Musikinhärente Strukturen als Basis der Neuen Künste Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Karl–Franzens–Universität Graz eingereicht von: Mag.phil. Jon GRIEBLER am Institut für Musikwissenschaft Erstbegutachter: ao.Univ.–Prof. Priv.–Doz. Dr. Werner JAUK Zweitbegutachter: Univ.–Doz. Dr. Arnulf ROHSMANN 2011 Das Eigentümliche des Kunstwerks liegt offenbar darin, daß sein Reichtum das Wahrnehmungsvermögen des Empfängers übersteigt. Abraham A. Moles 1971 Nam June Paik, »Zen for Head«, 1962 . INHALT 1 EINLEITUNG 1.1 AMBIVALENZ: MUSIK / BILDENDE KUNST 1.2 THEORIE 1.3 METHODE / KERNLITERATUR 3 3 5 6 2 DIE RELEVANTEN AVANTGARDEN (DER MODERNE) 2.1 FUTURISMUS / DADA / PUNK 2.2 BERGSON, DUCHAMP, ERRATUM MUSICAL / JOHN CAGE 2.3 BEWEGTES, UNBEWEGTES (UND FLÜCHTIGES) FUTURISMUS, MASCHINE UND MUSIK 2.3.1 2.3.2 KINETISCHE KUNST UND ALGORITHMUS ARCHITEKTUR / RAUM 2.3.3 2.3.4 FILM UND LICHTKUNST 2.4 KRIEG, ZÄSUR UND POSTMODERNE 9 9 19 30 30 39 47 54 63 3 (BILDENDE) KUNST – INFORMALISIERUNG, GESTE, CODE 3.1 MUSIK – BEFREIUNG VOM NOTIERTEN 3.2 DAS BILD – BEFREIUNG VOM NARRATIVEN ? 3.3 MUSIKALISIERUNG / SYNÄSTHESIE / MULTIMODALE WAHRNEHMUNG 73 73 83 90 4 WAHRNEHMUNGSSTRATEGIEN 4.1 ZEICHENSYSTEME / SELBSTREFERENZIALITÄT 4.2 ÄSTHETISCHE ERFAHRUNG 4.2.1 PSYCHOLOGISCHE ÄSTHETIK / (KOGNITIVE ÄSTHETIK) 4.3 KOMMUNIKATION 4.3.1 KONSTRUKTIVISTISCHES KOMMUNIKATIONSMODELL 4.3.2 WAHRNEHMUNG DER WAHRNEHMUNG 96 96 103 106 112 116 118 5 DIE KUNST DES Y2K+ 5.1 TECHNOLOGIE / HIDDEN HIGHTECH 5.1.1 KÖRPER VS. / & MASCHINE 5.1.2 MECHANISTISCH / SYSTEMISCH 5.2 DER DIGITALE CODE 5.2.1 DAS ENDE DER DISTANZ 5.2.2 VERSCHRÄNKUNG VON INFORMATION & WIRKLICHKEIT 121 121 124 128 130 133 136 6 DISKUSSION: PROZESS VS. KONTEMPLATION 139 7 LITERATUR INTERNET – REFERENZEN / BILD – 143 168 2 UND TONTRÄGER 1 Einleitung Die Typologien von Musik und bildender Kunst seien inkommensurabel, so die paradigmatische Grenzziehung zwischen den heterogenen Kunstformen. Dies ist, wie auch deren Hierarchisierung, eine über die Jahrhunderte tradierte Konzeption „geordneter Verhältnisse“. Platon attestierte der Musik, mit teils drastischen Einschränkungen, eine erzieherisch – konstruktive Wirkung auf die Seele, die Malerei sei demgegenüber unwahrhaftig und täusche die Seele (vgl. Platon 2000: 183[401d], 442[602d]). Georg Wilhelm Friedrich Hegel sah einen reziproken Dualismus zwischen Musik als Äußerung der Innerlichkeit und der Malerei als Innerlichkeit im Äußerlichen, (vgl. Hegel / Gethmann 2005: 215, 206). Der Hinweis auf die abstrakte Innerlichkeit der Musik gegenüber dem Bewusstsein des Gegenständlichen 1 der Malerei (vgl. ebd.: 216) impliziert eine Dialektik der Künste in den Überschneidungsbereichen von Zeitlichkeit und Räumlichkeit. Für Theodor Wiesengrund Adorno ist die Verfransung der Künste, genauer: ihrer Demarkationslinien (Adorno 1977: 433) ein Griff nach der außerästhetischen Realität, die dem Prinzip […] Abbildung strikt entgegengesetzt (ebd.: 450) sei. Adorno attestiert den verfransenden Künsten – mit dem Hinweis auf das happening – die Entledigung vom idealistisch– kunsthaften der „geordneten Verhältnisse“ und die Sehnsucht nach Schaffung einer einzigartigen (sui generis) Wirklichkeit (ebd.: 452). 1.1 Ambivalenz: Musik / bildende Kunst Die rezeptive Ambivalenz von auditiven und visuellen Künsten basiert auf deren Formalisierung der jeweilig spezialisierten Wahrnehmungsfunktion Hören / Sehen; es ergibt sich die – künstliche – Differenzierung zwischen ephemerem 1 und nicht–ephemerem Werk, phylogenetisch sind „Die Handlung, [die im Bild dargestellt wird], muß verständlich sein, die allegorische Malerei ist unverständlich“ (Hegel / Gethmann 2005: 212). 3 beide Wahrnehmungsformen obligat. Die Flüchtigkeit des Klanges 2 erfordert ein adäquates Codesystem / Notation, eine Instanz der Vermittlung, die von dem zu Vermittelndem entkoppelt ist. Die Abstraktions– und Informalisierungsprozesse des 20. Jahrhunderts gehen einher mit der Dynamisierung und Digitalisierung der bildenden Kunst (vgl. Jauk 2009: 389ff) und formen die Theoriengebäude, die ein Einbringen von bedeutungsneutralen Codes in die bildende Kunst ermöglichen. Zusammen mit der Befreiung von der Abbildung nähert dies die bildende Kunst an den Formalakt „Musik“ an, als formale Struktur zur Regelung von syntaktischen Ereignissen. Die ikonologische Ambivalenz von Musik und bildender Kunst basiert auf der bildinhärenten Analogie zum „Außen“; die grundlegend abbildende Struktur der bildenden Kunst steht einer im Ausnahmefall abbildenden Struktur der Musik gegenüber. Die Programme des Futurismus / Dadaismus, zum einen die Simultaneität dynamistischer Elemente (vgl. Boccioni 2002 [1914]: 157 – 169), die eine ganzheitliche Sensibilität vermitteln soll, zum anderen die Gestaltung abseits von logischem Verhalten und im kreativen Dilettieren stellen ikonografische Referenzen der bildenden Kunst in Frage. Technischer Fortschritt und die Verfügbarkeit dieser Technologie realisieren diese Programme des funktionalen Zusammenhanges von Kunst / Leben in der Ästhetik der Popkultur. Der willkürlich veränderbare Algorithmus entkoppelt das „Bild“ von seiner grundlegend abbildenden Struktur und nähert es über die Medienkunst an das Zeichensystem „Musik“ an. Die Frage nach der Lösung der modalen Ambivalenz von Musik und bildender Kunst wird anhand der Codierung der Kunst des Y2k+ 3 und der Information als Wirklichkeitskonzept behandelt. Eine Multiplikation von Information (vgl. Weibel 2004c: 221) in den Netzen impliziert die Interaktion und Kommunikation in den Kunstprozess und formalisiert diesen in der Medienkunst. 2 Klang ist im Zeitraum des psychologischen Momentes (~50 Millisekunden) – im Gegensatz zur visuellen Erkennbarkeit – ohne Bezugssystem nicht erkennbar. 3 Die Bezeichnung Y2k+ als Allegorie für den Zeitraum ab dem Jahr 2000 wird bewusst im Hinblick auf eine Internet basierte Terminologie gebraucht. 4 In den Fragen nach den assoziativen Strukturen in Musik und bildender Kunst, wie Farbe – Klang – Korrespondenzen (vgl. v. Maur 1985: 14f), die unterschiedlichen Wellen–Charakteristika von Schall und Licht, oder der wechselseitigen Durchdringung von Raum und Zeitvorstellungen in den Theorien der Künste (vgl. Motte – Haber 1990: 252ff), ist eine explizite, der Wichtigkeit dieser Themen angemessene Bearbeitung innerhalb dieser Arbeit nicht möglich. Hier sei auf die angeführte Literatur verwiesen. Metaphorismen wie Komposition des Bildes, Farbe der Musik, sind Hilfsmittel und sprachliche Ergänzungen und in dieser Arbeit ohne eigenen Schwerpunkt. 1.2 Theorie Die radikalen Manifeste der Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts beschreiben das Zueinander führen von Kunst / Leben, basierend auf den Veränderungen in Technologie, Wissenschaft und Industrialisierung. Zum einen die Zäsur der beiden Weltkriege, zum anderen eine noch unzulängliche Technologie verunmöglichen dieses Vorhaben, es bleibt vorerst auf der Ebene des Postulats. Die Kommensurabilität von Musik und Bild und die digitale Technologie als deren Prämisse könnten gegen Ende des Jahrhunderts dieses Postulat einlösen, ohne dass jeweils Charakteristika eliminiert werden (müssen). Sind also musikinhärente Typologien und Typologien der bildenden Kunst kommensurabel? Die Kompatibilität von Wahrnehmungskonzepten in Musik und Medienkunst weist darauf hin; das Konzept von Information als Meta– Referenz von Wirklichkeit (vgl. Zeilinger 2003: 229f) ist eine Anleihe aus dem Forschungsgebiet der theoretischen Physik, die diesen Schluss stützt. Die Informalisierung von Musik, bildender Kunst und Lebenskonzepten im 20. Jahrhundert verfranst deren definierte Grenzen, die so entstandene Intermedialität an den Rändern der heterogenen Bereiche stützt die Annahme von einer Kommensurabilität auditiver und visueller Kunst. 5 1.3 Methode / Kernliteratur: Die Betonung der Gleichgewichtung (Gleichwertigkeit) von Musik und bildender Kunst in der Kunst des 20. Jahrhunderts ist ein Paradigma der Zusammenführung von Kunst / Leben, deren historische Entwicklung aus den Avantgarden der Moderne bedingt die Untersuchung relevanter Strukturen in beiden Künsten. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt – und betont – diese Gleichwertigkeit und subsumiert die kunsthistorische Sicht ikonologischer Interpretation und die musikalischen Entwicklungen in Avantgarde und Pop systematisch im Bereich des (Kunst)Prozesses. Auf der Basis zweier technologischer Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, der Dynamisierung und der Digitalisierung (vgl. Jauk 2009), ist der Eingangsteil dieser Arbeit eine kunsthistorisch – systematische Analyse der relevanten Avantgarden der Moderne im Hinblick auf deren Musikalisierung. Die musikinhärenten Strukturen dynamischer Zeitgestaltung, der musikalischen Codierung und des Ephemeren in der musikalischen Handlung werden mit der Entwicklung der bildenden Kunst der Moderne / Postmoderne in Beziehung gesetzt und als Parameter der Medienkunst untersucht. Die Gleichgewichtung der Disziplinen (neueste) Kunstgeschichte und (systematische) Musikwissenschaft bildet so den interdisziplinären Rahmen dieser Arbeit und ist eine methodische Bedingung der Fragestellung hinsichtlich der Kommensurabilität beider Kunstformen. Richtungsweisend für die vorliegende Arbeit ist Werner Jauks Arbeit „pop/music + medien/kunst. Der musikalisierte Alltag der digital culture“ (Jauk 2009), basierend auf dessen Habilitierungsschrift „Der musikalisierte Alltag der digital Culture“ (Jauk 2005a). Die technologischen Entwicklungen von Dynamisierung und Digitalisierung und damit Virtualisierung der Umwelt als Mediatisierung der körperlichen Bezüge zur Umwelt (Jauk 2009: 455) sind Paradigmen des Mediatisierungsprozesses, die Werner Jauk innerhalb der Musikwissenschaft theoretisch begründet (vgl. Jauk 2009). Der Übergang von Natur zu Kultur, thematisiert in der Medienkunst, wird mit den Körper – Umwelt – Interaktionsprozessen unter besonderer Berücksichtigung der 6 phylogenetisch älteren 4 auditiven Wahrnehmungsformen und der Musik als deren Formalisierung in Beziehung gesetzt und von Jauk empirisch zusammengefasst. Die gestaltende Interaktion der digital culture orientiert sich wie die der Popmusik am hedonistischen Körper, der Umgang mit gering mediatisiertem Material und unmittelbarem Ausdrucksverhalten bringt den Pop und die digital culture in Wechselbeziehung zum Kunst / Leben und vice versa. Alternativ dazu werden von Helga de la Motte – Haber die Interferenzen von Musik und bildender Kunst anhand der Prinzipien von Zeit – als räumliche Kategorie der Malerei und des Raum[es] als musikalische Kategorie diskutiert (vgl. Motte – Haber 1990: 22). Die Korrelation von Musik und Malerei und die Musikalisierung der Malerei (ebd.: 124) wird anhand von Entwicklungen des 19. Jahrhunderts – wie dem Begriff der „Composition“ bei Philipp Otto Runge, als Verweis auf die Abstraktion im 20. Jahrhundert – mit der klassischen Moderne verknüpft. Der Raum als musikalische Zeit beschreibt die Konzepte elektronischer Musik der Mitte des 20. Jahrhunderts speziell und die Raumkonzepte der Avantgarde nach dem WK II allgemein im Zusammenhang mit der Performance– und Installationskunst des Fluxus und der Postmoderne (vgl. Motte – Haber, Musik und bildende Kunst. Von der Tonmalerei zur Klangskulptur, 1990). Die Implikationen von Technologie und Techno–Ästhetik beschreibt Peter Weibel als „Transformationen der Technoästhetik“ (Weibel 1991) und weiterführend als „Ortlosigkeit und Bilderfülle – Auf dem Weg zur Telegesellschaft“ (Weibel 2004). Weibel sieht die Medienkunst als eine Transgression der klassischen Künste (Weibel 1991: 205); basierend auf technologischen Transformationen wird der statische Seinsbegriff, die Ontologie des Bildes, abgelöst von der Ontologie der Medienkunst als der Zeitform des dynamischen Systems. Dass die anthropomorphe Erfahrung von Dauer und Distanz durch maschinelle Beschleunigung und Teletechnologien in die Erfahrung der Ortlosigkeit transformiert wird, weist unmittelbar auf die durch telematische Mediatisierung entstehenden Kommunikationsräume hin 4 Anm.: im Gegensatz zur visuellen Wahrnehmung. 7 (vgl. Weibel 2004: 220ff). In der Ortlosigkeit des Bildes und dem damit einhergehenden (Sinn)Verlust des Originals wird das Bild – laut Weibel – in einer virtuellen Realität zur Schnittstelle für die Handlungen verschiederner Personen in Echtzeit (Weibel 2004: 225). Die Transformation des räumlichen und / oder zeitlichen Codes in digitale Information ist die Basis dafür. Die Arbeiten von Peter Weibel sind im Umfeld der vorliegenden Arbeit als Orientierung innerhalb einer technologiebasierten Kunst(produktion) von Wichtigkeit. Im Zusammenhang mit Kausalität und Zufälligkeit ist die naturwissenschaftliche Weltbeschreibung aus der Sicht der Quantenphysik adäquat, die Verwendung des bedeutungsneutralen Codes und in Folge bedeutungstragender Information als Mittel der Wirklichkeitskonstruktion zu diskutieren. Die These, dass Information ein offenbar tieferliegendes Konzept als das der räumlichen Trennung und das der Zeit sei, stellte Anton Zeilinger in einem Vortrag 5 2003 vor, der Verlust des singulären Originals wird von Zeilinger in quantenphysikalischen Experimenten bestätigt (vgl. Zeilinger, Einsteins Schleier, 2003). Die Informationsübertragung erfolgte im Experiment instantan (ohne Zeitverlust), dies fasst Zeilinger zum Postulat, dass Information und Wirklichkeit in Wahrheit dasselbe seien, zusammen. Zeilinger diskutiert diese Frage weiterführend im Zusammenhang mit Ereignis, Beobachtung und Information im Umfeld des Postulates einer von uns unabhängigen und nicht direkt zugänglichen „wirklichen Wirklichkeit“ der Quantenwelt (vgl. Zeilinger 2003). 5 „Nicht – Lokalität in der Quantenphysik“. Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe “Iconic Turn“ an der Ludwig – Maximilians – Universität München, gemeinsam mit Peter Weibel, gehalten am 30. Jan. 2003. [online: http://netzspannung.org/cat/servlet/CatServlet?cmd=netzkollektor&subCommand=showEntr y&entryId=105606&lang=de 17.01.2011]. 8 2 Die relevanten Avantgarden (der Moderne) 2.1 Futurismus / Dada / Punk Der Futurismus markiert nicht nur die Bruchstelle zwischen der Kunstsicht des bürgerlichen–romantischen Bildungsadels und der durch pandemische Urbanisierung, wissenschaftliche und technologische Entwicklungen 6 sich drastisch verändernden Moderne, sondern auch die damit einhergehende Darstellung und Vermittlung von Lebensprinzipien (vgl. Baumgarth 1966: 56, 142) wie Dynamismus, Geschwindigkeit und Simultaneität oder des élan vital 7. Die Maschine und das Maschinelle werden im Futurismus dem Geräusch vorangestellt, das Alltags–Geräusch ist das Artefakt der Maschine und somit ein Ausdruck der Verbindung der Maschine mit dem Menschen und des Kunst / Leben. Eine Zueinanderführung von Kunst und Leben und die damit verbundene Abkehr von einer Kunst als romantizistische Flucht vor dem Leben wird von den Futuristen als folgerichtig aus den dynamistischen Äußerungen des modernen Lebens (vgl. Baumgarth 1966: 126) abgeleitet: „Der Futurismus beruht auf einer vollständigen Erneuerung der menschlichen Sensibilität, die eine Folge der großen wissenschaftlichen Entdeckungen ist. Wer heute [...] den Zug, das Fahrrad, das Motorrad, das Auto, den Überseedampfer [...] benutzt, denkt nicht daran, daß diese verschiedenen Arten der Kommunikation, des Transportes und der Information auf seine Psyche einen entscheidenden Einfluß ausüben“ (Filippo Tommaso Marinetti 1913, zit. in Asholt / Fähnders 1995: 39). 