Rede von Ministerin Heike Taubert anlässlich der Eröffnung des 1

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Rede
der Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit,
Frau Heike Taubert
anlässlich des 1. Fachtages für Psychiatrie
am 7. Dezember 2010, 13.00 Uhr
in Weimar, mon ami, Goetheplatz 11
Sperrfrist: Beginn der Rede!
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrte Frau de Rudder,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
über Ihre zahlreiche Teilnahme an dem 1. Fachtag
für Psychiatrie hier in Weimar freue ich mich sehr.
Belegt Ihre Teilnahme doch das große Interesse an
dem Thema, an den künftigen Entwicklungen und
Ihren eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten.
Schon Seneca hat formuliert: „Zukunft - das ist die
Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute
tun kannst, nicht getan hast.“
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Lassen Sie uns daher heute den großen Rahmen
spannen und überlegen, was wir gemeinsam tun
können, um – wie es Seneca ausdrückt – in Zukunft
nicht bereuen zu müssen, was wir heute unterlassen
haben.
Wir sind uns einig: Die Gesundheit ist unser
höchstes Gut.
Gerade zum anstehenden Jahreswechsel werden wir
uns alle Glück und Gesundheit wünschen.
Und Gesundheit umfasst die körperliche, geistige
und die seelische, also die psychische Gesundheit.
Besondere Aufmerksamkeit erlangt die seelische
Gesundheit jedoch für uns deshalb, weil wir wissen,
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dass die Lebenszeit, welche durch psychische
Erkrankungen verloren geht, gegenüber vielen
anderen Krankheiten die längste ist. Die Linderung
der Erkrankung dauert oft Monate und Jahre, auch
wenn der einzelne Patient nicht sichtbar nach
außen leidet.
Es ist nachgewiesen, dass die Anzahl der
psychischen Erkrankungen – auch wenn es sie
immer schon gegeben hat – in den vergangenen
Jahren deutlich zugenommen hat.
Wir sehen uns damit vor die Aufgabe gestellt, die
psychiatrische Versorgung für die Zukunft, - ich
spanne hier einen weiten Bogen – für die nächsten
10 Jahre in Thüringen sicherzustellen.
Wir stellen uns folgende Fragen:
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Was wollen wir erreichen?
Wo stehen wir und wohin wollen wir?
Die Schilder im Eingangsbereich unterstreichen
diese Fragestellung nach einem Ziel und der
künftigen Richtung.
Ich selbst möchte das Ziel für das Jahr 2020 so
formulieren:
Ich werde dafür eintreten, dass eine
flächendeckende, qualitativ hochwertige und
finanzierbare Gesundheitsversorgung erhalten bleibt,
also gleichermaßen in städtischen und ländlichen
Räumen und hoffe, die Rahmenbedingungen des
Bundes stehen dem nicht entgegen.
Die Leitgedanken der UNBehindertenrechtskonvention hinsichtlich Teilhabe,
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Integration und Inklusion sollen dabei vollständig
verwirklicht werden!
Hierzu haben wir in Thüringen die
Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der
Mensch, der psychisch erkrankte Mensch, auch im
Mittelpunkt steht.
Dies, meine Damen und Herrn, beinhaltet einen
klaren Handlungsauftrag an alle gesellschaftlichen
und politischen Akteure gleichermaßen: an die
Akteure auf Bundes- und Landesebene und in den
Kommunen, an die Verbände, die Träger, die
Experten!
Die Fragen, die aus dieser Zielstellung erwachsen,
lauten:
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Welche Faktoren bestimmen die Aufgaben der
Psychiatrie in Zukunft?
Oder anders ausgedrückt:
Stimmt der Einwand, Psychiatrie sei der
"Reparaturbetrieb für gesellschaftliche
Fehlentwicklungen?"
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es ist klar, dass eine Vielzahl von Faktoren die
Aufgaben der psychiatrischen Versorgung in
unserem Freistaat bestimmen werden.
