Verantwortungsdidaktik - Universität Koblenz · Landau

Werbung
Henning Pätzold (Hrsg.)
Verantwortungsdidaktik
Zum didaktischen Ort der Verantwortung
in Erwachsenenbildung und Weiterbildung
Inhalt
Vorwort des Reihenherausgebers ____________________________________________________ 1
Henning Pätzold
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven _________________________________ 3
Rolf Arnold
Die Verantwortung in der Erwachsenenbildung________________________________________ 19
Rudolf Kammerl
Divergente Verantwortungszuschreibungen als Problemfeld
beruflicher Aus- und Weiterbildung _________________________________________________ 31
Walter Bender
Verantwortung in der betrieblichen Weiterbildung aus handlungs- und
subjekt-theoretischer Perspektive ___________________________________________________ 49
Harald Geißler
Zur Ethik der Didaktik „Virtuellen Coachings“ __________________________________________ 59
Henning Pätzold
Verantwortung und Beratung ______________________________________________________ 81
Anke Grotlüschen
Verantwortung und Verantwortungsabwehr bei der Zusammenarbeit mit
bildungsfernen Schichten _________________________________________________________ 95
Burkhard Lehmann
Verantwortung im Fernstudium ___________________________________________________ 113
Peter J. Weber
Verantwortung in Drittmittelprojekten – Plädoyer für eine stärkere Verzahnung von
Management und Forschung _____________________________________________________ 128
Ingeborg Schüßler und Jürgen Mai
Paradoxes Vexierbild - Die Bedeutung des Begriffs der Verantwortung für
didaktisch-methodisches Handeln _________________________________________________ 148
Claudia Gómez Tutor
Verantwortung und selbstgesteuertes Lernen unter mikrodidaktischer Perspektive__________ 165
Christian Bogner und Christine Menzer
Verantwortung im E-Learning – Plädoyer für ein „Lernen ohne Aufsicht“___________________ 183
Christine Zeuner
Verantwortung als Inhalt des Studiums der Erwachsenenpädagogik ______________________ 212
Ekkehard Nuissl
Verantwortung im Lehr-Lern-Prozess _______________________________________________ 234
Autorinnen und Autoren _________________________________________________________ 249
Henning Pätzold
3
Henning Pätzold
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und
Perspektiven
1 Einleitung
Im Jahr 1990 tagte die Kommission Erwachsenenbildung der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft unter dem Motto „Ethische Prinzipien
der Erwachsenenbildung“ (Gieseke/Nuissl/Meueler 1991). Die Frage nach
ethischen Prinzipien wurde dabei in unterschiedlichen Richtungen vertieft, etwa
hinsichtlich der Professionalisierung oder der Forschungsethik. Gleichwohl
scheint bei einer solcherart orientierten Betrachtung der Erwachsenenpädagogik
etwas überzubleiben, das einerseits mit Moral oder Ethik verbunden ist,
andererseits nicht in der Frage nach Prinzipien aufzugehen scheint. Nicht
zufällig lautet der Untertitel der Tagungsdokumentation entsprechend „Verantwortlich für was und vor wem?“ (ebd.). Eine systematische Analyse von
Verantwortungsbeziehungen (die im folgenden genauer erfolgt) zeigt bei diesem
Untertitel eine Leerstelle – es bleibt offen, wer verantwortlich ist, möchte man
nicht annehmen, dass es stets „die Erwachsenenpädagogik“ oder „die pädagogisch Handelnden“ seien. Ein Blick in den Text des Tagungsbandes offenbart
hingegen eine Vielzahl von Akteuren, um die es gehen kann. In den Beiträgen
zum Verhältnis von Erwachsenenbildung und Faschismus (ebd., S. 47ff.) geht es
in der Tat um die Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin bzw. um
die „Verantwortung der Erwachsenenbildung nach 1945, sich mit ihrer NSVergangenheit kritisch auseinanderzusetzen [... und] sich der Grundlagen ihrer
Arbeit vor dem Hintergrund einer historisch-gesellschaftlichen Rekonstruktion
zu vergewissern“ (Keim 1991, S. 51). Jost Reischmann fragte nach der Verantwortung für den Lernerfolg (Reischmann 1991), wobei es ihm hier vor allem um
die Erfassung von Lernerfolg durch einen Fragebogen ging und er Funktionen
der pädagogischen Diagnostik (Rückmeldung, Rechtfertigung, aber auch
wissenschaftliche Forschung) mit Verantwortung gegenüber Lernenden, der
Öffentlichkeit und der Wissenschaft verband (ebd., S. 38). Deutlich wird in
4
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
diesen Beiträgen vor allem: Die Kategorie der Verantwortung bezeichnet in der
erwachsenenpädagogischen Reflexion einen thematischen Raum, der ebenso
diffus wie bedeutsam ist. Verantwortung spielt immer eine Rolle, aber sehr oft
bleibt unklar, welche.
