Treffpunkte Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie 3 / 2006 Alles bleibt anders Das »Integrative Versorgungsmodell« in Frankfurt am Main Veranstaltungen 18. Frankfurter Psychiatriewoche Forum Haldolverkoster Fragebogen Sieben Fragen an Stephan von Nessen »Leben wo man sich wohlfühlt« Älter werden mit psychischer Erkrankung Herausgegeben von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. Impressum Impressum Treffpunkte Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie Die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. Konzept Die Zeitschrift ist ein Forum für alle Beteiligten in der ambulanten, teilstationären und stationären Psychiatrie sowie in der Sozialpsychiatrie. Die Zeitschrift berichtet über allgemeine Entwicklungen; das besondere Gewicht liegt auf regionalen Aspekten der Rhein- Main- Region. Gründer Christof Streidl (1939 - 1992) hat sich zur Aufgabe gemacht, die Situation psychisch kranker Menschen zu verbessern. Hierzu hat die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie im Laufe der Jahre viele Projekte initiiert, deren vorrangiges Ziel die Verbesserung der außerklinischen Versorgung ist. Angebote der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie sind beispielsweise ein Krisendienst, der auch außerhalb der üblichen Bürozeiten zur Verfügung steht, das Betreute Wohnen, die Tagesstätte Teplitz-Pavillon und der offene Treffpunkt-Süd. Die Einrichtungen bieten psychisch kranken Menschen die Möglichkeit, ihren Tag zu strukturieren und mit Anderen ins Gespräch zu kommen. Die von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie herausgegebene Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie «Treffpunkte» dient der Vermittlung von Fachinformationen und der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Situation psychisch kranker Menschen. Sie soll damit helfen, Vorurteile gegenüber diesem Personenkreis abzubauen. Der Vorstand der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. setzt sich zusammen aus Wolfgang Strehse (Vorsitzender), Stephan von Nessen (2. Vorsitzender), Wolfgang Schrank (Schatzmeister), Gabriele Schlembach (Schriftführerin) sowie als Beisitzer Bernhard Moch, Regina Stappelton und Kerstin von Witzleben. Geschäftsführer der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V. ist Gerhard Seitz-Cychy. Die Arbeit des Vereins wird finanziert durch Leistungsentgelte für die erbrachten Einzelangebote, durch Zuschüsse der Stadt Frankfurt am Main und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sowie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Herausgeber Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. Holbeinstraße 25- 27 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 627705 E-Mail [email protected] Internet http://www.bsf-frankfurt.de Chefredaktion Gerhard Pfannendörfer, Heidestraße 70 60385 Frankfurt am Main Telefon 069 447401 E-Mail Gerhard. Pfannendoerfer@t-online. de http : //www. gerhard-pfannendoerfer. de Redaktionsteam Gisela Faißt, Oliver Glaubrecht, Christel Gilcher, Stephan von Nessen, Gerhard Pfannendörfer Druck und Vertrieb Reha-Werkstatt Rödelheim, Biedenkopfer Weg 40a 60489 Frankfurt am Main, Telefon 069 907498- 0, Fax 069 90749825 E-Mail [email protected] Internet http://www.frankfurter-verein.de/ frankfurter- verein/rwr/rwr.html Layout, Satz und Gestaltung Zehn44 Paul M. Albert E-Mail [email protected] Internet htpp://www.zehn44.de Titelfoto Paul M. Albert Erscheinungsweise Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Auflage 1. 700 Exemplare Einzelpreis Die Zeitschrift kostet 5,- Euro. Abonnement Das Jahresabonnement kostet 10,- Euro einschließlich Versandkostenpauschale. Das Abonnement kann bis zum 31. Dezember jeden Jahres gekündigt werden. Bestellungen bitte an den Herausgeber. Anzeigen Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. Holbeinstraße 25 - 27, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 627705 E-Mail gst@bsf-frankfurt . de Internet http : //www.bsf-frankfurt . de Editorial » Kuchen gibt’s nie allein. « Sondern immer nur zusammen mit einem Vortrag. « Georg Schramm Kabarettist in seinem« »Bericht aus einem Altenheim« Liebe Leserin, lieber Leser, zwanzig bis dreißig Prozent der über 65-jährigen Menschen leiden an einer psychischen Erkrankung. Doch auch im Alter sind psychische Krankheiten durchaus medizinisch behandelbar, zumindest können sie gelindert und ihr Fortschreiten gebremst werden. Älter werdende Menschen mit psychischer Krankheit müssen bei entsprechenden Hilfen nicht aus ihrem sozialen Netzwerk fallen. Aber immer noch werden massive Gedächtnisstörungen fälschlicherweise als »normaler Altersprozess« angesehen. Depressionen, psychosomatische Erkrankungen, Angst- und Unruhezustände, Demenzen und andere seelische Krankheiten oder Lebenskrisen werden bei älteren Menschen oft einfach nicht wahrgenommen. Selbst professionelle Helfer erklären gelegentlich, man könne im Alter »nichts mehr machen« und die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen müssten sich halt damit abfinden. Doch das Spektrum der Hilfen ist groß, es reicht von der Vorbeugung bis zur Hilfe bei Suizidalität. Schon frühzeitiger Rat stellt für viele kranke Menschen und ihre Angehörigen eine große Hilfe dar. Und gegen Einsamkeit kann man in allen Lebensaltern etwas tun. Zudem: Viele alte Menschen haben mehr geistige und körperliche Fähigkeiten als ihnen oft zugetraut wird. Der oft mit dem Unterton der Katastrophe vorgetragene Verweis auf »die demografische Entwicklung« übersieht den großen Erfahrungsschatz, den der Gesellschaft durch die steigende Zahl älterer Menschen zuwächst. Ein Schatz, den man heben muss. Gerhard Pfannendörfer Redaktion »Treffpunkte« Treffpunkte 3/ 06 1 Inhalt Inhalt Editorial 1 Von Gerhard Pfannendörfer Magazin 3 Alles bleibt anders Forum 22 Die gemeindepsychiatrische Versorgungsstruktur in Frankfurt am Main soll für die Zukunft gerüstet werden Von Hans-Joachim Kirschenbauer 15-18 Haldolverkoster Ein Gedicht von Frank G. Weiser Beziehungen Ein Text von Ursula Müller 23 Leserbrief 24 »Also munter weiter bewerben« 18. Frankfurter Psychiatriewoche Programmhinweise zu Veranstaltungen vom 14. bis 22. September 2006 Erfahrungen bei der Stellensuche Von Markus Gutperl Thema 6 Leben wo man sich wohlfühlt Menschen im höheren Lebensalter mit einer psychischen Störung: eine Herausforderung für die Gemeindepsychiatrie Von Rolf D. Hirsch 9 Informationen 26-31 Notizen, Literatur, Termine, Zitat Sind Wohnheime für psychisch kranke Menschen noch zeitgemäß? Mietanlagen mit kleinen Wohnungen und Betreuerstation wären für viele die richtige Lösung Von Edith Mayer und Edelgard Nolting 12 Hilfe im Alter Psychische Störungen im höheren Lebensalter nehmen aufgrund des demografischen Wandels zu Von Christiane Kaiser 19 Neue Konzepte gesucht Die Tagesstätte des Sozialwerk Main Taunus ist für viele Ältere zur Heimat geworden Von Gisela Hefft, Christiane Hagel und Katharina Blum 2 Treffpunkte 2/ 04 Fragebogen 32 Sieben Fragen an Stephan von Nessen Magazin Alles bleibt anders Die gemeindepsychiatrische Versorgungsstruktur in Frankfurt am Main soll für die Zukunft gerüstet werden Von Hans-Joachim Kirschenbauer Viele Vermutungen und Gerüchte spannen sich um die geplante Neuordnung der psychiatrischen Landschaft in Frankfurt am Main. Einer der Initiatoren des »Integrativen Versorgungsmodells zur gemeindepsychiatrischen Planung, Regelung, Steuerung und Finanzierung« stellt im nachfolgenden Beitrag die Rahmenbedingungen und Motive des neuen Konzepts vor, das vor allem dazu dienen soll, die gute sozialpsychiatrische Versorgung in Frankfurt am Main auf Dauer zu sichern. In den letzten 20 Jahren hat sich in Frankfurt am Main ein gemeindepsychiatrisches Versorgungssystem entwickelt, das sich sowohl im klinischen als auch im außerklinischen Bereich sehen lassen kann. Hieran haben sehr viele Menschen mehr oder weniger direkt mitgewirkt, die meisten jedoch aktiv durch ihre tägliche Arbeit mit den Patienten und Klienten in den Einrichtungen. Deshalb haben die Mitglieder des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) in Frankfurt am Main (fünf Leistungserbringer und das Stadtgesundheitsamt) schon vor einigen Jahren damit begonnen über Lösungen nachzudenken. Aus den anfänglich vagen Vorstellungen ist im Laufe der Zeit ein Bild entstanden, das sich zu einem vorläufigen Konzept entwickelt hat. In letzter Zeit macht sich jedoch die Sorge um die weitere Entwicklung der Strukturen in einem Maße breit, die für viele Mitarbeiter wenig motivierend ist. Notwendige Einsparungen der Leistungsträger, Veränderungen durch neue Gesetze, Gremien und Vereinbarungen, Reformprozesse, Qualitätsnachweise usw. und damit verbunden eine Ausweitung der bürokratischen Vorgänge. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Verbesserung der Versorgungsqualität für die Patienten und Klienten mit seelischer Behinderung in Frankfurt am Main. Im Mittelpunkt soll also künftig noch mehr der Hilfe suchende Mensch stehen. Ängste um den eigenen Arbeitsplatz vermischen sich mit höheren Anforderungen in der täglichen Arbeit und der Unsicherheit, wohin die Reise geht. Um das Projekt trotz des erheblichen Umfangs noch einigermaßen übersichtlich zu gestalten, werden zunächst nur die Bereiche Wohnen (Wohnheim, Betreutes Wohnen), Tagesstätte, Kontakt- und Beratungsstelle und Begegnungsstätte mit einbezogen. Ebenfalls wird eine Be- schränkung auf den Bereich Menschen mit seelischer Behinderung vorgenommen. Der Bereich Sucht bleibt zunächst unberührt. Dies hat keine ideologischen oder fachlichen Gründe, sondern dient im ersten Schritt der praktischen Handhabung eines großen aber noch überschaubaren Bereiches. Anfang 2005 wurde durch das Stadtgesundheitsamt dieses Konzept den politisch Verantwortlichen in Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt, ob Verhandlungen mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (als weiteren Leistungsträger neben der Stadt Frankfurt am Main) über ein Modellprojekt »Integratives Versorgungsmodell zur gemeindepsychiatrischen Planung, Regelung, Steuerung und Finanzierung« (M 70) erfolgen sollen. Die Stadtverordneten-Versammlung hat mit großer Mehrheit aller Fraktionen am 12. Mai 2005 diesem Antrag zugestimmt. Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat dann am 9. Dezember 2005 im Treffpunkte 3/06 3 Magazin Verwaltungsausschuss den Beschluss gefasst, dass das Zielgruppenmanagement 207 (Aufgabenbereich: Menschen mit seelischen Behinderungen Die Vor-Projektplanung wurde Anfang Februar 2006 in einer Projektleitungsgruppe begonnen. Beteiligt sind Vertreter der Leistungserbringer »Im Mittelpunkt soll also künftig« »noch mehr als bisher der Hilfe« »suchende Mensch stehen« und Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen) zur Vorbereitung des Projektes alle relevanten rechtlichen und fachlichen Fragen klären soll, um damit dem Verwaltungsausschuss Grundlagen für eine Entscheidung über die Beteiligung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen an dem Projekt bis Ende 2006 an die Hand zu geben. (Trägervereine) und der Leistungsträger (Landeswohlfahrtsverband Hessen und Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main). Zunächst wurde eine Projektplanung erstellt, die das Ziel des Projektes beschreibt, einen Projektstrukturplan erarbeitet (was ist alles zu tun) und einen Projektphasenplan (was ist in welcher Zeit zu tun) verabschiedet. Dabei wurde schnell deutlich, dass es sich um ein sehr umfangreiches und viele rechtliche Fragen tangierendes Projekt handelt. Deshalb konzentrierte sich die Projektleitungsgruppe zunächst intensiv darauf, die rechtlichen Fragen zu beschreiben, die in einem Rechtsgutachten zu klären sein werden. Erst dann ist abschließend zu beurteilen, ob das Projekt mit dem geltenden Recht vereinbar ist und umgesetzt werden kann. Bei positiver rechtlicher Begutachtung und Freigabe des Projektes durch die verantwortlichen Gremien der Stadt Frankfurt am Main und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen kann an der Feinabstimmung und der fachlichen Umsetzung gearbeitet werden. Dies ist der Zeitpunkt wo Betroffene, Angehörige aber insbesondere die Experten in den Trägervereinen in die Erarbeitung von Prozessen, Kriterien und Strukturen noch enger einbezogen werden können. Wozu eigentlich … das neue Konzept? Mit dem neuen »Integrativen Versorgungsmodell« soll die Versorgungsqualität für die Patienten und Klienten mit seelischer Behinderung in Frankfurt am Main weiter verbessert und zukunftsfest gestaltet werden. Im Mittelpunkt soll also künftig noch mehr der Hilfe suchende Mensch stehen. nommen werden. Hilfeleistungen sollen sich am Bedürfnis, den Ressourcen und den funktionellen Einschränkungen des Individuums orientieren. Die Leistungserbringer orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen und subjektiven Erwartungen der Betroffenen. Ziele Ziel ist die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Versorgungsqualität für Menschen mit seelischen Behinderungen in der Stadt Frankfurt durch Schaffung von neuen Anreiz-, Finanzierungs-, Planungs- und Steuerungsfunktionen. Mit der Einführung eines neuen gemeindepsychiatrischen Steuerungsund Finanzierungsmodells soll auf örtlicher Ebene eine ordnende, planende und steuernde Funktion wahrge- 4 Treffpunkte 3/06 In Übereinstimmung mit den Leitzielen der Psychiatrie-Enquetekommission (1975) sollen dabei besonders beachtet werden: das Prinzip der wohnortnahen Hilfen an den Bedürfnissen, den Ressourcen und funktionellen Einschränkungen