Lassen Sie mich nur einige wenige herausgreifen.
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Da sind zunächst die gesellschaftlichen
Veränderungen, bedingt durch den demografischen
Wandel.
Mit einer älter werdenden Gesellschaft nehmen auch
die Erkrankungen zu, die überwiegend bei älteren
Menschen auftreten.
Weiterhin gibt es Veränderungen in der Arbeitswelt:
heute ist sehr viel mehr Mobilität und Flexibilität
gefragt als früher.
Wir alle wissen: Psychische Erkrankungen sind die
häufigste Ursache für Erwerbsunfähigkeit: Jede 3.
Frühberentung erfolgt aufgrund einer psychischen
Erkrankung!
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Depressionen und Burn-Out sind anscheinend in der
modernen Arbeitsgesellschaft eine feste Konstante.
Hier müssen wir nicht nur nach therapeutischen
und medizinischen Wegen suchen, sondern
überlegen, welche Arbeits- und
Beschäftigungsangebote wir den Betroffenen später
anbieten können.
Schließlich bringt auch der Wandel in den
familiären Strukturen - Ehescheidungen,
Alleinerziehende, neue Familienmuster – neue
Aufgaben für die Psychiatrie und vor allem die
Psychotherapie mit sich.
Dabei müssen wir den Kindern unser besonderes
Augenmerk widmen. Zum Einen müssen die Kinder
psychisch erkrankter Eltern unterstützt und gefördert
werden. Zum Anderen sind leider auch Kinder selbst
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von psychischen Krankheiten betroffen und
benötigen eine professionelle und altersgerechte
Hilfe.
Sehr geehrte Damen und Herren,
letztlich kommen wir nicht umhin, eine genaue
Analyse unserer heutigen psychiatrischen
Versorgung durchzuführen.
Wir sollten also beispielsweise wissen:
Wie viele psychisch kranke Patienten gibt es derzeit
in Thüringen?
Wie viele psychisch kranke Patienten werden wir am
Ende des nächsten Jahrzehnts voraussichtlich
haben?
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Wie haben sich die Krankheitsbilder in den letzten
Jahren in unserem Freistaat verändert?
Welche Hilfen benötigen die psychisch erkrankten
Menschen?
Wie viele Personen sind derzeit in der Psychiatrie
tätig?
Wie viele Personen werden wir künftig benötigen,
um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten?
Welche neuen Kooperationen und Vernetzungen
sind erforderlich?
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen sollen in
einem Psychiatriebericht zusammengefasst werden,
der in meinem Haus unter Einbeziehung von
Arbeitsgruppen aus Experten, Leistungserbringern,
Leistungsträgern, Betroffenen und Angehörigen
erarbeitet werden soll.
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Ich möchte heute Ihr Augenmerk auf einige wenige
Schwerpunkte lenken, die mir besonders wichtig
erscheinen:
Es geht zum einen um einen beklagten und
gefühlten Fachkräftemangel im Fachbereich
Psychiatrie und Psychotherapie im ländlichen Raum,
im niedergelassenen Bereich und bei den
Sozialpsychiatrischen Diensten des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes.
Zusätzlich - und darin besteht unsere
Herausforderung – wird infolge der in Thüringen
erwarteten demografischen Entwicklung der
Fachkräftebedarf der Thüringer Gesundheits- und
Sozialwirtschaft in den nächsten Jahren deutlich
ansteigen.
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Die PATT-Studie des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes („Die Fachkräfteentwicklung in
der Thüringer Gesundheits- und Sozialwirtschaft, S.
43“) prognostiziert, dass der Anteil der Bevölkerung
im erwerbsfähigen Alter in Thüringen zwischen 2006
und 2020 um annähernd 20 % und damit fast
doppelt so stark sinken wird, wie die Bevölkerung
insgesamt.