2 Ethische und moralische Grundlagen
Gieseke nannte in ihrem Einführungsreferat zur oben genannten Tagung
mehrere Gründe dafür, warum ethische Fragen in der Erwachsenenpädagogik
mit einer eigentümlichen Art wachsamer Zurückhaltung bearbeitet werden –
einige dieser Gründe lassen sich auch auf die Frage nach Verantwortung
übertragen. Ethik mag – so Gieseke – „als Ersatz für eine Bildungstheorie“
(Gieseke 1991, S. 10) aufgefasst werden, was einerseits im Angesicht postmoderner Unsicherheiten verlockend erscheint, andererseits aber auch ein Einfallstor
für solche ethischen Orientierungen sein kann, die der Erwachsenenpädagogik
fremd sind und ihre kritische Perspektive unterlaufen. Wenn mit dem Stichwort
„Eigenverantwortung“ mitunter euphemistisch die fehlende Chancengerechtigkeit des Erwerbssystems überdeckt und der Erwachsenenpädagogik eine
sozialkurative Aufgabe zugeschoben werden soll, könnten Ideen einer „Leistungsethik“ als ethisch-moralischer Bezugspunkt aufgerufen werden (vgl. auch
den Beitrag von Bender in diesem Band). In eine ähnliche Richtung geht ihr
zweites Argument, die Gefahr einer „Renaissance pädagogischer Tugendkataloge“ (ebd., S. 11) und auch hier finden sich Bezüge zur Weiterbildung, etwa wenn
mit der organisatorisch verordneten Steigerung von „Employability“ im Rahmen
von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung unreflektiert einem überkommenen Verständnis „gesellschaftliche[r] Nützlichkeit“ (ebd.) entsprochen wird.
„Ethik als Ersatz für gesellschaftstheoretische Reflexionen“ (ebd.) schließlich ist
mit der Gefahr verbunden, dass sie – als institutionell und formalistisch
abgesicherter ‚Tugendkatalog’ – einen gesellschaftlichen Scheinkonsens
erzwingt, der keinen Raum für die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung
mit pluralen Orientierungen lässt. Ein denkbares Mittel gegen diese Gefahren ist
zunächst eine sorgfältige Differenzierung der Begriffe Ethik und Moral. Ethik
stellt dabei die allgemeinere Kategorie dar, d.h. Moral formiert sich innerhalb
Henning Pätzold
5
einer Ethik und um die Richtigkeit moralischer Sätze zu prüfen, ist eine Ethik
erforderlich. Zu fragen bleibt dann aber, ob es einen normativen Rahmen gibt,
innerhalb dessen auch ethische Modelle auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden
können. Hierauf gibt es unterschiedliche Antworten, die wesentlich davon
abhängen, welchem ethischen Modell man folgt. So liefern materiale Ethiken
einen solchen Rahmen, indem sie, aus Gründen, die jenseits der Ethik liegen,
beispielsweise eine normative Reihung moralischer Güter vorgeben.1 Formale
Ethiken hingegen geben eine Art Formalismus an, innerhalb dessen moralische
Aussagen geprüft werden können. Bei verschiedenen Modellen der konstruktiven Ethik (Lorenzen und Schwemmer 1975) wie etwa der Diskursethik Habermas’ (1983) erfolgt diese Prüfung etwa im Rahmen des herrschaftsfreien
Diskurses. Die Begründung für den jeweiligen Formalismus selbst kann jedoch
nicht im strengen Sinne Gegenstand der Ethik sein, sonder liegt wiederum
außerhalb.
Es liegt auf der Hand, dass die von Gieseke konstatierten Gefahren für die
verschiedenen Ethikmodelle in unterschiedlichem Umfang gültig sind. Materiale
Ethiken können beispielsweise in Dienst genommen werden, um bestehende
‚Tugendkataloge’ mit korrespondierenden ethischen Modellen zu legitimieren.
Aber auch formale Ethiken können zweckentfremdet werden. So lassen sich
demokratisch gefasste Entscheidungen auch dann, wenn sie in unzulässiger
Weise die Rechte einer Minderheit angreifen, in weitem Umfang diskursethisch
begründen, wenn es gelingt, darzulegen, dass ein Diskurs stattgefunden hat oder
zumindest möglich gewesen wäre.2 Insbesondere der dritte Kritikpunkt, die
Verschleierung gesellschaftlichen Dissenses durch Verfahren, ist hier angesprochen.
Auch die Frage nach Verantwortung wird in den verschiedenen Modellen
unterschiedlich beantwortet. Löwisch (2000) unterscheidet in dieser Perspektive
1
2
Ein bekanntes Beispiel ist die Materiale Wertethik Max Schelers (vgl. Pieper 2003, S. 238ff.).
Das ist natürlich eine etwas vereinfachende Sicht dieses Modells, das jedoch in realen (politischen)
Auseinandersetzungen einige Bedeutung beanspruchen kann. So kann angesichts einer geschätzten
Zahl von 4 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland (vgl. Döbert/Hubertus 2000, S. 29)
kaum behauptet werden, dass der Diskurs um Grundbildung eine prinzipiell gleichwertige Verteilung
von Beteiligungsmöglichkeiten realisieren würde.
6
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
Gesinnungs- und Erfolgsethiken auf der einen und diskursive Ethiken auf der
anderen Seite. Zu ersteren gehören beispielsweise utilitaristische Modelle. In
Gesinnungs- und Erfolgsethiken ist Verantwortung eine Kategorie, die eben
jener Gesinnung oder Erfolgsorientierung untergeordnet ist, sie hat „Dienstwert“ (ebd., S. 382) und keinen „Prinzipiencharakter“ (ebd.). Nur diskursive
Ethiken können als Verantwortungsethiken (nicht zwangsläufig im Sinne Hans
Jonas’) bezeichnet werden, da der Verantwortung hier eine zentrale Rolle
zukommt: Der Diskurs stellt die Möglichkeit der Wahl dar, Verantwortung
gleichmäßig und adäquat zu verteilen. Gleichwohl, stellt Löwisch heraus, sind
auch Verantwortungsethiken normativ (vgl. ebd., S. 383).
