Die Frauen der Manns Ob Katia, Erika oder Elisabeth Mann - spätestens seit der abendlichen Fernsehserie sind uns diese Namen bestens bekannt, ihre Bilder im Gedächtnis verhaftet geblieben. Die Frauen der Manns sind uns heute näher denn je, so scheint es zumindest. Doch wie waren die Frauen der Manns wirklich? Welchen Einfluss und Anteil an der ‚Mann-Legende’ besaßen sie? Die Sehnsucht danach, „wie es wirklich war“, wird ständig am Leben gehalten. Zwei Biografien zu Katia Mann kommen diesem Bedürfnis entgegen. Erika Mann wird als Autorin, Kabarettistin und Herausgeberin der Werke von Klaus Mann schon längere Zeit gewürdigt, doch sind wir damit noch nicht am Ende der Bestimmung ihrer Person und Bedeutung innerhalb des Gesamtkunstwerks der Familie Mann. Elisabeth Mann feierte ihren großen Auftritt in besagter Fernsehproduktion und konnte sich damit ein Denkmal setzen. Monika Mann hingegen bleibt im diffusen Licht verborgen. Man sucht sie auf Familienfotos, interpretiert ihre Miene, in welches Rollengefüge war sie eingebunden? Zu fassen bekommt man sie jedoch nicht. Von großem Publikumsinteresse begleitet, begab sich Studienleiterin Karin Andert auf die Spurensuche nach den Frauen der Manns. Hans-Peter Klatt, Redakteur bei der Nürnberger Zeitung, verfasste den nachfolgenden Bericht: Hans-Peter Klatt ------------------------ Der Mann im Hause der Mann war eine Frau Scheinwerfer auf Carla! Am 30. Juli 1910 nimmt die Schauspielerin, Schwester von Thomas und Heinrich Mann, in Polling Gift - Zyankali für eine ganze Kompanie. Es ist die letzte große Rolle einer glücklosen Provinz-Darstellerin, gescheitert übrigens auch in Nürnberg: 1906 spielt sie hier im „Intimen Theater“ bei der Uraufführung von Wedekinds „Totentanz“ mit, nach wenigen Wochen ist sie schon wieder draußen. Aber nicht ihre mimischen Flops waren der Hauptgrund für den Selbstmord in der oberbayerischen Wohnung ihrer Mutter, sondern eine unglückliche Liebe, ausweglos wie ein Bühnendrama. Die Manns sind die wohl interessanteste, vielschichtigste deutsche Familie des 20. Jahrhunderts, eine Ahnenreihe, an der man Kulturgeschichte festmachen kann, die nebenbei sogar die Sensationsgier befriedigt: immerhin vier Selbstmorde in zwei Generationen. Und die Faszination nimmt im 21. Jahrhundert sogar noch zu. Immer mehr Publikationen über die Sippe der Großschriftsteller werden auf den Markt geworfen. Sogar die Fernsehnation war vor zwei Jahren ungewöhnlich für verfilmte Literatur - drei Abende lang von dem Doku-Drama „Die Manns“ gebannt. „Die Manns sind die deutschen Windsors“, meinte Uwe Naumann. Der Rowohlt-Lektor eröffnete ein Gipfeltreffen für eine noch nicht so stark beachtete Seite der Dynastie: „Die Frauen der Manns“ beschäftigten drei Tage lang die Evangelische Akademie Tutzing. Eine Tagung mit 250 Teilnehmern - fast doppelt so viele hatten versucht, sich anzumelden, von der Bibliothekarin bis zur Bankdirektorin, vom Studenten bis zum Aufsichtsrat. Biografie-Boom Im Mittelpunkt des Interesses steht neuerdings die Frau des Nobelpreisträgers, die sich selbst „Frau Thomas Mann“ nannte. Dies ist auch der Titel einer Biografie von Inge und Walter Jens, die sich seit dem vergangenen Jahr schon fast 200.000 Mal verkaufte und vor allem für den Boom verantwortlich ist. Durch eine unermüdliche, flächendeckende Lesereise trug das greise Autorenpaar seinen Teil dazu bei, zog beispielsweise in Nürnberg 500 Zuhörer an. In Tutzing entwarf Walter Jens das Bild einer energischen Managerin, die schon bald nach ihrer Heirat als „der Mann in der Familie Mann“ galt. Katia regierte ein Haus, ohne dessen Ordnung Thomas nicht hätte arbeiten können. Die Einser-Abiturientin und Akademikerin, die einen in der Obersekunda stecken gebliebenen Sitzenbleiber