Was ist Ethik?

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Wissenschaft und
Forschung
Zertifikatsmodul für Berufstätige aus
Gesundheitsfachberufen
Teil II
Forschungsethik und Datenschutz
1.Was ist Ethik?
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Programm
 Ethik in der Medizin und den
Gesundheitsfachberufen
 Berufsspezifische ethische Aspekte/
Ethikkodizes
 Forschungsethik und Datenschutz
 Plagiieren und Zitieren
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Was ist Ethik?
 Gr. ethos: Charakter, Sinnesart
 „... eine Disziplin des systematischen
Nachdenkens über das Gute ...“ (Maio 2012)
 Wissenschaft vom moralischen Handeln
 Ist nicht Moral, sondern redet über Moral
 Fällt nicht Urteile sondern analysiert sie
 Setzt nicht Einzelziele sondern bestimmt
Kriterien nach denen ein Ziel ein gutes Ziel ist
Pieper, A. (2003)
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Ethik kann
 Orientierungs- und Entscheidungshilfe bieten –
keine vorgefertigten Rezepte!
 Moralisch relevante Unterscheidungen
herausarbeiten
 Moralische Urteile untersuchen
 Konsequenzen von Akzeptanz oder Ablehnung
von bestimmten Prinzipien verdeutlichen
 Moralisch relevante Fragen stellen
 Prämissen klären, unter denen sie zu
beantworten sind
Maier, B.(2000)
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Zentrale Fragen






Was schulde ich den anderen?
Was schulde ich mir selbst?
Was gilt für alle?
Und was gilt für mich?
Was ist das Rechte?
Und was ist das Gute?
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Handeln in Beziehung
 Voraussetzungen für
ethisches Handeln:
 Wissen
 Empathie
 Selbstreflexion
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Moral
 Lat.: mos: Sitte, Charakter
 Inbegriffe von Normen, Werten und
Handlungsmustern
 Ordnungsgebilde
 Bezieht sich immer auf eine Gruppe
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Normen
• Von lat.: norma = Maßstab, Richtschnur: „Du sollst ...“
• Spezifische und auf bestimmte Situationen bezogene
Regeln, die zu beachten sind, eine Art Vorschrift
• Sind bezogen auf Werte und sollen deren Verwirklichung
ermöglichen
• Haben eine Funktion für zukünftiges Handeln und für
Handlungen, die bereits stattgefunden haben
• Bilden Grundlage für moralische und rechtliche Urteile
• Juristische Normen (Sanktionen)
• Moralische Normen (Ächtung, Tadel)
•
Quelle: Maio, G. (2012)
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Werte
Erwünschte und erstrebte Ziele von Handlungen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Werte




Allgemeine Zielvorstellungen über das Gute
Sind immer positiv formuliert
Bestehen aus sich selbst heraus; immateriell
Ethische Werte: Aufforderung, etwas Bestimmtes zu tun
oder eine bestimmte Haltung einzunehmen
 Geben Orientierung auf das zu Tuende, zu Denkende,
Seinsollende
 Beziehen sich auf das Selbstverständnis eines
Menschen
Quelle: Maio, G. (2012)
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Normen und Werte
Normen
Werte
 Im Prinzip einlösbar
 Nachleben
 Werden
vorgeschrieben
 Delegation
 Autonome Absprache
 Externes Gebot
12.08.2014




Nie ganz befolgbar
Entsprechend leben
Werden vorgelebt
Persönliche
Verantwortung
 Heteron. Absprache
 Interner Bezug auf
das Gute
Dr. Angelica Ensel
Konventionen
 Vereinbarungen,
die bestimmte
Verhaltensweisen
regeln
 Als Sitten oder
Gebräuche
bezeichnet
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Gesetze
• Schriftlich fixierte
Bestimmungen
• Verletzung zieht
Sanktion der
Gemeinschaft nach
sich
• Müssen nicht mit
moralischen
Normen
übereinstimmen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Ebenen von Moral –
Wer bestimmt die Werte einer Gesellschaft?
• Bürgermoral: implizite
und explizite Werte
einer Gesellschaft
• Binnenmoral:
Wertevorstellungen
eines Systems von
Experten:
– Eigene Gesetze,
Normen und Werte
– Bildung neuer Normen
und Wertvorstellungen
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Ethik und Kultur
• Moralisches Handeln
wird gelernt
• Gehört zur Entwicklung
des Menschen als
Mitglied der
Gemeinschaft
• Werte sind kulturell
geprägt, können sehr
unterschiedlich
interpretiert und gelebt
werden
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Ebenen von ethischen Konfliktfeldern
 Mikroebene: zwischen einzelnen Menschen
z.B. Hebamme – Frau
 Mesoebene: Ebene der Institutionen,
Interessensvertretungen, Berufsgruppen
z.B. Klinik, Patientenvertretungen,
Berufsorganisationen
 Makroebene: gesetzgebende Ebene
z.B. Grundgesetz, Hebammengesetz,
Patientenrechte, §218
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Arbeitsgruppen