Ethische Grundlagen pädagogischen Handelns zu formulieren, gestaltet sich also
gelinde gesagt schwierig. Entweder bezieht man sich auf materiale Grundlagen
jenseits einer bestimmten ethischen Orientierung (beispielsweise „Vernunft“
oder „Aufklärung“) oder man erhebt eine bestimmte Diskurspraxis und ihre
jeweiligen Ergebnisse zum Maßstab (beispielsweise indem man sich nur an
„evidence based research“ orientiert). Auch sorgfältige Untersuchungen zur
pädagogischen Ethik kommen deshalb, werden sie auf die Praxis bezogen, zu
sehr allgemeinen Sätzen, die zwar mit einem großen Maß an Zustimmung
rechnen dürfen, aber in ihrer Allgemeinheit auch kaum Orientierung zu stiften
vermögen (vgl. z.B. Schleißheimer 1984, S. 16). Damit erscheint auch pädagogische Verantwortung in einer allgemeinen Debatte um Norm, Schuld, Freiheit
und Dialog (vgl. ebd., S. 3f) an Kontur zu verlieren, reduziert auf einen allenfalls
metaphorischen, wenn nicht pathetischen Begriff.
3 Verantwortung im didaktischen Alltag
Der Begriff, „Dialog“, verweist allerdings darauf, dass es nicht nur um Konzepte
des Urteilens (Norm, Schuld) oder des Seins (Freiheit) gehen muss, sondern
auch das Handeln, in unserem Fall didaktisches Handeln, angesprochen ist.
Diese handlungsbezogene Betrachtungsweise soll an einem Beispiel erläutert
werden:
In einem zeitgeschichtlichen Kurs der Erwachsenenbildung sind Kursleitung
und Teilnehmende darin übereingekommen, dass die Teilnehmenden zu
Henning Pätzold
7
einzelnen Themenbereichen Referate vorbereiten und den übrigen Kursteilnehmenden präsentieren. Damit übernehmen sie ganz praktisch Verantwortung
für die Gestaltung eines Teils des Kurses. Nun mag es vorkommen, dass ein
Teilnehmender in seinem Referat irrtümlich falsche Dinge sagt und der Dozent
dies merkt. Seine Handlungsoptionen sind recht klar: Er kann – durchaus
freundlich – eine unmittelbare Korrektur anbringen und dem Referenten
danach wieder das Wort erteilen. Er kann eine spätere Gelegenheit nutzen, das
Gesagte – mit oder ohne direkten Bezug auf das Referat – richtig darzustellen
oder er kann schließlich ganz auf eine Korrektur verzichten. In den ersten
beiden Fällen übernimmt er gegenüber den Teilnehmenden die Verantwortung,
dass im Kurs nichts Falsches unwidersprochen stehen bleibt. Diese Verantwortung ist aber nicht beliebig teilbar. Also werden sich die Teilnehmenden (und
der Referent) potenziell weniger hierfür verantwortlich fühlen, was dazu führen
könnte, dass Referate weniger sorgfältig vorbereitet werden – oder auch, dass sie
eher an den Dozenten als an die Teilnehmenden gerichtet werden3. Die dritte
Variante erscheint auf den ersten Blick regelrecht unprofessionell, erwartet man
doch von einem Dozenten gerade, mit seinem Sachverstand die Situation
anzureichern und Fehler zu korrigieren. Gleichwohl stellt sie eine unter
Umständen didaktisch wohl begründete Form von Handeln durch Unterlassen
dar (vgl. Koch 1995). Indem der Dozent nicht korrigiert, vermeidet er es, die
Verantwortung für die Richtigkeit dessen, was gesagt wird, anzunehmen, er
belässt sie bei den Teilnehmenden. Damit geht er das Risiko ein, dass diese
voneinander falsche Dinge lernen.
Dieses Risiko erscheint hoch und kollidiert leicht mit dem Selbstverständnis
professioneller Pädagogen. In dem entsprechenden Unbehagen drückt sich
allerdings auch deutlich ein bestimmtes didaktisches Verständnis aus, in dem –
einer traditionellen Lernkultur folgend – ein prinzipielles Gefälle zwischen
Lehrenden und Lernenden besteht. Die Lehrenden können dann zwar wohldo3
Aus universitären Seminaren mit einem hohen Anteil an Referaten mag dieser Effekt noch
zugespitzter bekannt sein. Mitunter haben sie fast den Charakter einer mündlichen Prüfung, d.h. der
referierende Student wendet sich inhaltlich – und oft auch körpersprachlich – dem Dozenten zu, in
mehr oder weniger banger Erwartung seiner Einschätzung zur Richtigkeit und Angemessenheit des
Gesagten.