des Individuums orientierte Hilfe Institutions- und Leistungsträgerübergreifende Handlungskonzepte im Einzelfall und verbesserte Zusammenarbeit aller Beteiligten ma tio n Info r Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass es viele Fragen und sicher auch eine Menge Gerüchte gibt, die eher zur Verunsicherung als zur Klarheit bei den Mitarbeitern der Einrichtungen führen. Aus den genannten Abläufen und den zu klärenden Punkten wird vielleicht deutlich, dass es derzeit auch in der Projektleitungsgruppe noch viele offene Fragen gibt. s Magazin ra e v ungen geplan t l a t! nst Das Konzept des »Integrativen Versorgungsmodells zur gemeindepsychiatrischen Planung, Regelung, Steuerung und Finanzierung« wird in einer Informationsveranstaltung mit Möglichkeiten zur Diskussion während der diesjährigen Psychiatriewoche vorgestellt: am 20. September 2006 von 14.00 bis 16.00 Uhr im Technischen Rathaus (nähe Römer) Gelber Turm, Raum 4 Braubachstraße 15, Frankfurt am Main DR. MED. HANS-JOACHIM KIRSCHENBAUER ist Psychiatriekoordinator und Abteilungsleiter Psychiatrie im Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main. E-Mail hans-joachim.kirschenbauer @stadt-frankfurt.de Gleichstellung von psychischer mit somatischer Erkrankung Ziel aller Beteiligten ist die Verbesserung der Effektivität und die Steigerung der Effizienz der Leistungen. Es ist zu vermeiden, dass weder aus Gewohnheit noch aus gegebenen oder zwingenden Strukturvorgaben Abhängigkeiten der Betroffenen entstehen oder weiterführende Hilfeleistungen nicht gewährt werden. Die Veranstaltung des Stadtgesundheitsamtes Frankfurt am Main steht allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen. Teilziele Weiterentwicklung der Versorgungsund Betreuungsqualität unter besonderer Berücksichtigung der Prävention Verwirklichung und Sicherstellung ambulanter vor stationärer Leistungen Wohnen und Leistungen nach SGB XII sind entkoppelt Reduzierung von Verwaltungsaufwand Versorgung aller Frankfurter Einwohnerinnen und Einwohner mit seelischer Behinderung im Stadtgebiet Frankfurt am Main Die Leistungserbringer orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen und subjektiven Erwartungen des betroffenen Menschen. Ein Controlling von Ergebnissen und Wirkung ist entwickelt und im Projekt eingesetzt. Treffpunkte 3/06 5 Thema Leben, wo man sich wohlfühlt Menschen im höheren Lebensalter mit einer psychischen Störung: eine Herausforderung für die Gemeindepsychiatrie Von Rolf D. Hirsch Gerne wird heute vom »demografischen Wandel« gesprochen und damit gemeint, dass es immer mehr alte Menschen gibt. Diese wären auch an der Misere im Gesundheits- und Sozialwesen schuld. Unwörter wie »Rentnerschwemme«, »Altenrepublik« und »Überalterung der Gesellschaft« fördern diese Einstellung und führen teilweise zu einer Altersdiskriminierung mit verheerenden Folgen. Diskutiert wird, ob die Pflege alter Menschen bezahlbar ist, wie lange ein pflegebedürftiger Mensch zum Waschen, Essen, trinken brauchen darf und ob manche Operationen oder Medikamente sich noch lohnen. Zu kurz kommt in der Öffentlichkeit die Diskussion, dass der demografische Wandel durch eine Vielzahl von Faktoren (z. B. Rückgang der Geburtenrate, Singularisierung, Armut, gestiegene Lebenserwartung) bewirkt wird. Mag auch von Wissenschaft und Politik der »demografische Wandel« als Chance und Herausforderung dargestellt werden, so ist in der Praxis wenig hiervon zu spüren. Ein Umdenken, dass die derzeitigen Systeme nicht nur zu teuer und ineffizient sind, sondern auch die Bedürfnisse alter Menschen zu wenig berücksichtigen und daher neue Strukturen und Vorgehensweisen notwendig sind, geschieht erst langsam. Häufigkeiten von psychischen Störungen Die Häufigkeit von psychischen Störungen liegt bei über 65-jährigen 6 Treffpunkte 3/06 Menschen bei zirka 25 Prozent (vgl. Tabelle rechte Seite). Bekannt ist, dass die Prävalenz psychischer Störungen im höheren Lebensalter ansteigt. So geht man davon aus, dass mehr als 30 Prozent der über 75-Jährigen unter einer psychischen Störung leiden. Dieser Anteil erhöht sich noch bei den Erkrankungen gleichzeitig (Nikolaus 2000). Das gleichzeitige Auftreten von körperlichen und psychischen Störungen führt in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten (Erschwernis der klinischen Beurteilung, längerer Klinikaufenthalt u. a.). »Therapeutische Angebote »sollten nicht von den alten »Menschen leben, sondern für sie« über 85-Jährigen, wobei dies besonders auf die Zunahme der Demenzen zurückzuführen ist (Bickel 2003). Bekannt ist, dass mit zunehmendem Lebensalter das Risiko ansteigt, mehrere Erkrankungen (Störungen mit Behandlungsbedürftigkeit und Krankheitserleben) oder Leiden (Störung ohne kontinuierliche Behandlung) gleichzeitig zu haben. Etwa 15 bis 20 Prozent der älteren Menschen leiden an mehreren meist chronischen Zielvorstellung der Versorgung in der Gemeinde Allgemeine Zielvorstellung ist, dem Patienten und seinen Angehörigen gerontopsychiatrische Kompetenz vor Ort anzubieten unter Nutzung seiner Netzwerke (Abbildung 1, Seite 8): den Patienten und die Auswirkungen der Erkrankung in seinem gewohnten sozialen Umfeld zu erleben Thema Symptome frühzeitig zu erkennen Assessment und Behandlung regional vorhandene Möglichkeiten der Versorgung zu nutzen Vor der Behandlung eines alten Menschen mit einer psychischen Störung ist eine genaue und sorgfältige Klärung der pathologischen (körperlichen, psychischen, sozialen) Auffälligkeiten, aber auch der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten und der bisherigen eigenen und sozialen Lebensgeschichte notwendig (»gerontopsychiatrische Assessment«; Hirsch et al. 1999). Es soll Auskunft über den allgemeinmedizinischen (Stichwort »Mulitmorbidität«, »Polypathie«), psychischen (kognitive, affektive), pflegerischen (z. B. »Alltagsaktivitäten«), sozialen (z. B. Beziehungsgefüge) und wirtschaftlichen (z. B. Höhe der Rente) Zustand eines Patienten geben sowie über real vorhandene Möglichkeiten (z. B. Sozialstation, Selbsthilfegruppe, Hausarzt, Klinik), die zu einer Verbesserung des den Patienten möglichst unter Förderung seiner vorhandenen Ressourcen sowie der seiner Bezugspersonen in seiner gewohnten Umgebung zu behandeln eine Klinikeinweisung (Tagesklinik vor Klinik!) oder Übersiedlung in ein Altenheim nur dann zu veranlassen, wenn es hierfür keine Alternative gibt die Behandlung nach der mehrdimensionalen Beurteilung (»Assessment«) multiprofessionell und (meist) auf mehreren Ebenen durchzuführen und nach Widergenesung für eine weitere Stabilisierung zu sorgen. Entscheidend ist, die Lebensqualität eines kranken alten Menschen zu erhalten oder zu verbessern und nicht einzelne Erkrankungen, von denen alte Menschen oft mehrere haben, nur zu bekämpfen. Ein alter Mensch soll möglichst in seiner gewohnten Umgebung leben können — ohne auf gerontopsychiatrische Hilfen verzichten zu müssen. Schlagworte wie »ambulant vor stationär« nützen wenig, wenn nicht diesbezügliche regionale Versorgungsstrukturen und fachliche Kompetenz vorhanden sind. Manche Klinikeinweisungen könnten verhindert, Aufenthalte verkürzt und Pflegebedürftigkeit hinausgeschoben werden, wenn ein kompetentes ambulantes gerontopsychiatrisches Team unter Einbeziehung der übrigen den Patienten betreuenden Personen (z. B. Hausarzt, Sozialstation, Angehörige) in dessen Lebensraum ein gerontopsychiatrisches Assessment durchführt (Hirsch et al.). Dies setzt eine regionale gerontopsychiatrische Versorgungsstruktur voraus, die es derzeit nur in wenigen Regionen der Bundesrepublik gibt (Abbildung 2, Seite 10). Zustands führen und zu dessen Stabilisierung beitragen können. Wichtig ist die Einbeziehung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen. Die Behandlung eines alten Menschen mit einer psychischen Störung ist vielschichtig und umfasst erheblich mehr als nur die Gabe von Psychopharmaka. Zu beachten ist, dass Medikamente meist erst dann eingesetzt werden sollen, wenn andere therapeutische Möglichkeiten nicht ausreichen oder erfolgversprechend sind. Heute gibt es eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten, die je nach Erkrankung, Stadium, personenorientiert und sozialen Lebensbezügen, meist mehrdimensional ausgerichtet und prozesshaft eingesetzt werden: Zu achten ist auf Mobilität, altersgerechte Nahrung und Flüssigkeit, Förderung der kognitiven und sozialen Kompetenz, Interesse am Umwelt- Prävelenzraten psychischer Störungen bei Über-65-Jährigen nach Feldstudien Helmchen & Kanowski, 2001 Diagnosen Demenzen nur mittelschwere bis schwere Demenzen alle inkl. leichter Demenzen davon: – Alzheimer-Demenz – Vaskuläre Demenz Depression nur schwer mittel – schwer alle inkl. leicht Angststörungen Phobien Panikstörungen Zwangsstörungen Generalisierte Angststörungen in Prozent 4–8% 10 – 14 % 64 – 72 % 16 – 19 % 1–5% 8 – 16 % 10 – 25 % 5 – 10 % 5–9% 0,1 – 0,4 % 0,8 – 0,9 % 0,7 – 7 % Paranoid-halluzinatorische Syndrome 1 – 2,5 % Abhängigkeitserkrankungen Alkoholmissbrauch (über 60-Jährige) – männlich: – weiblich: Alkoholabhängigkeit (über 60-Jährige) – männlich: – weiblich: Regelmäßige Einnahme von Hypnotika/Sedativa 10 – 20 % 1 – 10 % 2–3% 0,5 – 1 % 5 – 50 % Treffpunkte 3/06 7 Thema geschehen und Annahme der Veränderungen, die das Alter mit sich bringt. Bedarf es auch noch erheblich weiterer Forschung, so verfügen wir heute doch über zahlreiche effektive diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, um psychische Störungen bei alten Menschen frühzeitig zu erkennen und effizient zu behandeln. Skepsis und therapeutischer Nihilismus ist daher mit dem gerontopsychiatrischen Wissensstand nicht mehr zu vereinbaren. schiedlicher Weise. Hierfür bedarf es Komplexleistungsangebote, deren Kosten von Kassen und Sozialhilfeträgern auch übernommen werden müssen. Geht man zudem davon aus, Pflegedienste, die tragende Säule in der ambulanten Versorgung, erheblich vermehrt. Gerontopsychiatrische Ambulanzen beispielsweise an Landeskrankenhäusern werden endlich ver- »Medikamente sollten erst »dann eingesetzt werden, wenn »alle anderen therapeutischen »Möglichkeiten nicht ausreichen« Versorgung Die Vielfalt der Kostenträger und die Schwierigkeiten herauszufinden, wer für was zuständig ist, verhindern derzeit häufig effiziente, menschengerechte und auch ökonomische Hilfen. Sollen alte Menschen mit einer psychischen Störung dort leben, wo sie sich wohl fühlen, meist in ihrer dass ein kranker alter Mensch häufig unterschiedliche Leistungen in verschiedenen Einrichtungen zeitversetzt in Anspruch nehmen muss, so sollte man regionale Angebote vorhalten, die nicht von den alten Menschen leben, sondern für sie. mehrt eingerichtet. Einen deutlichen »Aufschwung« haben in den letzten Jahren die gerontopsychiatrischen Tageskliniken (ca. 40) genommen. Gerontopsychiatrische Zentren (Ambulanz, Tagesklinik, Altenberatung), die »als treibende Kraft der gerontopsychiatrischen Versorgung« bezeichnet werden, gibt es zirka 25. Die klinisch-stationäre Behandlung wird meist in gerontopsychiatrischen Abteilungen von Landes- oder Bezirkskrankenhäusern oder auf Stationen von psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern durchgeführt. Zu beobachten ist, dass vermehrt psychisch chronisch schwerstkranke (demente) und multimorbide Patienten in gerontopsychiatrische Abteilungen eingewiesen werden, akut psychisch kranke alte Menschen (z. B. depressive) eher in Universitätskliniken oder auch in somatische Krankenhäuser. Abbildung 1: Einflussfelder auf alte Menschen mit einer psychischen Störung eigenen Wohnung, so müssen soziale, psychiatrische, allgemeinmedizinische und pflegerische Hilfen mit Laienhilfe und Angehörigenunterstützung abgestimmt werden. Häufig bedarf es ein Mix von pflegerischen, medizinischen, präventiven und rehabilitativen Maßnahmen gleichzeitig in unter- 8 Treffpunkte 3/06 Im ambulanten Bereich wird die medizinische Versorgung psychisch kranker Älterer hauptsächlich durch die niedergelassenen Hausärzte und nur zum Teil durch Nervenärzte, selten von Psychotherapeuten, durchgeführt. Seit Einführung der Pflegeversicherung haben sich die ambulanten Besonders schwierig ist derzeit die Situation der Altenheime und Altenpflegeheime, deren gerontopsychiatrische Versorgung selten gewährleistet ist. Berichte über Missstände und Menschenrechtsverletzungen sind keine Seltenheit (Hirsch & Fussek 1999). Inzwischen geht man davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der Pflegeheimbewohner unter einer psychischen Störung leiden (Hirsch & Kastner 2004), zirka zwei Drittel von ihnen Thema Sind Wohnheime für psychisch kranke Menschen noch zeitgemäß? Mietanlagen mit kleinen Wohnungen und Betreuerstation wären für viele die richtige Lösung Für alte Menschen gibt es seit Jahren Mietanlagen mit kompakten Wohneinheiten und einer Betreuerstation, wo im Bedarfsfall Hilfe angefordert werden kann. Diese Anlagen haben sich bewährt. Diese Wohnform würde sich auch für viele psychisch kranke Menschen eignen, die in Wohnheimen leben oder in Einzelwohnungen oder Wohngemeinschaften nicht zurecht kommen. Viele dieser Menschen können in Teilbereichen sehr wohl selbstständig leben, brauchen aber einen jederzeit erreichbaren Ansprechpartner. Das Zusammenleben in einer betreuten Wohngemeinschaft bietet ihnen zu wenig Rückzugsmöglichkeiten und unter einem dementiellen Syndrom (Erstdiagnose). Zu beobachten ist, dass zwischen Gerontopsychiatrie, Geriatrie und der Altenhilfe »Verschiebebahnhöfe« entstehen oder schon entstanden sind. Der Weg von der Klinik in das Pflegeheim ist oft