4.4 – Volkswirtschaft und Markt - Wirtschaftskreislauf - Märkte / Preisbildung - Marktwirtschaftsmodelle Einfacher Wirtschaftskreislauf Zwischen den Produzenten und Konsumenten fliessen entgegengesetzte Ströme: der Güterstrom (Gütermenge) und der Geldstrom (Geldmenge). Um die Zusammenhänge besser erkennbar zu machen, werden beim einfachen Wirtschaftskreislauf nur zwei Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern betrachtet, die privaten Haushalte (Konsumenten oder Verbraucher) und die Unternehmen (Produzenten). Sie bilden gleichsam zwei grosse «Pumpwerke», die den Güterstrom und den Geldstrom antreiben. Jedes Unternehmen (jeder Produzent) ist gleichzeitig immer auch ein privater Haushalt (Konsument). Aber nicht jeder private Haushalt ist auch ein Unternehmen. Wir alle treiben täglich in unterschiedlichen Rollen in diesen Strömen mit (zum Beispiel als Konsument, als Arbeitnehmer, als Steuerzahler, als Rentner, als Stipendienempfänger). Güterstrom (Gütermenge) – Um Sachgüter herstellen und Dienste leisten zu können, braucht es drei Produktionsmittel: Boden, Arbeit und Kapital. Die privaten Haushalte stellen sie den Unternehmen zur Verfügung. Diese Produktionsmittel werden auch «Produktionsfaktoren» genannt. Mithilfe der drei Produktionsfaktoren können die Unternehmer Sachgüter herstellen und Dienstleistungen erbringen, welche sie auf dem Markt anbieten. 1 Man kann den Güterstrom messen, indem man sämtliche Sachgüter und Dienstleistungen zusammenzählt, die in einem Jahr in der Volkswirtschaft produziert worden sind. So erhält man das Bruttoinlandprodukt. Geldstrom – Um die von den Unternehmen hergestellten Sachgüter und erbrachten Dienstleistungen zu erwerben, benötigen die privaten Haushalte Geld. Die Unternehmen zahlen den privaten Haushalten für die Arbeit Löhne, für das Kapital Zinsen und für die Benützung des Bodens Grundrente. (Das Wort «Grundrente» ist ein anderes Wort für Bodenzins. Damit keine Verwechslung mit dem Kapitalzins entsteht, wird die Entschädigung für die Benützung des Bodens «Grundrente» genannt.) Man kann den Geldstrom messen, indem man sämtliche Löhne, Zinsen und Grundrenten zusammenzählt, die in einem Jahr den privaten Haushalten zufliessen. Dann erhält man das Volkseinkommen. Diese Messmethode hat jedoch Fehler: Nicht alle Leistungen lassen sich genau berechnen. Was kostet z.B. ein «Dankeschön»? Unbezahlte Arbeiten (z.B. Hausarbeit, Erziehung, Betreuung, Hobby-Handwerker) und Schwarzarbeit werden nicht erfasst. Eine Volkswirtschaft befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn der Geldstrom (die Geldmenge) gleich gross ist wie der Güterstrom (die Gütermenge). Dieses Gleichgewicht wird in der Realität praktisch nie erreicht. Daher entstehen häufig Störungen wie z.B. Inflation. Erweiterter Wirtschaftskreislauf Neben den Unternehmen und den privaten Haushalten werden zusätzlich der Staat, die Banken und das Ausland mit in den Kreislauf einbezogen. Dadurch werden der Geld- und der Güterstrom erweitert. Der einfache Wirtschaftskreislauf allein genügt nicht, um die komplizierten Geld- und Güterströme in ihrer Gesamtheit darzustellen. Bedeutende Rollen spielen der Staat, die Banken und das Ausland. Siehe Grafik nächste Seite. Der Staat, und somit die öffentlichen Haushalte (Bund, Kantone, Gemeinden) erhalten von den privaten Haushalten, den Unternehmen und den Banken Steuern, um damit die zahlreichen öffentlichen Aufgaben zu finanzieren. Die Banken und Versicherungen nehmen Spargelder entgegen und bezahlen dafür Zinsen bzw. Gewinnbeteiligung. Diese Spargelder geben sie in Form