6 Für die Änderung der Lebensumstände [in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts] leisteten vor allem die Fortschritte in Technik und Wissenschaft einen gewaltigen Beitrag. Neue Kommunikationsmittel (Telegraf), technische Verbesserungen der Medien (Rotationspresse) führen zu einer Verbreiterung des Informationsangebotes. Erfindungen wie Auto, Telefon oder Elektrizität bereichern das tägliche Leben, wenngleich auch nur einiger weniger. […] Hygienische Situation und medizinische Versorgung verbessern sich (Zweite Wiener Medizinische Schule) (vgl. Vocelka 2000: 225f). 7 „Wenn wir [...] von Zeit reden, denken wir für gewöhnlich an das Maß der Dauer und nicht an die Dauer selbst. (Henri Bergson 1948: 23). „[...] Intuitiv denken heißt in der Dauer denken. [...] Die Intuition geht von der Bewegung aus, setzt sie oder vielmehr erfasst sie als die Wirklichkeit selber und sieht in der Unbeweglichkeit nur eine Abstraktion.“ (Henri Bergson 1948: 46f). 9 Symptomatisch für die – in einer großen Anzahl von Manifesten beschriebene – Sensibilität des modernen Lebens ist die Emanzipation des Geräusches und die Darstellung von Gemüts– oder Seelenzuständen (Stati d´animo) auf der Basis von Rhythmisierung, Simultaneität und Geschwindigkeit und der Begriff des Stato d´animo 8 sollte auch eine gesamt–künstlerische Konzeption fokussieren (Noller 1999: 78). In der Darstellung der Stati d´animo würde laut Boccioni auf eine universelle Urempfindung zurückgegriffen, einer Synthese aller Sinne, die uns erlaubt zur ursprünglichen Einfachheit zurückzukehren (vgl. Baumgarth 1966: 71) 9. Dies ist einerseits eine programmatische Demontage der als bourgeois empfundenen Konventionen der Trennung von Kunst und Leben des romantischen (Kunst)Geniekultes, andererseits eine Absage an die Statik des gemalten Bildes, das dem geforderten universellen Dynamismus (Boccioni 2002 [1914]: 160)10 nicht mehr genügt. Die von Marinetti postulierte neue Sensibilität basiert auf einer – in den futuristischen Konzepten freilich nicht explizit gemachten – intermedialen Transposition, also einer Übersetzung inhaltlich–formaler Konzepte eines Mediums in ein anderes (vgl. Wolf 2002a: 171). Das musikalische Konzept des Aufbaues von Bedeutungen aufgrund von Beziehungen (vgl. Riemann 1975 [1914/15])11 definiert Marinetti als die Grundlage des bildnerischen Dynamismus, der neuen Musik, der Geräuschkunst und der befreiten Worte. In Francesco Balilla Pratellas atonalen und polyrhythmischen Kompositionen wird die musikalische Syntax ebenso in Frage gestellt wie die linguistische in Marinettis Manifesten über die futuristische Literatur, sie wird durch Konzepte des Nicht–Künstlerischen und Nicht–Virtuosen ersetzt. In der bruitistischen Geräuschkunst Luigi Russolos werden die Alltagsgeräusche als der Ausdruck der Verbindung von Kunst / Leben in die musikalische Konzeption 8 Die Erläuterung der verschiedenen Begriffe stati d´animo, stato d´animo, stato d´anima genauer in Noller 1999. 9 Umberto Boccioni, Vortrag über futuristische Malerei im Circolo Artistico Internazionale, Via Margutta, Roma, am 29. 5. 1911. F.T. Marinettis Artikel La peinture futuriste im Pariser Journal L´Éxcelsior vom 15. 2. 1912 transferiert Boccionis Vortrag ins Französische. (vgl. Baumgarth 1966: 71; Lista 2003: online) 10 Vgl. auch Gino Severini, Die bildnerischen Analogien des Dynamismus. Futuristisches Manifest, 1913, zit. in Baumgarth 1966: 189. 11 Hugo Riemann: „Musik ist beziehendes Denken“; somit ein künstliches und willkürliches Konstrukt. 10 einbezogen, das Geräusch ist das triviale Material des Alltags, das die selbstgefällig erhabene Kunst des Bürgertums (vgl. Stahl 1997: 76) infiltriert und die Kunst mit dem Alltagsleben und der Wirklichkeit zu vereinigen sucht. Über die Verwendung „armen“ Materials Geräusch, dessen Emanzipation im Bruitismus und die Negation der „Abbildung“ von Themen und Interessen der bürgerlichen Kultur (vgl. Zeller 2006: 262) zugunsten eines physischen Transzendentalismus (Boccioni 2002 [1914]: 170ff) stellt die futuristische Avantgarde, zumindest in deren theoretischen Manifestationen, die Intermedialität in das Zentrum futuristischer Haltung. Die Übernahme der verschiedenen medientechnischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ideologischen Konzepte der Zeit führt zur Programmatik des Intermedialen mit der dilettierenden Internalisierten zu Grenzüberschreitung Neuem zu gelangen als Methode (Jauk 2005a: abseits des 472). Die Grenzüberschreitung zwischen den Künsten wird – unabhängig von der praktischen Anwendung – explizit auch in den häufigen Manifesten theoretisiert und so stellen diese ebenfalls eine Form von intermedialer Transposition dar. Die theoretischen Schriften, Manifeste oder Vorträge nehmen auf praktisch alle Lebensumstände, künstlerischen Ausformungen und Wissenschaften (vgl. Henri Bergson, Albert Einstein, C. F. Gauß) jener Zeit Bezug und integrieren sie in die futuristische Ideologie, was einen programmatischen Dilettantismus zumindest impliziert.12 Der radikale Bruch, den der Futurismus Anfang des 20. Jahrhunderts anstrebt, besteht im Begreifen der veränderten Sehweise durch die Urbanisierung, im Verlassen des „hermetischen“ Kunstraumes, in der Technologie– und 12 „Die Futuristen waren Zuspätgekommene. Sie wollten eine Bewegung schaffen, doch waren sie selbst die Bewegten. Sie wurden des Neuen nicht im eigenen Innern, sondern nur in der äußeren Wirklichkeit gewahr. In der modernen Großstadt idealisierten sie das Ergebnis eines strukturellen Wandels, den sie selbst in ihrem eigenen Bereich - dem Bereich der Kunst nicht nachvollzogen hatten. Der sozialgeschichtliche Umbruch, mit dem sie sich identifizierten, blieb ihnen seinem Wesen nach völlig fremd. [...] In unzähligen Manifesten umschreiben sie, was zu tun und was zu lassen sei und wie die neue Kunst aussehen sollte, ohne dazu fähig zu sein, die jeweiligen Vorsätze in einer überzeugenden und gültigen Form zu verwirklichen. Obwohl die Flut ekstatischer Proklamationen keine unmittelbaren Resultate zeitigte, weckte sie unerhörte Hoffnungen auf eine völlig neue, ungeahnte Kunst und [...] schuf damit einen geistigen Freiraum, wie ihn die europäische Kunst in diesem Ausmaß noch nie gekannt hatte.“ (Bocola 1994: 315f) 11 Maschinenbegeisterung und im Dynamismus, in der Geschwindigkeit und der Simultaneität als Paradigmen technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Giacomo Balla verknüpft die Simultaneität der Bewegungsphasen einer bürgerlichen Flaneurin und ihres Hundes (vgl. Giacomo Balla, Dynamismus eines Hundes an der Leine, 1912) mit der fotografischen Ausschnitthaftigkeit des Sujets und antizipierter urbanistischer Dynamik oder die Simultaneität der Chronophotographie (vgl. Etienne – Jules Marey in Mulligan / Wooters 2005: 300f) mit dem divisionistischen Simultankontrast (vgl. Giacomo Balla, Mädchen, das über einen Balkon läuft, 1912). Intermedialität ist somit explizit ein Zentrum futuristischer Haltung, Import und Synthese externer medialer Typologien zeigen sich in sämtlicher futuristischer Kunstproduktion und sind so eine Funktion futuristischer Interdisziplinarität. Im physischen Transzendentalismus und in der non–kausalen Sichtweise der Simultaneität wendet sich der Futurismus vom kausal–mechanistischen Weltbild des Materiellen ab und dem Immateriellen zu. Wenn auch ein „immaterielles“ Denken im Futurismus sich entsprechend erfahrungsabhängiger Körper–Umwelt–Beziehungen entwickelt, die implizite Musikalisierung stellt sich in Form einer Illusion von Bewegung dar. Diese Darstellung der Illusion von Bewegung ist gekennzeichnet von einem – nach wie vor – mechanistisch orientierten Denken in virtuellen Kraftlinien, derer entlang sich eine virtuelle – eine mögliche – Bewegung ausbreitet. Man vergleiche hier das Denken in der Möglichkeitswelt des Doppelspaltexperimentes, wo dem Teilchen jeder mögliche Weg zum Detektorschirm offen steht (vgl. Greene 2004: 212 – 218), oder die Unschärferelation Heisenbergs, die besagt, dass ein Teilchen sich wahrscheinlicher weise an diesem oder jenem Ort aufhalte. Im futuristischen Illusionismus findet sich aber auch noch ein Rest romantischer Kunst–Tradition, durch die sich – unabhängig von deren revolutionären Inhalten – schon wegen der Fülle an Manifesten futuristischer Kunstvorstellung(en) wiederum eine Erhebung der geforderten Alltagskunst auf die Ebene der Kunsttheorie und damit der höheren Kunst zeigt (Keppler 2001: online). 12 Konsequenterweise wird auch in den radikalen Postulaten zur Veränderung der Musik im Sinn der futuristischen Destruktion der in der Romantik idealisierten Trennung der Kategorien Kunst und Leben die Einbindung des Alltagsgeräusches in das musikalische Werk impliziert. So kann als die wirkliche Neuerung im Umfeld der futuristischen Musik die Emanzipation des Geräusches gesehen werden, das, als eine Typologie des Lebendigen und unmittelbare Hervorbringung des Alltäglichen, mit dem Künstlichen, dessen Form eine idealisierend regelgerechte Verarbeitung ist, zum Künstlerischen im Postulat Kunst / Leben verknüpft wird. Luigi Russolo, „eigentlich“ futuristischer Maler, emanzipiert das Geräusch aus der Umklammerung des Profanen und entfernt die negative Punzierung des Lärms als niederes Alltagsvorkommnis durch dessen explizite Hervorhebung im Bruitismus. Die Emanzipation des Geräusches im Futurismus ist eine Form von intermedialem Denken; hier werden Strukturen eines musikfremden Mediums, nämlich das auch als solches konnotierte Alltagsgeräusch, als eine mimetische Entlehnung aus der Alltagswelt in die Musik transponiert. Der künstliche Charakter der geräuschhaften Mimesis bleibt durch die Künstlichkeit des Erzeugers, des Klangapparates der Intonarumori (vgl. Russolo 1986 [1913]), erhalten. Hier zeichnet sich der Futurismus durch einen gewollten, praktikablen und in der Propagierung der Demokratisierung der Kunst theoretisch untermauerten Dilettantismus aus. So ist Russolo als Maler ein – im Sinn des Wortes – dilettierender Musiker, der die Strategie des Futurismus konsequent in der Musik des Bruitismus umsetzt und dessen erheblicher Einfluss auf die Musik des 20. Jahrhunderts sich generell auf die Musikalisierung der Kunst auswirkt. „Die letzte Neuheit in der modernen Musik [...] ist nicht etwa die futuristische Musik Balilla Pratellas [Anm.: ein ausgebildeter Musiker] [...]; ein besserer Versuch, als es zunächst scheinen mag, ist die Geräuschmusik des Malers Russolo.“ (Sebastiano Arturo Luciani 1919, zit. in Nicolodi 1999: 52). Trotz der formalen Nähe zum Futurismus grenzt sich der Dadaismus von diesem vor allem ideologisch ab, die Gemeinsamkeiten liegen in der konkreten Poesie, genauer der Parole in libertà Marinettis und im Bruitismus Russolos. Der dadaistische Aktionismus ist deutlich nihilistisch – und eine absurdistische 13 Reaktion auf das soziale Umfeld der Zeit des WK I. Die dadaistischen Aktivisten konstituieren sich, im Gegensatz zu den Futuristen, aus Kriegsgegnern, Flüchtlingen, Deserteuren und Pazifisten (vgl. Partsch 2002: 50), deren – anfängliche – Aktivitäten im Züricher Cabaret Voltaire nicht durch eine kriegsbedingte Zensur beeinflusst wurden. Im Gegensatz zur futuristischen, auf Technologie–Fetischismus und Fortschritts–Affirmation basierenden, systemimmanenten Lebensbewegung im Zeichen einer Vielzahl provokatorischer Manifeste, entwickelt sich im Dadaismus der Gestus der Verweigerung und das Vergnügen am Provozieren. Das körperbezogene Spektakel und die Geste, in sich ein Ausdruck musikalischen Körperverhaltens, werden parallel zur dadaistischen Lautpoesie in ein anarchistisch–hedonistisches Szenario eingebunden. Die Sprache wird im dadaistischen Lautgedicht zum akustischen Material, sie verliert ihren semantischen Wert reziprok zu ihrer Verklanglichung, das resultierende akustische Material ist aber nicht völlig frei von Bedeutungen und lädt so mit der assoziationsreichen Musikalisierung des Sprechens zur Imagination ein. (Korte 1994: 55). Die Musikalisierung, in Verbindung mit der Zufälligkeit, bedingt so vor dem Hintergrund der dadaistisch–subversiven Gegenhaltung eine anarchische Wirklichkeitskonstruktion. Exemplarisch ist das Element des Zufalls in Verbindung mit der poetischen Aktion, die sich öfters mit Zweckfreiheit mischte (Tristan Tzara 1976 [1931]: 243). Tristan Tzara konzeptualisiert das Entstehen dadaistischer Gedichte im Zusammenfügen von willkürlich einer Tüte entnommenen Zeitungsschnipsel: „[...] Schneidet dann sorgfältig jedes Wort [...] aus und gebt es in eine Tüte. / Schüttelt leicht. / Nehmt dann einen Schnipsel nach dem anderen heraus. [...]“ (Tristan Tzara [1924] zit. in Korte 1994: 57). Im zufallsgenerierten Konstruktionsprinzip verliert das Kunstbewusstsein seinen Status des Außergewöhnlichen, des Romantisch–Genialen und so erscheint in der dadaistischen Denkweise der Negation der Kunst folgerichtig der Dilettantismus wiederum als die Avantgarde der Anti–Kunst. Die Begriffsform der Anti–Kunst als Anti–Haltung und Reaktion auf bürgerliche 14 Bombast–Kunst findet sich – von den New Yorker Readymades Marcel Duchamps über den gesamteuropäischen Dadaismus bis zu den russischen Nitschewoki – in verschiedenen geographischen Zentren und wird durchaus als eine Erscheinung des Zeitgeistes gesehen (vgl. Partsch 2002: 52; Korte 1994: 107). Eine parallele Entwicklung als Anti – Haltung gegenüber einer aufklärerischen, semiotischen Ästhetik (vgl. Bense 1971) der 1960er – Jahre wird sich später in deren popkulturellen Halo im Hedonismus / Nihilismus der Punk–Kultur zeigen. Die postulierte Verbindung zwischen Kunst und Leben ist im Dadaismus, trotz der dadaistischen Negation des Kunstwerkes, durch die notwendige Extrapolation der Kunst im Kunst / Leben als Kunst bestehen geblieben. Die sich unter anderen aus den Einflüssen des Dadaismus konstituierenden Situationisten radikalisierten die Forderung nach der Überführung der Kunst ins >Leben<, indem sie die traditionelle Kunst »abschaffen« wollten (Zeller 2006: 290). Die Verbindung von Kunst / Leben ist in der wechselseitigen Anbindung beider Bereiche ein Ereignis, das die (inter)medialen Bezüge dieser Verbindung voraussetzt. Die Funktion der angestrebten Verbindung von Kunst / Leben ist das mediatisierte Spektakel, die – im Selbstverständnis des im deutschen Idealismus verhafteten Bürgertums notwendige – Autonomie der Kunst als Sphäre zweckfreien Schaffens und interesse– und begriffslosen Wohlgefallens 13 (Grimberg 2006: 191) wird durch die Verbindung der Kunst mit dem authentischen Leben und so durch die Ästhetisierung des Alltags ersetzt. Der Amateur als Mitgestalter der dadaistischen Theorie ist einerseits eine Form jenes kreativen Dilettierens, das die dadaistische Denkweise prägt, die als die Parole „Dilettanten, erhebt Euch gegen die Kunst!“ in der Installation Der 13 Vgl. Immanuel Kant, (1790), Kritik der Urteilskraft, Erstes Moment des Geschmacksurteils, §5: „Aus dem ersten Momente gefolgerte Erklärung des Schönen. Geschmack ist das Beurtheilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen ohne alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt schön.“ (Kant 1913 [1790]: 48). 