vorprogrammiert. Kurzliegezeiten in Kliniken (»Kostendämpfung«) fördern mehr Siechtum (Pflege statt Behandlung oder Rehabilitation!). Zur Überprüfung ambulanter Möglichkeiten fehlt oft die Zeit und das Interesse. Vorgehensweise Die »handelnde Gerontopsychiatrie« definiert sich durch ihre vielfältigen patientenorientierten regionalen Auf- überfordert ihre Fähigkeit zur Konfliktbewältigung. Im betreuten Einzelwohnen scheitern sie wegen häufiger, spontan auftretender Angstzustände; sie leiden unter der Einsamkeit und entwickeln Tendenzen zu Dekompensation und Verwahrlosung. Jede weitere Betreuung sollte nicht vom Wohnheim abgedeckt werden, sondern von außen kommen. Hier könnte das Persönliche Budget eine Rolle spielen, das den Klienten befähigt, sich Hilfen »einzukaufen«, wie zum Beispiel Unterstützung im Haushalt. In der Umgestaltung von Wohnheimen oder Teilen von Mietwohnanlagen zu Wohneinheiten mit kompakten Einund Zweizimmerwohnungen sehen wir eine Chance für diesen Personenkreis. Die Betreuerstation sollte das Büro der Betreuer und einen Aufenthaltsraum umfassen, der als sozialer Treffpunkt fungiert. Ein zuverlässiger Ansprechpartner sollte — eventuell über ein Notrufsystem — jederzeit erreichbar sein; er soll beruhigen, beraten, ein ambulantes Notfallteam rufen etc. Im Büro könnten auch wichtige Papiere der Mieter aufbewahrt werden. Die psychisch kranken Menschen sollten selbst Mieter sein. Renten, Sozialhilfe, Grundsicherung werden nicht einbehalten. Das bedeutet, dass sie auch Mietzuschüsse erhalten. gabenfelder. Vorschriften von Trägern, gesetzliche Vorgaben, unterschiedliche Interessen von niedergelassenen Ärzten und manchen Verbänden u. a. erschweren dieses Vorgehen. Psychiater wenig über die heutigen Möglichkeiten der Gerontopsychiatrie wissen. Es ist immer noch nicht selbstverständlich, dass vor einer Klinikaufnahme überprüft wird, ob eine Behandlung nicht doch ambulant oder in einer Tagesklinik durchgeführt werden kann. Kaum realisiert ist zu überprüfen, ob vor der Eingruppierung eines psychisch kranken alten Menschen in eine Pflegestufe erst eine Rehabilitation sinnvoll sein könnte. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass viele Hausärzte und manche niedergelassene Nervenärzte und Edith Mayer Landesverband Hessen der Angehörigen psychisch Kranker e. V. Edelgard Nolting Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen psychisch kranker Menschen in Frankfurt am Main e. V. Ängste wie Abspaltung von der Psychiatrie, Zentralisierung, Überbetonung der Gerontopsychiatrie, Gängelung der Altenhilfe verhindern oft eine fachliche Diskussion. Berücksichtigt man die Erfahrungen mit den vorhandenen Gerontopsychiatrischen Zentren und diesbezügliche wissenschaftliche Untersuchungen (Steinkamp & Werner 1997), so kann man leicht erkennen, dass gerade diese dezentrales, gemeindenahes und patientenorientiertes Handeln fördern. Sie unterstützen die in einer Region vorhandenen Einrichtungen Treffpunkte 3/06 9 Thema sowie Dienste und verstärken ein gemeinsames regionales Arbeiten, welches einseitig institutionsorientiertes Denken verringert. Lässt sich gegen Vorurteile und Machtinteressen kaum angehen, so kann durch Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mit allen in einer Versorgungsregion maßgeblich Beteiligten mancher Schritt getan werden, der zuvor unmöglich erschien. Notwendig ist dabei allerdings der schrittweise weitere Abbau von Misstrauen, Besserwisserei und Ängsten (Hirsch 1999). Ausblick Das Bild vom »regionalen Patienten«, der nicht von Institution zu Institution mit unterschiedlichen Behandlungs-, Pflege- und Versorgungsansätzen weitergereicht wird, sollte mehr in den Mittelpunkt versorgungsorientierter und gesundheitspolitischer Überlegungen gestellt werden. Klare und vertraglich abgestimmte Aufgaben aller in einer Region zur Versorgung alter Menschen zuständiger Einrichtungen und Dienste könnten Unter-, Über- und Fehlversorgung verringern und dürften zudem ökonomischer sein als derzeit. Aufforderung an unsere Gesellschaft ist, einem psychisch kranken Menschen die für ihn erforderliche Diagnostik, Behandlung und auch Pflege zu garantieren. »Unbezahlbarkeit«, »therapeutischer Nihilismus« und einseitiges Ökonomieverständnis ist nicht vertretbar und kollidiert mit dem demokratischen Verständnis von Menschenwürde, welche keine Altersgrenze kennt und nicht teilbar ist. Abbildung 2: Regionale Angebote für Menschen im höheren Lebensalter 10 Treffpunkte 3/06 Prof. Dr. phil. Dr. med. Rolf D. Hirsch (60) ist Diplompsychologe, Nervenarzt und Psychoanalytiker. Seit 1991 ist er Chefarzt der Abteilung für Gerontopsychiatrie und des Gerontopsychiatrischen Zentrums der Rheinischen Kliniken Bonn. Er ist Vorstandsmitglied des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Vorsitzender der Bonner Initiative gegen Gewalt im Alter (HsM) e. V. E-Mail [email protected] Thema Literatur Bickel, H. (2003): Epidemiologie psychischer Störungen im Alter. In: Förstl, H. (Hg.): Lehrbuch der Gerontopsychiatrie und –psychotherapie. Thieme, Stuttgart, New-York (2. Aufl.), S. 11—26. Helmchen, H. & Kanowski, S. (2001): Gerontopsychiatrie in Deutschland. Gegenwärtige Entwicklung und zukünftige Anforderungen. In: Expertisen zum Dritten Altenbericht der Bundesregierung, Band 4. Leske + Budrich, Opladen, S. 15. Hirsch R. D. (1999): Alter und Menschenwürde: Gerontopsychiatrie: Quo vadis? Soziale Psychiatrie 23: 4—7. Hirsch, R.D. & Fussek, C. (1999): Gewalt gegen pflegebedürftige alte Menschen in Institutionen: gegen das Schweigen. Bonner Schriftenreihe »Gewalt im Alter«, Band 4. Bonner Initiative gegen Gewalt im Alter (HsM), Bonn. Hirsch, R. D., Holler, G., Reichwaldt, W. & Gervink, Th. (1999): Leitfaden für die ambulante und teilstationäre gerontopsychiatrische Versorgung. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Band 114. Nomos, Baden-Baden. Hirsch, R.D. & Kastner U. (2004): Heimbewohner mit psychischen Störungen. Expertise. Forum 38, Kuratorium Deutsche Altershilfe, Köln. Nikolaus T.: Physiologisches Altern, Morbidität und Mortalität. In: Nikolaus T. (Hg.): Klinische Geriatrie, Springer, Berlin et al., 2000, S. 15. Steinkamp G, Werner B (1997): Effekte eines Gerontopsychiatrischen Zentrums auf das regionale Versorgungssystem psychisch gestörter älterer Menschen. Leske Budrich, Opladen. Treffpunkte 3/06 11 Thema Hilfe im Alter Psychische Störungen im höheren Lebensalter nehmen aufgrund des demografischen Wandels zu Von Christiane Kaiser Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Einwohnerzahl der über 65-Jährigen in Deutschland von aktuell knapp 20 Prozent in den kommenden Jahrzehnten auf nahezu 25 Prozent steigen. Frankfurt am Main ist in seiner Altersstruktur im Bundesvergleich noch eine junge Stadt: Von den derzeit 655.000 Einwohnern sind derzeit 16,7 Prozent der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger 65 Jahre alt oder älter. Dennoch muss auch hier von einer steigenden Zahl älterer Menschen ausgegangen werden - und damit auch von einer Zunahme älterer Personen mit psychischen Erkrankungen. In früheren Jahrzehnten wurde im Allgemeinen nur zwischen Kinderheilkunde und Medizin des Erwachsenenalters unterschieden und entsprechend zwischen Kinderund Jugendpsychiatrie und Psychiatrie (für Erwachsene). In den letzten zwei Jahrzehnten wandte sich jedoch die Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Forschung zunehmend den Besonderheiten des höheren Lebensalters zu, mit der Folge der Schaffung eigener medizinischer Unterdisziplinen: der Geriatrie in der Inneren Medizin und der Gerontopsychiatrie innerhalb der Psychiatrie. Gerontopsychiatrie meint die ab dem 65. Lebensjahr notwendige, die Besonderheiten dieses Lebensabschnitts in Diagnostik und Therapie berücksichtigende psychiatrische Behandlung. Die Altersgrenze von 65 Jahren gilt daher in den meisten Fällen als Aufnahmekriterium für eine stationäre Klinikaufnahme in einer gerontopsychiatrischen Behandlungsstation in Psychiatrischen Kliniken. Gerontopsychiatrische Besonderheiten In der Gerontopsychiatrie sind eine ganze Reihe von Besonderheiten für die psychische Befunderhebung, psychiatrische Beurteilung, Behandlung und Verlaufsbeobachtung der Patienten des so genannten höheren Lebensalters bedeutungsvoll. Einige sollen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz beschrieben und diskutiert werden: 12 Treffpunkte 3/06 Normale biologische und physiologische Alterungsprozesse führen zu körperlichen und psychischen alterstypischen Veränderungen und alterstypischen Funktionseinschränkungen, welche stets von behandlungsbedürftigen Krankheitsprozessen abzugrenzen sind. Fließende Übergänge von altersbedingt normal zu abweichend behandlungsbedürftig sind häufig und erschweren nicht selten die Diagnosestellung. Stoffwechsel der inneren Organe und des Nervensystems sowie der Wasserhaushalt des Körpers weichen im höheren Lebensalter immer mehr von der Situation des jungen und mittleren Lebensalters ab. Stoffwechselleistung und Entgiftungsfunktion von Leber und Nieren lassen altersbedingt nach, sodass Medikamente — insbesondere auch einige Psychopharmaka — zur Vermeidung unerwünschter, teilweise erheblicher Nebenwirkungen einer altersentsprechenden Dosisanpassung bedürfen oder im höheren Lebensalter ganz zu vermeiden sind. Auch Substanzen, welche gegebenenfalls jahre- oder jahrzehntelang zuvor gut vertragen wurden, können im Alter zu erheblichen Störungen der Orientierung und oder des Schlaf-Wachrhythmus führen, im Extremfall zum lebensbedrohlichen Vollbild eines Delirs. Ein häufiges Beispiel hierfür sind beispielsweise Schlaf- und Beruhigungsmittel vom Benzodiazepintyp oder Barbiturate, welche nicht selten über Jahrzehnte als Schlafmittel konsumiert werden und Thema die im Alter plötzlich gegenteilige Wirkungen wie Unruhe und Verwirrtheit erzeugen können. Dies gilt auch für eine ganze Reihe internistischer Medikamente (sogar für einige Antibiotika), sodass eine besondere Kunst der gerontopsychiatrischen Behandlung häufig die altersgerechte, also stoffwechselgerechte Umdosierung oder Umstellung von Medikamenten darstellt. Bereits lange zuvor bestehende psychische Erkrankungen können im höheren Lebensalter einen erheblichen Wandel ihrer Symptomatik und Dynamik erfahren. Dies kann äußerst unterschiedliche, sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Der schon lange psychisch, beispielsweise schizophren oder manisch-depressiv, erkrankte Patient unterliegt ebenso wie jeder andere nicht psychisch Erkrankte den normalen Alterungsprozessen. Eine hierdurch eingetretene alterstypische psychomotorische Verlangsamung kann sich so bei einem vormals eher expansiven, gereizt, aggressiven und mit Steigerung des Antriebs einhergehenden psychotischen Krankheitsbild als eher beruhigend, den Verlauf mildernd und abschwächend auswirken. Es kann so auch bei jahrelangen bewegenden Krankheitsverläufen im Alter eben gerade durch das Alter noch zu einer Art »Verlaufsnormalisierung« kommen. Andererseits können jahrelang zuvor bereits bestehende Symptome Das eigene Altern führt in unterschiedlichem Maße zu einem »Abschied« und wird bei jedem Menschen in unterschiedlichem Ausmaß von Bedauern, Traurigkeit, Trauer bis hin zur Depression begleitet sein. Eigene Krankheiten, Krankheit oder Verlust von Weggefährten, Freunden und Partnern stellen ebenfalls erhebliche psychische Belastungen dar, welche mit zunehmendem Alter gehäuft auftreten und unterschiedlich gut bewältigt werden. Resignation, Bilanzierung bis hin zu suizidalen Krisen sind als Reaktionen nicht selten. Sowohl Männer als auch Frauen weisen jenseits des 60. Lebensjahres deutlich erhöhte Suizidraten auf. Der Diagnostik und Behandlung von Depressionen und Suizidalität sowie der Suizidprävention im Alter kommt daher eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie erfordert neben der psychiatrischen und gegebenenfalls psychotherapeutischen Behandlung auch einen multiprofessionellen, der jeweiligen Problematik des Einzelfalls angepassten Ansatz (sozialarbeiterische Unterstützung, Seelsorge, Tagesstrukturierung, Pflege, Behandlung von Schmerzen u. a. m.). Demenzielle Erkrankungen gelten als die klassischen gerontopsychiatrischen Erkrankungen schlechthin. Es ist jedoch auch hier zu beachten, dass es im Vorfeld und im Verlauf demenzieller Erkrankungen zu vielgestaltigen psychischen Auffälligkeiten kommen kann. So kann sich eine Demenz unter dem Bild einer Depression ankündigen oder es kann bei einigen Demenzformen eher zu Enthemmung und zum plötzlichen Auftreten von persönlichkeitsfremden Impulshandlungen und Steigerungen des Antriebs kommen. »Insbesondere bei psychischen« »Erkrankungen im Alter kommt« »dem multiprofessionellen Einsatz« »besondere Bedeutung zu« wie chronische Antriebs- und Interessenverluste und depressive Verstimmungen durch die altersbedingten Veränderungen weiter verstärkt werden. Es ist also allgemein festzustellen, dass die normale Alterung in unterschiedlicher und im Einzelfall nicht sicher vorhersagbarerweise die Symptomatik von zuvor bestehenden psychischen Symptomen beeinflusst. Depressive Symptome und Syndrome (Krankheitsbilder) stellen einen Großteil der psychischen Störungen des höheren Lebensalters dar. Dies hat zahlreiche Gründe. Die so genannten klassischen psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere die Schizophrenien, treten in aller Regel vor dem 45. Lebensjahr erstmals auf. Daher erfordert das plötzliche Auftreten psychotischer Symptome wie Wahn, Halluzinationen und Störungen der Orientierung und des Denkens stets eine