8
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
siert Verantwortung „abgeben“ (vgl. hierzu den Beitrag von Mai und Schüßler in
diesem Band), aber sie bleiben letztverantwortlich für den Gesamtprozess. Ein
lernkultureller Wandel hin zur pädagogischen Aufgabe des „Begleitens von
Lernprozessen“ bleibt hier auf halber Strecke stehen.
Das traditionelle Verständnis ließe sich also in etwa folgendermaßen Beschreiben: Ein Lehrender hat Verantwortung für die Richtigkeit der Inhalte gegenüber
den Teilnehmenden, ferner hat er ihnen gegenüber Verantwortung dafür, eine
Situation zu schaffen, in der Lernen erfolgreich möglich ist. Um letzteres zu
erreichen, kann es ihm günstig erscheinen, Verantwortung für die Prozessgestaltung (hier das Vortragen) abzugeben. Die Lernenden handeln dann als Referenten aber sozusagen im Auftrag des Dozenten. Wenn das Ergebnis nicht
zufriedenstellend ist, würde dies dem Dozenten zugerechnet. Die didaktische
Diskussion ist an dieser Stelle schon weiter – und nicht nur, wenn man neuere
Richtungen der konstruktivistischen Didaktik (Reich 1996) oder der Ermöglichungsdidaktik (Arnold/Gómez Tutor 2007) in den Blick nimmt. So sehen
Ansätze des selbstgesteuerten Lernens (Knowles 1975, Neber 1978) oder auch
des handlungsorientierten Unterrichts (Jank/Meyer 2002) die Verantwortung
für den Lernprozess eigentlich bei den Lernenden, wenngleich auch sie häufig
nach dieser prinzipiellen Zuschreibung doch Wege suchen, sie gewissermaßen
häppchenweise an die Lernenden zu übertragen. Schüßler stellt in diesem
Zusammenhang treffend den Bezug zwischen Verantwortung und der eher
atmosphärischen Kategorie des Vertrauens her: „Es scheint, als würden die
bisherigen didaktischen Ansätze – und damit auch die allgemeindidaktische
Tradition – nicht der erkenntnissuchenden Kraft der Subjekte vertrauen“
(Schüßler 2003, S. 84). Ist nun, dieser Diagnose folgend, das Vertrauen nicht da,
weil die Verantwortung anders verteilt ist, oder ist es umgekehrt – weil die
Lehrenden nicht vertrauen, behalten sie die Verantwortung lieber bei sich? Es
kann wohl beides richtig sein. Der Lehrende mag befürchten, dass die Lernenden, verantworten sie den Lernprozess selbst, zu schwächeren Ergebnissen
gelangen. Deshalb legt er den Lernprozess so an, dass er selbst ein hohes Maß an
Verantwortung behält. Umgekehrt kann er auch annehmen, dass es als seine
Aufgabe angesehen wird, den Lernprozess in größtmöglichem Umfang zu
Henning Pätzold
9
steuern. Dann kann er den Lernenden gar nicht vertrauen, weil sie – seiner
Situationsdefinition nach – gar nicht die Möglichkeit haben, seine Aufgabe zu
übernehmen. In der Praxis stehen diese Alternativen allerdings nicht klar
nebeneinander. Der Lehrende mag sich zum Beispiel einer Institution gegenüber
für die Lernergebnisse (mit-)verantwortlich fühlen. Er mag gleichzeitig der
Meinung sein, dass die Lernenden primär für die dialogische Beteiligung am
Unterrichtsgespräch verantwortlich sind. Und er mag befürchten, dass die
Kursteilnehmenden ihn (etwa durch schlechte Mundpropaganda) für falsche
didaktische Entscheidungen sanktionieren könnten.
3.1 Verantwortung systematisch betrachtet
Das Beispiel und die daran anschließenden Überlegungen machen deutlich, dass
Verantwortung analytisch greifbar ist. Hierzu bedarf es allerdings eines passenden Modells, etwa der gängigen Beschreibung von Verantwortung als dreistelliger Relation: Verantwortung „geschieht“, indem 1. jemand 2. etwas gegenüber 3.
einem anderen verantwortet. Im Beispiel: der Lehrende verantwortet seine
Unterbrechung gegenüber dem Referenten. Schnell wird allerdings klar, dass
diese Kategorien zur Beschreibung noch nicht reichen. Lenk und Maring
erweitern den Begriff deshalb auf eine sechsstellige Relation: Hinzu kommen 4)
ein bestimmter Handlungsbereich, 5) ein normatives Kriterium und 6) eine
Sanktionsinstanz (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Aspekte von Verantwortung nach Lenk und Maring (vgl. Pätzold 2008a)
10
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
Ein Handlungsbereich im obigen Beispiel könnte die Präsentation sein (diesen
Bereich verantwortet der jeweilige Referent). Als normatives Kriterium käme die
Richtigkeit der Aussagen in Frage, aber nun wird das Szenario etwas komplizierter, denn die Richtigkeit hängt ja nicht davon ab, dass präsentiert wird (Handlungsbereich), sondern es muss das Richtige präsentiert werden. Auch wird
deutlich, dass das Gegenüber wechselt, denn die Unterbrechung wurde primär
gegenüber dem Referenten verantwortet, die Richtigkeit des Gesagten vor allem
gegenüber den anderen Teilnehmenden. Es ergibt sich also ein Geflecht von
Verantwortungen. Jeder Beteiligte verantwortet unterschiedliche Dinge
gegenüber unterschiedlichen anderen. Und auch die übrigen Variablen können
unterschiedlich ausgeprägt sein. Eine vollständige Analyse wäre vielleicht
theoretisch möglich, praktisch aber kaum durchführbar, zumal sich die Verantwortungsbeziehungen auch in der Zeit ändern. Es geht aber auch nicht darum,
ein vollständiges Beschreibungsmodell zu entwerfen, sondern mit dem Konzept
der Verantwortung und seiner Systematisierung im Sinne von Lenk und Maring
einen Orientierungsraum zur Beschreibung didaktischer Situationen zu
entwerfen. Bezogen auf das Beispiel bedeutet das: Einem erfahrenen Dozenten
mag „irgendwie“ bewusst sein, dass jede der drei genannten Handlungsmöglichkeiten – direktes Eingreifen, späteres Eingreifen oder auch das unkommentierte
stehen lassen eines Fehlers – mit unterschiedlichen Haupt- und Nebenfolgen
einhergeht, dass also keine Möglichkeit per se als „die Richtige“ erscheint. Die
Betrachtung aus der Verantwortungsperspektive verlagert dabei den Blick
allerdings auf das, was zwischen den Akteuren und den Gegenständen geschieht.