15 Preussische Erzengel 14 erscheint und andererseits ist dies ein Anfang einer Horizontalisierung der Kunst. Die Egalisierung der Verhältnisse zwischen Produzenten und Konsumenten und die Umkehrung (Reversion der Wertigkeit) im Kunstprozess vom Rezipienten zum Produzenten ist eine Hinwendung vom Besonderen zum Allgemeinen, die sich im Hedonismus begründet (Jauk 2004b: 229). Die Collage und die Montage, bevorzugte Techniken des Dadaismus, sind Techniken des Trivialen in Anwendung von banalen Materialien der Alltagskultur, eine Bricolage (Lévy – Strauss 1972: 29f) von Fundstücken, die dekonstruiert und neu kontextualisiert werden. Die Collagen und Montagen sind darüber hinaus Paradigmen intermedialer Ästhetik in einem Verbund des Kunst / Lebens, es sind medienästhetische Verfahren, die aus ihren ursprünglichen Signifikations–Kontext gelöst, und als Grundlage für neue Bedeutungsprozesse fungieren (vgl. Bonz 2002: 14). In Verbindung mit der dadaistischen Dilettantismus–Doktrin (vgl. Dadaistisches Manifest in Asholt / Fähnders 1995: 145ff) ergibt sich ein offener Möglichkeitsraum der Kunst, in dem das musikalische Paradigma des beziehenden Denkens Wahlmöglichkeiten schafft. Der dem Dadaismus wie auch dem Punk zugeschriebene Nihilismus scheint somit extrem empfundenen Künsten inhärent zu sein, denn letztlich wird extreme Kunst [...] immer Nihilismus ermöglichen, da sie ganz generell Wahlmöglichkeiten schafft (Marcus / Stöger 2006). Das Postulat des anyone can do it ist eine, in enger Verknüpfung mit der Popkultur und vor allem mit dem Amateurismus der Beat Generation stehend und ist im DIY (Anm.: Do–It–Yourself) des Punk und Indie–Pop weitergedacht. DIY ist im Punk ein wichtiger Faktor der Horizontalisierung, denn das D.I.Y. Postulat führt zu eigenständigen musikalischen Konventionen, die einzig und allein die Funktion erfüllen, den authentischen Charakter der Musik aufrechtzuerhalten (Budde 1997: 50); wenngleich die Musik auch nicht von allen gemacht wird, sie könnte von allen gemacht werden. Die Mechanismen stilistischer Armut sind im Punk wie im Dadaismus eine durchaus gewollte Attitüde einer fiktiven Working Class Boheme (Budde 1997: 14 John Heartfield und Rudolf Schlichter 1920; Erste internationale Dada – Messe. 16 94), hier wie da werden die Genrespezifischen Vorgänger durch einen künstlerischen Minimalismus und Reduktionismus konterkariert. Der Punk ist eine Antwort auf einen wirklichkeitsfremden, kontemplativen Klangbombast, den bis ins letzte ausgefeilten Klanggebilden einer auf »Inhalt« bedachten Rock»kunst« war ein herausfordernder Dilettantismus entgegengestellt (Wicke 1987: 190), der Dadaismus gibt der futuristischen Worttechnik einen karikierenden [...] Sinn, der ihr ursprünglich fremd war (Baumgarth 1966: 141). Punk ist in musikalischer und soziologischer Gestalt ein polystrukturelles Ereignis und somit ein übertragbares Phänomen, die der Musik des Punk immanente Anästhetik (vgl. Welsch 1993: 10) bietet verschiedene Ebenen komplexer Bearbeitungs– und Rezeptionsmöglichkeiten. In der subkulturellen Kommunikation mit der Umwelt wird der Stil ein Angriff auf die Syntax des Alltagslebens (Hebdige 1983: 96), der Punk zum Bricoleur, der Diskurs wird durch die Bricolage und deren anarchistische Deutung unterminiert, das rückt Punk in die Nähe von Dada und umgekehrt. Die Zusammenhänge von Dadaismus, Situationismus und Pop–Art finden sich nach Malcolm McLaren in den Sex Pistols: „Nachdem ich dann die Antimode kreiert hatte, eine Mischung aus billigem, zerfetztem Straßen-Look und S&M-Chic, kam die Antimusik.“ (McLaren / Reinert 2001). Der in den verschiedenen Manifesten per Eigendefinition parodistisch – paradoxe Dadaismus sieht sich im Dadaistischen Manifest (1918) als der alleinige Vertreter einer Gegenkunst im Maschinenzeitalter (Seifert 2004: 129). Die bruitistische Musik Russolos wird – ohne deren Philosophie zu hinterfragen – von den Dadaisten mit den bruitistischen Lautgedichten zum Gesamtkunstwerk propagiert. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Rezeption der dadaistischen Manifeste kaum Aufschluss über das künstlerische Wollen der Dadaisten gibt, im Gegensatz den Manifesten futuristischer Gründlichkeit und mit einer Botschaft (vgl. Luigi Russolo, L´arte dei rumori, 1913): 17 “Man darf also genau genommen kaum Aufschlüsse über Wesen und Stoßrichtung des Dada erwarten, wenn man die Manifeste studiert, weil sie nicht nur uneinheitlich, sondern auch zu bunt widersprüchlich und stärker der Selbstironie verpflichtet sind als der Aufklärung über das künstlerische Programm“ (Petersen 2006: 126). Die Verwendung von verschiedenen radikalen ästhetischen Prinzipien weist eine gewisse ästhetische Prinzipienlosigkeit (Petersen 2006: 126) auf und ist programmatisch für den dadaistischen Dekonstruktivismus, so übernahmen die Dadaisten den Bruitismus der Futuristen und setzten ihn für ihre kabarettistischen Zwecke ein (vgl. Jürgen Bohle zit. in Korte 1994: 50). Die Emanzipation des Geräusches, im Futurismus von Luigi Russolo postuliert, findet im Dadaismus seine Dekonstruktion: Während der musikalische Futurismus das Lebendige, das Alltags–, Umwelt–, Kriegsgeräusch mit dem künstlichen Klang der Intonarumori zum Künstlerischen verbindet, wird das Geräusch und Spektakel bei den Dadaisten zur Nicht–Kunst. „Nichts war uns heilig. Unsere Bewegung war weder mystisch, kommunistisch, noch anarchistisch. Alle diese Bewegungen hatten eine Art Programm, aber unseres war vollkommen nihilistisch. Wir spuckten auf alles, uns eingeschlossen. Unser Symbol war das Nichts, ein Vakuum, eine Leere.“ (George Grosz zit. in Hebdige 1983: 97). Es wird deutlich, dass Dada nicht in das Konzept der Homologie passt, das der Subkultur im Allgemeinen und dem Punk im Besonderen zugeordnet wird; die Ähnlichkeiten sind nicht in der einheitlich subkulturellen Gruppe, sondern in der nihilistischen Ideologie, der Provokation und der Verweigerung zu sehen. Malcolm McLaren erfindet im Bewusstsein des Situationismus die Sex Pistols – stellvertretend für den Punk – als Antikunst gegenüber der Rock–Hochkultur und deren kapitalistisches Ausbeuterimage. In den futuristischen Manifesten wird die Einbindung industrieller Errungenschaften und des technischen Fortschritts in die Ästhetik gefordert und auch, ohne dieses so exakt und / oder explizit zu planen, ein Programm für die (Wieder)Zusammenführung von Kunst und Leben im 20. Jahrhundert erstellt. Das Konzept der Brüder Luigi und Antonio Russolo, mit den 18 Intonarumori das urbane Geräusch in musikalische Formen zu implementieren, scheitert zwar zu seiner Zeit an der technischen Machbarkeit, es nimmt aber die Überwindung der Natürlichkeit zugunsten der Künstlichkeit als popkulturelle Entwicklung des späten 20. Jahrhunderts vorweg. Dies wird später mit dem technologischen Fortschritt realisiert und diffundiert über Institutionen der Bildungselite in die Allgemeinkultur. Die andere Seite derselben Medaille ist der praktizierte Nonsens der Dadaisten, der Zufall – im Sinne der Erzeugung von Chaos („Bruitismus ist das Leben selbst“ [Richard Huelsenbeck zit. in Korte 1994: 50]) – ist der radikale Versuch, das Rationale und dessen willentliche Prägungen zu überwinden und sollte keine referentielle Beziehung zum Außen haben. Die Zusammenführung von Kunst / Leben ist im Dadaismus eine Schnittmenge aus Chaos und dem mit dessen Realisierung einhergehenden Hedonismus. 2.2 Bergson, Duchamp, Erratum musical / John Cage 15 Im Fin de siècle 16, einer Epoche radikaler Urbanisierung und Technisierung, entsteht in Folge eines im 19. Jahrhundert parallel zu einem elitären Bildungsbürgertum ausgebildeten Szientismus, vornehmlich bei Künstlern und Intellektuellen eine ambivalente Haltung gegenüber der beschleunigten Großstadt und auch der Wissenschaftsgläubigkeit und der Übermacht von Szientismus und Determinismus (vgl. Buck 2003: 156f). Einerseits üben der wissenschaftliche Fortschritt, die technologischen Neuerungen und die dynamisierten urbanen Zentren Anziehungskraft aus und andererseits verbreitet sich eine Desillusionierung, die auch auf eine soziale Informalisierung als substanzielle Erhöhung sozialer und existenzieller Unsicherheit durch die Auflösung von Normen der industrialisierten Gesellschaft zurückgeht. Die Epoche ist eingebettet in eine Balance zwischen Zukunftseuphorie und Endzeitstimmung, es entsteht eine ästhetizistische Gegenwelt verschiedener Interessensrichtungen wie Dandys, Flaneuren, Dilettanten, Bohèmiens, (vgl. 15 16 Vgl. Griebler, Erratum Wirklichkeit (Griebler 2010). Der ungefähre Zeitraum von 1890 – 1914. 19 Beyme 2005: 35ff) als transdependente Subkulturen. Gemeinsam ist diesen Subkulturen die Abwendung von einem positivistischen Fortschrittsglauben, eine neurasthenisch gesteigerte Sensibilität und ein ästhetizistischer Eskapismus (vgl. Haupt / Würffel 2008). In dieser Periode einer individualistischen Renaissance mit einer Tendenz zu Spiritualismus und Mystizismus stellt Henri Bergson einen Gegenentwurf zum, zu dieser Zeit paradigmatisch gültigen, linearen Zeitverständnis vor. Bergson postuliert die These der Intuition der Dauer 17, die mit der Unterwanderung der mathematisch messbaren Zeit durch das subjektiv empfundene Zeiterleben, eben auch die Hegemonie der Exaktheit in den Naturwissenschaften in Frage stellt. Die Beschreibung (subjektiver) Wirklichkeit im objektiv–empirischen Zusammenhang im Psychologismus wird von Bergson und auch Martin Heidegger (vgl. Heidegger 1978 [1913]: 55ff) in Frage gestellt. Der Psychologismus des 19. Jahrhunderts bezieht sich auf die Logik als Erkenntnislehre (vgl. Lipps 1923) und beschreibt die Psychologie als Basis aller Wissenschaften, insofern sei der Erkenntnisvorgang als ein rein psychischer Prozess streng von der Philosophie zu trennen. Das lineare Zeitverständnis, das im Umfeld der deterministischen Physik Newtons die Neuzeit bestimmend prägt, ist ein kataphorisch orientiertes. Ohne lineares Zeitverständnis wären die gesellschaftlichen Bezüge und Vereinbarungen unter den Menschen der Neuzeit und die Koordination von Handlungen so nicht möglich geworden (vgl. Sandbothe 2002). Nicht zuletzt im industriellen Zeitalter ist das (bei der Synchronisation von Uhren) die Möglichkeit, unsere Handlungen mit den Handlungen anderer Menschen zu koordinieren, um Wirklichkeit verändernd zu gestalten und mit der Umwelt auf intelligente Art und Weise zu interagieren (ebd.). Das lineare Zeitverständnis ist das der irreversiblen Zeit, definiert über eine empirisch beobachtbare 17 „Der zentrale Begriff der Philosophie Bergsons ist […] der Begriff der Dauer (la durée) […]. Die Dauer muss in Opposition zum Raum (espace) gesehen werden, und weiterhin, dass sie von der Zeit (temps) zu unterscheiden ist. Dauer und Raum sind entgegengesetzte Pole und die Zeit ist eine unreine Mengform beider“ (Einleitung v. Ernst Oger in: Bergson 1991 [1908]: XII]). 20 Asymmetrie von Zeit 18 (den Zeitpfeil), eine nicht wiederkehrende Zeitbewegung wird nach kausal–mechanistischen Prinzipien beurteilt. Sie wird durch eine Gedächtnisleistung, wie der Geschichtsschreibung, dokumentiert und ermöglicht mittels Erfahrungswissen eine antizipative Zukunftssicht. Die Zeitvorstellung von Henri Bergson beinhält eine Kritik an Kants Definition von homogener Zeit einerseits und andererseits die der Vorstellung einer Zeit als subjektabhängige innere Dauer (durée). Bergson deutet die Zeit in Distanz zu Kant nicht als apriorische Eigenschaften der Dinge, sondern die Zeit sei eines 19 der Schemata unserer Wirksamkeit auf die Materie (Bergson 1991 [1908]: 210). Als solches konstituiert sich die Dauer bei Bergson nicht als abstrakte Folge [von Sukzessionen], sondern als wechselseitige Durchdringung und [kann] damit Zeit (Folge) und Gegenwart (Simultaneität) zugleich sein. Das bedeutet, daß innerhalb der ursprünglichen Dauer Gegenwart und Zeitfolge überhaupt noch nicht unterschieden sind und unterschieden werden können. (Kümmel 1962: 21 – 22). In der klassischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird dieser neuformulierte Zeitbegriff – als Artefakt eines naturwissenschaftlichen Paradigmenwechsels – in verschiedenen Ausformungen übernommen, es wurden Prinzipien entwickelt wie die transzendente Dimension der Zeit künstlerisch zu verarbeiten war. Neben den Kubisten und de Stijl waren dies die Futuristen, die sich mit der neuen Gestaltung in vier Dimensionen beschäftigten und die eine neue, erweiterte Sensibilität für eine simultane Gesamtheit des Ereignisses postulierten. Während der Futurismus die Vorstellung von Intuition an der Simultandarstellung exemplifiziert 20, ist die Verwendung des Zufalls über den Begriff der Indeterminiertheit (vgl. Bergson 1991[1908]: 26ff, 51ff) im Dadaismus in Verbindung mit Sinnfreiheit (als dem Verlust der Ikonografie) und Dilettantismus exemplarisch. 18 Einige Gedankenexperimente zu einer theoretisch möglichen, in der Realität aber nicht beobachtbaren Umkehr der Bewegungsrichtung der Zeit finden sich in einem Essay von Thomas Richter (vgl. Richter 2007). 19 Das zweite wäre der homogene Raum. 20 Ohne expliziten Bezug auf Bergson. Bergson wird bei Marinetti ein einziges Mal und bei Boccioni lediglich am Rande erwähnt, in einem Hinweis auf die Synthese von Intuition und Sinnlichkeit (vgl. Hinz 1985: 83 – 86). 21 Das Denken und die Diskussion um die Zeit als vierte Dimension des Raumes erzeugt einen parawissenschaftlichen Diskurs, den sich Marcel Duchamp – mit der ihm eigenen feinen Ironie – aneignet und den Aspekt des Visuellen, die Ästhetik des Sehens karikiert, insofern explizit nicht–artifizielle Gegenstände zum Kunstgegenstand erhoben werden. Demensprechend sieht Duchamp erst in der konstruktivistischen Komponente des Rezipierens die Vollendung des Kunstwerkes, nämlich in der dem Konzept sinngebenden Wahrnehmung durch das Rezipieren. Die Vorstellung, dass die vier Dimensionen der Raumzeit so miteinander verwoben sind, dass ein dreidimensionales Objekt, das um eine Dimension und deren Informationsgehalt verminderte Repräsentativ eines vierdimensionalen Objekts sei, verarbeitet Duchamp in den Arbeiten Das Große Glas 21 (1915 – 23) und Trois Stoppages – Étalon22 (1913 – 14). Das mathematische Postulat eines sich nur über eine abstrakte Imagination, nicht jedoch über ein konkretes Erfahrungswissen erschließenden vierdimensionalen Raumes, wie es Henri Poincaré 23 formulierte, war bei dieser Arbeit grundlegend. Duchamp eignete sich die nicht–euklidische, vierdimensionale Geometrie Poincarés 24 an, um einerseits die in der abendländischen Malerei gängige Praxis des euklidischen Raummodells in Frage zu stellen, andererseits eine Erkenntnis eines unzugänglichen, mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten des Menschen nicht fassbaren, Kontinuums zu vermitteln (vgl. Molderings 2004: 116). Die Schnitte durch die postulierte vierdimensionale Raumzeit Geometrie (vgl. Poincaré 1974 [1902]: 71f) seien vergleichbar mit dem Schlagschatten, den ein dreidimensionales Objekt auf eine Fläche wirft, oder aber mit einer Leinwand auf der sich höher dimensionale Objekte, mathematischen Regeln folgend, abbilden (ebd.). Duchamp bediente sich des Poincaréschen Konventionalismus mit der ihm eigenen Meta–Ironie (vgl. Bocola (1994: 292). 21 auch: Die Braut von ihren Junggesellen nackt entblößt, sogar. Auch „Musterfäden“, Duchamps ironische Hommage an das Ur – Meter. 23 „Duchamp schöpfte sein Wissen über die moderne geometrische Raumtheorie hauptsächlich aus Henri Poincarés Abhandlungen Wissenschaft und Hypothese (1902), Wert der Wissenschaft (1905) und Wissenschaft und Methode (1908)“ (Molderings 2007: 231). 