Versuchsanleitung

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1.
TU Ilmenau
Physikalisches Grundpraktikum
Versuch M2
Institut
für
Physik
Schwerebeschleunigung
Seite 1
Aufgabenstellung
1.1. Die Schwerebeschleunigung der Erde ist aus dem freien Fall einer Stahlkugel zu bestimmen. Der
Einfluss der Luftreibung ist abzuschätzen.
1.2. Die Schwerebeschleunigung ist weiterhin mithilfe einer Atwoodschen Fallmaschine zu bestimmen. Effektive Masse und Lagerreibung der Umlenkrolle sind anzugeben.
Literatur:
2.
Stroppe, H.
Physik für Studenten der Natur- und Technikwissenschaften
Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag
11. Auflage 1999, S. 22-24, S. 38-43, S. 131-132, S. 199-204
Walcher, W.
Praktikum der Physik
B. G. Teubner Stuttgart Leipzig Wiesbaden
8. Auflage 2004, S. 89-91
Grundlagen

Die Schwerebeschleunigung g ist im Allgemeinen das Resultat aus Gravitations- und Zentrifugalbeschleunigung und kennzeichnet die Beschleunigung einer Probemasse beim freien Fall. Die Gewichts
kraft FG eines Körpers ist seiner Masse m sowie der Schwerebeschleunigung proportional. Die Erdschwerebeschleunigung (Erdbeschleunigung) wird außer von der Erdrotation noch von anderen Faktoren (Dichteanomalien, Gezeiten etc.) beeinflusst und ist daher sowohl orts- als auch zeitabhängig.
2.1. Freier Fall
Während des freien Falls erreicht eine Stahlkugel bei den vorgegebenen Versuchsbedingungen schon
Geschwindigkeiten, die eine Berücksichtigung des Luftwiderstandes erfordern. Die Bewegungsgleichung lautet also:
 

(1)
FG + FW =
ma .
Die Abschätzung der Reynolds-Zahl für die Bewegung einer Kugel durch ein reibendes Medium ergibt
für diesen Fall, dass praktisch für die gesamte Fallstrecke eine laminare Umströmung auszuschließen

ist. Der Reibungswiderstand FW ist demzufolge dem Quadrat der Kugelgeschwindigkeit proportional
und kann mit

ρ

FW = −cW A L v 2 ev
2
(2)
angesetzt werden. Hierbei bedeuten: cW - Widerstandbeiwert, A - Querschnittsfläche, ρL - Dichte der
Luft und v - Geschwindigkeit der Kugel. Für eine Kugel ist bei den vorherrschenden Messbedingungen
cW = 0,4 , so dass sich mit ihrem Radius r weiter ergibt:

1

FW =− π r 2 ρL v 2 ev .
5
(3)

Nach Übergang zur eindimensionalen Betrachtungsweise (positive Koordinate in Richtung g ) kann
man die Bewegungsgleichung (1) folgendermaßen schreiben:
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=
mg − k v 2 ma mit k= π r 2 ρL ,
5
(4)
so dass mit ρK , der Dichte der Stahlkugel, folgt:
3ρL
k
.
=
a=
g − cv 2 mit c =
m 20ρK r
(5)
Die Lösung dieser nichtlinearen Differentialgleichung erfolgt näherungsweise durch Störungsrechnung,
d. h. man errechnet v(t ) aus der ungestörten Differentialgleichung a = g und setzt die ermittelte Zeitfunktion in (5) wieder ein. Nach nochmaliger Integration erhält man das Weg-Zeit-Gesetz:
=
s
1
2
g t2 −
1
12
c g2 t 4 .
(6)
Ein weiterer Näherungsschritt ist nicht notwendig, weil die nachfolgenden Terme für den vorliegenden
Versuch vernachlässigbar klein sind.
2.2. Atwoodsche Fallmaschine
Die Atwoodsche Fallmaschine besteht aus einer festen Seilrolle,
über die ein dünner Faden mit vernachlässigbarer Masse gelegt
ist. An den beiden Enden dieses Fadens sind gleich schwere Fallkörper mit der Masse m angebracht, die sich das Gleichgewicht
halten.
r
JR
Wird auf der einen Seite eine Zusatzmasse mZ befestigt, dann
beginnt sich das Massesystem gleichmäßig beschleunigt in Pfeilrichtung zu bewegen (Abb. 1). Ohne Berücksichtigung der Seilrolle
erhält man als Bewegungsgleichung zunächst:
m=
g (2m + mZ ) a .
Z
m
mZ