von Krediten weiter an die Unternehmen und die privaten Haushalte, aber auch an den Staat. Von ihren Schuldnern verlangen die Banken und die Versicherungen ihrerseits Zinsen. Banken und Versicherungen kooperieren zunehmend miteinander, um die Kunden ganzheitlich beraten zu können. Jede Volkswirtschaft ist mit dem Ausland verflochten. So kaufen die Unternehmen Sachgüter im Ausland (Rohstoffe, Halbfertigfabrikate und Fertigfabrikate). Sie müssen an die ausländischen Lieferanten Zahlungen leisten (Importzahlungen). Die Unternehmen verkaufen aber auch Sachgüter und Dienstleistungen ins Ausland und werden dafür entschädigt (Exporterlöse). Geld- und Güterströme fliessen also auch ins Ausland und vom Ausland ins Inland. 2 3 Märkte / Preisbildung Markt: Jeder Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Beispiele von Märkten: - Konsumentenmarkt (Gemüseladen, Einkaufszentrum, usw.) - Finanz- und Kapitalmarkt (Aktienbörse, usw.) - Arbeitsmarkt (Stellenvermittlungsbörse, usw.) In unserem Wirtschaftssystem übernimmt der Markt bei allen wirtschaftlichen Gütern die Funktion der Preisbildung. Preis: Ist der in Geld ausgedrückte Tauschwert für ein Sachgut oder eine Dienstleistung. Damit der Markt seine Funktion erfüllen kann, muss Konkurrenz herrschen. Konkurrenz heisst: Viele Anbieter des gleichen Sachgutes und viele Nachfrager nach diesem Sachgut treffen sich auf dem Markt und stehen dort im Wettbewerb zueinander. Die Preisbildung auf dem Markt erfolgt aufgrund des Zusammenspiels zwischen Angebot und Nachfrage. Angebot – ist diejenige Menge an Sachgütern und Dienstleistungen, die von den Unternehmen (Produzenten) auf dem Markt zum Verkauf bereitgestellt wird. Nachfrage – ist der Wille der privaten Haushalte (Konsumenten), Sachgüter und Dienstleistungen zu erwerben, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Angebot und Nachfrage beeinflussen den Preis. 4 Der Preis übernimmt in der freien Marktwirtschaft eine Signalfunktion, indem er anzeigt, dass Sachgüter und Dienstleistungen knapper werden. Der Preis lenkt Angebot und Nachfrage. Beispiel: Gemüsehändler X bietet 40 Ananas zu einem Stückpreis von CHF 6.-- an. Zu diesem Preis sind die Früchte schnell verkauft. Die Konsumenten wären also bereit, für die ausgezeichnete Qualität einen höheren Preis zu bezahlen. Händler X bietet darauf 60 Ananas zu einem Stückpreis von CHF 8.-- an. Es stellt sich heraus, dass dieser Preis zu hoch ist; X verkauft nur 40 Ananas. Am dritten Tag senkt X den Preis auf CHF 7.--, bietet 50 Ananas an und verkauft bis am Abend alle. Damit kennt Anbieter X den Marktpreis (Gleichgewichtspreis), den die Konsumenten für Güter in der angebotenen Qualität zu bezahlen bereit sind. Marktwirtschaftsmodelle Es gibt verschiedene Marktwirtschaftsmodelle. Ein Marktwirtschaftsmodell umfasst die Regeln, nach denen die Wirtschaft in einem Land funktionieren soll. Das Wirtschaftsmodell wird im jeweiligen politischen System festgelegt. Die Volkswirtschaft und die Politik stehen in enger Verbindung zueinander. Die Regeln für die Wirtschaft werden in einer Demokratie von der Gesellschaft aufgestellt, in einer Diktatur entweder von einer einzelnen Person oder einer kleinen Personengruppe. Die freie Marktwirtschaft ist eine mögliche Wirtschaftsordnung. Weiter gibt es die zentrale Planwirtschaft als Gegenpol zur freien Marktwirtschaft sowie viele Zwischenformen, vor allem die soziale Marktwirtschaft. Keine staatlichen Eingriffe Modell: Freie Marktwirtschaft Freie Marktwirtschaft Totale staatliche Lenkung Modell: Zentrale Planwirtschaft Soziale Marktwirtschaft ≠ 5 