des Bauens mit Backstein zum Tragen kommt. Das Gebäude ist im märkischen Verband gemauert. Der Architekt war Fritz Höger. Der grosse Bau verliert einerseits dadurch an Massivität, weil die Geschosse nach oben hin abgetreppt sind und andererseits durch die vielen Details die in das Mauerwerk eingearbeitet sind. Beispiele dafür sind Lisenen, Vor- und Rücksprünge der Klinkersteine, etc. (Abb. 10-12) Abb. 7: Chilehaus Hamburg. (Culturclash, 2013). Hochschule Luzern Technik & Architektur | Struktur & Material | FS 2013 THESENPAPIER I Unterschied zwischen gotischem und märkischen Verband: Beide Verbände sind sehr alt und gehen bis ins Mittelalter zurück. Der märkische Verband hat im Vergleich zum gotischen Verband einen doppelt so grossen Läuferanteil. (Abb. 8, 9) Fazit für mich: Für mich ist das Chilehaus ein Beispiel für wirklich gute Backsteinarchitektur. Der Bau wirkt sehr monumental, dennoch wird er durch die zahlreichen, fein ausgearbeiteten Details aufgelockert. Bei diesem Bau kann man wirklich von handwerklichem Können sprechen. Doch wenn Sie sich jetzt fragen, warum ich gerade dieses Beispiel gezeigt habe, da es absolut nichts mit präfabrizierten Mauerwerken zu tun hat, haben Sie recht. Das habe ich mich auch gefragt. Dennoch denke ich, dass es dieses Beispiel braucht um zu zeigen, was mit handwerklichem Geschick ales möglich ist. Beim Beispiel Kollhoff-Tower sind die einzelnen Fassadenelemente eben, sie weisen keine Vor- und Rücksprünge oder gar Muster auf. Abb. 8: Märkischer Verband. Abb. 9: Gotischer Verband. Abb. 10: Lisenen. Abb. 11: Fassadenschmuck. Als Beispiel für präfabrizierte Wandelemente mit plastischer Mauerung möchte ich gerne ein weiteres Beispiel zeigen: Abb. 12: Fensterdetails. Weingut Gantenbein, Fläsch Diese Produktionshalle des Weinguts Gantenbein wurde von den Architekten Bearth & Deplazes entworfen. Es handelt sich wie beim Kollhoff-Tower um einen eigentlichen Betonskelettbau. Wobei die Zwischenräume zwischen den einzelnen Stützen mit vorfabrizierten Wandelementen gefüllt wurden. Dabei übernimmt das Backsteinmauerwerk wiederum keinerlei statische Funktion. Die vorgefertigte Wand ist licht- und luftdurchlässig und durch die Schrägstellung der Steine können durch das Licht- und Schattenspiel an der Fassade Weintrauben abgelesen werden. Herstellung der Fassadenelemente Die Wände wurden von dem ETH-Roboter gemauert. Nur so war es möglich die Steine ganz präzise zu setzen, damit dieses Fassadenspiel mit den Weintrauben realisiert werden konnte. Abb. 13: Weingut Gantenbein, Fläsch. (keywordpicture.com, 2013). Hochschule Luzern Technik & Architektur | Struktur & Material | FS 2013 THESENPAPIER I FAZIT Ich denke, dass das letzte Beispiel des Weingut Gantenbeins in Fläsch ganz schön zeigt, dass bei vorfabrizierten Mauerwerken das handwerkliche Können verloren geht. Hier erledigt es ein Roboter, beim ersten Beispiel des Kollhoff-Towers hat es mehr mit einem Betoniervorgang zu tun, als mit dem Mauern einer Wand. Abb. 14: Weingut Gantenbein, Fläsch. (keywordpicture.com, 2013). Abb. 14: Weingut Gantenbein, Fläsch. Innenaufnahme. (keywordpicture.com, 2013). Abb. 15: Roboter.