3.2 Verantwortung als didaktische Kategorie
Damit nun wird Verantwortung zur didaktische Kategorie. Ursprünglich
bezeichnete Didaktik die Kunst des Lehrens (vgl. Arnold/Pätzold 2007, S. 94),
mehr und mehr geriet jedoch in den Blick, dass sich didaktisch begleitetes Lernen
in gewissem Sinne zwischen den Individuen abspielt. Lernen als kognitiver
Prozess ist dem Einzelnen zugeordnet – aber Lehren-und-Lernen geschieht in
Auseinandersetzung mit anderen: „Alles, was ein Mensch in seinem Leben als
Lernen bezeichnet und das in der Regel auf eine neue Sicht der Dinge, auf eine
Henning Pätzold
11
weiter gehende Erkenntnis, auf eine neue Fähigkeit oder eine langfristig
wirksame Veränderung oder Erweiterung hinweist, beruht auf Beziehungen, die
hergestellt werden oder werden können“ (Gieseke 2007, S. 216), so eine
Grundannahme der „relationalen Didaktik“ (ebd.). Die „klassischen“ Kategorien
der Didaktik (etwa Bedingungs- und Entscheidungsfelder, die Kriterien der
didaktischen Analyse usw.) vermögen kaum, diese Beziehungen anders als
schematisch (etwa durch die Wahl bestimmter Sozialformen und Methoden) zu
berücksichtigen. Noch weniger berücksichtigen die ihnen zugrunde liegenden
Modelle des Lernens, dass auch dieses sich letztlich als Veränderung einer
Beziehung zwischen Subjekt und Phänomen darstellt, wie insbesondere die
didaktische variation theory bzw. phenomenography herausgearbeitet hat (vgl.
Marton 1992). Dabei findet sich die Rolle von Beziehungen bereits im klassischen Modell des didaktischen Dreiecks, wenn man es entsprechend der
Tatsache umgestaltet, dass es in der Regel nicht nur einen Lernenden gibt (vgl.
Abbildung 2).
Gegenstand
Lerner
Gegenstand
Lehrender
Lerner
Lerner
Lehrender
Lerner
Lerner
Lerner
Lehrender
Lerner
Lerner
...
Gegenstand
Lerner
...
...
Abbildung 2: Didaktische Pyramide
Der rechte Teil der Abbildung stellt dar, wie diese Beziehungen mit der Kategorie Verantwortung differenzierter beschrieben werden können, etwa in der Form
„ein Lerner verantwortet die Richtigkeit des von ihm gesagten gegenüber seinen
Mitlernenden“ oder „eine Kursleiterin verantwortet den Erhalt ihrer pädagogischen und fachlichen Kompetenz gegenüber den Teilnehmenden“ (vgl. hierzu
auch den Begriff der „Kompetenzverantwortung“ im Beitrag von Nuissl in
diesem Band). Offenkundig können hierbei verschiedene Verantwortungsbeziehungen in Konkurrenz zueinander stehen. Die Betrachtung aus der Perspektive
der Verantwortung löst diese Konkurrenzen nicht auf, sondern soll sie im
Gegenteil sichtbar machen. Die Entscheidung über die Prioritäten ist dann eine
12
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
im elementaren Sinne didaktische Entscheidung, denn sie fragt nach dem Was
und dem Wie des Lernprozesses.
Konsequent lässt sich diese Perspektive dann auch auf den Bereich der Makrodidaktik ausweiten, indem die Bindung der Lehrenden an einen institutionellen
Auftrag und schließlich auch die wechselseitige Verantwortung von Individuen
und Gesellschaft für Bildungsprozesse mitberücksichtigt werden (vgl. auch
Pätzold 2008b).
