beim hausarzt ist die psyche in guten händen

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Hausarzt Medizin
Hausarzt Medizin
BEIM HAUSARZT IST DIE
PSYCHE IN GUTEN HÄNDEN
Nahezu jeder Zweite erkrankt während seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen
Störung. Verantwortlich dafür dürften auch die modernen Lebensumstände sein; denn dadurch gerät
die Psyche immer mehr unter Druck. Viele dieser Patienten werden vom Hausarzt betreut.
Psyche immer mehr unter Druck
Einen umfassenden Überblick
über den aktuellen Stand der
Forschung und der neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der
Psychiatrie gibt alljährlich der
Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Psychiatrie
und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
(DGPPN) (23. bis 26. November
2016 in Berlin).
Dr. med. Peter Stiefelhagen,
Starnberg
Leistungsdruck am Arbeitsplatz, vielfältige private Verpflichtungen, hohe eigene
Ansprüche und ständige Erreichbarkeit. „Dies sind wesentliche Faktoren, die das
Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen“, so Dr. Iris Hauth, Berlin. Doch Stress
ist nicht grundsätzlich negativ. Ein bestimmtes Stressniveau hilft sogar, Herausforderungen und Belastungssituationen zu meistern. Doch wenn der Stress überhand
nimmt, wird er ungesund. Folgen sind psychische Erkrankungen wie Depressionen
oder Angststörungen, aber auch körperliche Störungen wie Hypertonie, Tinnitus
oder eine vermehrte Anfälligkeit für Infektionen.
Depressionen und Angststörungen kommen in Städten deutlich häufiger vor als
auf dem Land. Menschen, die in einer Großstadt geboren werden, haben sogar ein
doppelt so hohes Schizophrenierisiko. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn von
Großstädtern bei negativem Stress deutlich empfindlicher reagiert als das von
Landbewohnern. Das stressige urbane Umfeld stimuliert vor allem die Amygdala
im Gehirn. Dieser Mandelkern übernimmt im limbischen System die Funktion eines Gefahrensensors und löst Reaktionen wie Furcht oder Angst aus. Eine ständige
Überaktivierung der Amygdala kann dann zu Depressionen oder Angsterkrankungen führen.
Foto: Adaption/ bakhtiarzein - Fotolia
Neue Ansätze in der Psychiatrie
Neben neuen Biomarkern könnten
schon bald mathematische Modelle und
Verfahren im Bereich der strukturellen
Bildgebung die Psychiatrie in revolutionärer Weise verändern; denn die Datenmengen, die zum Verständnis des
Gehirns und psychischer Störungen
analysiert werden, sind immens. So lassen sich mit mathematischen ModelDer Hausarzt 03/2017
len Verhaltensmuster analysieren, die
die Einschätzung des Krankheitsbildes
durch den Therapeuten ergänzen. Dies
dürfte vor allem bei Suchtpatienten von
Bedeutung sein. „Man hofft, mit komputationalen Ansätzen und mathematischen Methoden sogar psychische Erkrankungen vorhersagen zu können“, so
Professor Andreas Heinz, Berlin.
Die Digitalisierung eröffnet auch für
die Psychiatrie neue Möglichkeiten. So
wird man in Zukunft nicht nur Bewegungsabläufe sondern auch emotionale und kognitive Befindlichkeiten mittels „Smart Watches“ messen können. Es
gibt bereits Befunde, dass sich eine Demenz frühzeitig aus der Analyse von Bewegungsmustern erkennen lässt.
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Strukturelle Veränderungen
Schizophrenie und affektive Psychosen sind
schwerwiegende psychische ­Erkrankungen.
Sie treten meist in der Phase des Übergangs von der Jugend ins Erwachsenenalter erstmals auf. Bei jedem Zweiten nimmt
die Erkrankung trotz medikamentöser
und psychotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten einen schweren chronischen Verlauf. „Dieser ungünstige Verlauf
ist gekennzeichnet durch häufige Rückfälle, Beeinträchtigungen des Denkens und der
Konzentrationsfähigkeit sowie durch eine dauerhaft reduzierte soziale und berufli-
che Leistungsfähigkeit“, so Professor Nikolaos
Koutsouleris, München.
Im Kernspintomographen fanden sich bei Patienten mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko strukturelle Veränderungen im Gehirn,
die vor allem die in der Jugend reifenden
Stirn- und Schläfenregionen betreffen. Es
konnte sogar gezeigt werden, dass es möglich
ist, aus diesen Veränderungen mithilfe maschineller Lernverfahren Muster zu extrahieren, mit denen sich vielleicht eine genaue
Einzelfallprognose bezüglich eines späteren
Erkrankungsausbruchs erzielen lässt.
Soziodemographische
Einflüsse
Bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen sowohl biologische Faktoren wie genetische Belastungen und Stoffwechselveränderungen als auch
familiäre Bedingungen, belastende Lebenserfahrungen und andere Umweltfaktoren eine Rolle. „Die
Häufigkeit und Ausprägung psychischer Erkrankungen wird durch die Lebensumstände und durch das
Verhalten des einzelnen oder in der Gruppe entscheidend mit beeinflusst, wobei sich während des Lebens
sowohl die Umweltkontexte als auch die individuellen und gesellschaftlichen Risikokonstellationen
­ändern“, so Professor Michael R. Rapp, Potsdam.
Frühe Risikofaktoren für seelische ­Erkrankungen
sind Drogenkonsum der Mutter während der
Schwangerschaft und kindliche Traumatisierungen.
Eine zunehmende Rolle spielen auch Bildungsnachteile, Armut, soziale Ungleichheit, Diskriminierung
und chronische Erkrankungen. Im Rahmen der Prävention spielen somit sozialpolitische Interventionen nämlich Maßnahmen zur Antidiskriminierung
und Antistigmatisierung eine große Rolle.
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Viele Menschen gehen davon aus, dass Sexualstraftäter psychisch krank sind. „Doch in den meisten Fällen werden die Taten von psychisch gesunden Personen begangen“, so Dr. Nahlah
Saimeh, Lippstadt. Die These des psychisch kranken Sexualstraftäters greife zu kurz und stehe auch für ein falsches Bild
von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Bei den Sexualstraftätern handelt es sich um eine sehr heterogene Tätergruppe. Auch wenn es für die große Mehrheit der
Fälle nicht zutrifft, so können Sexualstraftaten mit gravierenden psychischen Störungen im Zusammenhang stehen. ­Dazu
gehören sexuelle Präferenzstörungen, Paraphilien, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenien und andere Psychosen.
Die genaue Analyse der Tätertypologie ist wichtig für die Ausrichtung der rückfallpräventiven Therapie. Im Vordergrund
der therapeutischen Bemühungen stehen deliktorientierte
psychotherapeutische Behandlungsverfahren. Ob und welche
Rolle eine psychische Störung bei einer Sexualstraftat gespielt
hat, beurteilen die Gerichte. Sie stützen sich dabei auf forensisch-psychiatrische Gutachten. Während schuldfähige Sexualstraftäter ihre Strafe in Justizvollzuganstalten verbüßen,
werden diejenigen, welche ein Richter aufgrund einer psychischen Störung als für nicht oder vermindert schuldfähig erklären, in eine Klinik des psychiatrischen Maßregelvollzugs
eingewiesen. Das Ziel dabei ist, den Patienten durch differenzierte Behandlungsangebote wieder zu einem straffreien, eigenverantwortlichen Leben in Freiheit zu verhelfen.
Der Hausarzt 03/2017
Foto: Adaption/ bakhtiarzein - Fotolia
Forensische Psychiatrie
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