gründliche Abklärung im Hinblick auf die Frage, ob und gegebenenfalls welche auslösende Ursache dem plötzlichen Auftreten dieser Symptome in späteren Lebensjahren zugrunde liegt. So sollte sich niemand mit der banalen Erklärung des Alters für ungewöhnliche und vormals nie vorhandene psychische Symptome zufrieden geben. Auch scheinbar alterstypische psychische Symptome, wie Merkfähigkeitsstörungen, Orientierungsstörungen und Antriebsstörungen sollten grundsätzlich nie nur als »altersbedingt« hingenommen werden: Gerade im Treffpunkte 3/06 13 Thema höheren Lebensalter haben diese Symptome häufig eine auslösende Ursache, welche nicht selten ganz oder teilweise behandelbar ist. Die Ursachen können dabei sehr mannigfaltig sein und von Stoffwechselstörungen über Medikamentenunverträglichkeiten bis hin zu Herz-Kreislauferkrankungen (u. a. Bluthochdruck, Herzerkrankungen) oder Tumorleiden reichen. Die aufgelisteten Besonderheiten, die es in der Beurteilung psychisch auffälliger oder psychisch erkrankter älterer Menschen zu beachten gilt, könnten sicherlich noch ergänzt werden. Hier soll jedoch lediglich ein kurzer Einblick gegeben werden, um die Aufmerksamkeit für diese Patientengruppe zu wecken und zu verfeinern und dem Vorurteil entgegen zu steuern, dass sich die Gerontopsychiatrie ausschließlich mit der Gruppe der demenziellen Erkrankungen beschäftigt. Eine hausärztliche oder internistische Behandlung älterer Menschen sollte in Zweifelfällen stets um eine fachärztliche nervenärztliche Vorstellung ergänzt werden, da gerade in dieser Altersgruppe eine gezielte frühzeitige Diagnostik und Behandlung den Betroffenen und ihren Angehörigen viel Leid und verlorene Behandlungszeit ersparen, in einigen Fällen sogar lebensrettend sein kann. Mithilfe einer fachärztlichen Behandlung kann am ehesten entschieden werden, welche weitere Behandlungsform oder Maßnahme — ambulant, teilstationär oder stationär — am zielführendsten oder eine Überweisung in eine spezialisierte Sprechstunde (z. B. Gedächtnissprechstunde) sinnvoll ist. Regelungen in Frankfurt am Main Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob eine Person bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres psychisch erkrankte und bereits sozialpsychiatrische Hilfen, wie beispielsweise den Sozialpsychiatrischen Dienst am Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main in Anspruch genommen hat oder beispielsweise Betreutes Wohnen für psychisch Kranke erhielt oder erhält. Dieser Personenkreis behält üblicherweise auch über das 65. Lebensjahr hinaus seine bisherige Unterstützung. Bei Personen, die bereits das 65. Lebensjahr vollendet haben oder älter sind und erstmals im Leben psychische Auffälligkeiten und Störungen entwickeln, welche beispielsweise zur Ursache für einen drohenden Wohnungsverlust oder andere schwere Nachteile und Defizite in der Selbstversorgung und Lebensführung werden können, sollten — unabhängig von der in diesen Fällen aus den genannten Gründen dringend gebotenen Notwendigkeit einer medizinischen Ursachensuche für die sich plötzlich im höheren Alter manifestierende psychische Störung — zuerst durch die an den Frankfurter Sozialrathäusern 14 Treffpunkte 3/06 geschaffenen Sozialdienste für ältere Bürger beraten und unterstützt werden. Die Sozialdienste für ältere Bürger arbeiten dabei mit der Abteilung Psychiatrie, dem Sachgebiet Sozial- und Gerontopsychiatrie am Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main in der Weise zusammen, dass im Falle von notwendiger fachärztlicher Beratung in der Klientenarbeit — sofern nicht eine ärztliche oder fachärztliche ambulante Behandlung bereits vorhanden oder zu planen ist — die Ärztinnen und Ärzte des Sachgebietes Sozial- und Gerontopsychiatrie den Sozialdiensten für ältere Bürger beratend zur Seite stehen. Auch gemeinsame Hausbesuche sind dabei einzelfallabhängig grundsätzlich möglich und können bei der Klärung der Frage, welche Maßnahmen der Hilfe und Behandlung im jeweiligen Einzelfall sinnvoll sind, einen wichtigen Beitrag leisten. Resümee Alle psychiatrischen Störungen und Krankheitsbilder können auch das höhere Lebensalter betreffen. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen im Alter kommt dem multiprofessionellen Einsatz besondere Bedeutung zu. Infolge der demografischen Entwicklung steigt naturgemäß mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung auch der Anteil älterer Menschen mit psychischen Störungen. Die Stadt Frankfurt am Main trägt mit dem Magistratsbericht »Partizipative Altersplanung«, an dessen Erarbeitung Experten und ältere Frankfurter Bürger mitgewirkt haben, den besonderen Erfordernissen der sich wandelnden Bevölkerungsstruktur Rechnung. In den vergangenen Jahren wurden geriatrisch und gerontopsychiatrisch spezialisierte stationäre und teilstationärere Behandlungseinrichtungen geschaffen sowie besondere Betreuungsformen, beispielsweise Plätze im Betreuten Wohnen für psychisch kranke ältere Menschen, Tagesstätten und Sozialdienste für ältere Bürger an den Frankfurter Sozialrathäusern. Und die Entwicklung ist dabei weiter im Fluss. Unsere Erfahrung zeigt: Es mangelt gerade für ältere Menschen weniger an Hilfeangeboten, als oftmals an der Bereitschaft der Betroffenen und ihrer Angehörigen, sich auf die Inanspruchnahme der vorhandenen Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten einzulassen. Dr. Christiane Kaiser arbeitet als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main. E-Mail [email protected] Frankfurter Psychiatriewoche 2006 18. Frankfurter Psychiatriewoche Alle Veranstaltungen im Überblick - zum Heraustrennen »Alles bleibt anders — das integrative Versorgungsmodell« Informationsveranstaltung zur Psychiatrieplanung in Frankfurt am Main Mittwoch, den 20. September 2006, 14.00—16.00 Uhr Technisches Rathaus, Braubachstraße 15 60311 Frankfurt am Main, Gelber Turm, Raum 4 Die gemeindepsychiatrische Versorgungsstruktur in Frankfurt am Main soll für die Zukunft gerüstet werden (vgl. Seite 3). Stichworte sind: integratives Versorgungsmodell zur gemeindepsychiatrischen Planung, Regelung, Steuerung und Finanzierung. Die qualitative Weiterentwicklung des bestehenden gemeindepsychiatrischen Versorgungssystems in der Stadt Frankfurt am Main mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgungsqualität war und ist Motor der Verhandlungen um eine innovative Struktur. In der Veranstaltung wird der aktuelle Stand der Verhandlungen dargestellt und die geplanten Schritte diskutiert. Veranstalter: Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main und die Projektleitungsgruppe IVM Donnerstag, den 14. September 2006 13.00—17.00 Uhr Auftaktveranstaltung: Mensch-Sein mit allen Sinnen! Foyer und Vortragssaal der Deutschen Bibliothek Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: JANINE F. Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Freitag, den 15. September 2006 14.00—16.00 Uhr Infostand der Psychosozialen Dienste Bockenheim Leipziger Straße/Markgrafenstraße, 60487 Frankfurt am Main 14.00—18.00 Uhr 30 Jahre Bamberger Hof, 25 Jahre Tagesklinik Klinik Bamberger Hof Oeder Weg 46, 60318 Frankfurt am Main 14.00—18.00 Uhr Infostand der Therapeutischen Wohngemeinschaft Buchenrode Klinik Bamberger Hof Oeder Weg 46, 60318 Frankfurt am Main 15.30—17.00 Uhr Ikebana — der Seele etwas Gutes tun Psychosoziales Rehazentrum Eckenheimer Landstraße 172 (»Oase«), 60318 Frankfurt am Main 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: ALIENTATIONS – ENTFREMDUNGEN Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Samstag, den 16. September 2006 14.00—17.00 Uhr Stimmenhören und psychische Gesundheit Psychosoziales Zentrum Gallus Speyerer Straße 3, 60327 Frankfurt am Main 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: UN' ORA SOLA TI VORREI Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Treffpunkte Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie Treffpunkte 3/06 15 Treffpunkte – Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie Sonntag, den 17. September 2006 Filmfestival ausnahme | zustand 18.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: PEOPLE SAY I´M CRAZY Bundesweites Filmfestival Depression — psychische Erkrankungen Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Filmforum Höchst, Emmerich-Josef-Straße 46a 65929 Frankfurt am Main (Höchst) 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: TARNATION Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Montag, den 18. September 2006 8.30—15.00 Uhr (Freitag bis 13.30 Uhr) IRR — SINNIGE BILDER Präsentation von 20 Reproduktionen der Heidelberger Prinzhorn Sammlung. Montag, den 18. bis Freitag, den 22. September 2006 Während der Frankfurter Psychiatriewoche 2006 werden aktuelle Dokumentationen gezeigt aus Deutschland, den USA, Frankreich, Schweiz, Italien und Norwegen. Die Protagonisten der Filme sind Menschen mit psychischen Erkrankungen, auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, im Spannungsfeld zwischen neugierigem Interesse und gesellschaftlicher Stigmatisierung. Eintritt 5,- Euro Änderungen des Spielplans und der Anfangszeiten vorbehalten Internet http://www.ausnahmezustand-filmfest.de und http://filmforum.neues-theater.de Veranstalter: Irrsinnig Menschlich e. V. und EYZ/Media BFilm; Stadtgesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main, Abteilung Psychiatrie; Filmforum Höchst Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Braubachstraße 18—22, 1. Stock, 60311 Frankfurt am Main 15.00—16.30 Uhr Irrenkunst? Die Sammlung Prinzhorn damals und heute Vortrag von Dr. Thomas Röske, Leitung Sammlung Prinzhorn, Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Braubachstraße 18—22, 1. Stock, 60311 Frankfurt am Main 15.00—17.00 Uhr Einsam unterm Müll — das Vermüllungssyndrom Bürgerhaus Bornheim Arnsburger Straße 24, 60385 Frankfurt am Main 18.00—20.00 Uhr Leben mit psychisch Kranken Vortrag von Eva Straub, Vorsitzende des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch kranker Menschen e. V. St. Ignatius-Gemeinde (nahe Alte Oper) Gärtnerweg 60, 60322 Frankfurt am Main 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: SEELENLANDSCHAFTEN Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Dienstag, den 19. September 2006 11.00—18.00 Uhr Fußballturnier Sportplatz Viktoria Preußen Hügelstraße, Frankfurt am Main-Eckenheim 15.00—17.00 Uhr Suizid und Suizidversuche bei Jugendlichen Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main, Mendelsaal Braubachstraße 18—22, 60311 Frankfurt am Main 16.00—19.00 Uhr Von der Werkstatt zum modernen Unternehmen Reha Werkstatt Oberrad Buchrainstraße 18, 60599 Frankfurt am Main 16 Treffpunkte 3/06 »Mensch-Sein mit allen Sinnen!« Auftaktveranstaltung zur 18. Frankfurter Psychiatriewoche Donnerstag, den 14. September 2006 Foyer und Vortragssaal der Deutschen Bibliothek Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main 13.00 Uhr Info-Börse über die vielfältigen Angebote der 18. Frankfurter Psychiatriewoche. Eine gute Gelegenheit, um sich auf die kommenden Veranstaltungen einzustimmen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die unterschiedlichsten Menschen aus der Frankfurter Gemeindepsychiatrie und die Veranstalter der Psychiatriewoche im Gespräch. 14.00—16.00 Uhr Mensch-Sein mit allen Sinnen! Sinnlichkeit und Sexualität in der Gemeindepsychiatrie? Vortrag von Frau Prof. Dr. Dr. Doris Nauer, Universität Tilburg (NL) Wie steht es um Sinnlichkeit und Sexualität in der Gemeindepsychiatrie? Doris Nauer setzt sich mit dieser wichtigen — und aus Sicht der Veranstalter vernachlässigten — Frage auseinander. Der Vortrag wird gerahmt und begleitet von musikalischen und visuellen Sinneseindrücken und mündet in einem gemeinsamen Austausch. Der einfühlsame und engagierte Vortragsstil von Frau Nauer verspricht einen spannenden Nachmittag, nicht nur für Betroffene und Fachpublikum. — Anschließend Grußworte aus Politik und Gesellschaft zur Eröffnung der 18. Frankfurter Psychiatriewoche. 16:00 - 17:00 Fortsetzung der Info-Börse über die vielfältigen Angebote der Psychiatriewoche. Veranstalter: frankfurter werkgemeinschaft e. V. und Klinik Hohe Mark Frankfurter Psychiatriewoche 2006 Fußballturnier Dienstag, den 19. September 2006, 11.00—18.00 Uhr Sportplatz Viktoria Preußen Hügelstraße, Frankfurt am Main (Eckenheim) Wir als Psychosoziales Zentrum des Internationalen Familienzentrums e. V. (IFZ) wollen auch in diesem Jahr im Rahmen der Psychiatriewoche das traditionelle Fußballturnier durchführen — gemeinsam mit anderen Einrichtungen des psychosozialen Sektors (klinische sowie außerklinische Einrichtungen). In den Mannschaften können sowohl Patienten und Klienten als auch Mitarbeiter spielen. Während des Fußballturniers werden die verschiedenen Bereiche des Psychosozialen Zentrums ihre Arbeit vorstellen. Das Psychosoziale Zentrum des Internationalen Familienzentrums e. V. versorgt mit seinen verschiedenen Bereichen — Psychosoziale Kontakt-und Beratungsstelle, Begegnungsstätte, Tagesstätte, Betreutes Wohnen und dem Projekt »Ambulante psychosoziale Versorgung von Asylbewerbern« — im Rahmen der komplementären gemeindepsychiatrischen Standardversorgung Migrantinnen und Migranten in der Stadt Frankfurt am Main. Veranstalter: Internationales Familienzentrum e. V. 