4 Perspektiven
Mit dem vorliegenden Beitrag wurde das Ziel verfolgt, einleitend den Begriff der
Verantwortung als didaktische Kategorie zu erschließen. Dies wie auch die im
letzten Abschnitt angedeutete Ausweitung auf makrodidaktische und bildungspolitische Perspektiven verfolgen auch die weiteren in diesem Band versammelten Beiträge4:
Rolf Arnold lotet die erwachsenendidaktische Bedeutung von Verantwortung
aus, indem er von der systemisch unhintergehbaren Wirkunsicherheit didaktischen Handelns ausgeht – obwohl die Annahme solcher Wirkungen gerade eine
Voraussetzung der Möglichkeit didaktischen Handelns zu sein scheint. Aus
dieser Perspektive entwickelt er eine systemische Sicht auf Verantwortung in
drei ‚Ordnungen’, um schließlich die Verantwortung für die eigene ‚Lebensgeschichte’ in den erwachsenenpädagogischen Fokus zu rücken.
Rudolf Kammerl beschreibt Verantwortung als Kategorie, in der die Ideen und
Ziele beruflicher Bildung auf Bedingungen der beruflichen Realität treffen, bei
denen der Begriff je sehr unterschiedlich gefüllt wird. Verantwortungszuschreibungen geschehen beispielsweise im Betrieb im Wege der Kostenrechnung, und
sind in dieser Perspektive kaum oder zumindest nicht in erster Linie an ethische
Überlegungen gebunden. Gerade unter diesen Umständen erscheint es wichtig,
Verantwortung in der Aus- und Weiterbildung als im Prinzip verhandelbare
Struktur zu thematisieren.
4
Ich danke Herrn Dipl.-Päd. Christian Bogner für die vielfältige Unterstützung bei der Manuskripterstellung zu diesem Buch.
Henning Pätzold
13
Auch Walter Bender widmet sich aus betriebspädagogischer Sicht den Bedingungen, unter denen Verantwortung möglich ist. Zu ihren Voraussetzungen
zählt die Freiheit der Entscheidung und schon unter diesem Gesichtspunkt zeigt
sich, dass manches, was als Übertragung von Verantwortung apostrophiert wird,
in betrieblichen Handlungskontexten eher als Verpflichtung zu beschreiben
wäre – und das sich ähnliche Strukturen zum Teil auch mit Blick auf ‚neue
Lernkulturen’ rekonstruieren lassen. Damit liefert er einen kritischen Blick auf
den Stand und die Entwicklungsmöglichkeiten betrieblicher Bildung unter dem
Gesichtspunkt von Verantwortung.
Eine didaktische Form mit recht spezifischen Merkmalen von Verantwortung,
die ebenfalls hauptsächlich in der beruflichen Bildung verortet ist, ist das
Coaching. Diesem widmet Harald Geißler seinen Beitrag, in dem er zunächst
eine Darstellung des (virtuellen) Coachings gibt, die dann vor dem Hintergrund
verantwortungstheoretischer Überlegungen didaktisch reflektiert wird. Dabei
verbindet er traditionelle ethisch-philosophische Bezüge (insbesondere zu Kant
und Habermas) mit den pädagogisch-kommunikationstheoretischen Überlegungen Schulz von Thuns und der Glücksethik des XIV. Dalai Lama zu einem
schlüssigen Konzept, dass schließlich zu ethischen Imperativen didaktischen
Handelns führt.
Auch Beratung stellt eine Form pädagogischen Handelns dar, die gegenwärtig an
Bedeutung gewinnt. Gerade Beratungssituationen sind dabei durch spezifische
Bedingungen der Verteilung von Verantwortung gekennzeichnet, die Henning
Pätzold in seinem Beitrag betrachtet. Es zeigt sich dabei, dass diese Verteilung
von Verantwortung regelrecht als Definitionskriterium verwendet werden kann,
um Beratung von anderen Formen pädagogischer Interaktion zu unterscheiden.
Anke Grotlüschen bezieht wiederum eine betriebliche, genauer: organisationswissenschaftliche Position, indem sie die dort postulierte Kongruenz von
Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung zum Ausgangspunkt ihrer Analyse
macht. Vor diesem Hintergrund prüft sie kritisch das Postulat der ‚Eigenverantwortlichkeit’, insbesondere insofern es an bildungsferne Schichten herangetragen wird. Schließlich wird in dem Beitrag aufgezeigt, inwiefern gerade mit Blick
14
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
auf diese ein komplexeres Modell unterschiedlicher „Grade der Verantwortung“
erforderlich wird.
Burkhard Lehmann untersucht die Verantwortlichkeiten im Fernstudium.
Dabei konzipiert er Fernstudienanbieter als Serviceeinrichtungen, die allerdings
gleichzeitig in besonderer Weise, etwa durch die Erfüllung einer Selektionsfunktion, in das Bildungssystem eingebunden sind. Entsprechend werden hier andere
Schwerpunkte gesetzt und auch das vor allem mikrodidaktisch ausgewertete
Konzept des Konstruktivismus wird kritischer betrachtet. Die Verteilung von
Verantwortung untersucht Lehmann nicht entlang der Kategorien ‚nah’ versus
‚fern’, sondern nach der weiter führenden Unterscheidung verschiedener Grade
„transaktionaler Distanz“ (Moore).
