Übung im Privatrecht I Wintersemester 2013/14 Fall 3: „Computerkauf mit Problemen“ Rentner Karl (K) beabsichtigt seit geraumer Zeit, sich einen Laptop zu kaufen, um endlich standesgemäß mit seinen Enkeln (Kevin und Jaqueline) twittern zu können. (Seine Briefe – insbesondere die ohne Geldgeschenke – bleiben in letzter Zeit zumeist unbeantwortet.) Als er eines Morgens einen Prospekt des ansässigen Computerladens des Viktor (V) findet, ist er von dem darin angebotenen Laptop der Marke „Eicer 7750g“ zum Preis von 599,- EUR sofort begeistert. Wörtlich heißt es dort: „Einmaliges Angebot: Profi-Laptop Eicer 7750g zum einmalig günstigen Preis. Nutzen Sie noch heute dieses exklusive Angebot.“ Noch am gleichen Tag schreibt K daraufhin einen Brief an V, in dem er formuliert: „Ich nehme das in Ihrem Prospekt enthaltene Kaufangebot über einen Eicer 7750g zum Preis vom 599,- EUR an.“ und wirft diesen persönlich in den Briefkasten des V ein. Den Brief entnimmt V am nächsten Tag aus dem Briefkasten, verlegt ihn jedoch zunächst. Erst nach einem Monat bemerkt er sein Missgeschick und erklärt noch am gleichen Tag per Brief an K, dass: „er das Kaufangebot des K über einen Eicer 7750g zum Preis von 599,- EUR annehme.“ Als K – der mittlerweile ein anderes Laptop im Großhandel erstanden hat – den Brief in Empfang nimmt, misst er diesem jedoch keine weitere Bedeutung mehr bei und legt ihn beiseite. Zwei Tage später versendet V ein Paket mit einem Laptop Eicer 7750g samt Rechnung an K. Als K dieses in Empfang nimmt, legt er es kurzerhand beiseite und lässt es ungeöffnet liegen. V fordert nach weiteren zwei Wochen nunmehr Zahlung des Kaufpreises von K. Aufgabe 1: Hat V einen Anspruch gegen K auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 599,- EUR? Aufgabe 2: Wie wäre es, wenn K den Laptop zwischenzeitlich in Betrieb genommen hätte? Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 1 Lösungsskizze Aufgabe 1: V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 599,- EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen V und K über den Kauf des Laptops - ein Vertrag kommt zustande durch Angebot und Annahme1 (§§ 151, 145 ff. BGB) = zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene,2 Willenserklärungen - Angebot3 des V durch Zusendung des Werbeprospekts? - das Angebot ist eine Willenserklärung4 obj. Erklärungstatbestand5 (+) - - Versenden des Prospekts subj. Erklärungstatbestand6? - Handlungswille7 (+) - - V versendet den Prospekt willentlich Erklärungswille8 und Geschäftswille9? - könnten hier fraglich sein, da jedenfalls reine Werbung nicht auf Setzung von Rechtsfolgen gerichtet ist denn Problem hier: besteht Bindungswille des V? - - § 145 BGB: der Antragende ist an das Angebot gebunden10 => muss entsprechenden Bindungswillen haben11 Vorliegen von Bindungswille ist durch Auslegung12 (§§ 133 u. 157 BGB) der Erklärung des V zu ermitteln Maßstab ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen der objektive Empfängerhorizont (wie musste ein verständiger Adressat die Erklärung verstehen?)13 1 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 246 ff. S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 243. 3 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 247 ff. 4 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 178 ff. 5 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 180 f. 6 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 182 ff. 7 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 183. 8 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 184. 9 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 185. 10 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 252. 11 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 250. 12 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 287 ff. 13 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 295. 2 Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 2 - Wortlaut der Erklärung hier: „einmaliges Angebot“ aber Bindungswille des V hier mit Blick auf die objektive Interessenlage14 gleichwohl zu verneinen Argument: wenn alle Haushalte, die den Prospekt erhalten, das „Angebot“ annehmen, ist V mit einer Vielzahl von Kaufverträgen konfrontiert, die er nicht aller erfüllen kann => er würde auf Schadensersatz wg. Nichterfüllung haften => => => V will hier aus objektiver Sicht sinnvollerweise keine Bindung Prospekt ist lediglich Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum)15 V handelte für den Rechtsverkehr erkennbar ohne Bindungswille => der Werbeprospekt ist kein wirksames Angebot des V - Angebot des K durch seinen Brief an V? - obj. Erklärungshandlung (+) - - subj. Erklärungshandlung (+) - - - - K hat hier ohne weiteres Handlungswillen, Erklärungswille und Geschäftswille (wenn dies wie hier offensichtlich ist, in Klausur nicht weiter ausführen) inhaltliche Qualität der Erklärung des K - => Einwerfen des Briefes in den Briefkasten des V Wortlaut: „Annahme“ des „Angebots“ des V mangels Vorliegen eines tatsächlichen Angebots des V kann die Erklärung des K jedoch selbst „nur“ ein Angebot auf den Abschluss des Kaufvertrags darstellen (da Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen, kommt es für die Qualifikation als Angebot oder Annahme allein auf die zeitliche Reihenfolge an) Brief des K ist ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags über das Laptop Zugang16 des Angebots? - die Erklärung muss so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass dieser Kenntnis nehmen konnte und mit der Kenntnisnahme zu rechnen war17 14 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 299. S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 251. 