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: WEIGHTLESS Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Mittwoch, den 20. September 2006 10.00—16.00 Uhr Informationen für Bürgerinnen und Bürger der südlichen Stadtteile Info-Stand der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V., der psychiatrischen Institutsambulanz der Universitätsklinik und des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Sektor Süd des Stadtgesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am Main Diesterwegplatz (Vorplatz Südbahnhof), 60598 Frankfurt am Main 14.00—16.00 Uhr Alles bleibt anders — das integrative Versorgungsmodell Technisches Rathaus Braubachstraße 15, 60311 Frankfurt am Main, Gelber Turm, Raum 4 14.00—16.00 Uhr Kultureller Tanz- und Musikworkshop Internationales Familienzentrum IFZ e. V. Ostendstraße 70, 60314 Frankfurt am Main, 1. Stock, Cafeteria 16.30—17.30 Uhr Fünf Jahre ambulante psychiatrische Versorgung am Klinikum Höchst Städtische Kliniken Frankfurt am Main-Höchst Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie-Psychosomatik, Pavillon, Gruppenraum der psychiatrischen Institutsambulanz Gotenstraße 6—8, 65929 Frankfurt am Main 17.00—19.00 Uhr Schizophrenie — neue Ansätze in der Behandlung Ausstellung IRR – SINNIGE BILDER Präsentation von 20 Reproduktionen der Heidelberger Prinzhorn Sammlung Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Braubachstraße 18—22, 1. Stock, 60311 Frankfurt am Main Die Prinzhorn-Sammlung verdankt ihr Entstehen dem deutschen Kunsthistoriker und Psychiater Hans Prinzhorn, der Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts etwa 5.000 Kunstwerke von psychiatrischen Patienten aus verschiedenen europäischen Ländern zusammentrug. Hans Prinzhorn trennte sich bereits Mitte der 20er Jahre von dieser Sammlung, die während des Nationalsozialismus als Beweismaterial für die »entartete Kunst« missbraucht und schließlich vergessen wurde. Die Werke werden erst seit den 80er Jahren wieder ausgestellt. Im Rahmen der 18. Frankfurter Psychiatriewoche werden nun 20 ausgewählte Reproduktionen von Kunstwerken der Sammlung gezeigt. Außerdem wird wiederholt ein 20-minütiger Dokumentationsfilm im Stadtgesundheitsamt zu sehen sein. Montag, den 18. bis Freitag, den 22. September 2006 Montag bis Donnerstag 8.30—15.00Uhr, Freitag 8.30—13.30 Uhr Veranstalter: Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main, Abteilung Psychiatrie, Sozialpsychiatrischer Dienst Zentrum der Psychiatrie Heinrich-Hoffmann-Straße 10, Haus 93, Hörsaal Erdgeschoss 60528 Frankfurt am Main 20.00 Uhr Filmfestival ausnahme | zustand: RAUM 4070/4071 Filmforum Höchst Emmerich-Josef-Straße 46a, 65929 Frankfurt am Main (Höchst) Donnerstag, den 21. September 2006 9.30—15.00 Uhr Psychiatrisches Institutsambulanz, Gedächtnisambulanz und Tagesklinik des Universitätsklinikums stellen sich vor Zentrum der Psychiatrie Heinrich-Hoffmann-Straße 10, Haus 93, Hörsaal Erdgeschoss 60528 Frankfurt am Main 10.00—18.00 Uhr Der Einfluss von Psychopharmaka-Einnahme auf den Ernährungsstoffwechsel (mit Tag der offenen Tür des Psychosozialen Zentrums Nord) Sozialwerk Main-Taunus e. V., Psychosoziales Zentrum Nord 60439 Frankfurt am Main (Fachvortrag: Eingang Oberschelder Weg 23; buntes Programm und Workshop: Eingang Heddernheimer Landstraße 144) Treffpunkte 3/06 17 Frankfurter Psychiatriewoche 2006 12.00—14.00 Uhr »Work-Life-Balance« in der Arbeit mit Suchtkranken »La Strada« (5. Stock) Mainzer Landstraße 93, 60327 Frankfurt am Main Abschlussfest der 18. Frankfurter Psychiatriewoche 14.00—16.00 Uhr Einstufung in der Pflegeversicherung durch den MDK — bei psychischer Krankheit ein Ding der Unmöglichkeit? Informationsveranstaltung zur Psychiatrieplanung in Frankfurt am Main Vortrag von Martina Süß, Expertin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen für den Bereich Pflege Freitag, den 22. September 2006, 14.00—18.00 Uhr Öko-Haus, Tagungsraum Erdgeschoss Kasseler Straße 1A, 60486 Frankfurt am Main (Nähe Westbahnhof) 14.00—17.00 Uhr Fünf Jahre Simon-Bender-Haus Simon-Bender-Haus Radilostraße 37, 60489 Frankfurt am Main 14.00—18.00 Uhr Künstlerisches Gestalten mit chronisch psychisch Kranken (Ausstellung und Vortrag) Wohnheim Reha-Zentrum Oberrad Wiener Straße 126, 60599 Frankfurt am Main 16.00—19.00 Uhr Zwischen Raucherentwöhnung und Heroin-Substitution — was verbindet, was unterscheidet Süchtige? Reha-Zentrum-Rödelheim, Meta-Quarck-Haus Strubbergstraße 45, 60489 Frankfurt am Main Im in vielen Festen erprobten und bewährten Ambiente des Meta-Quarck-Hauses feiern wir in diesem Jahr das traditionelle Abschlussfest der Psychiatriewoche. Für gutes Essen und Trinken, für musikalische und andere kulturelle Darbietungen, für die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und die Psychiatriewoche Revue passieren zu lassen, ist gesorgt. Psychiatrische Einrichtungen können mit Ständen über ihre Arbeit informieren. Das Meta-Quarck-Haus ist ein Wohnheim für psychisch kranke Männer und Frauen und bildet zusammen mit dem Simon-Bender-Haus und der Reha-Werkstatt-Rödelheim das Reha-Zentrum-Rödelheim. Mit seinen Außenwohngruppen verfügt das Meta-Quarck-Haus über 54 Wohnheimplätze. Bürgerhospital Frankfurt Nibelungenallee 37—41, 60318 Frankfurt am Main (Eingang Seminarraum: Händelstraße 10—12) 16.00—21.00 Uhr Dichtung und Psychose — Annäherungen an Innenwelten Die Autorinnen Susanne Konrad und Renate Klöppel lesen aus ihren Romanen »Camilles Schatten« und »Die Schattenseite des Mondes«. Klinik Bamberger Hof Oeder Weg 46, 60318 Frankfurt am Main Freitag, den 22. September 2006 14.00—18.00 Uhr Abschlussfest der 18. Frankfurter Psychiatriewoche Reha-Zentrum-Rödelheim, Meta-Quarck-Haus Strubbergstraße 45, 60489 Frankfurt am Main 14.00—18.00 Uhr Einblicke und Ausblicke. Therapieangebot und Therapieerfahrung Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Markus-Krankenhaus Haus C, 3. Obergeschoss Wilhelm-Epstein-Straße 2, 60431 Frankfurt am Main 16.00—18.00 Uhr Grenzgänger oder Zappelphilipp? Wie unterscheiden sich Borderline-Störungen und ADHS? Evangelische Luthergemeinde Frankfurt Martin Luther Platz 1, 60316 Frankfurt am Main Das vollständige Programmheft …mit Hinweisen zu allen Veranstaltungen der 18. Frankfurter Psychiatriewoche liegt an zahlreichen Einrichtungen und öffentlichen Stellen aus. Es ist auch im Internet als PDF-Datei zum Herunterladen verfügbar: http://www.psychiatrie-frankfurt.de Treffpunkte Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie 18 Treffpunkte 3/06 Thema Neue Konzepte gesucht Die Tagesstätte des Sozialwerk Main Taunus ist für viele Ältere zur Heimat geworden Von Gisela Hefft, Christiane Hagel und Katharina Blum Tagesstätten bieten Menschen mit psychischer Erkrankung tagesstrukturierende Angebote und Hilfen bei der sozialen Rehabilitation. Die Einrichtungen schließen oft die Lücke zwischen stationären Hilfen und ambulanter Versorgung. Die Angebote richten sich vorrangig an Menschen, die aufgrund langer chronisch psychischer Erkrankungen und deren Folgeerscheinungen zum Teil lange Klinikaufenthalte hinter sich haben und dadurch in ihrer Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung beeinträchtigt sind. Entsprechend der allgemeinen demografischen Entwicklung steigt auch bei den Besuchern der Tagesstätten das Durchschnittsalter an. Die Tagesstätte des Sozialwerk Main Taunus wurde 1987 als erste Tagesstätte für psychisch kranke Menschen in Frankfurt am Main und als eine der ersten in Hessen gegründet. Die Zielgruppe waren damals die älteren psychisch kranken Menschen. Es gab zwölf Plätze in einem kleinen Pavillon in der Nordweststadt. Die Besucher fühlten sich sehr wohl in ihrem »Club«, wie einige die Tagesstätte bezeichneten. Inzwischen verfügt die Tagesstätte über 38 Betreuungsplätze und bietet in ihren großzügigen hellen Räumlichkeiten in der Heddernheimer Landstraße ein breites Spektrum an Aktivitäten für ihre Besucher. Wer die Tagesstätte des Sozialwerk Main Taunus heute besucht, stellt fest, dass das Durchschnittsalter der Tagesstättenbesucher weit über 50 Jahren liegt. Darin spiegelt sich die allgemeine demografische Entwicklung unserer Gesellschaft wieder, die in allen Bereichen psychosozialer Dienste in Frankfurt am Main zu beobachten ist. Eine Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben gelingt in der Regel vorwiegend bei den jüngeren Tagesstättenbesuchern. Für viele ältere Besucher jedoch wird die Tagesstätte zu einer Heimat und stellt einen wesentlichen Faktor für ihre psychische Stabilität dar. Dies ist eine Aufgabe, die auf Dauer von den Tagesstätten mit den bestehenden Kapazitäten nicht mehr zu leisten ist. In der Zukunft wird die gemeindepsychiatrische Versorgungsstruktur neue Modelle brauchen, um dem durch die demografische Entwicklung veränderten Bedarf gerecht zu werden. Die folgenden beiden Interviews geben die persönlichen Erfahrungen von zwei Tagesstättenbesucherinnen wieder. »Von den damaligen Besuchern sind nur noch drei übrig, alle anderen sind gestorben« INTERVIEW MIT FRAU S. 75 Jahre, war verheiratet, Mann Alkoholiker, fünf Kinder, ging nebenher noch arbeiten. Ersterkrankung 1968. Diagnose: chronische paranoide Psychose. Treffpunkte: Frau S., wie hat sich die Erkrankung auf Ihre Familie ausgewirkt? Frau S.: Negativ (Frau S. schweigt eine Weile bedrückt.) weil ich so viel in der Klinik war und immer so lange. Die Schwiegermutter passte dann auf die Kinder auf. Treffpunkte: Wie haben Verwandte und Bekannte reagiert? S.: Die haben gar nicht begriffen, was los ist. Meine Schwester fragte immer wieder, was fehlt dir denn, was fehlt dir denn? Es waren ja nicht nur die Verfolgungsängste. Ich kann das gar nicht beschreiben, wie das war. Es war schrecklich. Treffpunkte: Hatten Sie Unterstützung in dieser Zeit? S.: Nur in den ersten Jahren, als mein Mann getrunken hat. Da haben wir von der Caritas Warengutscheine bekommen. Treffpunkte 3/06 19 Thema Treffpunkte: Wie sieht Ihre Situation jetzt aus? S.: Gut ist es jetzt. (Frau S. strahlt). 1990 kam ich in die Tagesstätte und 1989 war ich das letzte Mal in der Klinik. Treffpunkte: Welche Bedeutung hat die Tagesstätte für Ihr Leben? S.: Dass ich nicht mehr alleine war, das hat mir sehr gut getan. Da gab es die Frau M., die hat sich sehr gekümmert. Die Tagesstätte ist sehr, sehr wichtig für mich. Ich kann mir das gar nicht mehr anders vorstellen. Ich komme gut mit den Leuten zurecht. Wir haben so eine Harmonie an unserem Rommé-Tisch. Treffpunkte: Ich glaube, Sie tun noch mehr, wenn ich an neue Besucher denke… S.: Ja, ja. (Frau S. lebt auf). Das berührt mich immer stark. Wenn sie nicht wissen, wo sie sich hinsetzen sollen, wo das Besteck ist und so. Ich bin freundlich zu ihnen und zeige es ihnen. Treffpunkte: Wie ist das mit den Jüngeren? S.: Die Jüngeren wollen immer mit den Älteren nichts zu tun haben. Aber wie ich so alt war wie sie, habe ich ans Kranksein noch gar nicht gedacht. Aber ich lasse es mir nicht anmerken, dass man als Alte nicht so gern gesehen ist. Treffpunkte: Was erhoffen Sie sich von der Zukunft? S.: Dass es so weiter geht, dass ich weiter kommen kann. Weil ich schon so lange da bin, habe ich manchmal Angst, dass der Landeswohlfahrtsverband nicht weiter für mich bezahlen will. Ich habe mir kürzlich ein Gruppenfoto aus der Anfangszeit der Tagesstätte angesehen. Von den ganzen damaligen Besuchern sind nur noch drei übrig, alle anderen sind gestorben. (Pause) Ich gehe immer so zufrieden nach Hause. Dann fühle ich mich so frei. Das tut die ganzen Sorgen, die man wirklich noch hat, die tut man dann verdrängen. »Ich gehe immer so zufrieden nach« »Hause — dann fühle ich mich so frei« Treffpunkte: Sie sind nun schon 16 Jahre in der Tagesstätte. Dachten Sie am Anfang, dass sie so lange bleiben würden? S.: Nein. Treffpunkte: Sie sind sehr engagiert und setzten sich gerne für andere ein. Was sehen sie als ihre Aufgabe in der Tagesstätte an? S.: Aufgabe, hmm, ich will mich mit den Leuten gut verstehen — und das tue ich auch. Wenn ich an den RomméTisch denke — das gefällt nicht nur mir, sondern auch den anderen. Treffpunkte: Denken Sie, dass sich in den nächsten Jahren für Sie persönlich noch etwas ändern muss? S.: Ich habe jetzt Hilfe im Haushalt. Das reicht erst mal. Nur das Einkaufen. Mein Sohn stöhnt dann, »Ach schon wieder, hast Du nicht jemanden anderen dafür?« Immer wieder das Problem: Wer macht es? In Tagesstätten können sich Menschen mit psychischer Erkrankung treffen, insbesondere wenn sie nach längeren Krankenhausaufenthalten noch weiteren Halt im Alltag brauchen. 