a

a
Man erkennt hier bereits den Sinn der Anordnung: Anstatt der
mZ
Schwerebeschleunigung g wird die um den Faktor
re2m + mZ
duzierte Beschleunigung a bestimmt, die leicht mit dem WegZeit-Gesetz der gleichmäßig beschleunigten Bewegung
s=
m
Abb. 1: Atwoodsche Fallmaschine
(7)
a
2
t2
(8)
ermittelt werden kann, weil wegen der geringen Geschwindigkeiten gut messbare Zeiten auftreten und überdies der Luftwiderstand unbedeutend ist.
Nicht zu vernachlässigen ist die Reibung in den Rollenlagern, sie
wird vereinfachend als eine unbekannte konstante Reibungskraft
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FR entgegen der Beschleunigungsrichtung berücksichtigt. Der Einfluss der Trägheit der Umlenkrolle mit
einem Massenträgheitsmoment JR bezüglich der gezeichneten Drehachse und dem Radius r der Fadenrille lässt sich mithilfe der Grundgleichung der Rotation starrer Körper ermitteln:

a

(9)
M = J M ⇒ r ( FS ,1 + FS ,2 ) = JR .
r
Da für die Seilkräfte an der Rolle FS ,1 =
( m + mZ )( g − a ) sowie
FS ,2 =
−m ( g + a ) gelten (Abb. 2), erhält man schließlich die gegen-
über Gl. (7) modifizierte Bewegungsgleichung:


mZ g − FR=  2m +
Den Quotienten
JR
r2
JR
r
2


+ mZ  a .
r
JR

a

a
FS ,2
(10)
FS ,1
Abb. 2: Seilkräfte an der Rolle
kann man auch als eine effektive Masse mR , eff auffassen, die anstelle der Rolle im
Massesystem der Fallmaschine mitbeschleunigt werden muss. Um die Unbekannten g und FR berechnen zu können, werden die Fallexperimente mit unterschiedlichen Zusatzmassen mZ durchgeführt.
Für die Bestimmung der effektiven Rollenmasse eignen sich Schwingungsexperimente. Im vorliegenden Versuchsaufbau wird ein Federschwinger (Federpendel) verwendet, dessen Schwingungsdauern für
mR ,eff
unterschiedliche Anhängemassen mP gemessen werden. Feder und
Anhängemasse sind mit einem über die Umlenkrolle gelegten dünnen Faden wie bei der Fallmaschine verbunden. Das schwingungsfähige System besteht nunmehr aus mP , mR , eff und einem Drittel der
0
x
mP
mF
Federmasse mF (Herleitung im Anhang). Die eindimensionale Bewegungsgleichung für ein solches lineares Federpendel ohne Reibungsverluste lautet:


−D x =
FF =
 mP + mR , eff +
mF 
mP , ges 
x.
a=
3 
(11)
D ist die Federkonstante und beschreibt die rücktreibende Kraft FF
bei Dehnung oder Stauchung der Feder. Als Lösung der aus (11) folgenden homogenen Differentialgleichung