24 Schon Bernhard Riemann formulierte 1854, ausgehend von C. F. Gauss, einen Ansatz zur Beschreibung n – dimensionaler Flächen, die später als riemannsche Mannigfaltigkeiten die Relativitätstheorie beeinflussten. 22 22 „Ich fand heraus, daß der Schatten eines dreidimensionalen Objektes eine zweidimensionale Form konstituiert, [...] und schloß daraus, auf analogischem Weg, daß die Vierte Dimension ein Objekt mit drei Dimensionen projizieren könne, [...] daß alle dreidimensionale Gegenstände [...] Projektionen von vierdimensionalen Gegenständen sind. [...] Eine sophistische Argumentation zwar, aber immerhin im Bereich des Möglichen.“ (Marcel Duchamp im Gespräch mit Pierre Cabanne 1966, in: Cabanne 1972 [1966]: 53f). Jeder zufällig gewählte Gegenstand lässt sich also als ein Abbild, als n–1 dimensionale Projektion einer unsichtbaren n–dimensionalen Entität verstehen (Molderings 2007: 228) und so ist das durch die Signatur bestätigte Readymade eine parazufällige Manifestation eines Wirklichkeitsausschnittes. Dementsprechend ist das Readymade keine künstlerisch–subjektive Intention oder ein Sujet des Wahrnehmbaren, sondern eine Form der medialen Sichtbarmachung (vgl. Wetzel 2007: 149) über das Medium (Kunst)Werk als Artefakt des kreativen Prozesses. In Duchamps Konzeptkunst wird die Gestaltung (auch der Zeit) an eine außerhalb der erfahrungsgestützten Wirklichkeit agierende Instanz delegiert, die als Einbindung des Zufallsprinzips die Unbestimmtheit in das künstlerische Konzept einbringt. Das Artefakt wird, aufgrund chaotischen Verhaltens der Beziehungen aller relevanten Einflüsse zueinander, eine explizit indeterministische Position zur Ausgangssituation des Konzeptes einnehmen (vgl. Trois Stoppages – Étalon). Somit ist das (Kunst)Werk eine Manifestation jener Unschärfe des Wirklichkeitsausschnittes, die dem Rezipienten zur Verfeinerung dieser künstlerischen Rohmasse (Wetzel 2007: 149) zur Verfügung gestellt wird. Duchamp übernimmt im Erratum musical das Zufallsprinzip als Kompositionsform und den Gedanken des Readymade als Form des medialen sichtbar–Machens, dessen Gesamtheit in einem höher dimensionalen Raum existiert und im musikalischen Konzept der Zufalls–Komposition zugänglich wird. Das Konzept des Erratum musical verbindet die – musikalische – Gestaltung der Zeit mit der Abkehr von der Künstlerpersönlichkeit und einer Hinwendung zum absichtsvollen Dilettantismus wie es auch in den Konzepten des Fluxus der 1960er Jahre zu erkennen sein wird. Die Immaterialität (im 23 Sinne von Stofflosigkeit) der konstitutiven Elemente Ton / Klang 25 neutralisiert die retinale Komponente 26 der Kunst zugunsten der mental– kognitiven Zugangsform. Die Loslösung von der visuell dominierten Ästhetik der retinalen, also der Netzhaut–Kunst des romantischen Idealismus, liegt in der Transzendenz, deren adäquates Formmittel die immaterielle Struktur von Musik ist. Als willkürliches Zeichensystem ist der Musik die Immaterialität zu eigen (vgl. Jauk 2005: 503) und in der Willkürlichkeit des Zeichensystems Musik liegt auch deren Prozesshaftigkeit, in der relativen Offenheit der Semantik dieses Zeichensystems ist das Werk permanent im Werden. Die zufallsgesteuerte Musikkomposition hat jedenfalls nichts mit einem ästhetischen Gesamturteil zu tun, das – musikalische – Readymade ist nicht an den persönlichen Geschmack gebunden und kann als jederzeit verfügbare Massenware der artifiziellen Einmaligkeit entkommen. Erratum musical ersetzt Virtuosität und Komposition durch die Freiheit des Zufälligen und der befreiten Form, das bedeutet für Duchamp das Erscheinen 27 durch die Symbolik der Beziehungen. Das – nach Duchamp – unabgeschlossene Werk ist in permanentem Werden, einem Prozess, dessen Elemente die musikalischen Strukturen Immaterialität und daran unmittelbar gekoppelt, Information sind. Aus dieser Sicht ist das Zur–Verfügung–Stellen von Information jene ästhetische Osmose die als kreativer Akt des Rezipienten dessen Rolle bestimmt, das tatsächliche Gewicht des Werkes auf der ästhetischen Waage zu gewichten. (Duchamp 2002 [1957]: 43f). Musical Sculpture (um 1916 / 1934) ist eine Handlungsanweisung für eine Formwahrnehmung im Raum durch deren akustische Parameter, im Gegensatz zu den beiden Errata musicaux 28 ist hier das Zufallsprinzip nicht explizit, die 25 Diese Differenzierung in der Musik, im Gegensatz zur Akustik, bezieht sich auf mehrere, sich überlagernde Sinusschwingungen mit ganzzahligen (Ton) Frequenzverhältnissen und nicht ganzzahligen (Klang) Frequenzverhältnissen (vgl. Hall 1997: 146ff). 26 [...] Duchamp rejected „retinal“ painting precisely in order to deny this conventional, passive viewing experience. (Kuenzli 1989: 8). 27 [Duchamps] Notizen definieren [...] die Erscheinung als sinnlichen Gesamteindruck des Gegenstandes, Erscheinen dagegen als das Bezugssystem des Gegenstandes, das nicht selbst sichtbar ist, dennoch auf die Erscheinung wirkt und der Erscheinung zugrundeliegenden Wirklichkeit vorausgeht. (Held 1997: 22 – 23) 28 Erratum Musical (1912) und La mariée mise à nu par ses célibataires, même. Erratum Musical (1913). 24 Kognition eines skulpturalen Gebildes sollte – ausschließlich – durch dessen akustische Parameter erfolgen: "...like...luminous electric lights which light up successively, a line of identical sounds could turn around the listener in arabesques (on the right/ left/ over/ under)...To develop: one could, with training of the listener's ear, manage to draw a profile which resembles and is recognizable – with more training make large sculptures where the listener would be at the center. E.g. an immense Venus de Milo made with sounds around the listener – this probably presupposes training the ear from childhood and for several generations. (Paul Matisse / Marcel Duchamp: note 183, zit. in James 1989: 114) Die Raumerfahrung der Form über akustische Parameter des Klanges oder simpler, die des Lautes ist die Konstruktion eines imaginären Raumes durch das Erfahrungswissen um akustische Sinneswahrnehmungen. Wenngleich die Theorie der musikalischen Skulptur einen konkreten Raum impliziert, ist es im Gegensatz zu Eric Saties musique d’ameublement die Unschärfe, die nicht konkreten Beziehungen, Knotenpunkte und deren Differenz, die ein solches Gebilde ahnen lassen. Parallelen zum Denken Bergsons über die Intuition der Dauer sind in der intuitiven Wahrnehmung einer Musical Sculpture und deren Gesamtheit der klanglichen Zeitgestaltung erkennbar. „[...] Dass Bergson einerseits die Erkenntnis der Realität als unmittelbar und durch Intuition fassbar beschrieben hat und andererseits an Mechanismen glaubte, die kinematografischer Natur sind, heißt, dass Abläufe (ähnlich wie im Film) automatisch zusammengerafft werden und letztlich zeitliche Zuständlichkeiten in die Gegenständlichkeiten einer Dauer überführt werden.“ (Motte – Haber 1990: 37). Der imaginäre Raum, den die musikalische Skulptur einnimmt, definiert sich in den Beziehungen zu der pataphysischen 29 (vgl. James 1989: 114), sinnlich unrealisierbaren Dimension, die Schlagschatten (vgl. Molderings 2007: 228) dieser Beziehungen werden durch das ephemere Material Klang formalisiert. 29 Pataphysik; Ein Terminus des Schriftstellers Alfred Jarry (1893), der ein einigermaßen absurdistisches Wissenschaftskonzept beschreibt. 25 Der Paradigmenwechsel in den Raum / Zeit Vorstellungen im 20. Jahrhundert mit dem Postulat der vierdimensionalen Raumzeit evoziert in der Zeitphilosophie drei grundsätzliche Tendenzen aktueller Zeitperspektiven (Sandbothe 1997: 42). Einerseits die Aufhebung des Konfliktes zwischen physikalischem und philosophischem Zeitdenken, der für die Zeitphilosophie des beginnenden 20. Jahrhunderts charakteristisch war und wo im Umfeld der Selbstorganisationstheorie Methoden entwickelt werden, diese Dualität zu überwinden. Zweitens deren Antipoden, die eine unhintergehbare Inkommensurabilität von Geschichtszeit und Naturzeit sehen (Paul Ricoeur, zit. in Sandbothe 1997: 43). Die dritte Tendenz nach Sandbothe ist eine Tendenz zur Historisierung und Relativierung der Zeit, die von dem Grundgedanken ausgeht, dass die Zeit Aspekt eines kulturell divergierenden und sich innerhalb einer Kultur geschichtlich wandelnden Weltverständnisses ist. Der amerikanische Pragmatist Richard Rorty vertrat dementsprechend die These, dass alles, die Sprache, das Bewusstsein, die menschliche Gemeinschaft, Produkte von Zeit und Zufall sind und als kontingent behandelt werden sollten. Kommunikation in einer bestimmten Form von Sprache evoziere ein bestimmtes Weltbild, verändert sich die Sprache, so ändert sich auch das Weltbild. Demnach sei die Zeit nicht zu mystifizieren, sondern die konkreten Zeitverhältnisse, die unser Leben in unterschiedlichen Bereichen auf je unterschiedliche Weise bestimmen, [seien] radikal reflexiv als Kinder des Zufalls [zu] verstehen. (Rorty zit. in Sandbothe 1997: 44). Die in Duchamps konzeptuellen Arbeiten aufgenommene Prinzip des Zufalls, der Unbestimmtheit findet sich auch bei John Cage als Indeterminacy in der kompositorischen Vorgangsweise. Einerseits werden in der grafischen Notation die offenen Möglichkeiten der vorliegenden grafischen Handlungsanweisung an den ausführenden Agenten weitergegeben, dieser unterliegt in der Ausführung einer Art neuronal–kybernetischen Regelkreis, da die grafische Notation unbestimmte Tonhöhen suggeriert, die sich verändern können, während sie hervorgebracht werden (Motte – Haber 1990: 245). Der Rückzug des kompositorischen Subjekts von der aktiven Gestaltung von Zeit – in der 26 grafischen Notation – (ebd.: 238) hebt wegen ihrer Unbestimmtheit und so durch den ständigen Prozess der Veränderung der musikalischen Gestalt die Erfassung von Musik im Sinn der Bergsonschen durée auf. Andererseits wird die Methode der Komposition von Cage an eine außerhalb von kausalen Prinzipien befindliche, metaphysische Instanz delegiert, das Prinzip der Synchronizität setzt über zufällige Methoden des Kompositionsvorganges die individuelle Zeitlichkeit und die Kausalbeziehungen außer Kraft. Die zufällige Ermittlung von musikalischen Zeitmaßen, in denen in einem nicht–intentionalen Zusammenhang stehende Alltagsgeräusche das musikalische Werk bilden, wie in John Cages Stück 4´33´´, sieht die Zeit als konstitutiven Parameter des Raumes. Der Raumzeit–Ausschnitt 4´33´´ definiert den Raum so über die subjektiv stochastische Dynamik synchronistischer Ereignisse. Der Prozessbegriff, der das zeitliche Moment des musikalischen Werkes betont (vgl. Sanio 2004: 361), ist im Zusammenhang mit aleatorischen Kompositionsformen und deren chaotisch–dissipativen Strukturen im engeren Sinn nicht aufrechtzuerhalten. Die aleatorischen Kompositionen, deren scheinbar nicht verknüpfte Einzelheiten sich einer kausallogischen Artikulation von Zeit und somit auch dem Prozessbegriff entziehen, sind eine Zeitkonzeption, die den isolierten Augenblick favorisieren (vgl. Kutschke 2002: 111) und ersetzen die Form der linearen Zeit durch die der Synchronizität. Die Form der linearen Zeit beschreibt eine geschichtsorientierte, durch Gedächtnisleistung dokumentierte, irreversible Zeit, sie ist kataphorisch orientiert und ermöglicht unter Voraussetzung empirischen Wissens eine antizipative Zukunftssicht. Ohne dieses Zeitmodell wären wohl gesellschaftliche Bezüge, Vereinbarungen und technologische Innovationen in der Neuzeit und / oder im industriellen Zeitalter nicht möglich gewesen: „Die Geschichte der Industrialisierung basierte auf dem linearen Zeitmodell. Wie Lewis Mumford feststellte, war deshalb die Uhr und nicht die Dampfmaschine das wichtigste Instrument der industriellen Moderne. Für das kommende Zeitalter der Telematik gilt das alte, lineare Zeitmodell jedoch 27 nicht mehr, vielmehr entwickelt sich zunehmend ein nichtlineares Verständnis der Zeit.“ (Schmidt 1999: online Kap 3.2). Der Begriff der Synchronizität stammt von Carl Gustav Jung, der mit Wolfgang Pauli über Ereignisketten diskutierte, die in keinem offensichtlich kausalen Zusammenhang standen. Jung und Pauli verbindet die Untersuchung von symmetrischen Mustern zum einen im Unbewussten (Jung nennt das später das kollektive Unbewusste) und zum anderen im Teilchenbereich (Pauli formuliert das Ausschließungsprinzip 30 für Teilchen gleichen Zustandes im Atom). C.G. Jung definiert Synchronizität als eine zeitliche Koinzidenz zweier oder mehrerer kausal nicht miteinander verknüpfter Ereignisse (Peat 1989b: 32), eine ähnliche Beschreibung findet sich bei F. David Peat als das sinnvolle Zusammentreffen kausal nicht verbundener Geschehnisse (ebd.: 43). Synchronizität ist ein Zeitmodell, das im Zufall lediglich nicht erkennbare Verknüpfungen erkennt, es ist der besondere Aspekt von Sinn und Bedeutung (vgl. Peat 1999: online), der Ereignisse mit zeitlicher Koinzidenz in eine non– kausale Wechselwirkung treten lässt. Im Modell der Synchronizität verbindet nicht die kausale Kette von Ursache und Wirkung Ereignisse, sondern der in ihrer Gleichzeitigkeit verborgene tatsächliche gemeinsame „Sinn“. Jung benutzte den Begriff der Synchronizität auch als Verbindung zu der Philosophie des Dao. In der Praxis des Daoismus erreicht der Mensch die innere Harmonie nicht durch das verstandesgemäße, bewusste Handeln, sondern durch die Intuition, sich dem Lauf und den Wandlungen der Phänomene anzupassen. „Die Wissenschaft des I Ging beruht nämlich nicht auf dem Kausalprinzip, sondern auf einem bisher nicht benannten, weil uns nicht bekannten Prinzip, das ich versuchsweise als synchronistisches Prinzip bezeichnet habe.“ (C.G. Jung, zit. in Peat 1989b: 31). 30 Nach dem Paulischen Ausschließungsprinzip können sich zwei gleiche Materieteilchen (Anm.: jene Teilchen mit dem Spin ½) nicht im gleichen Zustand befinden, das heißt sie können innerhalb der Grenzen die die Unschärferelation steckt, nicht die gleiche Position und die gleiche Geschwindigkeit haben. (vgl. Hawking 1988: 92). 28 Der während der Komposition angeregte Prozess zufälliger Ereignisse setzt das gelassene Akzeptieren der Verantwortungslosigkeit gegenüber den Dingen, die vorkommen könnten, voraus. Das verdeutlicht die Haltung John Cages gegenüber der Beziehung und Differenz zwischen Kunst und Leben, Kunst ist eine Art Labor, in dem man das Leben ausprobiert 31 (Cage zit. in Sanio 2004: 364; Cage 1973: 139). Eine weitere Form von synchronistischem Denken bei Cage und auch George Brecht ist die Verwendung und der zufällige Einsatz von Readymades, wie Spielkarten oder Unreinheiten im Notenpapier, als ein Verweis auf die Gleichwertigkeit des Alltäglichen in Kunst und Leben. In der multimodalen Vernetzung, die dem Prinzip der Synchronizität immanent ist, müsste das simplifizierte Modell der Kausalketten also ersetzt werden durch komplexe Kausalnetzwerke, in denen letztlich „alles alles andere verursacht“ (Peat 1999: online). Dies revidiert das Verständnis und die Konzeption von Zeit dahingehend, dass die in der Theorie nichtlinearer Systeme postulierten Phasen und Phasenübergänge (vgl. Briggs / Peat 1990: 34 – 38) Strukturen jener Kausalnetzwerke sind, die auch auf die Prozesse der Kreativität und der damit verbundenen Zeitkonzeption wirken: „Zeit konstituiert sich nicht mehr über kausal miteinander verknüpfte, reversible oder determinierte Ereignisfolgen, sondern muss, wie Prigogine betont, auch Elemente des Sprunghaften und kausallogisch Nicht–Mehr– Nachvollziehbaren in sich aufnehmen.