Während in der Vergangenheit einem ausreichenden
Angebot von Fachkräften eine geringere Nachfrage
gegenüber stand, ist die neue Situation durch eine
massive Alterung der Bevölkerung sowie deutlich
verschlechterte Bedingungen der Personalgewinnung
gekennzeichnet.
Meine Einschätzung wird von der
Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert
Koch Institut, 2009, Heft 46 „Beschäftigte im
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Gesundheitswesen“) bestätigt - kommt es in Zukunft
darauf an, wie viele junge Menschen sich in einem
Gesundheitsberuf – also etwa der Psychiatrie oder
Psychotherapie ausbilden lassen, diesen auch
tatsächlich ausüben und dadurch die aus dem
Beruf Ausscheidenden ersetzen können.
Die Attraktivität der Berufe und die vorhandenen
Arbeitsbedingungen dürften bei der Berufs- und
Ausbildungswahl eine wichtige Rolle spielen.
Gesundheitsberufe sind attraktive Berufe! Sie
erfordern ein umfangreiches Fachwissen und
Sensibilität im Umgang mit Menschen.
Diskussionen über die Erhöhung der Anzahl der
Studienplätze für Medizin und Psychiatrie, die
Ausschreibung von Studentenstipendien und Preisen
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oder die Anwerbung von ausländischen Fachkräften
allein reichen sicher nicht aus.
Warum soll es nicht neue Berufsbilder geben bzw.
die Ausbildung in den medizinischen,
psychiatrischen, psychotherapeutischen Berufen
reformiert werden?
Darüber hinaus möchte ich den Bereich der
wohnortnahen Versorgung ansprechen.
Werden wir über kurz oder lang eine Verlagerung
von Personalressourcen aus überversorgten
Gebieten in unterversorgte Gebiete zu erwarten
haben?
Wie steht es um die Förderung von
Landarztmodellen und anderen innovativen
Projekten?
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Hier ist sowohl die Bundesebene als auch die
Landesebene gefordert.
Können Medizinische Versorgungszentren in
ländlichen Regionen als Alternative zum
Doppelsystem von Kliniken und ambulanten
Strukturen ausgebaut werden?
Was Not tut, ist ein energisches Umdenken auf
allen Ebenen!
Einen weiteren Ansatz zu mehr Flexibilisierung sehe
ich beispielsweise in der Ausweitung der Erprobung
von neuen Finanzierungsmodellen:
Das Beispiel des regionalen Psychiatriebudgets am
Klinikum Nordhausen zeigt, dass es möglich ist, die
stationäre Behandlung zu substituieren oder
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abzukürzen und dabei das strukturelle Netz flexibel
und aufnahmefähig zu gestalten durch Verlagerung
der Regelbehandlung in den teilstationären bzw.
ambulanten Bereich.
Das Beispiel von Nordhausen sollte Schule machen.
Wir haben das „best-practice-Beispiel“ also vor der
Haustür!
Im ambulanten Bereich müssen wir noch weitaus
mehr Anstrengungen unternehmen, um den
Grundsatz „Ambulant vor stationär!“ auch wirklich
zu realisieren.
Ich meine, wir bräuchten eine deutlichen Ruck im
ambulanten Sektor, zum Wohl der Patienten, und
die stationären Versorgungsangebote für die
besonders schwierigen Fälle.
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Dazu gehört es selbstverständlich, weitaus mehr
niedrigschwellige, leicht zugängliche und flexible
Hilfen zur Teilhabe an bestehenden Angeboten zu
organisieren!
Gefragt sind wir alle an dieser Stelle: Meine
Hoffnung ist, dass über eine neu konzipierte
Hilfeplanung und eine deutliche Betonung des
personenzentrierten Ansatzes diese ambulanten
Hilfen in den nächsten Jahren weitaus mehr
Gewicht erhalten, als sie dies jetzt haben.