x+
Abb. 3: Federpendel mit Rolle
D
mP ,ges
x=
0
(12)
erhält man ungedämpfte, harmonische Schwingungen mit der Periodendauer
T = 2π
mP , ges
D
.
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Messanleitung und Auswertung
Für die Messung der Fallzeiten beider Versuchsteile steht am Versuchsplatz eine intuitiv zu bedienende elektronische Stoppuhr zur Verfügung, deren Betriebsart zwischen freiem Fall („FF“) und der Atwoodschen Fallmaschine („FM“) umgeschaltet werden kann. Das Rücksetzen der zuletzt gemessenen
Zeit ist nur möglich, wenn der Fallkörper den Startkontakt geschlossen hat und der Stoppkontakt ebenfalls geschlossen ist (nur Fallmaschine).
Ebenfalls beiden Versuchsteilen ist gemeinsam, dass die Messdaten vor ihrer grafischen Darstellung so
umgeformt werden, dass sich lineare Zusammenhänge ergeben. Mithilfe des Praktikumsprogramms
PhysPract ist dann die Berechnung von Ausgleichsgeraden möglich, an deren Parametern Anstieg,
Nullstelle und/oder Absolutglied sich die gesuchten Größen direkt einschließlich ihrer Standardunsicherheiten ablesen lassen.
3.1. Freier Fall
Der Freifallapparat erlaubt ein bequemes Einstellen variabler Fallhöhen der Stahlkugel zwischen 5cm
und 90 cm . Abgelesen wird diese an der oberen Fläche des Kugelhalters (Pfeilmarkierung). Überzeugen Sie sich zunächst von der Reproduzierbarkeit der Zeitmessung bei gleichbleibender Fallhöhe. Die
Fallzeit t der Kugel ist, beginnend bei s = 5 cm , in Schritten von ∆s =5 cm bis zu einer Maximalhöhe
von s = 90 cm jeweils einmal zu messen.
Zur Bestimmung von g wird Gl. (6) leicht umgestellt:
 1

=
2s g t 2  1 − c g t 2  .
 6

(14)
In einem ersten Diagramm wird zunächst der Einfluss der Luftreibung vernachlässigt und die doppelte
Fallhöhe 2s über dem Quadrat der Fallzeit t 2 aufgetragen. Nach Berechnung der Ausgleichgeraden ist
die gesuchte Größe direkt als Anstieg ablesbar. Ein möglicherweise auftretendes Absolutglied deutet
auf systematische Messabweichungen der Fallhöhe hin, kann aber auch andere Ursachen haben.
Mit dem vorläufigen Wert von g ist es nun möglich, die Größenordnung des rechten Terms in der
Klammer von (14) zu untersuchen und einen korrigierten Wert gkorr für die Schwerebeschleunigung
anzugeben. Zweckmäßigerweise wird die Testrechnung für die längste Fallhöhe durchgeführt. Luftdruck p und Lufttemperatur ϑ sind abzulesen, um die tatsächliche Luftdichte ρL im Praktikumsraum
am Versuchstag bestimmen zu können. Gegeben sind:
Radius der Stahlkugel:
rK = 8 mm
Dichte der Stahlkugel:
=
ρK 7,796 ⋅ 103 kg m3
Dichte der Luft unter Normbedingungen:
ρL (p0 , ϑ0 ) =
1,2928 kg m3
p0 = 101,3 kPa , ϑ0 = 0°C
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Aus Gl. (14) folgt mit u = c g t 2 und einer Taylorentwicklung an der Stelle u = 0 :
6
2s 1
gkorr = 2 ⋅
≈ g (1 + u ) .
t 1−u
(15)
Sollte sich eine Korrektur der Schwerebeschleunigung ergeben, deren Betrag größer ist als die schon
berechnete Standardunsicherheit des unkorrigierten Wertes, dann ist die Auswertung nach Gl. (14)
exakt zu wiederholen (Verwendung von Excel wird empfohlen).
3.2. Atwoodsche Fallmaschine
Die Messstrecke der Fallmaschine ist einstellbar und wird einmalig auf z. B. s = 2 m festgelegt. Da verschiedene äußere Faktoren die Fallzeit zufallsverteilt beeinflussen, sind die Fallzeiten t für alle vorhandenen Zusatzmassen mZ ,1 bis mZ ,11 mindestens 5mal zu messen.
Die Fallmaschine ist mit einer elektromechanischen Bremse ausgestattet, die über den Endkontakt
der Fallstrecke gesteuert wird, wenn die elektronische Stoppuhr eingeschaltet ist. Lösen Sie bitte die
Bremse, bevor Sie die Massen an ihre Ausgangsposition bewegen.
Aus den Messgrößen s und gemittelte Fallzeiten t sind die Beschleunigungen a1 bis a11 nach Gl. (8)
zu berechnen. Die Bestimmung der Zusatzmassen mZ selbst geschieht durch Wägen. Im Messprotokoll
ist außerdem der verwendete Wägesatz (A oder B) mit zu notieren. Gegeben ist:
=
2m (370,00 ± 0,02) g
Masse beider Fallkörper mit Faden:
Zur weiteren Auswertung dieses Versuchsteils ist als Nächstes die effektive Rollenmasse mR ,eff zu ermitteln. Hierfür stehen, gemeinsam für beide Versuchsplätze, eine baugleiche Umlenkrolle, eine Spiralfeder und variierbare Anhängemassen zur Verfügung. Zu bestimmen sind die Periodendauern T der
Pendelschwingung für verschiedene Pendelmassen mP des nach Abb. 3 zu realisierenden Federpendels. Hierzu notiert man sich am besten die Gesamtzeit für 10 bis 50 Schwingungsperioden (Auslenkung je nach angehängter Masse, Zählung bei null beginnen).
mP = (30...150) g in Schritten von 20 g
Massebereich für diesen Versuchsteil:
Quadriert man Gl. (13), dann folgt:
2
T=
4 π2
D
mP , ges
=
mF 
 mP + mR ,eff +