geheiratet hatte, behauptete zwar, auf keinem Gebiet Hervorragendes geleistet zu haben (nur als verwegene Autofahrerin lobte sie sich selbst), aber laut Walter Jens ist sie „eine Briefschreiberin von hohen Graden - mit Wendungen, die in jedem Lesebuch stehen könnten“. Das muss Katia von Mama geerbt haben: Hedwig Pringsheim besaß, wie Inge Jens auf der Tagung ausführte, die Gabe, gesellschaftliche Vorgänge und Szenen in kleinen amüsanten Feuilletons festzuhalten. Anschauungsmaterial hatte die hübsche Hedwig genug: In ihrem Elternhaus traf sich die geistig-künstlerische Elite Berlins, auch als regelmäßiger Gast bei Richard Wagner konnte sie die hohe Kunst der Konversation üben. In Meiningen debütierte sie als Schauspielerin von etwas zweifelhaftem Talent - eine Rolle, aus der sie der schwerreiche Alfred Pringsheim bald befreite. In München baute er ihr ein prunkvolles Palais, wo sich die Creme de la Creme der Kulturszene traf. Thomas Mann war tief beeindruckt, mit der Pringsheims-Tochter Katia heiratete er auch dieses glanzvolle jüdische Flair. Dem machten die Nazis nach 1933 ein Ende. Es nützte Hedwig Pringsheim wenig, dass sie ihrer Herkunft durchaus kritisch gegenüberstand: „Es gibt nichts Schrecklicheres als Juden en masse“, schrieb sie einmal ironisch. Stimulierende Mutter Thomas Mann und die Juden - das ist ein Kapitel für sich. Aber auch mit seiner eigenen Abstammung hatte er Probleme. Die halbkreolische, brasilianische Vorgeschichte seiner rassigen Mutter Julia versuchte er noch bis zum Ersten Weltkrieg zu verschleiern. Später, in der Zeit seiner Abwendung von Deutschland, berief sich der Lübecker Kaufmannssohn ausdrücklich auf dieses latinische Element, das seine künstlerische Laufbahn offenbar stimulierte. Etwas andere Stimulationen empfing sein Bruder Heinrich. Der betrachtete seinen exzessiven Hang zur Erotik als mütterliches Erbteil. Frido Mann, Enkel des Nobelpreisträgers und Vorbild für den rührenden Jungen Echo im „Doktor Faustus“, zeichnete in Tutzing die Einflüsse von Julia nach. Er selbst hat sich in Brasilien auf Spurensuch begeben und die Erbmasse in dem Roman „Brasa“ verarbeitet: Eine Art „Buddenbrocks“ auf Lateinamerikanisch, allerdings literarisch weit weniger bedeutend. Fridos Urgroßmutter verklärte ihre brasilianischen Jahre in „Aus Dodos Kindheit“. In einem Akt der Über-Assimilation vertrat die Schriftsteller-Mutter mit dem multikulturellen Hintergrund zeitweise die These, am germanischen Wesen müsse die Welt genesen. Genau diesen, der Welt ab 1933 aufgezwungenen Genesungsvorgang bekämpfte eine andere „Mann-Frau“ mit aller Kraft. Erika, älteste Tochter des Zauberers (wie sie den „Zauberberg“-Autor nannte), hat zwar auch mehrere Bücher veröffentlicht. Ihre Lebensleistung bestand aber vor allem in dem Kabarett „Die Pfeffermühle“, mit dem sie gegen die Nazis kämpfte. Von 1933 bis 1936 gab sie in München, Zürich und New York über 1000 Vorstellungen. Milder Pfeffer Wenn man heute die „Pfeffermühle“ nacherlebt - die Evangelische Akademie Tutzing ließ von Anatol Regnier ein Abendprogramm nachspielen - dann erscheinen die Texte und Lieder alles andere als bissig. Ihre Funktion und ihr Wert sind nur aus der damaligen Zeit zu verstehen. „Die Frauen der Manns hatten nicht den Wunsch nach zeitüberdauernder Wirkung“, räumte die Göttinger Germanistik-Professorin Irmela von der Lühe in Tutzing ein. Gleichwohl haben ein Nobelpreisträger, seine Leser und die deutsche Literatur den Frauen viel zu verdanken. So wäre ohne Katias Briefe von ihrem Sanatoriumsaufenthalt in Davos „Der Zauberberg“ vielleicht nicht verwirklicht worden. Und seine Lieblingstochter „Eri“ wurde für Thomas Mann zur engsten Mitarbeiterin der letzten Lebensjahrzehnte, die Stütze seines noch produktiven Alters.