“ (Kutschke 2002: 198). Cage verbindet die Idee des musikalischen Prozesses mit der Abkehr vom in sich geschlossenen Werkbegriff und dessen Abgrenzung von einer Alltags– Wirklichkeit. Die Inszenierung von konkreten Situationen ist ein Angebot an das Publikum (Sanio 2004: 361) die Beziehung von Kunst und Leben herzustellen und deren Separation zu relativieren, ohne deren Differenzierung außer Acht zu lassen. Das bedeutet in der konzeptuellen Frage, dass eine Trennung von Musik und bildender Kunst obsolet wird, wenn das spezifisch ästhetische Moment gemieden und die Aufmerksamkeit auf das jeweilige augenblickliche Ereignis fokussiert wird. Diese Anpassung des Kunstwerkes 31 im Original (sic): „[…] art is a sort of experimental out living; […]“ (Cage 1973: 139). 29 station in which one tries an die Wirklichkeit abstrahiert dessen Werkcharakter und somit dessen Form als Vergegenständlichung des Ästhetischen. Musik als immaterielles Medium 32 eignet sich für jede Art von Abstraktion, gerade aber und vor allem für die der Dauer, deren Abstraktion durch das Ephemere des musikalischen Aktes gestützt wird. Es ist die Qualität des Immateriellen, die Musik und Außenwelt verbindet und das Prinzip des Zufalls als Anpassung an die Wirklichkeit fördert, indem sie Beziehungen zwischen beiden konstituiert. Marcel Duchamp nahm die Brüche im Großen Glas gelassen hin, indem er sie als Form einer immateriellen und zufälligen Intervention und somit zum Werk gehörend ansah. John Cage sah den Verkehrs– oder Alltagslärm, der in den musikalischen Akt diffundiert, analog zu Duchamp, als Form der ebenso rechtmäßigen wie zufälligen Intervention an und bestätigt so die Transparenz zur Alltagswelt. Beiden musikalischen Vorgangsweisen (Duchamps und Cages) ist die nicht–integrative Struktur des Kompositionskonzeptes, die Auflösung von linearen deterministischen Beziehungen zwischen den Klängen gemein, aber auch die kontingenten Beziehungen der Klangereignisse als durée der Komposition. 2.3 Bewegtes, Unbewegtes (und Flüchtiges) 2.3.1 Futurismus, Maschine und Musik Die in den futuristischen Texten und Manifesten des beginnenden 20. Jahrhunderts formulierten Thesen (vgl. Baumgarth 1966) zur Synthese von Kunst und Leben als Folge einer radikal–destruktiven Abkehr von einer klassisch–romantischen Bildungstradition negieren einerseits die Grenzen zwischen den Künsten und integrieren andererseits folgerichtig die Maschine in den Prozess futuristischer Ästhetik. Die sich verändernde Wahrnehmung – provoziert durch den dem wissenschaftlich–technologischen Wandel des Fin 32 „Sie [Anm.: die Musik] ist damit Vorreiterin und Modell Neuer Künste, weil sie in ihrer Schriftlichkeit über den willkürlichen Code als immaterielles Werk existiert; sie ist darin Vorreiterin der Immaterialität des Digitalen.“ (Jauk 2009: 33). 30 de siècle impliziten Geschwindigkeitszuwachs im urbanen Raum – ist ein weiterer Aspekt eines futuristischen Dynamismus. Für die futuristische Avantgarde in ihrer strikt technoid–mechanistischen Orientierung sind die Maschine und die resultierende Maschinenwelt die Basis einer synthetischen Rezeptionsästhetik von audio–visueller Dynamik und Simultaneität. Die durch neue Technologien – wie elektrische Beleuchtung, Eisenbahn, Automobil, die Röntgenfotografie und wie neueste Raum–Zeit–Theorien, das Atommodell, oder auch die Verwissenschaftlichung der Künste – initiierte Beschleunigung, auch der kognitiven Prozesse, evoziert als Reaktiv eine Veränderung der Wahrnehmung von Zeit und Raum (Marx 1999: 25). Diese Vermittlung der Wahrnehmung möglichst vieler sinnlicher Sensationen und deren kognitive Bewältigung, also die zahlreiche[n] und gleichzeitig ablaufende[n] Bewusstseinsvorgänge in einem einzigen Individuum (ebd.: 26) bedingt durch jene, später von F. T. Marinetti übernommene, Rimbaudsche Aufforderung nach einer Entregulierung der Sinne 33, sollte in einen psychischen Transzendentalismus münden, wo das Wesen der Dinge intuitiv erfasst wird (Umberto Boccioni, zit. in Baumgarth 1966: 143; vgl. Boccioni 2002 [1914: 170ff). In einer Melange von Lamarckismus 34, Wissenschaftsverherrlichung und mediumistisch–okkulter Phänomene entwickelt sich die mechanistische Denkform einer vervielfältigbaren und mit austauschbaren Ersatzteilen ausgestatteten Mensch–Maschine und dem folgend die einer futuristischen Maschinenästhetik als deren Extension (vgl. Baumgarth 1966: 135 – 138). Wenngleich Enricio Prampolini, Ivo Pannaggi und Vinicio Paladini 1922 im Manifest Die mechanische Kunst (Baumgarth 1966: 221ff) die Maschine vordergründig als beherrschende Gottheit des futuristischen Zeitalters charakterisieren, betrifft dies nicht den äußeren Aspekt oder Selbstzweck der Maschine, sondern die ihr zugrunde liegende Technologie: 33 34 Arthur Rimbaud (1871): Lettre du voyant an Paul Demeny (Marx 1999: 25) Nach: Jean-Baptiste de Monet, Chevalier de Lamarck, 1744 – 1829, Biologe, Evolutionstheoretiker. „Alles was nach seiner [Lamarcks] Ansicht die höchsten organischen Formen von den rudimentärsten unterscheidet, ist durch unbedeutende Hypertrophien oder Atrophien hervorgebracht worden, von denen die Individuen schon früh im Leben beeinflußt worden sind und die sie auf ihre Nachkommen übertragen haben.“ (Peirce 1988: 247). 31 „WIR FUTURISTEN WOLLEN, 1. daß man den Geist der Maschine und nicht ihre äußere Form wiedergibt und so Kompositionen schafft, die sich jedes Ausdrucksmittel und auch richtige mechanische Elemente zunutze machen; 2. daß die Ausdrucksmittel und mechanischen Teile von einem ureigenen lyrischen Gesetz und nicht von einer aus der Wissenschaft übernommenen Regel koordiniert werden; 3. daß man unter dem Wesen der Maschine ihre Kräfte, ihren Rhythmus und die unendlich vielen Analogien besteht, die die Maschine suggeriert; 4. daß die so verstandene Maschine die Inspirationsquelle für die Entfaltung und die Entwicklung der bildenden Künste wird.“ (Enrico Prampolini, Ivo Pannaggi, Vincino Paladini 1922, zit. in Baumgarth 1966: 223). Diese Instrumentalisierung von Lärm und Getöse ist auch ein politisches Mittel des italienischen Nationalismus, die Niederlage im ersten abessinischen Krieg 35 zu verarbeiten. Die Eingliederung der terre irredente, der „unerlösten“ italienischen Territorien auf ausländischem Hoheitsgebiet und die damit einhergehende Oberhoheit im adriatischen Meer wird in Gabriele D´Annunzios Tragödie „La Nave“ (1908) zu einem politischen Bekenntnis der Wiederauferstehung des italienischen Expansionismus (vgl. Schmidt – Bergmann (2009 [1993]: 37f). Trotz der von Jonathan Crary beschriebenen Veränderungen im Sehen des 19. Jahrhunderts – von einer unverrückbar–mechanistischen Wahrheit der Weltabbildung zur holistisch–subjektiven, den Betrachter mit einbeziehenden Wahrnehmung (vgl. Crary 1990) – ist Anfang des 20. Jahrhunderts nach wie vor die Wahrnehmung der Dinge [...] eine Wahrnehmung in Fragmenten (Jean Epstein 1923 zit. in Kosinski 1994: 25). Die Maschine wird in der Sicht der Klassischen Moderne zum fragmentierten, zerlegbaren mechanischen Gegenstand, bestehend aus einer Anordnung von bestimmter, zu einer mehr oder weniger exakt definierten (Gesamt)Funktion instrumentalisierter Elemente, sie ist demontier– und / aber auch rekonstruierbar. Die mögliche 35 Der (erste) Italienisch–Äthiopische Krieg (1895 – 1896) endete mit der italienischen Niederlage 1896 in der Schlacht bei Adua. 32 Demontage der Maschine wie auch deren mögliche Stasis weist auf den – im futuristischen Sinn – missverstandenen Aspekt der Äußerlichkeit als künstlerischen Selbstzweck in der mechanischen Kunst hin. Epstein findet auch Fernand Léger mit dieser „Wahrnehmung der Dinge [als] Wahrnehmung in Fragmenten [...] in voller Übereinstimmung mit den geistigen Gewohnheiten seiner Zeit“ (Epstein in Kosinski 1994: 25). Léger re– konstruiert fragmentierte Maschinenmotive oder Motive der Großstadt in einer dynamisch–räumlichen Vielschichtigkeit und in gegenseitiger Überlagerung zu Kompositionen multiplikativer Kontraste, sie sollen in schriller Dissonanz das Maximum an Ausdruckskraft (vgl. Boehm 1994: 33) erreichen. Die Maschine oder das Mechanische an sich scheint bei Léger wie bei Ezra Pound ähnlich wie bei den Futuristen anthropomorphisierende Reaktionen auszulösen (vgl. Kosinski 1994: 24). Léger beschreibt die Maschine in seiner Rezension des Films La Roue (Das Rad, 1922) von Abel Gance als selbständig agierendes Objekt und wichtigsten Darsteller (Léger 1971: 184) und nach Ezra Pound sei es nur angebracht, dass die Maschine in den Menschen Empfindungen (Ezra Pound zit. in Kosinski 1994: 25) wecke. Pound pointiert in seinem Buch Antheil and the Treatise on Harmony (1924) die Sichtweise der klassischen Moderne von der Dynamik geräuscherzeugender Maschinen: „Maschinen sind musikalisch. Ich bezweifle sogar, daß sie überhaupt besonders bildhaft oder plastisch sind; [...] ihr kennzeichnendes Merkmal ist jedoch nicht die Form, sondern ihre Bewegung und Energie; auf skulpturale Starre reduziert, verlieren sie ihren Daseinszweck, der gleichsam ihr Wesen ist.“ (Ezra Pound zit. nach John Alexander 1985 in Kosinski 1994: 25). Der Rhythmus der Maschine wird von Léger und George Antheil in der Arbeit an Film und Musik für Ballet mécanique (1924) als sowohl visuell– fragmentarischer als auch auditiv–mechanistischer Prozess inszeniert. Die – auch aufgrund der fehlenden technischen Machbarkeit – vorerst voneinander unabhängigen Kompositionen wurden erst Ende des 20. Jahrhunderts nach der Originalpartitur 36 mithilfe der MIDI Technik synchronisiert.36 Antheil Vgl. Paul D. Lehrman, The Ballet Mécanique Page. [online: http://www.antheil.org/ 16.01.2011]. 33 komponierte die Filmmusik für Ballet mécanique zwar im Sinne einer futuristischen Maschinenästhetik (Motte – Haber 1999a: 49), es stehen aber eher die musikalisierten Maschineneffekte und weniger die reproduzierende Technologie im Vordergrund (Scherliess 1999: 246). Die Orchestrierung der Originalpartitur mit Pianolas, Türklingeln, Flugzeugpropeller und Sirene scheint einerseits den Schluss bruitistischer Funktionalität zuzulassen, ist aber andererseits auch eine Möglichkeitsanalyse von den neuen wissenschaftlichen Theorien und deren technischer Machbarkeit. So sollte die Synchronisation der vorgesehenen sechzehn mechanischen Klaviere (Pianolas) über eine zentrale Rolle gesteuert werden, das war zur Zeit der ersten Aufführungen ab 1925 trotz eines technologischen Machbarkeitskultes offensichtlich nicht realisierbar, so wurden verschiedene revidierte Versionen produziert (vgl. Peters / Vogt 2000: 399). Eine relativ reduzierte Version wurde 1953 zum Film synchronisiert, dies scheint aber eher eine museale Herausforderung gewesen zu sein, denn die Musik scheint verwandelt, domestiziert und [...] geschrumpft (Peters / Vogt 2000: 401) und somit der Intension Antheils entfremdet, dass die Musik des Ballet mécanique eine physikalische Realisation von Zeit als der vierten Dimension zu verstehen sei (Motte – Haber 1990: 196; Peters / Vogt 2000: 397). Die Kategorie des Rhythmus, bei Wassily Kandinsky als Voraussetzung für Kunstproduktion (vgl. Kandinsky 2006 [1952]: 144) gesehen, später auch von Kurt Schwitters als eine Metapher für Kunst 37 genannt, wird von Antheil durch Gestaltung und Form des Gleichgewichtes zwischen Tönen und Nicht–Tönen in ungleichförmigen, asymmetrisch verschieden schnellen Zeitfeldern (Motte – Haber 1990: 197) zur Verwirklichung jenes Zeit–Raumes der die vierte Dimension – in Anlehnung an die wissenschaftlichen Erkenntnisse jener Zeit – darstellt, verwendet. Simultaneistisches Denken in Form der Polyphonie und auch der Polyrhythmik führt zu einer Kompositionstechnik bei der die Vertikale und die Horizontale gleichgesetzt wurden (ebd.: 195), das Gleichgewicht von Ton und Maschinengeräusch sieht Antheil als diagonales, 37 „Was Kunst ist, wissen Sie ebensogut wie ich, es ist nichts weiter als Rhythmus. [...] jedes Kunstwerk aller Zeiten mußte diese primäre Forderung erfüllen, Rhythmus zu sein, sonst war es nicht Kunst.“ (Schwitters 1981, Bd. 5: 244 – 245). 34 zusätzliches (Raum)Element für eine ästhetische Umbewertung der Wirklichkeit, die Kunst, Alltag und Wissenschaft zusammenführt. Umberto Boccioni nennt Francesco Balilla Pratella im Zusammenhang mit dessen Forderung (vgl. Pratella, Technisches Manifest der futuristischen Musik, 1911) nach Enharmonik, Polyrhythmik und der Schaffung einer absoluten Polyphonie durch Verschmelzung von Harmonie und Kontrapunkt (Baumgarth 1966: 149) als denjenigen, dessen futuristische Musik die taktzählende Tyrannei des Rhythmus [der bürgerlichen Musik- und Tanzkultur] durchbricht (Boccioni zit. in Baumgarth 1966: 198). Boccioni selbst postuliert im Manifest der futuristischen Malerei und Plastik (vgl. Boccioni 2002 [1914]), dass das Leben als in Form gefasste Bewegtheit die Grundform sei, die die dynamische Kontinuität im Raum gibt. Die dynamische Form sei eine „Art“ 38 vierte Dimension, eine „Art“ unsichtbares Strahlenfeld zwischen Gegenstand und Aktion, zwischen Gegenstand und seinem Umfeld (Baumgarth 1966: 210). Boccionis Skulpturen, (vgl. Boccioni, Testa + Casa + Luce und Synthese des menschlichen Dynamismus, 1913) erweitern die räumliche Ebene um die der Zeit, sie formalisieren den geforderten Dynamismus in der dargestellten Simultaneität übereinander gelegter Zeitebenen der Bewegung. Die Auswirkung von Bewegung und deren Darstellung zugleich in der Zeit und im Raum rekurriert auf Pratellas Manifest Die Zerstörung der Quadratur (1912) wo die futuristische Musik (Anm.: neben der futuristischen Dichtung Marinettis) die völlige Freiheit des Rhythmus erreicht, jene Freiheit, die in einer futuristischen plastischen Komposition [...] den Begriff des Raumes [...] mit dem Begriff der Zeit vereint, [...] bei der sich die beiden Begriffe Raum und Zeit gegenseitig das Gleichgewicht halten, um die Emotion auszulösen. (Boccioni zit. in Baumgarth 1966: 197, 216; vgl. Boccioni 2002 [1914]: 159, 165). 38 Boccionis diffuse Terminologie von „Art“ weist auf dessen Vermutungen bezüglich der Vorkommnisse innerhalb des neuen Raum–Zeit–Denkens hin. 35 Edgard Varèses 39 Konzeption einer nichts mehr repräsentierenden Musik, die nur ein prozessuales Klanggeschehen entwickelt (Motte – Haber 1999b: 198f), bedingte auch die Suche nach neuen Kompositionsformen und nach neuen Möglichkeiten der Klangerzeugung. Für die Befreiung des Klanges von den Beschränkungen des willkürlich temperierten Systems und für Klangkonzeptionen wie einer Musik als Bewegung im Raum, in Form von parabolischen und hyperbolischen 40 Klangkurven (vgl. Varèse 1983: 16 – 21), fordert Varèse die Genese eines neuen elektronischen Instrumentariums: „Ich persönlich benötige für meine Konzeptionen ein völlig neues Ausdrucksmedium: ein Klang produzierendes Gerät – nicht ein Klang reproduzierendes. Es ist heute möglich, ein solches Gerät mit einer gar nicht so großen Menge an zusätzlicher Forschung zu bauen.