20 Treffpunkte 3/06 Thema »Hier sind alle älter als ich, ich möchte mit Leuten zusammen sein, die im Denken und körperlich so fit sind wie ich« INTERVIEW MIT FRAU T. 31 Jahre alt; lebt alleine, hat einen elfjährigen Sohn, der bei Pflegeeltern lebt; erster Klinikaufenthalt 2002, seit 2003 in der Tagesstätte. Diagnose: paranoid-halluzinatorische Psychose. Treffpunkte: Sie hatten ja auch noch Betreutes Wohnen? T.: Ja. Das war gut, um zu reden, den Kopf frei zu kriegen, zu planen für die Zukunft, für die berufliche Wiedereingliederung. Treffpunkte: Was hat sich seit dem Tagesstättenbesuch positiv verändert? T.: Ich konnte mich vielfältig kreativ austoben und habe viele schöne Dinge für zu Hause angefertigt: Körbe, einen Teppich, Töpferwaren. Ich habe mich in verschiedenen Techniken ausprobiert. Treffpunkte: Was hat Sie dazu gebracht, sich in der Tagesstätte anzumelden? Frau T.: Die Arbeitslosigkeit. Ich saß zu Hause rum und wusste nicht, was ich tun soll. Die Klinik vermittelte ein Beratungsgespräch im Psychosozialen Zentrum und die rieten mir, in eine Tagesstätte oder in eine Werkstatt für Behinderte zu gehen. Ich hatte dann auch noch eine Weile Betreutes Wohnen. Treffpunkte: Gab es etwas, was sich negativ verändert hat? T.: Ja. Ich habe in meiner Leistungsfähigkeit abgebaut. Nach einer halben Stunde bin ich geschafft, brauche eine Pause. Ich weiß nicht, ob der Grund dafür ist, dass alle anderen auch Pause brauchen oder ob es mit meiner Psychose zusammenhängt. Ich bin ganz schön lahm und bequem geworden. Ich kriege mein Essen vor die Nase gestellt. Ich rauche mehr. Treffpunkte: Was dachten Sie, wie lange Sie die Tagesstätte besuchen werden? T.: Nur vorübergehend für ein paar Monate, bis ich Arbeit gefunden habe. Ich fand aber keine und habe Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt. Treffpunkte: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer momentanen Lebenssituation? T.: Ach, das bin ich schon so oft gefragt worden. Nachmittags gammele ich nur auf der Couch rum. In der Werkstatt ist das passé. Nach meinem Probetag dort wusste ich, dass ich was geschafft habe. Ich bin sehr zufrieden mit der Aussicht auf die Behindertenwerkstatt. Manchmal habe ich ein bisschen Sorge, dass ich es nicht schaffe. Direkt nach der Psychose war ich so fit, dass ich dreieinhalb Stunden auf dem freien Arbeitsmarkt arbeiten konnte. Treffpunkte: Was hat sich an Ihrer Zukunftsperspektive seither geändert? T.: Ja, dass ich jetzt in die Werkstatt gehen werde. Damals wollte ich nicht in die Werkstatt. Ich hatte Angst, nie mehr herauszukommen. Auch jetzt noch ist die Angst ein bisschen da. Aber hier sind alle älter als ich, oft auch gebrechlicher. Ich möchte mit Leuten zusammen sein, die im Denken und auch körperlich so fit wie ich sind. Auf demselben Leistungsniveau. Hier bin ich nicht ausgelastet, habe häufig Langeweile. »Ich bin ganz schön lahm und« »bequem geworden — ich kriege ja« »mein Essen vor die Nase gestellt« Treffpunkte: Was hatten Sie für Erwartungen an den Tagesstättenbesuch? T.: Ich habe die Tagesstätte als geschützten Raum, als Familie für vorübergehend gesehen. Ich wollte eine abwechslungsreiche Tagesgestaltung. Und diese Tagesstätte hier war deshalb voll mein Fall. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, obwohl keine jungen Leute hier sind, weil das Gruppenangebot so vielfältig ist. Treffpunkte: Wie sieht Ihre Zukunft in fünf Jahren aus? T.: Ich würde dann gerne in einem schnuckeligen kleinen Blumengeschäft arbeiten mit netten Angestellten. Am liebsten hätte ich ein eigenes Geschäft. — Wenn nicht, nehme ich mir einen Strick (Frau T. lacht). Treffpunkte: Wie hat die Tagesstätte Ihren Alltag verändert? T.: Ich stehe zeitig auf, habe einen geregelten Tagesablauf, Frühstück und Mittagessen, kann mich aussprechen. Es hat mir hier gut gefallen, im Ernst. Ich habe hier was geleistet. Die Gruppen haben Niveau. Treffpunkte 3/06 21 Forum Haldolverkoster »…und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch ein Schlückchen Haldol trinken.« Von Frank G. Weiser Der Autor ist 46 Jahre alt und seit drei Jahrzehnten manischdepressiv (Diagnose Zyklothemie). Durch Vermittlung eines Besuchers der Schreibwerkstatt des »Treffpunktes Süd« der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main bot der »Poet und Verseschmied«, wie er sich selbst bezeichnet, das nachfolgende Gedicht zur Veröffentlichung in den »Treffpunkten« an. »Die Poesie hilft, ohne wirklich befreien zu können.« Ein Haldol begossener Kohl soll Psychostress vermeiden, zieht besser rein als Alkohol — rattenscharf, ich kann´s beeiden. Das Spuckeschlucken quälend werden, dein Kehlkopf scheint gelähmt, torkelnd taumelst du benommen, als psycholabiler Gestörter von Welt. Zugegeben, es schmeckt bitter, doch auch Hopfen mundet herb, pro Monat einen viertel Liter, dann wird´s richtig hart und derb. Flüssig, hart oder gespritzt, Haldol wirkt effektiv, Haldolverkoster sind erhitzt, ein Dämon sie berief. Haldol erweckt brutalen Schauer, schürt Ängste, Panik, Wut, Neurose, der Albtraum drückt, gleich einer Mauer du lallst wie ein 3-Promille-Matrose. Vergiss es nie, dann bleibst du froh, Haldol ist so erquicklich, gleich den Figuren der Madame Tussaut lebst du überglücklich. Die Sabber kann unendlich fließen, der Daumen trocken wie ein Stein, Karbunkel auf der Nase sprießen, Verfolgungswahn stürzt herein. Dein Körper steift zum klirrend Zapfen, zur Eisschneeträne an der Rinne, Schneemanngleich erstarrt dein Stapfen, erfriert Instinkte, Freuden, Sinne. Frank. G. Weiser Beziehungen Was ist eine »gute« Beziehung, eine Beziehung, die man haben möchte? Was ist eine »schlechte« Beziehung, eine Beziehung, die man längst beendet hätte? In eine »gute« Beziehung gehören keine Auseinandersetzungen, es sei denn, GANZ SACHLICH UND AUF NETTE ART. 22 Treffpunkte 3/06 Eine »gute« Beziehung ist eine aggressionsfreie Beziehung; Man vergisst: Es gibt Aggressionen zwischen den Geschlechtern und es gibt zwischenmenschliche Aggressionen. Und alles das taucht in unserer Partnerschaft auf und belastet uns. Fazit: Man sollte nicht so streng urteilen, welche Beziehung »gut« und welche »schlecht« ist. Ursula Müller Die Autorin ist Besucherin des »Treffpunkt Süd« der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. in Sachsenhausen. Forum Die Geschichte vom Gänseblümchen Von Lenanskayani Es war einmal ein Gänseblümchen, das nach langen inneren Kämpfen beschlossen hatte, dass es leben wolle, auch wenn es keine schöne Rose, stolze Lilie oder solch eine prächtige Blume war, sondern einfach nur ein unscheinbares Gänseblümchen. Es wuchs unweit einer Parkbank auf einer Wiese und wenn es auch noch niemals als einzelnes Wesen bemerkt worden war, so doch zusammen mit all den anderen seiner Art; dann hatte es sich gefreut. Eines Tages setzte sich ein Mann, der sehr unzufrieden mit sich und seinem Leben war, in seiner Mittagspause auf die Bank. Eine Beförderung war ihm versagt geblieben. Er starrte wütend vor sich hin, und in seinem Blickfeld war… — unser Gänseblümchen. Der Mann stand auf und ging zu ihm hin. »Blöde kleine Pflanze du«, keifte er es an, stehst einfach nur dumm herum, während ich den ganzen Tag arbeiten gehe. Sag mir einen Grund, weshalb ich dich am Leben lassen sollte — los, wird’s bald?!« Das Gänseblümchen war bis ins Innerste erschrocken und bedauerte zutiefst, jemals den Wunsch gehabt zu haben, von einem Menschen bemerkt zu werden. Es konnte nur noch stammeln: »Aber ich bin doch bloß, was ich bin, ich habe dir doch nichts getan…«, als der Mann es auch schon zornig packte — und es einfach abriss. Durch das kleine Pflanzenkörperchen wogt ein höllischer Schmerz. Seine inneren Säfte gerieten in ein totales Chaos. Ihm wurde schwindlig und schwarz vor den Augen, tausend Krämpfe schüttelten es, und es weinte. Kurz bevor sein Köpfchen vom Schuh des Mannes zermalmt wurde, dachte es nur: »Warum bloß?« Deshalb war es einmal, das Gänseblümchen. Leserbrief Die Autorin, die hier ein Pseudonym benutzt, ist seit über 20 Jahren psychiatrieerfahren, nachdem sie im Alter von 23 Jahren an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt war. Bild rechts: Eine Arbeit von »Degas«, einer seit Jahrzehnten psychisch kranken Frau, die viele Male zur Behandlung im Waldkrankenhaus Köppern war. Die Veröffentlichung erfolgt mit Zustimmung der Künstlerin. Treffpunkte 1/06 21 Betr.: »Die Geschichte vom Gänseblümchen« von Lenaskayani in den »Treffpunkten« 1/2006 Die Geschichte hat mich sehr berührt. Wie leicht verletzen wir andere aus eigenem Frust heraus oder einfach aus mangelndem Respekt vor dem Leben. Manche werden dadurch gebrochen oder verbittert. Als ich den letzten Satz las: »Deshalb war es eine Gänseblümchen«, da entstand in meinem Herzen ein großes NEIN. Es ist immer noch ein Gänseblümchen, es blüht nur nicht mehr! Die anderen nehmen es vielleicht nicht mehr wahr, aber die Wurzeln unter der Erde, die können eine neue Blüte treiben. Vielleicht nicht mehr dieses Jahr, vielleicht muss erst ein Winter überstanden werden, aber im nächsten Frühjahr, da kann es neu austreiben, wenn es dem mächtigen Ruf der Frühlingssonne folgt. Solange es seine Wurzeln hat, ist es unzerstörbar. Das möchte ich dem Gänseblümchen zurufen, denn dies ist meine Erfahrung. Niemand kann Dich zerstören, wenn Du Dir Deiner Wurzeln bewusst bleibst. Die Erde wird Dich nähren und neu erblühen lassen. Du musst darauf vertrauen. Christiane Hagel, Friedrichsdorf Photo: Paul M. Albert Treffpunkte 3/06 23 Forum »Also munter weiter bewerben« Erfahrungen bei der Stellensuche Von Markus Gutperl Im vorigen Heft (»Treffpunkte« 2/2006) beleuchteten wir die Arbeitsmarktsituation psychisch kranker Menschen, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet. Ein Fazit lautete: Der Arbeitsmarkt ist seit einigen Jahren im Umbruch. Produktionsgüter und Dienstleistungen sind zwar weiterhin gefragt, aber der Mensch, der sie produziert, ist als »Kostenfaktor« zu teuer. Ähnliche Erfahrungen machte auch einer unserer Leser. Hallo Leute, als Erstes möchte ich mich vorstellen. Mein Name ist Markus Gutperl, ich bin 43 Jahre alt und gelernter Koch, Feinmechaniker und zu guter Letzt PC- und Netzwerkfachkraft. Ich lebe mit meiner Lebensgefährtin und unserem gemeinsamen Sohn, der bald vier Jahre alt wird, in Niederursel. Meine Partnerin und ich sind psychisch vorbelastet, wir waren schon in der Betreuung der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main. Soweit, so gut. Kommen wir mal auf den Punkt. Ich möchte euch über meine Erfahrungen bei der Jobsuche berichten. Ich habe einen sehr bunten Lebenslauf, will heißen, dass ich bedingt durch meine Krankheit öfter mal den Job wechselte. 1994 begann ich in der Reha-Werkstatt Eschersheimer Tor zu arbeiten. Dort war ich in der damals noch bestehenden Metallgruppe, da ich 1990 meine Prüfung als Feinmechaniker bestanden hatte. Nach mehreren Umstrukturierungen und gutgemeinter Praktika, u. a. drei Monate bei der Firma FAG wuchs 24 Treffpunkte 3/06 nach neun Jahren Arbeit und wenig Geld der Wunsch in mir, doch noch mal eine Qualifikation zu erwerben und so begann ich meine Qualifikation als PC- und Netzwerkfachkraft im Berufsförderungswerk Frankfurt am Main. Gesponsert wurde ich von der Landesversicherungsanstalt, bei der ich ja schon jahrzehntelang eingezahlt hatte. Diese Qualifikation begann im August 2003 und endete Ende August 2004 mit Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer: Frohen Mutes ging ich an die Jobsuche. Man muss immer dazusagen, dass man erst mal seine Anträge auf Arbeitslosengeld (ALG) stellen muss. Aber es gestaltete sich dahingehend etwas schwierig, da ich durch meine neunjährige Reha-Tätigkeit kein ALG I sondern ALG II bekam. Ich hatte aber noch Glück, da mir die Landesversicherungsanstalt drei Monate mein Übergangsgeld weiter zahlte. Doch nun zur Jobsuche. Ich bewarb mich am Anfang natürlich verschärft um Stellen im Bereich der Informationstechnologie (IT). Die Krönung war eine Zeitarbeitsfirma aus Köln, die IT-ler suchte und deswegen eine Informationsveranstaltung in einem namhaften Hotel in Bad Soden machte. Dort erschienen 40 bis 50 Arbeitssuchende vom Fach. Geplant war der Aufbau eines Servicenetzes im RheinMain-Gebiet. Als Techniker sollte man im First–Level–Support Kundschaft betreuen. Man bekam keine feste Zusage, sondern wurde vertröstet. Nachdem die ersten Stellen besetzt waren, rief mich der Boss der Firma an und bot mir eine weitere (geschmälerte) Stelle an, bei denen ich zwar zusagte, aber aus der von seiner Seite aus nichts wurde. Nebenbei suchte ich via Internet, d. h. ich stellte meinen Lebenslauf für Arbeitgeber zur Verfügung, doch auch daraus wurde nichts. Besinnend auf meinen bunten Lebenslauf, begann ich nach einem halben Jahr mich auf alles zu bewerben, was für mich in Frage kam, bekam weiterhin Absage über Absage. Zwischendurch hatte ich wegen meines Allroundtalents immer mal die Möglichkeit einen Euro nebenher zu machen, was auch und bedingt notwendig war. Photo: Paul M. Albert Vom Arbeitsamt konnte man mal abgesehen von fünf Euro pro Bewerbung und ALG II sowieso nichts erwarten. Mein Entschluss, sich mithilfe des Arbeitsamtes selbstständig zu machen, kam etwas spät, da sämtliche Mittel (im Allgemeinen) ausgeschöpft war. Also, munter weiter bewerben. Kanäle u. a. reinigen durfte und dies bei einem Stundenlohn von 7,02 Euro und ohne jegliche Zulage — war wohl das Allerletzte, was mir passieren durfte. Ich wurde innerhalb der halbjährigen Probezeit zweimal körperlich krank und somit entlassen. Ich bewerbe mich bei fast allen Supermärkten, die da heißen Mediamarkt, Saturn, MiniMal, Plus… Die Hammerabsage kam von einem Getränkeladen, der mir in der Absage mitteilte, dass während Aufräumarbeiten im Betrieb meine Bewerbungsunterlagen aufgetaucht wären und dass die Stelle (nach zwei Monaten) schon besetzt sei. Ich schob einen Oberhals und bewarb mich weiter. Im Augenblick läuft eine Bewerbung über eine Zeitarbeitsfirma, die Leute für die Gepäckabfertigung beim Flughafen suchen. Natürlich gab und gibt es (so ganz nebenbei….) auch meine kleine Familie, um die ich mich sorgte und sorgen werde. Also, Leute, alles senkrecht (oder…?!?). Euer Markus Anfang September bekam ich dann eine Stelle als Produktions- und Lagerhelfer bei einer Zeitarbeitsfirma in Oberursel. Diese Stelle begann ich von einem auf den anderen Tag und wurde nach einigen kleinen Jobs bei einer Saugwagenfirma angestellt, wo ich dann neun bis zwölf Stunden Treffpunkte 3/06 25 Informationen Notizen Krisendienst länger erreichbar Der Psychosoziale Krisendienst der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. sichert außerhalb der allgemeinen Dienstzeiten der Beratungsstellen und sonstigen Dienste in Notlagen psychosoziale und ärztliche Hilfe. Das durch die Stadt Frankfurt am Main finanzierte Angebot wendet sich an Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen, die