AG1: Ethik in der Medizin
AG2: Ethik im Kontext der Gesundheitsfachberufen
AG3: Ethische Aspekte in der Beziehung: ExpertIn–LaiIn
AG4: Ethik in den Institutionen des Gesundheitsbereichs
AG5: Ethik in der medizinischen Forschung
Erstellen Sie ein Flipchart zu den zentralen Aspekten
und Konfliktfeldern!
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Deskriptive und normative Ethik
Deskriptive Ethik
 Geht vom Verhalten aus
 Untersucht
Wertevorstellungen von
Handlungs- und
Verhaltensweisen
„Welche Möglichkeiten
der Selbstbestimmung
haben die Gebärenden
bei uns uns?“
22.08.2013
Normative Ethik
 Fragt, was gelten soll
 Ermittelt Kriterien, die
eine moralische
Beurteilung von
Handlungen ermöglichen
„Welche Möglichkeiten
der Selbstbestimmung
sollten Frauen während
der Geburt haben?“
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Grundtypen ethischer Argumentationen
 Deontologie – Pflichtenethik: Entspricht
die Handlung moralischen Pflichten?
 Konsequenzialistische Ethik/Utilitarismus:
Welche moralische Qualität hat das
Handeln in Bezug auf seine Folgen?
 Tugendethik: Sind die Haltungen,
Einstellungen und Dispositionen der
Handelnden moralisch angemessen?
Wiesing, U. (2004)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Kategorischer Imperativ
Oberstes unabhängiges moralisches Prinzip
„Handle so, dass die Maxime Deines Wollens
jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen
Gesetzgebung gelten könnte“ (Immanuel Kant
1724-1804)
Aus dem kategorischen Imperativ leiten sich
verschiedene Pflichten des Menschen ab.
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Deontologie – Pflichtenethik
Immanuel Kant (1724–1804)
 Deon (gr.): das Erforderliche, Gesollte, Pflicht
• Als Vernunftwesen ist der Mensch zur freien
Willensentscheidung fähig.
• Fähigkeit zur Vernunft ist die Wurzel der Freiheit – der
eigenen, aber auch der anderen, mit denen man diese
Vernunft teilt
• Bindender Maßstabe des Handelns: Die dem Menschen
innewohnende Vernunft – Handeln in Freiheit und
Autonomie, Respektieren des Freiraums der Anderen
Maier, B. (2000)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Deontologie
Pflichtenethik
• Mensch ist frei, sich an das „vernünftig
Gute“ zu binden
• Entscheidend ist die Absicht einer
Handlung!
• Moralphilosophie heute: Vernunft als
Fähigkeit des Abwägens von Gründen und
Argumenten, zu einem gemeinsamen
Ausgang zu kommen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Selbstzweckformel
Kants
 Der Mensch hat einen Wert aus sich selbst
heraus, aufgrund seines Menschseins
 Ist Zweck an sich und steht damit in elementarer
Gleichheit mit allen Menschen
 Kein Mensch hat das Recht, diese elementare
Gleichzeit anzutasten.
 Bis heute: zentrale Bedeutung für
Menschenwürde und Menschenrechte – gegen
jegliche Instrumentalisierung des Menschen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Utilitarismus –
Nutzenethik/Konsquenzialistische
Ethik
 Utility (engl.) = Nützlichkeit
 (Jeremy Bentham 1748 – 1832) und John Stuart Mill
(1806 – 1873)
 Es gibt keine absoluten Gebote und übergeordneten
Werte
 Im Gegensatz zur Deontologie sind die Folgen einer
Handlung der Maßstab der Bewertung
 Im Zentrum: das größtmögliche Glück bzw. der Nutzen
und die Folgen für das Individuum und die Gesellschaft
Wiesing, U. (2004)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Utilitarismus
 Begrenzung auf Individuum:
Hedonistisches Prinzip: Individuelles
Wohlergehen im Zentrum
 Ausrichtung auf Gemeinschaft:
Aggregationsprinzip: Summe des größten
Glücks aller Betroffenen im Zentrum
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Tugendethik
 Geht auf Platon und seinen Schüler Aristoteles zurück
 Zentrale Idee: bewusste Formung des Charakters in