“ (Varèse 1983: 15). Die Dynamik der Klanggruppen Varèses zeigt eine innere Struktur, die sich beständig in Gestalt, Richtung oder Geschwindigkeit, angezogen oder abgestoßen durch verschiedene Kräfte, verändert (Varèse 1983: 19). Als Konsequenz dieser Interaktion sieht Varèse die Form des musikalischen Werkes und lehnt somit auch die Diskussion über den Unterschied zwischen Form und Inhalt, eben wegen ihrer wechselseitigen Bedingtheit, ab (ebd.). Die Musik sollte keinen mimetischen Verweischarakter haben, sie sollte über Bewegung und bestimmte körperliche Eigenschaften der Klänge, wie Dichte, Höhe, Masse oder Volumen, die Geometrie der Raum–Zeit repräsentieren und sinnlich erfahrbar machen (vgl. Motte Haber 1999a: 245). Wenngleich Varèse der Radikalität der futuristischen Kulturideologie von einer Synthese von Kunst und Leben und dem Eindringen des Alltags in die Kunst wenig abgewinnen konnte (vgl. Motte – Haber 1990: 193), zeigen sich ähnliche Ansätze einerseits in der artifiziellen Gestaltung von – körperlicher – Dynamik im Raum wie bei Boccioni, andererseits in der Suche nach neuen Medien der Musikerzeugung, basierend unter anderem auf den Erkenntnissen der Elektrotechnik. 39 Varèse kannte die futuristische Denkhaltung seit ca. 1907 und später aus der Bekanntschaft mit Russolo, distanzierte sich aber stets vehement vom Bruitismus. (vgl. Motte – Haber 1999b: 197). 40 Hier scheint es sich um einen Bezug zur nicht–euklidischen Geometrie zu handeln, den Varèse (möglicherweise) im Zuge seines Physikstudiums (ab 1905) kennenlernte. 36 Luigi Russolo, futuristischer Maler und durchaus in Kenntnis seiner musiktheoretisch–kompositorischen Unzulänglichkeit, rekurrierte bewusst auf diese scheinbare Außenseiterrolle und den damit verbundenen Amateurismus 41. Konsequenterweise spricht Russolo in seinem Manifest L'arte dei rumori (1913) von einer neuen musikalischen Sensibilität in Verbindung mit maschinengenerierten Geräuschen, die die tonale Limitiertheit herkömmlicher Instrumente überwinden sollten. Im anwachsenden Lärm durch die Vervielfachung der Maschinen im industriellen Zeitalter und der sich parallel entwickelnden Urbanisierung sieht Russolo die Annäherung der Musik zum Geräuschklang und somit zum Alltagsgeräusch (vgl. Russolo 1986: 24f). Diese Theorie des Bruitismus, der Lärmmusik, stand auch im Gegensatz zu den noch in der romantischen Bildungstradition verhafteten Kompositionen Pratellas oder Franco Casavolas deren futuristisches (Musik)Denken sich eher an der Synthese von Dynamik und Affekt, der Stati d´animo als Gemütsverfassungen (vgl. Noller 1999: 72f), orientiert. Wurde hier die Interna, die psychische Verfasstheit über traditionelle Orchestrierung transportiert, emanzipiert Russolo die Externa, das Geräusch der Großstadt und der Maschine als gleichrangig zu den musikalisch–instrumentalen Tönen. Ohne Intention einer Imitation des Alltagsgeräusches (Russolo 1986: 27 – 28) konstruiert Luigi Russolo zusammen mit Ugo Piatti und Antonio Russolo ein Instrumentarium, die Intonarumori, die einhergehend mit der postulierten Dominanz der Geräusche der modernen Gesellschaft deren artifizielle Formen konkreter Klänge zur Verfügung stellen sollten. Wollte Russolo eine orchestrale Verwendung der Intonarumori in denen artifizielle Geräusche, den Tönen gleichgestellt, die Hereinnahme der Maschinenwelt in das musikalische Kunstwerk (vgl. Keppler 2001: 11) dokumentieren, so stellte bei Arseni Avraamow 42 1922 ein großer Teil der Stadt Baku die vielschichtige Instrument–Maschine für eine Sirenensinfonie 41 „I am a futurist painter who projects beyond himself, into an art much – beloved and studied, his desire to renew everything. Thus, bolder then a professional musician not worried about my apparent incompetence, and convinced that audacity has all rights and possibilities, I was able to devine the great renewal of music through the Art of Noises.”(Russolo 1986 [1913]: 30). 42 Anm.: Arseni Krasnokutskij alias Arseni Avraamow. 37 dar (vgl. Zielinski 2007). Avraamow instrumentarisiert die kinetische Lauterzeugung von mechanischen Vorgängen – wie in Sirenen oder Maschinengewehren – zur ideologischen Überhöhung revolutionärer Thematik. Die Implementierung monumentale von musikalische artifiziell–pseudourbanen Formen und auch Geräuschen die in Verwendung bedeutungsbeladener Musik wie die Internationale und La Marseillaise, suggeriert eine auditive Manipulation des urbanen Raums; eine Zusammenführung von Kunst und Alltag, wo [...] niemand mehr den Zwang verspüren sollte, arbeiten zu müssen, weil Leben, Technik und Arbeit eins wären und so die Entfremdung aufgehoben wäre (Aleksei Gastew zit. in Zielinski 2007). Trotz der Radikalität der futuristischen Manifeste kann der futuristische Maschinenkult keine dieser Radikalität angemessene Umdeutung romantisch– elitärer Kulturtradiertheit herbeiführen. Die Synthese von Technik und Kultur bleibt im Pathos von Industrialisierung und Neuem Menschen unrealisiert, sie scheitert an der verfügbaren Technologie, aber auch an der Widersprüchlichkeit der Theorie. Kunst, Maschine und Geräusch sollte sich in einer Alltagskunst vereinigen, durch die Theoretisierung wurde eben die Alltagskunst aber wiederum in den Kunststatus gehoben (vgl. Keppler 2001: 14). Dennoch wirkt das Postulat der technologischen Evolution in der außer– futuristischen Musik des 20. Jahrhunderts und vor allem in der Ästhetisierung des Alltags und im Kunst/Leben (vgl. Jauk 2005a: 80) als kreatives Dilettieren im Pop weiter. Die Verwendung von explizit nichtmusikalischen Klangerzeugern ist gleichzeitig die Absage des 20. Jahrhunderts an die bildungsromantische Verklärtheit der präsumtiven Kausalbeziehung von Kunst und Können. 38 2.3.2 Kinetische Kunst und Algorithmus Die Instrumentarisierung beliebiger Objekte oder von Prozessen (vgl. Barthelmes 2004: 337) zur Musik– oder Klangerzeugung, ist eine Folge der von der Avantgarde der klassischen Moderne vehement kritisierten Kunstautonomie, die sich als formelhafter Geniekult im romantisch– bürgerlichen Kunstverständnis etablierte. Die Aufhebung der Hierarchie zwischen Ton und Geräusch findet sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Konstrukt explizit in den Manifesten des Futurismus (vgl. Baumgarth 1966), parallel zur Auflösung der Trennung von Alltag, Wissenschaft und Kunst. Zugleich wird auch die Autonomie des Werkes zur Diskussion gestellt, mit der Einbeziehung allgemein–kultureller ästhetischer Phänomene in den kunstimmanenten Prozess vollzieht sich eine Verschiebung vom Kunst–Werk zum Kunst–Ereignis (Steinert 1989: 103). War die Maschine per se in der futuristischen Denkweise ein Artefakt technologischer Möglichkeiten und in ihrem äußeren Aspekt, in ihrer skulpturalen Form irrelevant (vgl. Baumgarth 1966: 222), wurde deren Mechanik zur Allegorie von Bewegung und Fortschritt. Eine kokettierende Paraphrasierung der Mechanik über Schrottteile und Fundstücke findet sich in dadaistischen Collagen, die in sinnfreien Maschinenkonstruktionen das expressionistische Zukunftspathos deformieren und verspotten (vgl. Bocola 1994: 324). Dieser militante Nihilismus gegenüber jede[r] Art von Wertestruktur, gegenüber jede[r] bestehende[n] Ordnung (Bocola 1994: 325) findet sich bei Marcel Duchamp (À bruit secret 1916, als Klang – Raum – Beziehung ) und auch in den neodadaistischen Maschinenkonstruktionen von Jean Tinguely. Wenngleich Tinguely über seine Konstruktionen, bestehend aus Schrott des mechanisch–industriellen Zeitalters sagt, sie hätten keine Grundfunktion, außer so zu tun als tun sie nichts (Jean Tinguely zit. in Gertich 1999: 144), resultiert aus ihrer funktionalen Dynamik jene Meta–Position der organisierten Disharmonie (ebd.: 146), nicht zuletzt Zusammenfügens disharmonischer Bauteile. 39 wegen des willkürlichen Die Meta–Maschinen (Métamatics) Jean Tinguelys sind produziert um zu produzieren, einerseits die Geräusche der mechanischen Bewegung als Teil ihres tautologischen Funktionierens, andererseits abstrakte Zeichnungen entsprechend ihrer Funktion als klingende Metaroboter–Malmaschinen (vgl. Gertich 1999: 145). Der Algorithmus der Ablaufbewegungen ist in seiner Gesamtstruktur stringent, innerhalb dieses Kreislaufes entstehen aber der fragilen Mechanik implizite Unschärfen, die einer exakten Wiederholung des Vorhergegangenen widersprechen. Werden die Métamatics in ihren absurd–geräuschhaften Bewegungen auch als kinetische Neuauflage des Dadaismus [...] ohne ideelle Erneuerung (Bocola 1994: 488) gesehen, so entsteht in ihrer Konstruktion eine Meta–Kunst, die – ähnlich wie die digitale Programmierung eines Kompositionsalgorithmus in MAX/MSP oder SuperCollider – die Maschine zur Erzeugung aleatorischer Prozesse anregt (vgl. McCartney 2003: 266). Die immerwährende, in gewisser Weise unerbittliche Repetition mit der die Maschine ihre skulpturale Form in einem Raum–Zeitlichen Bewegungsvorgang auf ihr virtuelles Volumen erweitert (vgl. Jean Tinguely, Virtuelles Volumen 1, 1955) und simultan Geräusche und Bilder – möglicherweise mit Hilfe eines Mitspielers – produziert, ist eine vom Künstler unabhängige Wirklichkeit des Funktionierens (Buderer 1993: 67). Dieser, den mechanistischen Regeln folgende Ablauf von in einer algorithmischen Zeitgestaltung eingebetteten stochastischen Prozessen schwankt zwischen präziser Prädisposition und Spontaneität, ereignet sich also in einem dynamischen chaotischen System (Weibel 2004a: 157), ist aber auch mit der Körper–Umwelt–Erfahrung des Betrachters gekoppelt. Der Bewegungsablauf und die damit verbundene Inanspruchnahme des Raumes als virtuelles Volumen wird wegen der mechanistisch geprägten kognitiven Erfahrung der Sinne als reales Objekt in der möglichen Wirklichkeit interpretiert. Hier kann eine – analoge – Vorstufe der computerbasierten Kunst gesehen werden (vgl. Weibel 2004a: 156), in der die digitalen Programmprozesse die Zeit und das virtuelle Environment befehlsorientiert gestalten. 40 Die programmierte Selbstzerstörung von Tinguelys Maschinen (vgl. Jean Tinguely, Hommage to New York, 1960 und Study for an End of the World, 1961) ist ein Hinweis auf das dadaistische Moment des „sich der Macht Verweigerns“, der Macht des Kapitalismus und dessen Institutionen, wie die der Museen, in der die Gesellschaft durch ein kontrolliertes Zugeständnis – das des Ankaufes – das Werk kontrolliert: „I wanted something ephemeral, that would [...] most importantly be impossible for museums to reabsorb. I didn´t want to be ‚museumized‘.“ (Jean Tinguely zit. in Hulten 1987: 350) Die Vorstellung des Ephemeren verweist einerseits auf Alexander Calders fragile Mobiles und Naum Gabos virtuelle Skulpturen, andererseits in der Selbstmord begehenden Maschine (ebd.) auf die fehlende Kausalbeziehung zwischen dem Maschinen–Objekt und dessen abgeschlossener Ontologie als Kunstwerk. Bei Tinguelys Maschinenobjekten – und hier speziell bei den selbstzerstörenden Maschinen – greift der tradierte Werkbegriff nicht, hier ist das Objekt als Artefakt des Kunstwerks 43 eine Parabel für die Interdependenz von Kunst und Alltag. Das von vornherein nicht als solches konzipierte Kunstwerk landet im Mistkübel („...everything go back to the garbage cans“ [Jean Tinguely zit. in Hulten 1987: 350]). Was bleibt, ist die am beziehenden Denken orientierte Interpretation der funktionellen Disharmonie der Maschine im Kontext mit deren Dekonstruktion als flüchtig–kommunikativem Prozess. Die Einbeziehung des Rezipienten in den mechanischen Ablauf der Métamatics ist eine vorsichtige Horizontalisierung der Künste in Richtung Alltagskultur durch Interaktion, in ähnlicher Form wird sich das Happening zu einer Form der (informellen) künstlerischen sozialen und politischen Gestaltung (vgl. Jauk 2005a: 49) entwickeln. Die Métamatics konstruieren eine mechanistisch definierte Wirklichkeit, die zumindest theoretisch in den Grenzen des analog–mechanischen Systems umgestaltbar (durch Veränderung bestimmter physikalischer Größen wie ein Raddurchmesser oder die Energiezufuhr) ist. Diese Umgestaltung ist ein Prozess, der – gebunden an das 43 Anm.: Das Kunstwerk ist explizit der Prozess der Destruktion. 41 mechanistische Trägheitsprinzip – in seiner überschaubaren Langsamkeit die Beschränkungen kausaler Körper–Umwelt–Erfahrungen nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu steht die willkürliche Strukturierung durch Programmalgorithmen, durch digitale Codes und deren Veränderung in Echtzeit. Die Dynamisierung des dreidimensionalen Objektes in der Kinetischen Kunst ist eine weitere Entwicklung durch Einbeziehung von Bewegung als Raum– Zeit Wahrnehmung, folgend aus der im Futurismus angewandten indexikalischen Darstellung des Dynamismus durch Interpretation der Raum– Zeit Wahrnehmung. Dies basiert auf einem Wechselverhältnis mit zwei ‚gleichberechtigten‘ Wirkungsgrößen (Dietrich Busse zit. in Kohlmayer 1997: 70), vom Werk, als Symptom eines kommunikativen Wollens (ebd.) und dem Rezipienten oder Betrachter als (Mit–)Initiator des Prozesses. Der intuitiv verwendete Algorithmus als Handlungsanweisung für die interaktiven und virtuellen Beziehungen zwischen Werk und Betrachter (vgl. Weibel 2004b) ist ein Regelsystem dieser Interdependenz. Die, im Sinn des Wortes, Ausgewogenheit von Alexander Calders Mobiles 44 repräsentiert einen virtuellen Zustand, der durch seine Sensibilität auf Energiezufuhr durch äußeren Einfluss reaktiv in einen pseudo – chaotischen Bewegungszustand übergeht. Wenngleich hier ein prinzipiell nichtlineares dynamisches System vorliegt, kann aber nicht von einem deterministisch – chaotischen System im mathematischen Sinne gesprochen werden, die Erzeugung von Abfallenergie (oder Entropie) innerhalb des Systemgefüges führt zu dissipativen Strukturen. „Der Name dissipative Struktur [Hervorhebung im Orig.] drückt ein Paradox aus, das im Mittelpunkt von [Ilya] Prigogines Vision steht. Dissipation läßt an Chaos und Auseinanderfallen denken; Struktur ist das Gegenteil davon. Dissipative Strukturen sind Systeme, die ihre Identität nur dadurch behalten können, daß sie ständig für die Strömungen und Einflüsse ihrer Umgebung offen sind.“ (Briggs / Peat 1990: 207). 44 Ein Begriff, der Marcel Duchamp (ca. 1932) zugeschrieben wird (vgl. Bocola 1994: 488; Motte – Haber 1990: 282). 