Der personenzentrierte Ansatz, zu dem in einem
nachfolgenden Vortrag noch ausführlicher berichtet
werden wird, ist ein zentrales Anliegen: Es geht uns
allein um den psychisch kranken Menschen, wie ihm
am Besten geholfen werden kann, damit das Ziel
der Inklusion umgesetzt werden kann!
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Eine konsequente Umsetzung des
personenzentrierten Ansatzes wäre auch bei den
Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten notwendig:
Der Übergang aus den Werkstätten auf den
allgemeinen Arbeitsmarkt gelingt unbestritten selten.
Was wir brauchen, sind mehr betriebsintegrierte
Hilfen zur Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung.
Werkstattangebote sind nach meiner Einschätzung
zu sehr standardisiert und nicht ausreichend
flexibilisiert.
Die Suche nach Alternativen, wie etwa die
„Unterstützte Beschäftigung“ sollte vor jeder
Aufnahme in einer Werkstatt erfolgen.
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Zuverdienstprojekte unterhalb der Schwelle von
Werkstattangeboten sind ein Beispiel für die
Wahrnehmung kommunaler Verantwortung und
gewährleisten damit eine gemeindenahe Versorgung
der Betroffenen.
Schließlich, und damit komme ich zu meinem
letzten Punkt, möchte ich darauf drängen, dass bei
der Erarbeitung und Umsetzung dieser Ziele
selbstverständlich die Experten und Expertinnen in
eigener Sache eng eingebunden werden.
Das Motto „Nichts über uns ohne uns!“ gilt für alle
Menschen mit Behinderungen, selbstverständlich
auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Ich bin sehr dafür, die Selbsthilfe zu stärken, bitte
aber auch nicht nur auf Zuschüsse des Landes zu
spekulieren.
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„Ehrenamt“ bedeutet „ehrenhalber“, also gerade
ohne Geld; aber gleichzeitig nichts unversucht
lassen, um Spenden für Projekte einzuwerben von
großen Hilfsorganisationen oder Firmen!
Lassen Sie uns alle gemeinsam überlegen, wie wir
dem psychisch erkrankten Menschen helfen können:
jeder für sich allein kann es sicher nicht!
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Ausführungen sind noch lange nicht
erschöpfend. Es gäbe noch sehr viel zu erörtern.
Wenn ich einige Bereiche gar nicht oder nur kurz
gestreift habe, so bedeutet das nicht eine
Herabsetzung in ihrer Bedeutung.
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Zum Schluss jedoch lassen Sie mich einige
persönliche Worte an Sie alle richten:
Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen für Ihr
Engagement zum Wohle der psychisch erkrankten
Menschen in unserem Land.
Helfen Sie bitte alle weiterhin mit, die ganz breite
Öffentlichkeit für die Probleme von psychisch
erkrankten Menschen zu sensibilisieren.
Anti-Stigma-Arbeit könnte ähnlich wie die AidsKampagnen, die den Slogan führen "Aids-Krank, na
und?", lauten: „Psychisch krank, na und?“
Der eingangs zitierte Philosoph Seneca hat
formuliert:
„Es ist nicht wenig Zeit, was wir haben,
sondern es ist viel, was wir nicht nützen.“
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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es gilt, heute die Zeit zu nutzen und die Weichen
zu stellen, um verlässliche Lösungen für die
nächsten Jahre zu finden.
Sie meinen, dies sei eine Herkules-Aufgabe?
Sicher nicht!
Vieles ist möglich, wenn der Wille da ist,
Veränderungen herbeizuführen: Der Wille versetzt
Berge: Berge, die aus Bequemlichkeit bestehen;
Berge, die aus Bedenken bestehen; Berge, die aus
Resignation bestehen.
Wenn alle oder wenigstens sehr viele wollen, wird
Neues entstehen, Neues gewagt werden.
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Nur Mut! Meine Unterstützung und die der
Mitarbeiter in meinem Haus haben Sie.
Vielen Dank!
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