16 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 213. 15 Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 3 => - Zugang hier mit Einwurf des Briefs in den Briefkasten des V innerhalb der regelmäßigen Geschäftszeiten (tatsächliche Kenntnisnahme nicht erforderlich) Annahme18 des Angebots durch V mittels Brief an K? - obj. und subj. Erklärungstatbestand liegt unproblematisch vor fraglich, ob noch wirksames, annahmefähiges Angebot des K vorliegt - Bindung des Antragenden an das Angebot ist zeitlich beschränkt (vgl. § 147 BGB)19 Angebot des K könnte hier durch Verstreichen der Annahmefrist gem. § 147 Abs. 2 BGB erloschen sein - Übermittlung per Brief => Angebot gegenüber einem Abwesenden => - Rechtsprechung: die Zeit, die für die Übermittlung und Bearbeitung sowie die Überlegung der Entscheidung, gemessen an der Tragweite und Schwierigkeit des Geschäfts, erforderlich ist20 => => => - 1 Monat hier nicht mehr regelmäßige Annahmezeit das Angebot ist erloschen der Brief des V ist ein neues Angebot an K zum Abschluss des Kaufvertrags (vgl. § 151 Abs. 1 BGB) Zugang des (neuen) Angebots? - - Annahmefirst: so lang mit der Annahme unter regelmäßigen Umständen gerechnet werden kann K erhält den Brief tatsächlich => dieser ist in seinem Machtbereich und er kann Kenntnis nehmen ob er tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist irrelevant Annahme des neuen Angebots des V durch K? - ausdrückliche Annahmeerklärung nicht ersichtlich Annahme durch schlüssiges (konkludentes21) Verhalten? - hier in Form des „Behaltens“ (=nicht Zurücksendens) des Laptops denkbar grundsätzlich kann schlüssigem Tun Erklärungswert beigemessen werden22 17 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 222. S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 258. 19 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 254. 20 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 254 mit Beispielsfall. 21 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 298. 22 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 298. 18 Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 4 - grundsätzlich jedoch kein Erklärungswert bei bloßem Schweigen23 (Ausnahme: kaufmännisches Bestätigungsschreiben24) hier folgt unabhängig davon, ob man das Verhalten des K als Schweigen interpretiert, bereits aus § 241a BGB, dass keine Annahme Seitens des K vorliegt, da durch das Zusenden von Ware durch einem Unternehmer an einen Verbraucher kein Anspruch begründet wird25 - - K ist Verbraucher26 (vgl. § 13 BGB) V ist Unternehmer27 (vgl. § 14 BGB) => keine konkludente Annahme des Angebots des V durch K => zwischen V und K ist kein wirksamer Kaufvertrag über den Kauf des Laptops zustande gekommen Ergebnis: V hat gegen K keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 599,- EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB Aufgabe 2: Unterschiede können sich allein insofern ergeben, als K möglicherweise das in dem Brief des V zu erblickende Angebot durch die Nutzung des Laptops konkludent angenommen hat. Es fragt sich also, ob durch die Nutzung des Rechners der K das Verkaufsangebot des V konkludent angenommen hat und somit zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet ist. - Einigkeit besteht insofern, dass eine konkludente Annahme auch in Fällen des § 241 a BGB grundsätzlich denkbar ist welches Verhalten im Rahmen von § 241 a BGB jedoch als konkludente Annahme gilt, ist umstritten28 - die Rechtsprechung und die h.M.: - beschränken die konkludente Annahme bei § 241 a BGB auf den Fall der Erbringung der Gegenleistung – hier also einer Kaufpreiszahlung durch K => es läge keine konkludente Annahme vor => K wäre gegenüber V nicht gem. § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen 23 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 193 ff. S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 198 ff. 25 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 194. 26 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 55 ff. 27 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 62 ff. 28 S. dazu Skript Privatrecht I, § 2 Rn. 194, dort insbes. Fn. 192, 24 Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 5 - Teile der Literatur: - eine derart weitgehende Einschränkung der konkludenten Annahme ist § 241 a BGB nicht zu entnehmen => => => Ingebrauchnahme der Sache soll konkludente Annahme darstellen es läge ein wirksamer Kaufvertrag über den Laptop zwischen V und K vor K wäre gegenüber V zur Zahlung des Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet Dr. André Zschiegner – BTU Cottbus-Senftenberg 6