D 
3 
4 π2 
(16)
In einem Diagramm T 2 über der angehängten Pendelmasse mP sollte sich demnach ein linearer Zusammenhang zeigen, allerdings wird die berechnete Ausgleichgerade nicht durch den Koordinatenursprung verlaufen, sondern um den Betrag mR,e ff +
mF
auf der mP -Achse verschoben sein. Da die Fe3
dermasse durch Wägen leicht ermittelt werden kann, ist die effektive Rollenmasse damit bestimmt.
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Um abschließend g und die Lagerreibung FR zu finden, wird von Gl. (10) ausgegangen und zweckmäßi-
2m + mR ,eff der beweglichen Teile der Fallmaschine eingeführt. In
gerweise eine Gesamtmasse m=
M
einem weiteren Diagramm trägt man dann die Terme ( mM + mZ ) a über der jeweils angehängten Zusatzmasse mZ auf und berechnet wieder die Ausgleichsgerade durch die so dargestellten Messwerte.
Die gesuchten Größen sind direkt an Anstieg und Absolutglied der Geraden ablesbar.
Die mit den beiden unterschiedlichen Methoden gefundenen Werte für die Erdschwerebeschleunigung
sind, unter Berücksichtigung der berechneten Standardunsicherheiten, mit Tabellenwerten zu vergleichen, mögliche Abweichungen sind zu diskutieren.
4.
Anhang
Die Berechnung des Einflusses der Federmasse auf die Periodendauer eines Federpendels gelingt elegant mit dem Energieerhaltungssatz der Mechanik:
E pot + E kin =
konst .
(17)
Ausgehend von der Gleichgewichtslage des Pendels (x = 0) beträgt die potentielle Energie der gespannten Feder:
x
dl
(18)
Die kinetische Energie während des Schwingungsvorganges steckt zu Teilen in
der mit der Geschwindigkeit x bewegten Pendelmasse mP und der Federmas-
mF
se mF , die man sich in infinitesimale Masseelemente dmF mit zugehöriger
0
L
x
D 2
E pot ( x ) =
− ∫ FF dx =
x .
∫ D x dx =
2
0
0
l
Geschwindigkeit u zerlegt denkt (Abb. 4). Eine Integration über die gesamte
Federmasse führt dann auf
x
mP
Abb. 4: Federpendel
E kin
=
( x )
mP
2
x 2 +
1
u
2∫
2
dmF .
(19)
mF
Die Gesamtlänge der Feder soll zum betrachteten Zeitpunkt L sein, so dass
man dmF = mF
dl
L
sowie u = x
mP 2 mF x 2
E kin ( x ) =
x +
2
2 L3
l
L
schreiben kann. Man erhält damit
L
mF 
x 2 
2
=
l
dl
 mP +

∫
2
3 
0
(20)
und setzt schließlich Gl. (18) und (20) in (17) ein. Aus der Konstanz der Gesamtenergie folgt nach einmaliger zeitlicher Differentiation die Bewegungsgleichung für ein Federpendel nach Abb. 4:
mF

 mP +
3

D
 
x =0.
 x + D x = 0 ⇒ x +
mF

mP +
3
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