an einer akuten ernsthaften Störung ihrer seelischen Gesundheit leiden, sowie deren Angehörige, Freunde, Bekannte und Nachbarn. Den Anrufenden stehen überwiegend Gesprächspartner zur Verfügung, die in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in sozialpsychiatrischen Diensten und Einrichtungen tätig sind. Der Krisendienst ist nun noch länger erreichbar, nämlich montags bis freitags von 17.00 nachmittags bis 1.00 Uhr nachts und an Wochenenden und Feiertagen von 9.00 vormittags bis 1.00 Uhr nachts. Die Telefonnummer hat sich nicht geändert; sie lautet nach wie vor: Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V., Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main, Telefon 069 96201869, Fax 069 627705, E-Mail [email protected], Internet http://www.bsf-frankfurt.de Geschäftsführung wird gestärkt Die außerordentliche Mitgliederversammlung der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. (vgl. Pünktlich zum Frühlingsanfang hat das Psychosoziale Zentrum der Frankfurter Werkgemeinschaft im Löwenhof mitten im Frankfurter Stadtteil Bornheim seine Pforten offiziell geöffnet. Am 20. März 2006 feierten zahlreiche Gäste, die vom Vorsitzenden Hartmut Fritz und dem Geschäftsführer Dr. Torsten Neubacher herzlich begrüßt wurden. Nach fast 15 Jahren in der Lenaustraße 24 sind nun die Psychosoziale Beratungsstelle und das Betreute Einzelwohnen in der Löwengasse 27 (Löwenhof, Haus D und F) angesiedelt. Neben den beiden Einrichtungen finden auch ein Teil der Tagesstätte und der Klub Känguruh hier ihr Zuhause. Der Löwenhof ist ein ehemaliges Fabrikgelände, das heute ein Kulturund Medienzentrum ist, in dem nun kreative Dienstleitungs- und Handwerksbetriebe ihr Domizil haben. Mit dem Bezug der neuen Räume nimmt das Projekt der Frankfurter Werkgemeinschaft <re-start> seine Tätigkeit auf. Dieses Angebot richtet sich an psychiatrieerfahrene Menschen, die auf der Suche nach individuell angepassten Tätigkeiten sind und ihren Wunsch nach einem Neubeginn (»restart«) verwirklichen wollen. Lokale Informationen im Internet Die Stadt Frankfurt am Main hat vor einiger Zeit ihren Internet-Auftritt neu geordnet. Das Stadtgesundheitsamt bietet nun auf seinen Seiten in der Rubrik »Psychische Gesundheit« umfangreiche Informationen zu seinen Angeboten und denen anderer Träger in Frankfurt am Main an. Internet http://www.gesundheitsamt. stadt-frankfurt.de Krisendienst Telefon 069 611375 26 Treffpunkte 1/2006) hat Ende März 2006 stattgefunden. Verabschiedet wurden die diskutierten Satzungsänderungen: Neben der Mitgliederversammlung und dem Vorstand ist nun auch die Geschäftsführung ein Organ des Vereins nach § 30 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese Neuordnung soll die Professionalisierung der hauptamtlichen Arbeit des Vereins unterstützen und damit das wirtschaftliche Überleben in der rauer werdenden sozialen Versorgungslandschaft gewährleisten. Die Neufassung der Satzung wird an alle Mitglieder versendet und auf der Website veröffentlicht. Aktion Psychisch Kranke diskutiert Hilfen für alte Menschen Am 14. und 15. November 2006 findet im Rathaus Schöneberg in Berlin die Treffpunkte 2/06 Jahrestagung der Aktion Psychisch Kranke statt. Im Mittelpunkt steht das vom Bundesministerium für Gesundheit von Mai 2004 bis Oktober 2006 geförderte Projekt »Handlungsempfehlungen zur Organisation und Finanzierung von personenzentrierten Hilfen für psychisch kranke alte und demente Menschen«. Die zentralen Erkenntnisse des Projektes und deren Konsequenzen für die zukünftige psychiatrische Versorgung sollen mit Politikern, der Fachöffentlichkeit und Interessierten diskutiert werden. Die Aktion Psychisch Kranke ist ein von Einrichtungen und Kostenträgern unabhängiger Zusammen- schluss von Politikern und Psychiatrieexperten. Aktion Psychisch Kranke e. V., Brungsgasse 4—6, 53117 Bonn, Telefon 0228 676740, Fax 0228 676742, E-Mail [email protected], Internet http://www.psychiatrie.de/apk Projekt »Förderstelle unabhängiger Beschwerdestellen« angelaufen Anfang April 2006 fand in Fulda der erste Workshop des Projektes »Förderstelle informationen unabhängiger Beschwerdestellen« der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) statt. Teilnehmer waren psychiatrieerfahrene Menschen und Vertreter unterschiedlicher Beschwerdemöglichkeiten in der Psychiatrie. Ergebnis der Veranstaltung war die Forderung nach einer ständigen zentralen Anlaufstelle für Beschwerdemöglichkeiten in der Psychiatrie, die Informationen zu Aufbau und Finanzierung von unabhängigen Beschwerdestellen sowie Beratung zu Beschwerden geben kann. Diese Stelle könnte auch als Kontrollinstanz für unabhängige Beschwerdestellen dienen. Außerdem wurden möglichst kostengünstige Fortbildungen für Mitarbeiter von Beschwerdemöglichkeiten gewünscht, die Gesprächstechniken, Kenntnisse über Krankheitsbilder und Behandlungsmöglichkeiten oder auch Informationen über Aufbau und Form von unabhängigen Beschwerdestellen vermitteln. Daneben wünschten sich die Teilnehmer schriftliche Informationen zum Aufbau von unabhängigen Beschwerdestellen, zu Finanzierungsmöglichkeiten, Rechtshinweisen mit Fallbeispielen und ein möglichst umfassendes Werk mit Adressen aller Beschwerdemöglichkeiten. Über eine Website (www.beschwerdepsychiatrie.de) können die Adressen unabhängiger Beschwerdestellen abgerufen werden. Hier wird auch ein Austauschforum zu Beschwerden und Beschwerdemöglichkeiten in der Psychiatrie installiert, an dem jeder teilhaben kann. Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] »Mächtig Gewaltig Sozial — vom Umgang der (sozialen) Psychiatrie mit Grenzen« Die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie findet statt vom 23. bis 25. November 2007 in Potsdam. Thema: »Mächtig Gewaltig Sozial — vom Umgang der (sozialen) Psychiatrie mit Grenzen«. Denn, so die Begründung, alle Fortschritte in der psychiatrischen Versorgung dürfen nicht davon ablenken, dass Psychiatrie einen doppelten Auftrag hat. Ein Teil besteht in Behandlung, Heilung, Betreuung und Integration, generell in der Arbeit für das Wohl der Patienten. Anderseits wird erwartet, dass psychiatrische Dienste im Auftrag des Gemeinwesens Grenzen setzen, Kontrolle ausüben, Schutz bieten — immer dann, wenn Menschen im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung stören, mit Gewalt drohen oder Gewalt anwenden. Auch der Schutz des Patienten vor sich selbst, vor seinen selbstverletzenden und suizidalen Impulsen gehört hierher. Wie geht Psychiatrie heute mit der »ungeliebten Seite« ihres Auftrages um, auf welche Erwartungen trifft sie und welche Voraussetzungen hat sie: Seitens der forensischen Psychiatrie gibt es den Vorwurf des Versagens, wenn Patienten trotz gemeindepsychiatrischer Betreuung straffällig werden. Mitarbeitende der ambulanten Dienste beklagen ihre Situation als Einzelkämpfer, in der sie sich gegenüber schwierigen Patienten als macht- und schutzlos erleben. In Kliniken und Heimen scheint es immer noch rechtsfreie Räume zu geben, in denen weder Patienten noch Personal auf Gehör bei Polizei oder Staatsanwalt hoffen dürfen. Wenn von Gewalt und Grenzen die Rede ist, müssen nicht zuletzt auch Grenzüberschreitungen durch psychiatrisch Tätige thematisiert werden. Bedenkenswert sind auch die gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen, unter denen heute Psychiatrie stattfindet. Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] Psychisch krank im Beruf Jeder zwölfte Arbeitsausfalltag in Deutschland ist mit einer psychiatrischen Diagnose verbunden. Dies belegt der jüngste BKK Gesundheitsreport. Die stetige Zunahme der Erkrankungen und der damit verbundenen Fehltage stellt aber nicht nur die betroffenen Beschäftigten sondern auch ihre Kolleginnen und Kollegen und ebenso die Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Die Praxishilfe »Psychisch krank im Job. Was tun?« bietet Betroffenen wie Führungskräften gleichermaßen Orientierung und kompetente Hilfe. Sie ist gemeinsam von der FamilienSelbsthilfe Psychiatrie (BApK e. V.) und dem BKK Bundesverband entwickelt worden. Der BKK Bundesverband ist die Spitzenorganisation der rund 200 Betriebskrankenkassen und ihrer acht Landesverbände. Betroffene Mitarbeiter, aber auch deren Kollegen und Personalverantwortliche erfahren in der Schrift Wissenswertes über psychische Erkrankungen und erhalten Unterstützung für den Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern. Einzelpersonen oder auch interessierte Verantwortliche aus Unternehmen können die Praxishilfe »Psychisch krank im Job. Was tun?« kostenlos anfordern. BKK Bundesverband, Kronprinzenstraße 6, 45128 Essen, Telefon 0201 17901, E-Mail [email protected], Internet http://www.bkk.de Unsere Arbeit macht psychisch krank Immer mehr Menschen in der Schweiz werden als »psychisch invalid« beurteilt. Macht uns die Arbeit psychisch krank? Das diesjährige Forum der Schweizer Caritas ging der Frage nach, wie es um eine Gesellschaft steht, in der viele Menschen mit dem Stempel »psychisch krank« aus der Arbeitswelt ausgeschlossen werden. An der Veranstaltung nahmen fast 400 Personen aus Wirtschaft, Politik und dem Sozialwesen teil. Die Faktenlage ist klar: Nach dem Schweizer Bundesamt für Statistik leidet fast die Hälfte der Treffpunkte 2/06 27 Informationen Erwerbstätigen an ihrem Arbeitsplatz unter starker nervlicher Belastung. Bei gut einem Drittel der IVNeurentner ist die Invaliditätsursache eine psychische. Ruedi Meier (Foto), Sozialdirektor der Stadt Luzern und Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik zeigte auf, dass heute »vor allem schwierig zu vermittelnde Personen früher ausgesteuert und in die Sozialhilfe verwiesen werden«. Nun steige der Druck auf die Sozialhilfe von allen Seiten. Sie sei eingeklemmt zwischen Arbeitsmarkt und den Sozialversicherungen. »Auch wenn das Problem häufig in der mangelnden Qualifikation der Arbeitslosen und Arbeitssuchenden liegt, so bleibt die Grundtatsache bestehen: Es gibt zu wenig Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt. Ohne zusätzliche Anstrengungen der Wirtschaft, neue Partnerschaften von Wirtschaft und Sozialhilfe sowie neue Wege der Sozialhilfe werden die Probleme immer größer, sind kaum mehr bewältigund finanzierbar.« Neisa Cuonz (Foto), die Leiterin Fachdienst für berufliche Eingliederung in Luzern, ging auf die Eingliederung von Menschen mit einer psychischen Behinderung in den Arbeitsmarkt ein. Voraussetzung dafür seien entspre- 28 chende flankierende Maßnahmen. »Eine erfolgreiche Eingliederung ist nur in einem interdisziplinären Team möglich, wo sowohl medizinisch-psychiatrische Aspekte als auch Eingliederungs- und Arbeitsmarktaspekte einbezogen werden. Eine behinderungsangepasste Eingliederung bedingt somit eine individuelle und kreative Lösung des Problems.« Livia Leykauf, Abteilung Information bei Caritas Schweiz, E-Mail [email protected] Beckham »etwas verrückt« Der 30-jährige Fußballstar von Real Madrid, David Beckham, leidet nach eigenem Eingeständnis an einer zwanghaften Verhaltensstörung (OCD). »Bei mir muss immer alles in einer geraden Linie liegen oder wenigstens zwei und zwei zusammen«, zitierte ihn die Zeitung »Sunday Times«. Seine Frau halte ihn schon für etwas verrückt, weil er ständig am Aufräumen sei; sie habe ihn auch gebeten, sich nicht weiter tätowieren zu lassen. Beckham wörtlich: »Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber mir macht der Schmerz der Tätowierungsnadel richtig Spaß.« Treffpunkte 2/06 Zahl der Betreuungen steigt Immer mehr Menschen in Hessen werden von einem Betreuer unterstützt. Insgesamt wurden 2005 genau 85.119 Betreuungen durchgeführt, bei denen der jeweils bestellte Betreuer in einem festgelegten Umfang für den Betroffenen in rechtlichen Angelegenheiten handelt. Aufgrund der Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung und der Veränderung der Familienstrukturen steigt der Bedarf. Orientierungslosigkeit und des persönlichen Scheiterns an der so genannten Freiheit.« Die Jagd nach den vielfältigen Optionen, so Streuli, lasse scheinbar kaum mehr Zeit für Sozialkontakte, für Muße und Anteilnahme am Leben anderer. Der deutsche Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Horst-Eberhard Richter stellte Hessisches Sozialministerium, Dostojewskistraße 4, 65187 Wiesbaden, Telefon 0611 817-0, Fax 0611 89084-0, E-Mail [email protected], Internet http://www.hsm.hessen.de Vom Ich zum Wir Immer mehr Menschen fühlen sich einsam in einer Gesellschaft, in der es doch wahrlich nicht an Kommunikationsmitteln fehlt. Biografische Brüche und Veränderungen in der Arbeitswelt sind häufige Einsamkeitsfallen. Am Forum der Caritas Schweiz Anfang des Jahres zeigten Fachleute die Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und den wirtschaftlichen und politischen Strukturen auf. Der Charakter der Einsamkeit habe sich verändert, erläuterte Elisa Streuli, Dozentin an der Hochschule für Pädagogik und Soziale Arbeit beider Basel. »War früher das Einsamkeitsrisiko ein Ausdruck von unabänderlichen Gegebenheiten, von Abhängigkeiten und rigiden sozialen Kontrollen, so ist es heute ein Ausdruck der in seinen Ausführungen fest: Die Tendenz gehe in den vergangenen Jahren mehr vom »Ich« zum »Wir«. »Es sieht also so aus, dass die Menschen in dem narzisstischen Rückzug auf das Ich nicht genügend Schutz gegen den Druck der ökonomischen Bedrohungen gefunden haben. Auch die wachsende Gefährdung der Arbeitsplätze, die notwendigen Verzichte zur Erhaltung der Betriebe, zur Sicherung der Renten und zur Gesundheitsversorgung spielen eine entscheidende Rolle.