42 Die Wechselwirkung dieser fragilen kinetischen Mobiles Calders mit der Umwelt ist letztlich eine reaktive, eine auf dem Prinzip der schwachen Kausalität (vgl. Davies / Gribbin 1993: 36) beruhende, wonach ein Systemverhalten bei gleicher Ausgangslage jederzeit reproduzierbar sei. Dieses Prinzip lässt jedoch keine Aussage über die Stärke der Auswirkung von geringfügig veränderten Ausgangswerten auf den folgenden Bewegungsablauf zu (Skirke 1998: 74f). Die Dynamik des Systems der Mobiles erscheint vorerst chaotisch, ist aber, nach Maßgabe der Komplexität der Objekt–Umwelt– Beziehungen mechanistisch determiniert. High Technology Art, eine Entwicklung aus kinetischer und kybernetischer Kunst der sechziger Jahre (vgl. Popper 1991: 249), exemplifiziert das mechanistisch–deterministische Weltbild, die mechanistisch geprägten Dingvorstellungen der bildenden Künste (vgl. Jauk 1996), an der Vorstellung, dass Interaktion, oder besser Partizipation, von der (Weiter)Entwicklung besser beherrschbarer und differenzierter Technologien ermöglicht werde (Popper 1991: 263). Die virtuelle Kunst des beginnenden 21. Jahrhunderts sieht sich in diesen erweiterten Technologien als Artefakt weiterer Stufen von technologischer Evolution und einer subsequenten Humanisierung von Technologie (vgl. Popper 2007: 395f), realisiert mit Hilfe von immer aufwendigeren Mensch–Maschine–Interfaces. Deren Einbindung in eine künstlerisch relevante Strategie ist an die Evolution der Datenverarbeitung und an eine enorme Rechenleistung angewiesen (vgl. Grau 2003: 193ff), um eine artifizielle Simulation von Realität zu generieren. Deren anzustrebende Realitätsnähe und die damit verbundene optische Aufhebung der Grenze zwischen Simulation und Realität (vgl. Grau 2003: 220) manifestiert das Primat der Sicht der Dinge (Jauk 2005a: 488) und den ihr zugrundeliegenden Maschinenglauben. Der Umgang mit dieser Hochtechnologie erfordert aber auch eine Beobachtungstheorie, die auf zunehmende Komplexitäten vorbereitet ist und diese erfordern eine intensive Interaktion oder, wie es heißt, den ‚Eintritt‘ (Immersion) in den Medienraum (Faßler 1999: 77). Das immersive Medium ist somit erst nutzbar, wenn der Nutzer Teil des Mediums wird und mit dem 43 Algorithmus des artifiziellen Systems oder dessen Analogie, der Handlungsanweisung, interagiert. Die Interaktivität in der kinetischen Kunst und deren Derivate unterliegen so primär mechanistischen Gesetzmäßigkeiten, deren jeweils machbare Ausformungen technologische Artefakte wissenschaftlicher Entwicklungen repräsentieren. Prozedurale Instruktionen als rudimentäre Algorithmen finden sich nicht nur in den Kunstformen des 20. Jahrhunderts (in der kinetischen Kunst, im Happening, Fluxus und Op–Art), in der Musik und bildenden Kunst erscheinen Algorithmen als intuitive Kontrollsysteme seit Jahrhunderten (vgl. Weibel 2007: 24f). Leon Battista Alberti (Della Pittura 1486) systematisierte die Komposition von Farbe, Form und Licht in geometrischen Perspektivkonstruktionen, die eine Beziehung von Realraum und Fiktion schaffen (Pochat 1986: 225 – 226) und wo eine illusionistische Wirkung auf die Psyche des Betrachters (ebd.) gewährleistet wird. Johann Philipp Kirnberger entwickelte in seiner Schrift Die Kunst des reinen Satzes in der Musik (1771) eine musiktheoretische Gebrauchsanweisung, in der unter anderem – intuitive – Algorithmen in Form sukzessiver Modulationen in Johann Sebastian Bachs Musicalisches Opfer (BWV 1079) diskutiert werden. Die Ricercari 45 in Bachs Musicalischem Opfer sind komplexe Konstruktionen von Modulationen, es sind musikalische Konstrukte, deren Thema von jeder beliebigen Kopie aus rekonstruiert werden kann und deren Transformationen eine informationsbewahrende Isomorphie (vgl. Hofstadter 2007: 9) bei bemerkenswerter Selbstähnlichkeit aufweisen. Die intuitive Anwendung von Algorithmen in den aleatorischen Prozessen (vgl. Meyer – Eppler 1955: 24), die John Cage als Kompositionsverfahren teilweise aus dem I Ging 46 entlehnt, sind einerseits ein Vorläufer des Fluxus und eine Absage an den (musikalischen) Werkbegriff; andererseits weisen die den 45 Anm.: Das Ricercar, eine Vorform der Fuge, später auch als Bezeichnung für eine besonders streng und kompliziert angelegte Kunstfuge. (vgl. Wolff, Christoph (1973); Ricercar, in: HmT 3/1973, [online: http://www.sim-berlin.de/static/hmt/HMT_SIM_Ricercar.pdf 17. 01. 2011]). 46 I Ging oder I Ching, Buch der Wandlungen. Chinesische Textsammlung mit explizitem Orakelcharakter, großteils aus der Han – Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.), (vgl. I Ging, Texte und Materialien 1986). 44 Kompositionen zugrundeliegen Zufallsoperationen auf die Tendenz im wissenschaftlichen Denken 47 jener Zeit hin. „[...] von einem Werk im gegenständlichen Sinn oder als in sich geschlossener Zusammenhang ist häufig keine Rede mehr, an seine Stelle tritt ein ästhetischer Prozess [...]“ (Sanio 2004: 360). Die Prozessorientiertheit betont den zeitlichen Aspekt, die konzeptuelle Inszenierung ersetzt den Objektbegriff, sie bedingt den immersiven Charakter der Aufführungen. Die aktive Interaktion der Rezipienten sieht Cage noch problematisch, da sich aus seiner Sicht nur ausgebildete Musiker bei der Umsetzung offener Kompositionen der Versuchung widersetzen könnten, in musikalische Klischees zu verfallen (Föllmer / Gerlach 2004: online). Die algorithmischen Zufallsoperationen als Kompositionsmethode sind – bei Cage wie auch in ähnlicher Form bei Rauschenberg – ein Aufgeben der Zweckgerichtetheit, der Intentionalität und der Kontrollinstanz des Komponisten, ähnlich der Komposition von Fundstücken im Informel bei Robert Rauschenberg: „Ich hasse Ideen. Und wenn ich trotzdem mal eine habe, dann gehe ich spazieren, um sie zu vergessen. Ich brauche die Unsicherheit, das Nichtwissen [und] am liebsten ist es mir, wenn Sie meine Bilder nicht als Bilder ansehen. Es sind Spielfelder. Sie sollen Lust bekommen, selbst weiterzumalen und weiterzubauen.“ (Robert Rauschenberg im Interview mit H. Rauterberg 2006: online). Die Partituren als Handlungsanweisungen mit Zeitraster sind die Basis für Aufführungen, die bestimmte Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen innerhalb derer in der Weise des Happenings improvisiert wird. Diese so entstehenden Prozesse sieht Cage als Musiktheater, wo es immer was zu sehen und zu hören gibt (Sanio 2004: 363), ohne dass ein Ereignis zwingend auf ein anderes bezogen ist, die Ereignisse haben eine gleichwertige Simultanität ohne eine Kausalitätsbeziehung. In dieser beziehungslosen Ästhetik wird die 47 Stellvertretend seien hier David Bohms Theorie der verborgenen Variablen, das Einstein Podolsky Rosen (EPR) – Paradoxon und die Heisenbergsche Unschärferelation genannt (vgl. Peat 1989a: 29; 36; 222). 45 Trennung der Kunst vom Alltagsleben ebenso obsolet wie eine Grenzziehung zwischen bildender Kunst und Musik (vgl. Diederichs 1979: 33f), es wird anstelle der Rezeption eine Situation als Verschränkung von Kunst / Leben evoziert. Die Problematik einer Zwei–Wege–Kommunikation als Interaktionskonzept zwischen Werk und Zuschauer (vgl. Popper 1991: 258) scheint in der notwendigen Verwendung von High–Tech–Tools zu liegen, ohne deren Vermittlung die Kommunikation zwischen Agent und Rezipient in einer technoiden Kunst nicht möglich sei. Abseits der Ontologie des statischen Kunstwerkes, das mit den Begriffen des Originals oder der Erhabenheit definiert wurde, sei eine Ontologie der interaktiven Kunst nur mit Bezug auf die dies ermöglichenden technologischen Apparate erklärbar. Die in der klassischen Ästhetik eindeutige Isomorphie zwischen Objekt und Bild (Weibel 1991: 228) wird ersetzt durch den apparativen, technoiden Prozess der Konstruktion: „Die Technik setzt erst das Werk ins Sein. Ohne Technik gibt es bei der technischen Kunst keine Ontologie. [...] Die Technologie begründet also bei der Techno – Kunst die Ontologie und nicht umgekehrt.“ (Weibel 1991: 229). Der dem technischen Apparat zugrundeliegende Algorithmus begründet die, laut Weibel, technische Natur jeder Kreativität, somit bietet der technische Apparat aber auch eine Plattform für eine virtuelle Präsenz von Information und Kunst (Piene 1991: 296), die eine partizipative Wissensoptimierung (im Sinne des Rauschenbergschen Terminus der Spielfelder) ermöglichen kann. Das Nomen Qualitatis der Immaterialität als einer virtuellen Präsenz von Information ist eine technoide Entbergung (vgl. Heidegger 1962: 25f) von mechanistischen, aus der Erfahrung formalisierten Denksystemen. 46 2.3.3 Architektur / Raum Der Terminus der gefrorenen Musik findet sich in der architekturbezogenen Literatur – ohne eine explizite Zuweisung der Autorenschaft zu versuchen – (vgl. Saleh Pascha 2004: 24) als Metapher für eine Arithmetik basierte Beziehung zwischen Musik und Architektur. Die bei Boetius als musica humana bezeichnete Formulierung der metaphysischen Überhöhung von harmonischen Zahlenbeziehungen als Verbindung von Körper und Seele (Pietzsch 1968: 41ff) leitet ihre Struktur vom platonischen Postulat der mathematischen Grundverhältnisse 48 der Natur ab. Eine daraus hervorgehende und in der Spätantike und im frühen Mittelalter noch vorstellige Bindung der musikalischen Zeitlichkeit an das Wort und somit an den mechanischen Körper findet in der Codierung von Musik und so in der Zeitlichkeit von Musik als Abstraktum (Walter 1994: 91) in der musikalischen Linienschrift ihre Auflösung. Diese optische Trennung von Melodie und Sprache in der Neumenschrift ergibt eine Voraussetzung einer musikalischen Raumbeschreibung auf der Basis der exakte[n] Verknüpfung von geometrischer Linie und musikalischer Tonhöhe (Walter 1994: 266) und so der Theoretisierung einer musikalischen Raum–Zeit. Die Topologie der Töne im Raum ist bei Guido von Arezzo erstmals gekoppelt mit der Beschreibung von Intervallen als Kraftlinien anhand derer eine konstruktive Entscheidung über die tonale Fortschreitung (vgl. Walter 1994: 285f) vom Ausführenden zu erwarten ist. Leon Battista Alberti definierte in der Architekturästhetik 49 die Harmonie und den Gleichklang in der Baukunst mit dem Begriff der connicitas, die auf die Ausgewogenheit der platonischen Harmonielehre mittels numerischer Proportionalität rekurriert (vgl. Pochat 1986: 234f). Aus den pythagoräischen Zahlenharmonien leitet Alberti die Zusammenführung musikalischer Intervallstrukturen und architektonischer Propotionalstrukturen (vgl. v. Naredi – Rainer 1984) in den Begriff der connicitas über und legt erstmals in einer 48 Vgl. Platon (2003 [ca. 360 v. Ch.]): Timaios. Griechisch – Deutsch, übers. v. Thomas Paulsen / Rudolf Rehn, (Universal – Bibliothek, 18285), Stuttgart: Reclam. 49 Vgl. Alberti, Leon Battista, (1912), De Re Aedificatoria – Zehn Bücher über die Baukunst, (Übers. v.. Max Theurer), Wien und Leipzig: Heller. 47 architekturtheoretischen Schrift eine wissenschaftlich orientierte Handlungsanweisung der Architektur basierend auf musiktheoretischen Überlegungen (vgl. Saleh Pascha 2004: 69ff) dar. Das Prinzip der Raumerfahrung als ein auditiv generiertes, kognitives space imagery, in der wahrnehmungstechnischen Lokalisation des Tones im Raum in den Begriffen hoch und tief definiert, wird Anfang des 20. Jahrhunderts um den Rhythmusbegriff erweitert. In seiner Antrittsvorlesung referiert August Schmarsow über den Rhythmus als eines von drei Gestaltungsprinzipien psychologischer Raumkonstruktion: „Jede dieser Axen hat ihr eigenes Gestaltungsprincip: in der ersten Dimension waltet die Proportionalität, in der zweiten die Symmetrie, und in der dritten das Moment der Richtung (wie Gottfried Semper es genannt hat) oder des Rhythmus (wie ich es nennen möchte, weil die successive Auffassung, die Bewegungsvorstellung das Entscheidende ist).“ (Schmarsow 2007 [1896]: 119). Dem statischen Rhythmus der festen architektonischen Form wird der dynamische Rhythmus des Raumes als zeitlich bewegendes Element hinzugefügt (vgl. August Schmarsow zit. in Saleh Pascha 2004: 194) und eine Erfahrung der Zwischenräume ermöglicht. Die wahrnehmende Erfahrung des Betrachters wird (abhängig von seiner Bewegung im Raum) so auf die folgende Konstruktion des Raumes fokussiert. Einer tendenziellen Fragmentierung des Raumes durch das Auseinanderstreben einzelner wahrnehmungsbezogener Konstrukte kann, wie in der musikalischen Wirkungsästhetik Ernst Kurths 50 beschrieben, durch ein wahrnehmungspsychologisches Konzept eines Systems der Gravitationsbeziehungen (Lissa 1975: 204) eine extrem dynamische Formkonstruktion (Motte Haber 1990: 24) gegenübergestellt werden. In der Vorstellung eines zeitlich expandierenden musikalischen Raumbegriffes in der wirkungsästhetische Intervalle durch spannungsvolle Verstrebungen (ebd.) in ein stabiles Ordnungssystem integriert werden, ist die wechselseitige Beziehung zwischen musikalischen und architektonischen Raumstrukturen synthetisiert. 50 Vgl. Kurth, Ernst (1931), Musikpsychologie, Berlin: Hesse. 48 Die Konstruktion virtueller Räume, als das Resultat akustischer Erfahrung durch visuelle Bestätigung in der Realität, ist eine erkenntnistheoretische Antizipation kausaler Mechanismen. Ein durch Klang inszenierter virtueller Raum basiert auf der kognitiven Körper–Umwelt–Erfahrung der Klangwelt des realen Raumes. Vertikale Klangereignisse wie Höhen und Tiefen werden in einer unmittelbaren Ausprägung dominant wahrgenommen, die Klangereignisse in der Zeit sind horizontalisiert als die Erfahrung einer zeitlichen Progression und deren indizierter Bewegung (vgl. Motte – Haber 1990: 44ff; Jauk 2005a: 516). Sind vertikale Klangereignisse Mittel zur Konditionierung 51 des Raumes, so ist die dem Beziehungsgefüge des Vorher – Nachher implizite Rhythmisierung des (virtuellen) Raumes unmittelbar ein System zur Artikulierung 52 eines Raumes (vgl. Zelli 2001: 145ff). In der Simulation von Bewegung durch die Artikulierung des Raumes (in der akusmatischen Musik mit Hilfe von elektroakustischen Tools) sieht Robin Minard analog zur Lichtkunst eine Ausbildung architektonischer Metamorphosen (Minard 1996: 15), die eine virtuelle Vorstellungswelt auf[...]bauen, die sich jenseits der erfahrbaren Realität an eigene Kriterien lehnt (Zelli 2001: 116). Die futuristische Architektur sieht sich – zumindest in ihren Manifesten – befreit von der Vorstellung des Monumentalen und Statischen zugunsten eines funktional–rationalen Urbanismus, als dessen Basis die Sensibilität moderner Lebensbedingungen (vgl. Baumgarth 1966: 219) gelten soll: „Wir haben den Sinn für das Monumentale, das Schwere, das Statische verloren [...]. Wir müssen die futuristische Stadt wie einen riesigen, lärmenden Bauplatz planen und erbauen, beweglich und dynamisch in allen ihren Teilen [...]. (Antonio Sant´Elia zit. in Baumgarth 1966: 219). 51 Robin Minard bezieht sich in seiner Definition von Konditionierung des musikalischen Raumes u. a. auf Kurt Blaukopf: „Eine musikalische Form kann eine architektonische Metamorphose ausdrücken, die man als eine Art von erhellender Entwicklung bezeichnen könnte. Die Tonhöhe erweist sich als ein besonders wichtiges Element bei dieser Art Behandlung des Raumes. Durch Akzentuierung von verschiedenen Tonhöhen kann man Effekte von schweren und düsteren oder leichten und klaren Räumen erreichen.“ (Robin Minard zit. in Zelli 2001: 145 – 146). 52 „[…]Artikulierung des Raumes bedeutet generell eine Verräumlichung des Klangs und ist verbunden mit der Bewegung von Klängen durch den Raum […].“ (Robin Minard zit. in Zelli 2001: 147; Minard 1996: 19). 