Zentrale Planwirtschaft Das Modell einer freien Marktwirtschaft geht auf die Theorie des englischen Ökonomen Adam Smith (1723-1790) zurück. Der Markt müsse vollkommen ungehindert spielen können, Angebot und Nachfrage allein würden bestimmen, welche Ziele eine Volkswirtschaft verfolgen soll. Der Staat habe nur für Recht und Ordnung zu sorgen, aber nicht einzugreifen («Nachtwächterstaat»). Das Modell der reinen freien Marktwirtschaft bewährt sich in der Praxis nicht. Deshalb sind in der Bundesverfassung Ziele formuliert, die über das rein Wirtschaftliche hinausgehen. Man will eine Zweiklassengesellschaft vermeiden, wo der Starke auf Kosten des Schwachen lebt («Raubtierkapitalismus»). Wohlstand ist erreicht, wenn die Grundbedürfnisse und einige Luxusbedürfnisse mit materiellen Gütern gedeckt werden können. Um glücklich zu sein, braucht es nicht nur materiellen Wohlstand. Unser Staat hat gemäss Artikel 2 der Bundesverfassung die «gemeinsame Wohlfahrt» zu fördern. Zu einer guten Lebensqualität gehört einerseits ein ausreichender Wohlstand. Hinzu kommt aber auch der Wunsch nach Freiheit, Gesundheit, Gerechtigkeit und einer intakten Umwelt und Natur. Wohlstand + Gesundheit + Gerechtigkeit + intakte Umwelt + Freiheit ________________ = Wohlfahrt Soziale Marktwirtschaft Menschen, die nicht (mehr) arbeiten können, brauchen Hilfe. Eine soziale Marktwirtschaft versucht, die Auswirkungen eines schrankenlosen Wettbewerbs zu vermeiden. Mit Gesetzen schafft der Staat den Rahmen, in dem in einem vernünftigen, freien Wettbewerb gewirtschaftet werden kann. Gesetze sollen aber die Handels- und Gewerbefreiheit, die ebenfalls in der Bundesverfassung verankert ist, nicht so stark einschränken, dass Angebot und Nachfrage zu stark behindert werden. Gesetze können folgendes bewirken: - die Natur und ihre Ressourcen werden nicht ausgebeutet - Energie wird sinnvoll und sparsam eingesetzt - der Staat hilft wirtschaftlich schwachen (Rand-) Regionen - das Volkseinkommen wird möglichst gerecht verteilt und umverteilt - Arbeitsstellen werden geschaffen In der sozialen Marktwirtschaft steht die Wirtschaft im Dienste des Menschen – und nicht umgekehrt!!! Zentrale Planwirtschaft Zentrale Aufgabe der Planwirtschaft ist es, Bedürfnisse zu ermitteln und die produzierten Güter mit existenten Ressourcen gerecht zu verteilen. Das bedeutet, dass in Ländern, in denen die Planwirtschaft zur Anwendung kommt, der Staat entscheiden kann, welche Güter und Dienstleistungen die Menschen überhaupt benötigen. Für diesen Zweck werden dann langfristige Pläne erstellt. Aufgabe und Ziel der Pläne ist es zu definieren, welche Produkte angebaut oder hergestellt werden müssen. Aber auch die zu erbringenden Dienstleistungen werden in diesen Plänen der Planwirtschaft genau fixiert. 6 Einer der grössten Nachteile der Planwirtschaft ist, dass kurzfristige Änderungen nicht zeitnah realisiert werden können. Die Planwirtschaft hat es dabei in keinem der Länder, in denen sie Fundament des Wirtschaftssystems war bzw. ist, geschafft, eine Harmonie zwischen Planung und Realisierung zu erzielen. Grundsätzlich kann auch festgestellt werden, dass im Falle einer konsequenten Umsetzung der Planwirtschaft, kein Markt existieren würde, denn die Funktion von Angebot und Nachfrage, die Antrieb der freien Marktwirtschaft ist, sind in einer Planwirtschaft nicht möglich. Die unweigerliche Folge ist eine Stagnation der Wirtschaft. Quellen: - Recht und Gesellschaft (ISBN 978-3-0345-0224-5) – Sauerländer Verlage - Aspekte der Allgemeinbildung (ISBN 978-3-03743-702-5) – Fuchs Verlag - JuraForum.de 7