Bezug auf bestimmte Herausforderungen für die
Handlungsorientierung
 Vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit,
Tapferkeit und Besonnenheit (neben Tüchtigkeit, Mut,
Klugheit, Kraft, Schönheit)
 Später erweitert durch die christlichen Tugenden:
Glaube, Hoffung und Liebe
 Tugendethik gibt im Konfliktfall keine
verallgemeinerbaren Kriterien für das Handeln
Wiesing, U. (2004)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Ethisches Argumentieren
Beispiel: 14. SSW. Diagnose DownSyndrom: Sollte ein
Schwangerschaftsabbruch erlaubt sein?
 Deontologische Argumentation
 Utilitaristische Argumentation
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Dilemma
 Eine ethisch-moralische
Entscheidungssituation, in der mehrere
Handlungen gleichzeitig geboten sind, die
sich gegenseitig ausschließen
 Nutzen auf der einen Seite bringt Schaden
auf der anderen
 Es kann keine nur „gute Lösung“ geben
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Care-Ethik
 Ausgangspunkt: Ethische Prinzipien wurden von einer männlich
dominierten Kultur entwickelt, die die Hälfte der Menschheit nicht
einbezog und in der Frauen unterdrückt wurden.
 „Die andere Stimme“ – Carol Gilligan (1988)
 Theorie einer weiblichen Moral der Fürsorge und Verantwortung, die
sie der männlichen Gerechtigkeitsmoral entgegenstellt.
 Ausgangspunkt: Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung
(1960er Jahre), das die höchste Stufe der moralischen Entwicklung
in der Unparteilichkeit und Objektivität des Urteils sieht (losgelöst
vom Situationskontext).
 Gilligan untersucht die moralische Entwicklung von Frauen und
kommt zu anderen Ergebnissen
Giligan, C. (1988)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Beispiel Schwangerschaftsabbruch
Thesen von Gilligan zur moralischen Entscheidung bei
Männern und Frauen:
 Männer fällen Urteile nach formalen Regeln, Frauen
entscheiden personen- und beziehungsorientiert
 (weibliche) Sorge und Verbundenheit gegenüber
(männlichem) abstraktem Autonomieverständnis
 Alternatives Modell der moralische Reife: nicht
Autonomie sondern reife Beziehungsmoralität: Balance
zwischen Fürsorge und Selbstsorge
Giligan, C. (1988)
22.08.2013
Dr. Angelica Ensel, Hamburg
Care-Ethik
 Dimension der Fürsorge als eigene Moralperspektive im
Zentrum
 Moralischer Imperativ: „Verantwortung für die wirklichen
und erkennbaren Nöte dieser Welt“
 Autonomie unter Einbeziehung von Fürsorglichkeit und
Kontextsensibilität
 Qualitäten: Moralische Intuition und aktive Empathie
 Situationsbeurteilung: Kluge, reflektierende Abschätzung
der Positionen aller Beteiligten unter Einbezug von
nötigen Mitteln und Ressourcen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Care-Ethik –
Dimensionen
 In Beziehung-Sein im Zentrum, auf Gemeinschaft
ausgerichtet:
 Wechselseitige Hilfe und Aufmerksamkeit
 Verantwortung und Wertschätzung
 Kultur der Achtsamkeit
 Wissen um körperliche und psychische Verletzlichkeit,
um Geburtlichkeit und Sterblichkeit
 Assymetrie der Beziehungen
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
Literatur






Großmaß, R.; Perko, G. (2011): Ethik für soziale Berufe. Parderborn:
Schöningh.
Jonas, H. (1987): Technik, Medizin und Ethik. Praxis des Prinzips der
Verantwortung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Maier, B. (2000): Ethik in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin:
Springer.
Maio, Giovanni (2012): Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Stuttgart:
Schattauer
Pieper, Annemarie (2003): Einführung in die Ethik. Tübingen und Basel: A.
Francke.
Wiesing, U.(Hg.) (2004): Ethik in der Medizin. Ein Studienbuch. Stuttgart:
Reclam.
12.08.2014
Dr. Angelica Ensel
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