Peter Weber widmet sich einer Frage, die im Zusammenhang mit Verantwortung wenn überhaupt in der Regel nur unterschwellig gestellt wird, obwohl sie
von hoher praktischer Relevanz ist. In seinem Beitrag geht es darum, zu klären,
unter welchen Verantwortungsbedingungen Lernprozesse in geförderten
Drittmittelprojekten ablaufen, welche Instanzen also in welcher Form dafür
Verantwortung übernehmen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
solchen Projekten in angemessenem Umfang ihre eigene Weiterbildung
betreiben können. Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von Individualund Rollenverantwortung zeigt er, dass es oft ökonomische, mitunter sogar
buchhalterische Gründe sind, die darauf Einfluss haben, ob Weiterbildung statt
findet oder nicht – auch dann, wenn aus anderen projektspezifischen Gründen
unstrittig ist, dass sie notwendig wäre.
Ingeborg Schüßler und Jürgen Mai gehen der theoretischen und praktischen
Tragfähigkeit des Begriffs Verantwortung in der Didaktik, vor allem auf der
Ebene der Interaktion, nach. Ausgehend vom Begriff des Handelns identifizieren
sie zwei unterschiedliche Konzepte von Verantwortung, die – beispielsweise
hinsichtlich der Frage, ob Verantwortung übertragen werden kann – zu
unterschiedlichen Resultaten führen. Anhand theoretischer und empirischer
Reflexionen plädieren sie schließlich für eine Begriffsverwendung, die metapho-
Henning Pätzold
15
rischen Charakter hat und über dualistische Entweder/Oder-Entscheidungen
hinausgeht.
Claudia Gómez Tutor untersucht den Gehalt zweier pädagogisch bedeutsamer
Konzepte in Bezug auf Verantwortung und didaktisches Handeln. Selbstgesteuertes Lernen und Konstruktivismus bilden den Hintergrund einer Betrachtung,
die zu einer letztlich sprachtheoretisch fundierten Bestimmung des didaktischen
Orts von Verantwortung im Dialog führt.
Christian Bogner und Christine Menzer gehen in ihrem Beitrag der Frage
nach, welche Rolle der Verantwortungsbegriff als Reflexionskategorie beim
Lehren und Lernen mit digitalen Medien einnehmen kann. Ausgehend von
einem konkreten Praxisbeispiel beschreiben die Autoren u. a. die Bereiche der
mediendidaktischen, technischen und diagnostischen Verantwortung und
liefern dabei Anregungen zur Unterstützung eigenverantwortlichen Lernens.
Einer sowohl bildungs- als auch curriculumtheoretischen Fragestellung geht
Christine Zeuner in ihrem Beitrag zu „Verantwortung als Gegenstand des
Studiums der Erwachsenenbildung“ nach. Sie schließt hierbei an Jonas’ Unterscheidung zwischen kollektiver und partikularer Verantwortung an. Vor dem
Hintergrund
des
Kerncurriculums
Erwachsenenbildung
der
Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft benennt sie konkrete Gegenstandsbereiche des Studiums, die sich für eine verantwortungsorientierte Betrachtung
anbieten, erschließt aber auch die professionspolitische Dimension des Gegenstandes, muss die Erwachsenenbildung doch je nach professioneller Orientierung
(etwa zwischen individueller Bildung und ‚Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt’)
didaktisch unterschiedlich agieren und für sehr verschiedene Dinge Verantwortung übernehmen.
Abschließend bezieht Ekkehard Nuissl in seinem Beitrag Verantwortung noch
einmal unmittelbar auf die verschiedenen Ebenen didaktischen Handelns.
Ausgehend von der staatlichen und gesellschaftlichen Verantwortung für
Weiterbildung wird diese bis zur differenzierten Verteilung etwa im Hinblick
auf Lehr- und Lernziele oder Interaktionen in Lerngruppen beschrieben. Die
Verantwortung der Lehrenden fasst er unter dem treffenden Begriff der
16
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
„Kompetenzverantwortung“. Was immer im einzelnen in Lehr-Lernprozessen
zu verantworten ist, unzweifelhaft sind Lehrende dafür zuständig, sich die
entsprechenden Kompetenzen anzueignen – dass hierzu allerdings auch
entsprechende Strukturen erforderlich sind, verweist wiederum auf die die
meisten Überlegungen zur pädagogischen Verantwortung einschließende Ebene
von Staat und Gesellschaft.