« Er kritisierte den »destruktiven Wettlauf um die Vorherrschaft der Wirtschaft, in der Rüstung, in der Eroberung des Weltraums, in der Eroberung von Patenten in der Pharmakochemie und in der Gentechnik.« Die Isolation in der Arbeitswelt war das Hauptthema des Genfer Nationalrats und Vizepräsidenten der Grünen, informationen Ueli Leuenberger. »Heute haben viele Angestellte das Gefühl, nichts als eine Nummer zu sein. Dazu gibt es verschiedene Erklärungen: die Anonymität der Entscheidungsträger und Besitzer von Firmen, der Mangel an gemeinsamen Projekten und die Angst vor der Zukunft.« Martin Kronauer, Professor für Gesellschaftswissenschaft an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, zeigte in seinem Referat auf, dass etwa Langzeitarbeitslose im persönlichen Umfeld häufig mit anderen Arbeitslosen zusammenträfen, während beruflich stabil Verankerte in erster Linie mit Menschen in ähnlich stabiler Lage zu tun hätten. »Die problematischen Folgen dessen liegen auf der Hand. Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Beschäftigungssystem werden demnach durch soziale Beziehungen der Tendenz nach weniger ausgeglichen als vielmehr reproduziert, wenn nicht gar in einer Negativspirale verstärkt.« Auch Pierre Weiss, der Leiter des Bereichs Dokumentation und Kommunikation beim Verband der Westschweizer Unternehmen in Genf bezog sich auf die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Seiner Meinung nach sind neue Arbeitsformen wie zum Beispiel die Telearbeit zwar nicht ohne Risiko bezüglich Einsamkeit, sie böten aber auch neue Chancen. Entscheidend sei, ob die Arbeitsform freiwillig gewählt oder verordnet sei. Caritas Schweiz, Telefon +41 (0) 79 0370263, Internet http://www.presseportal.ch Bücher Basiswissen zum Betreuten Wohnen Ein Buch das Basiswissen vermittelt und die Grundlagen des Betreuten Wohnens auf 144 Seiten erklärt. Gunda Schlichte stellt mit persönlicher Note eine prägnante Einführung mit allen wichtigen Details die Arbeit im Betreuten Wohnen mit psychisch kranken Menschen vor. Alle zugehörigen Themen ums Wohnen mit ihren Rahmenbedingungen füllt sie mit Erfahrungen aus ihrer dreizehnjährigen eigenen Arbeit in diesem Bereich. Neben dem Alltagsgeschehen in der Betreuung fließen Rahmenbedingungen, Methoden, Mitarbeitereinstellungen sowie die Teamarbeit selbstverständlich arbeit spielt, kommt zum Tragen, denn die Selbstständigkeit und die Selbstzufriedenheit des zu Betreuenden ist nicht vorhersehbar und nicht berechenbar. Eine Lektüre, die sich hervorragend für Anfänger eignet, die einen Einblick in das vielfältige Arbeitsfeld bekommen, und den bereits langjährigem Praxiserprobten in Breite ihre weitgefächerte Arbeit gewürdigt sehen. (Christel Gilcher) heißt es im ersten Teil des Buches, in dem dialoghaft das Wesen der Therapie erläutert wird. Im zweiten Teil wird Lisas Geschichte erzählt und erst im dritten Teil, nach dem Tod ihres Mannes, beginnt Lisa eine Therapie, weil sie ihre Einsamkeit und ihre Angst nicht mehr alleine bewältigen Gunda Schlichte: Betreutes Wohnen. Hilfen zur Alltagsbewältigung. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005. 144 Seiten. 14,90 Euro. ISBN 3-88414-391-3. »Wohin, wohin mit meiner Angst?« »Tief verdrängtes, frühes Kindheitsleid kann man nicht herausdenken, schon gar nicht herausgrübeln, sondern nur herausfühlen«, kann. Langsam erklimmt sie die Leiter, die in ihre Vergangenheit führt. »Ich habe gefühlt, wie ich als kleines 18. Frankfurter Psychiatriewoche 15. bis 22. September 2006. Zahlreiche Veranstaltungen überall in Frankfurt am Main. AUSFÜHRLICHER INFORMATIONSTEIL IN DER HEFTMITTE mit ein. Die Bewältigung von Konfliktsituationen mit psychisch Kranken in allen ihren Facetten sind immer wieder präsent in ihren Schilderungen. Dass dabei der Faktor Zeit eine große Rolle in der Betreuungs- Informationen auch im Internet. http://www.psychiatrie-frankfurt.de. Treffpunkte 2/06 29 .. Informationen Kind immer so herumstand, einsam und verlassen.« Bis zu ihrem Geburtstrauma kann Lisa zurückgehen. Ein Dammbruch der Gefühle vollzieht sich, in dem alles Angestaute und Verdrängte seinen Weg in die Freiheit findet. Dieses Wiedererleben längst vergangener Gefühle führt sie zu einer neuen individuellen Freude. Der Bann ist gebrochen, der Weg zur Lebensfreude öffnet sich. (Waltraud Gehrmann) 10 Jahre Paritätische Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Mainz. 29. und 30. September 2006 in Mainz. Anneliese Ude-Pestel: Lisa. »Wohin, wohin mit meiner Angst?« Porträt einer Psychotherapie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. 128 Seiten. 8,- Euro. ISBN 3-423-34217-X. 34. Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. 6. bis 8. Oktober 2006 in Tübingen. Termine Paritätisches Gesundheitszentrum Drechslerweg 25, 55128 Mainz, Telefon 06131 789648, Fax 06131 789644, E-Mail [email protected] Schuld und Scham im Kontext von Suizidalität und Krisenprozessen Arbeitskreis Leben e. V., Österbergstraße 4, 72074 Tübingen, E-Mail [email protected], Internet http://www.ak-leben.de/ Regional/Reut_tueb/DGS.htm »Hand an sich legen« Umgang mit Suizidalität. 9. und 10. Oktober 2006 in Fulda. Seminargebühr mit Verpflegung 205,- Euro. »Ent- und ver-wickelt« Junge psychisch erkrankte Erwachsene zwischen Pädagogik und Psychiatrie. 18. und 19. September 2006 in Fulda. Seminargebühr mit Verpflegung 205,- Euro. Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] »…damit zusammenwächst, was zusammengehört« Gemeindepsychiatrie — Klinik und Alltag in Wissenschaft und Praxis verbinden. 30 Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] Wanderer zwischen den Welten Integration, Duldung, Abschiebung? 5. Fachtagung Migration und Psychiatrie, 18. Oktober 2006 in Düren. Information und Anmeldung: Sekretariat Dr. Knauer, Ärztlicher Direktor, Rhein. Kliniken Düren, Sigrid Brüll, Telefon 02421 402244, E-Mail [email protected] Treffpunkte 2/06 »Es geht auch anders!« Innovative Projekte verändern die Gemeindepsychiatrie. Personenzentrierte Hilfen in der Praxis. 26. und 27. Oktober 2006 in Bad Nauheim. Landeswohlfahrtsverband Hessen, Ständeplatz 6—10, 34117 Kassel, Telefon 0561 1004-0, Fax 0561 10042595, E-Mail [email protected], Internet http://www.lwv-hessen.de »Störfälle« Zum Verständnis und Umgang mit selbstschädigendem Verhalten. 27. und 28. Oktober 2006 in Fulda. Seminargebühr mit Verpflegung 205,- Euro. Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] Was ist Beziehung heute wert? Psychodynamische Psychiatrie zwischen Beziehungsarbeit und störungsspezifischer Technik. 7. Fachtagung der Norddeutschen Arbeitsgemeinschaft Psychodynamische Psychiatrie (NAPP e. V.). 3. und 4. November 2006 in Neustadt in Holstein. Dr. med. Angela Schürmann, psychatrium Gruppe Wiesenhof, 23730 Neustadt in Holstein, Telefon 04561 6114640, Fax 04561 6114760, E-Mail [email protected] Tagung der Sozialdienstleistungen 15. November 2006 in Bad Homburg Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen e. V., Große Seestraße 43, 60486 Frankfurt am Main, Telefon 069 79405570, Fax 069 79405301, E-Mail [email protected], Internet http://www.lag-werkstaetten.de Wohlfahrtspflege und soziale Dienstleistung Referenten: Klaus-D. Liedke (Lebensräume Offenbach), Prof. Dr. Reinhard Peukert (Fachhochschule Wiesbaden). 16. bis 18. November 2006 in Wiesbaden. Fachhochschule Wiesbaden, Weiterbildung am Fachbereich Sozialwesen, Kurt-SchumacherRing 18, 65197 Wiesbaden E-Mail weiterbildung@ sozialwesen.fh-wiesbaden.de, Internet http://www.sozialwesen. fh-wiesbaden.de Möglichkeiten der Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung für psychisch kranke Menschen und Methoden in der Beratungsund Betreuungsarbeit Referenten: Jörg Holke und Ulrich Krüger (Aktion Psychisch Kranke), Prof. Dr. Reinhard Peukert (Fachhochschule Wiesbaden). 20. bis 22. November 2006 in Wiesbaden. Fachhochschule Wiesbaden, Weiterbildung am Fachbereich Sozialwesen, Kurt-SchumacherRing 18, 65197 Wiesbaden E-Mail weiterbildung@ sozialwesen.fh-wiesbaden.de, Internet http://www.sozialwesen. fh-wiesbaden.de informationen »Mächtig Gewaltig Sozial — Vom Umgang der (sozialen) Psychiatrie mit Grenzen 23. bis 25. November 2006 in Potsdam. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V. Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V., Zeltinger Straße 9, 50969 Köln, Telefon 0221 511002, Fax 0221 529903, E-Mail [email protected] Internet http://www.psychiatrie.de Sozialrecht und Praxis in der Gemeindepsychiatrie Referenten: Jörg Holke (Aktion Psychisch Kranke), Prof. Dr. Reinhard Peukert (Fachhochschule Wiesbaden). 30. November bis 1. Dezember 2006 in Wiesbaden. Fachhochschule Wiesbaden, Weiterbildung am Fachbereich Sozialwesen, Kurt-SchumacherRing 18, 65197 Wiesbaden E-Mail weiterbildung@ sozialwesen.fh-wiesbaden.de, Internet http://www.sozialwesen. fh-wiesbaden.de Sorgen mit einem Schlag los sein will, muss Boxer werden. Wer alle Helmut Qualtinger österreichischer Kabarettist (1928—1986) Treffpunkte 2/06 31 Fragebogen Sieben Fragen an Stephan von Nessen Stephan von Nessen (41) ist seit 1987 Mitglied der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. und ihr 2. Vorsitzender. Zuvor hatte er seinen Zivildienst beim Verein abgeleistet und war vom damaligen Vorsitzenden, Christof Streidl, dazu ermutigt worden Medizin zu studieren. Nach dem Ende seines Studiums im Jahr 1994 arbeitet er als Arzt in der Psychiatrie. Zunächst war er viele Jahre der Leiter des Schlaflabors an der Niederräder Uniklinik, später arbeitete er in der Tagesklinik des Bamberger Hofes. Heute ist er Assistenzarzt der psychiatrischen Institutsambulanz der Fachklinik Hofheim. Seit 2004 ist Stephan von Nessen Mitglied des Redaktionsteams der »Treffpunkte«. 1. Was ist gut an der psychosozialen Versorgung in Hessen? Die ideenreiche Zusammenarbeit von größtenteils sehr engagierten, kompetenten und fast schon pathologisch optimistischen Mitarbeitern im gemeindenahen Verbund. 2. Was müsste in der psychosozialen Versorgung in Hessen dringend verbessert werden? Die ambulante Versorgung von traumatisierten Menschen! Opfer von Gewalttaten warten selbst hier in Frankfurt am Main teilweise länger als ein halbes Jahr auf professionelle Hilfe. Muttersprachliche Angebote für Migranten fehlen oft und selbst für Menschen, die unsere Sprache gut sprechen, finden sich in ländlichen Gegenden viel zu wenige entsprechende Therapieplätze. 3. Welches psychosoziale Angebot ist viel zu wenig bekannt? Der Integrationsfachdienst. Er unterstützt schwerbehinderte Menschen bei der Suche und dem Erhalt ihrer Arbeitsplätze. 4. Welchem Buch wünschen Sie viele Leserinnen und Leser? George Orwells »1984«! Nachdem das Orwelljahr nun schon über 20 Jahre vergangen ist, scheint sich kaum noch jemand für dieses Buch zu interessieren, obwohl es nach wie vor spannend und mit den Veränderungen, die sich nach dem 11.September 2001 ergeben haben, vielleicht aktueller den je ist. 5. Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen? »12 Monkeys« mit Bruce Willis auf DVD — war ein Geburtstagsgeschenk von einer wunderbaren Frau! 6. Sie haben plötzlich einen Tag frei — was würden Sie gerne machen? Ohne vorherige Terminvereinbarung zum (Zahn-) Arzt gehen, mein Auto zur Inspektion bringen und mir die Haare schneiden lassen. 7. Die Märchenfee erscheint — Ihre drei Wünsche? Dass Krieg, Folter, Vergewaltigungen und andere Unmenschlichkeiten von der Erde verschwinden, dass weltweit alle Verteidigungsetats für Bildung und Gesundheit eingesetzt werden und dass die Menschheit endlich ihre Verantwortung für den Planeten Erde erkennt und sich entsprechend verhält. 32 Treffpunkte 3/06 Leserservice »Psychisch kranke und behinderte Menschen mögen anders denken, fühlen, handeln — sie sind jedoch nicht anders geartet…« Christof Streidl (1939-1992) Keine Ausgabe verpassen — Treffpunkte abonnieren! Die Zeitschrift »Treffpunkte« ist ein Forum für alle Beteiligten in der ambulanten, teilstationären und stationären Psychiatrie sowie in der Sozialpsychiatrie. Die Zeitschrift berichtet über allgemeine Entwicklungen; das besondere Gewicht liegt auf regionalen Aspekten der Rhein-Main-Region. Gründungsmitglied der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V. und der Zeitschrift »Treffpunkte« Ihre Abonnements-Bestellkarte ist schon weg? Dann bestellen Sie formlos bei der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V., Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Bitte hier abtrennen Ja, ich abonniere ab sofort die Treffpunkte Frankfurter Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie. Das Jahresabonnement kostet 10,- Euro für vier Ausgaben. Das Abonnement kann schriftlichzum 31. Dezember jeden Jahres gekündigt werden. Name und Vorname Postleitzahl und Ort Ich zahle jährlich nach Erhalt der Rechnung Ich will mich nicht selbst um die Überweisung kümmern und stimme deshalb zu, dass die Abonnementgebühr von meinem Konto per Bankeinzug abgebucht wird. Der Einziehungsauftrag gilt bis auf Widerruf. Name des Kontoinhabers Kontonummer bei Geldinstitut Bankleitzahl Widerrufsbelehrung: Diese Bestellung kann ich ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen schriftlich bei der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V. Holbeinstraße 25-27 in 60596 Frankfurt am Main widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. / / Datum und Unterschrift Ihre Abonnements-Bestellkarte schicken Sie bitte ausreichend frankiert an die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e.V., Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Straße und Hausnummer