Verantwortung wird hier als didaktische Kategorie aufgefasst – die Bedeutung
von Verantwortlichkeit als Ziel von Bildungsprozessen steht demgegenüber nicht
im Mittelpunkt. Dennoch ist mit dem Begriff der Verantwortung auch ein
materiales, bildungstheoretisches Moment verbunden, dass nicht gänzlich
ignoriert werden soll. Sie wird – speziell in der Erwachsenenpädagogik – auch
bezogen auf die Förderung verantwortlichen Handelns angesichts der Lage der
Welt, ökologischer und friedenspolitischer ebenso wie sozialer Herausforderungen. Eine solche Perspektive ist nicht zuletzt durch das „Prinzip Verantwortung“
(Jonas) oder etwa die Orientierung an einem „Weltethos“ (Küng) geboten. Sie
war immer wieder ein geradezu identitätsstiftender Bezugspunkt für weite
Bereiche der Erwachsenenbildung, auch wenn ihr nicht immer gleich viel
Aufmerksamkeit widerfährt. Aus ethischer Perspektive schließt sich hier
allerdings der Kreis zu einer Orientierung, die sich letztlich jenseits wissenschaftlicher Betrachtung legitimieren muss durch den gesellschaftlichen Auftrag,
den die Erwachsenenbildung erhält – oder durch ein Mandat, dass sie sich selbst
als Praxis erteilt. Die analytische Betrachtung von Verantwortung erlaubt – wie
angesprochen – Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen, aber sie kann die
Entscheidungen selbst nicht ersetzen. In anderen Bereichen der Pädagogik
allerdings wird – stärker als in der Erwachsenenpädagogik – mit dem Begriff der
Didaktik auch die Frage nach der Begründung von Bildungszielen gestellt. Es
liegt dabei in der Natur der Sache, dass die Antwort – vergleichbar der Begründung von Ethik – letztlich auf Positionen jenseits der Bildungstheorie zurückgreifen muss. Dennoch gibt es auch innerhalb der didaktischen Diskussion
Beiträge, die eine konsensfähige materiale Orientierung zu Verantwortlichkeit
stiften können, ohne selbst bereits stark auf ein bestimmtes Wertgefüge
abzuheben. Eine solche liefert der Bildungsbegriff Wolfgang Klafkis. Jener
Henning Pätzold
17
definierte Bildung als die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur Mitbestimmung
und zur Solidarität (vgl. Klafki 1991, S. 52). Und Bildung ist schließlich, so zitiert
Klafki seinen Lehrer Erich Weniger, „der Zustand, in dem man Verantwortung
übernehmen kann“ (Klafki 1965, S. 131).
Literatur
Arnold, R./Gómez Tutor, C. (2007): Grundlinien einer Ermöglichungsdidaktik. Bildung ermöglichen
– Vielfalt gestalten. Augsburg: Ziel-Verlag.
Arnold, R./Pätzold, H. (32007): Schulpädagogik kompakt. Berlin: Cornelsen Scriptor.
Döbert, M./Hubertus, P. (2000): Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und Alphabetisierung in
Deutschland. Stuttgart: Bundesverband Alphabetisierung.
Gieseke, W. (2007): Lebenslanges Lernen und Emotionen. Bielefeld: Bertelsmann.
Gieseke, W./Nuissl, E./Meueler, E. (Hrsg.) (1991): Ethische Prinzipien der Erwachsenenbildung:
Verantwortlich für was und vor wem? Mainz: Arbeitsgruppe Erwachsenenbildung im Pädag. Inst. d.
Univ.
Habermas, J. (1983): Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm. In: Habermas, J.
(Hrsg.): Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 53-125.
Jank, W./Meyer, H. (52002): Didaktische Modelle. Berlin: Cornelsen Scriptor.
Keim, W. (1991): Erwachsenenbildung und deutscher Faschismus. Ein verdrängtes Kapitel unserer
Disziplin. In: Gieseke, W. u. a. (Hrsg.): Ethische Prinzipien der Erwachsenenbildung. Kassel: DGFE, S.
48-56.
Klafki, W. (21991): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim: Beltz.
Klafki, W. (71965): Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim: Beltz.
Knowles, M. S. (1975): Selfdirected Learning. A Guide for Learners And Teachers. New York:
Cambridge Adult Education.
Koch, L. (1995): Bildung und Negativität. Weinheim: Dt. Studien-Verlag.
Lorenzen, P./Schwemmer, O. (21975): Konstruktive Logik. Ethik und Wissenschaftstheorie.
Mannheim: Bibliographisches Institut.
Löwisch, D. J. (2000): Pädagogische Ethik und die Normativität einer diskursiven Verantwortungsethik. In: Pädagogische Rundschau, Bd. 54, S. 377-384.
Marton, F. (1992): Phenomenography and “the art of teaching all things to all men”. In: Qualitative
Studies in Education, Nr. 3, S. 253-265.
Neber, H. (Hrsg.) (1978): Selbstgesteuertes Lernen. Weinheim: Beltz.
Pätzold, H. (2008a): Vom professionellen Umgang mit Verantwortung. In: Rihm, T. (Hrsg.): Teilhaben
an Schule. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 261-272.
Pätzold, H. (2008b): Verantwortung und lebenslanges Lernen. In: PÄD Forum 3, S. 139-141.
Pieper, A. (52003): Einführung in die Ethik. Tübingen: UTB für Wissenschaft.
Reich, K. (1996): Systemisch-konstruktivistische Pädagogik. Einführung in Grundlagen einer
interaktionistisch-konstruktivistischen Pädagogik. Weinheim: Beltz.
Reischmann, J. (1991): Lernerfolg – Wer trägt die Verantwortung? In: Gieseke, W./Meueler, E./Nuissl,
E. (Hrsg.): Ethische Prinzipien in der Erwachsenenbildung. Kassel: Kommission Erwachsenenbildung
der DGfE, S. 38-42.
18
Verantwortungsdidaktik – Grundlagen und Perspektiven
Schleißheimer, B. (1984): Die Verantwortung des Erziehers. Vorüberlegungen zu einer Ethik
pädagogischen Handelns. In: Vierteljahresschriften für wissenschaftliche Pädagogik, Nr. 60, S. 1-17.
Schüßler, I. (2003): Ermöglichungsdidaktik - eine didaktische Theorie?. In: Arnold, R./ Schüßler, I.
(Hrsg.): Ermöglichungsdidaktik. Erwachsenenpädagogische Grundlagen und Erfahrungen.
Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, S. 67-97.
Herunterladen