49 In Parallelität zur barocken Architektur, die – auch in Abgrenzung zum akademistischen Manierismus – von einer Überbetonung von Sinnlichkeit und von sich öffnender Dynamik (vgl. Panofsky 2005 [1934]: 45) geprägt ist, finden sich in der futuristischen Architektur jene vitalistischen Komponenten (vgl. Hofmann 2003: 301) wieder, die sich als nonlinear–simultane Kraftlinien im Raum definieren. Die Verräumlichung energetischer Kräfte, analog zur Objektivierung dieser Kräfte durch die Musik (vgl. Motte – Haber 2005: 304), wird einerseits im metaphysischen Denken jener Zeit deutlich, andererseits wird versucht, dies in eine phänomenale Wirklichkeit zu transferieren. Eine futuristische (Stadt)Architektur wird bei Sant´Elia eingefordert als ephemer–prozessuale Tektonik, implementiert in ein Netzwerk von Kraftlinen als Aufzüge, Transport– und Förderbänder (vgl. Baumgarth 1966: 148). Der Transport von Einwohnern oder Gütern findet sich entlang dieser Kraftlinien und kulminiert in urbanen Knotenpunkten wie Bahnhöfen oder Elektrizitätswerken. Hier ist das im Futurismus wertbestimmende Prinzip des Dynamismus dem barocken Prinzip des sich im Fließen befindlichen Raumes analog und wird manifest in der Idee eine[r] emotive[n] architektonische[n] Umwelt, die die Empfindung hervorruft und den Betrachter umhülltt (Umberto Boccioni 2002 [1914: 154). Anstelle einer physischen Wirklichkeit wird die dem Materiellen innewohnende energetische Kraft abstrahiert und der Formgebung im Raum übergeordnet. Im Zuge des sich aus dem russischen Futurismus entwickelnden Suprematismus postuliert Kasimir Malewitsch (vgl. Kasimir Malewitsch, Schwarzes Quadrat, 1913) den Wandel in eine gegenstandslose Freiheit, die auch in den architektonischen Skizzen und Entwürfen Malewitschs an Bedeutung gewinnt. Die sich gegenseitig überlagernden und durchdringenden Kuben der Architekton–Entwürfe suggerieren eine Rhythmisierung des Objektes. Durch die Verräumlichung von bedeutungslosen Formen wie dem Quadrat wird deren Zeitgestalt indiziert, die Überlagerung von Körper und Bewegung, von Figur und Grund ist auch eine Überlagerung von Zeit und Raum, sie forciert eine musikalisierte Wahrnehmung. Ende des 20. Jahrhunderts verbindet Zaha Hadid die 50 Einflüsse des russischen Konstruktivismus und Suprematismus und die – urbarocke – Idee des Raumflusses (Tabor 2006: 75) in eine versinnlichte Industriearchitektur, die die Tektonik als ästhetischen Ausdruck von Gravitation [...] gänzlich verschleiert (ebd.: 76). Wenn im Zusammenhang mit Zaha Hadids Entwürfen von verflüssigtem Raum (vgl. Celant 2006) oder von geronnenen Hohlformen dynamischer Kraftfelder (vgl. Stierli 2006) gesprochen wird, scheint dies auch eine transformatorische Repräsentanz von gefrorener Musik zu sein. Der bei El Lissitzky als solcher definierte Übergang von der Malerei zur Architektur findet sich in den Proun – Entwürfen, Raum – Konstruktionen, deren weltlicher Bezug durch die Verwendung abstrakt – geometrischer Prinzipien gestört wird (vgl. El Lissitzky, Wolkenbügel, 1923 – 25). Andererseits wird der suprematistisch besetzte 2–D Raum um die dritte Dimension durch die Verwendung multipler Achsen erweitert. Deren Existenz impliziert Zeit – als die vierte Dimension – wie auch die daraus folgende Dynamisierung des Rezipienten als Konstruktionsmerkmal (vgl. Bois 1992: 41). In der Befreiung des Bildes aus seinem Rahmen und dessen Überführung den Proun–Raum als wahrnehmungstechnischen Erfahrungsraum sieht Lissitzky die Erweiterung des Konzeptes des Suprematismus um die Axonometrie (ebd.: 38). Auch in der Erkenntnis des nicht–euklidischen Raumes durch Nikolai Lobatschewski sieht Lissitzky eine Bestätigung für eine suprematistische Raumkonzeption in einem neuen – dynamischen – Raumbewusstsein. „Der starre, euklidische Raum ist durch Lobatschewski, Gauss, Riemann zerstört“ (El Lissitzky zit. in Motte – Haber 1990: 41). Mit dem Gebrauch von Formelementen der Spirale oder deren Derivationen wie Hyperbel, Parabel oder spiralförmiger Zylinder (Gaßner 1992: 59) wird räumlich–zeitliche Dynamik signalisiert und die Rezipienten so in den konstruktivistischen Organisationsprozess einbezogen. Wladimir Tatlin plante Bewegungen und Gegenbewegungen – als Geschwindigkeitsdifferenz und parabolische Gegenläufigkeit – im Monument der dritten Internationale 0 10 (Entwurf ca. 1917) in ein organisch–dynamisches Zyklengebilde ein, das eine 51 Simultaneität durch Immersion der Bewegungsarithmetik in den Raum suggeriert. Die Beziehungen sind aber trotz des Maschinen–Material–Bezuges eher biodynamische Spuren von Simultaneität als mechanistische Kausalbeziehungen. Die sich in den Tatlinschen Eckreliefs in den vorhandenen Raum spannenden und um einen Gravitationspunkt balancierten (vgl. Schneckenburger 2000: 447) Gebilde ersetzen das plastische Raumvolumen und die plastische Stabilität durch den Raumbezug und repräsentieren den impliziten Rhythmus des Nichtlinearen: „Es gibt sozusagen zwei Formen der Zeit, zwei Formen des Raumes; eine ist historisch, kalendarisch, die andere ist nicht berechenbar und musikalisch.“ (Alexander Blok [1919] zit. in Bowlt 1985: 390). Wenngleich Blok die Nichtberechenbarkeit eines Raum–Zeit Kontinuums aus der Sicht des symbolistischen Dichters in einer von Bergson geprägten Epoche argumentiert, so wird damit auch auf die Problematik eines statischen Brennpunktes (als Verweis auf die historische Evolution der Szene oder des Objektes) in den figurativ–räumlichen Künsten (vgl. Bowlt 1985: 391) verwiesen. Demgegenüber ist die Rhythmisierung als die Allegorie der zeitlichen Fortschreitung und der Bewegung einer ständigen Wechselwirkung mit äußeren Einflüssen und Störfaktoren ausgesetzt, wodurch deren inhaltliche Ästhetik wiederum von einer nonlinear–dynamischen Programmatik abhängig ist. Akustische wie optische Proportionen als Maßsysteme menschlicher Wahrnehmung sind bei Le Corbusier ein Rückgriff auf die platonische Arithmetik in Verbindung mit der Entwurfs–Architektur des Architektonischen Expressionismus (vgl. Pehnt 1985: 396). Im von Le Corbusier entwickelten Modulor wird das Verhältnissystem des Goldenen Schnittes auf eine artifizielle menschliche Körpergröße angewandt und in die Gesetzmäßigkeiten der Wissenschaftsevolution im 20. Jahrhundert eingebunden. Die Topologie hyperbolischer Paraboloide wird von Iannis Xenakis in der grafischen Notation zu Mètastasis (1954) als musikalische Zeitverhältnisse beschrieben, ausgehend vom Verhältnissystem des Modulors. Die Darstellbarkeit von hyperbolischen Paraboloiden durch die Bewegung gerader Linien (Erzeugende) und deren – 52 diskrete – Aneinanderreihung zu einer einfachen windschiefen Regelfläche (Bewegungsfläche) 53 findet sich im Konzept der futuristischen Kraftlinien und im dynamischen Formdenken der musikalischen Wirkungsästhetik von Ernst Kurth. Die Bewegung der erzeugenden Geraden und deren imaginierte Spannung als energetische Grundlage geometrischer Konstrukte führt unmittelbar zu einer entsprechenden Raumvorstellung. Eine Zusammenführung physikalischer Termini wie Schwere, Masse, Gravitation (vgl. Motte Haber 2005: 298f) und den hyperbolischen und parabolischen Klangkurven als im Raum gefasste Klangmassen (Varèse 1983: 20) findet sich im Philips–Pavillon (1958) auf der Brüsseler Weltausstellung. Entwurf und Realisation sind eine Zusammenarbeit von Le Corbusier, Iannis Xenakis und Edgard Varèse, konzipiert als eine Form eines raum–zeitlichen Gesamtkunstwerkes. Die mikrotonale Zerlegung der Klangstrukturen und deren glissandierende Metaformen versinnbildlichen Bewegung; im Konstruktionsvorgang durch die Verschiebung von Erzeugenden Linien und in der darin enthaltenen Oberflächenspannung. In Entwurf und Architektur des Philips–Pavillons ist eine funktionale Verortung zu erkennen durch die Interaktion des geometrisch–topologischen Regelwerkes mit der musikalischen Form. Gerade in der Aufhebung funktionaler Zuordnungen und deren Regelsysteme (Informalisierung) durch deren explizite Nichtplanung findet sich aber eine Loslösung von architektonischen Gesetzmäßigkeiten wie Verortung und Statik hin zu Ortlosigkeit und Dynamik. „Die Vorstellung Zuordnungen aufzuheben, geändert vorzunehmen, gibt dem als klar, starr, unverrückbar geprägten Funktionsbegriff eine neue Dynamik ... die Funktionen von den Zuordnungen, vom Zusammenhang trennen, in einen anderen Zusammenhang stellen, transponieren. Eine Funktion nicht mehr zuzuordnen (z. B. zu verorten), macht den allgemeinen Planungs- 53 „Die wichtigste Art gesetzmäßiger Flächen bilden die Bewegungsflächen. Eine Bewegungsfläche wird durch die Bewegung einer Kurve erzeugt. Die Bewegung kann insbesondere als Parallelverschiebung, als Drehung bzw. als Schraubung vorgeschrieben [...] sein. [...] Besondere Arten von Bewegungsflächen sind die Regelflächen (durch die Bewegung einer Geraden erzeugt) [...].“ (Marzani 1965: 153/38.12). 53 gedankengang beweglicher. Ein Ausblick auf die Hybrid Architektur könnte als These die Methode der Zuordnungen als Planungsinstrument überhaupt sistieren, nicht mehr verwenden und die Handlungen direkt im Sinne einer prozessorientierten Planung für eine prozesshafte Architektur planen.“ (Wolff – Plottegg 2007: 83) Die Prozesshaftigkeit als offenes System – in der Architektur wie in der Musik – impliziert die Algorithmen und deren Einhaltung, ob regelgerecht oder nicht, als einen Übergang von Funktionserfüllung zu Funktionserfindung und so die Aufhebung einer funktionalen Verortung (vgl. Wolff – Plottegg 2007: 71, 125). Eine Strukturierung, intern oder extern, ist lediglich als Rahmen vorgesehen, die Zuordnung erfolgt im kollektiven Gestalten über die Erfahrungen der einzelnen Teilnehmer oder (Be)Nutzer und deren Wechselwirkung mit einer Gebäudestruktur. Die Dynamisierung der Architektur ist mit einer telematisch bedingten (und technologisch ermöglichten) Gleichzeitigkeit der Präsenz an verschiedenen, entfernten Orten verbunden. Es entsteht der irritierende Eindruck der Ortlosigkeit (Rötzer 1995), der wiederum stringent in einen kommunikativen Prozess eingebunden ist. Die Struktur des beziehenden Denkens – über kommunikative Prozesse – kann hier als konstruierendes Element hedonistisch orientierter Lebensbewältigung, auch im urban–architektonischen Umfeld, gesehen werden. 2.3.4 Film und Lichtkunst Die im futuristischen Umfeld zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich entwickelnde Befreiung des Klanges geht parallel zu einer Entwicklung des Films als eine, dem Maschinenkult als treibende Kraft jener Zeit (Deisl 2006: 161) adäquaten, (techno)logischen Extension des Auges. Die Erfassung und Speicherung von räumlicher und zeitlicher Realität wird zur Form des modifizierbaren Readymade. Dziga Vertov, in Kenntnis von Luigi Russolos Arbeiten am Geräusch zur Erneuerung der Musik (Russolo 1913: 32), strukturiert die visuelle Realität nach Maßgabe von wahrnehmungstheoreti54 schen Beziehungen und Konnotationen, zusammengefügt aus rhythmisierten Abbildern des industriellen Zeitalters: „Die in Geräusche/Töne umgewandelten Abbilder der industrialisierten Wirklichkeit bedingen für die Bildkomposition einen mechanischen, maschinengeleiteten Rhythmus, dessen Grundparameter Repetition und Flächigkeit sind.“ (Deisl 2006: 163). Repetition und Flächigkeit stehen über den Parameter Distanz in gegenseitiger Abhängigkeit, vergleichbar mit der musikalischen Definition des Geräusches 54 führt die immer weitere Verkürzung von Abständen in der Malerei schließlich zur Monochromie. Wenngleich Luigi Russolo die Logik der – urbanen – Umweltgeräusche als die adäquate Basis für seine Arbeit am Klang sah, scheint das artifizielle, imitative Geräusch der Intonarumori ein in eine Zwangsjacke musikalischer Ordnung eingekerkerter Hybrid zwischen bildender Kunst und Musik zu sein. Russolos codierte Speicherung geräuschhafter Vorgänge über die Partitur wird bei Vertov von einer algorithmischen Montage mimetischer Fieldrecordings ersetzt. Die repetitive Flächigkeit, schon in der Affektenlehre des musikalischen Barock als Formmittel eingesetzt, in Verbindung mit Intervall und Rhythmus ist eine der Akzente der dynamischen Abstraktion des kinematografischen Bildes. Ein weiterer Akzent ist die reduzierte sensoriale Räumlichkeit oder Tiefenwirkung und somit die partielle Unwirklichkeit des filmischen Bildes (vgl. Arnheim 1932: 197), das die filmische Montage (erst) als Mittel der Dynamisierung ermöglicht. Die Umgruppierung und Neuordnung realer Bilder als motivgeleitetes Abstrahieren im Medium Film (vgl. George Antheil, Ballet mécanique, 1924) basiert zu dieser Zeit auf der mechanischen Natur des Mediums, gestützt auf musikalisierte Gebrauchsgeräusche. Demgegenüber ist die Abstraktion im Film nicht nur in der am Tafelbild–orientierten Nichtgegenständlichkeit zu sehen, sondern eher in Abkehr von (zeitgerichteten) narrativen Strukturen. „[D]er Film [bietet] hinsichtlich Rhythmus, Melodie und Harmonie die gleichen Möglichkeiten wie die Musik. Die mechanische Natur des Mediums 54 Sehr viele, sehr dicht liegende Sinusschwingungen mit nicht ganzzahligen Frequenzverhältnissen. (vgl. Hall 1997: 148). 55 Film erlaubt eine strenge Kontrolle der Zeit: Narrative «Melodien» können nun genau kontrolliert werden. Die Filmemacher begannen sehr früh mit dem musikalischen Potential der neuen Kunst zu experimentieren.“ (Monaco 1995: 54). Sind den musikalischen Strukturen Formen der narrativen Zeitgestaltung inhärent, so ist der Klang deren mimetische Basis. Viking Eggeling und Hans Richter sehen ursprünglich in der Dynamik des musikalischen Kontrapunktes ein strukturelles Konzept (vgl. Jauk 2005a: 516) für die Abstraktion von Bewegung als Alternative zur Statik des Tafelbildes und die Verflechtung dieser Abstraktion zur Raumwahrnehmung. Die Beziehung verschiedener Strukturen, diachrone wie synchrone (ebd.) bearbeiten Eggeling (Horizontal– Vertikal–Messe, 1919) und Richter (Präludium, 1919; Fuge, 1920) vorerst als musikalische Malerei in Bildrollen, die dann konsequenterweise zum neuen Medium Film übergeführt wird (vgl. Finkeldey 1998: 94f). Die Anwendung der Struktur des Kontrapunktes, oder genauer der kontrapunktischen Fuge, als iterative Variationsform auf eine visuelle Wahrnehmung verknüpft einerseits die Nichtgegenständlichkeit des einzelnen Frames und andererseits graphisch generierte formale Komposition als Irritation von Erwartungshaltungen zum abstrakten Film. Die Willkürlichkeit der Auswahlkriterien im Kontext mit jener strengen Kontrolle der Zeit ist eine Vorwegnahme des digital programmierten Films. Diese Willkürlichkeit ist auch eine Form der indirekten Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter, die sich dem direkten körperlich– assoziativen Erfahrungswissen entzieht, dieser Kommunikationsraum ist ein musikalischer, daher ein abstrakter. Die Dekonstruktion und – zeitliche – Neuordnung von ursprünglich mimetischen Bedeutungszusammenhängen findet sich im Makrobereich bei Walter Ruttmann als Zeitstruktur und im Mikrobereich bei Kurt Kren – als willkürliche Aneinanderreihung von Frames oder Kader 55 – ähnlich der Granularsynthese 56. 55 56 Vgl. Tscherkassky 1995: online. Die Granularsynthese, zur analogen wie digtalen Klangerzeugung verwendet, besteht im Zusammenfügen Tausender kleiner Schallimpulse zu neuen akustischen Ereignissen. 56 In seiner synästhetischen Orientierung ist der Film der klassischen Avantgarde (vgl. Walter Ruttmann, Lichtspiele Opus 1, 1921 und Berlin, Die Sinfonie der Großstadt, 1927) einerseits struktureller Film infolge seines experimentellen Formalismus, der sich selbstreflexiv mit dem eigenen Medium beschäftigt (vgl. A.L. Rees 2007: 60f), andererseits eine Malerei mit Zeit (Ruttmann) 57, die im Rückgriff auf musikalische Strukturen mit der Dynamik und dem Rhythmus von Gegensätzlichkeiten arbeitet. Vor allem Lichtspiele Opus 1 ist nach musikalischen – nach kontrapunktischen – Gesichtspunkten strukturiert, hier folgt die Originalmusik dem gleichen Zeit–Rhythmusgefüge wie die visuellen Formen. Diese synästhetische Verknüpfung ist eine assoziative – keine genuine –, bei der Visualisierung des Geräusches. Sie folgt einer willkürlichen Auslese ohne eine empirisch belegbare Analogie. Eine quasi–synästhetisch orientierte Strukturierung von Zeit folgt im synthetischen Tonfilm einerseits den räumlich–emotionalen Vorgaben wie den Bild– oder grafischen Partituren und andererseits den technologischen (Abtast)Möglichkeiten, die eine eigenständige ästhetische Qualität besitzen (vgl. Föllmer / Gerlach 2004: online). Oskar Fischinger (1932) postuliert enge Beziehungen zwischen dem Ornament und dem Ton im Umfeld der technischen Vorgaben dieser Zeit: „Zwischen Ornament und Ton bestehen direkte Beziehungen, d. h. Ornamente sind Musik. Ein Tonstreifen ist gezeichnete Musik. Ein Tonstreifen weist am Rand einen feinen Streifen zackigen Ornaments auf. Dieses Ornament ist gezeichnete Musik, ist Ton. Durch den Projektor geschickt klingen diese gezeichneten Töne unerhört rein und ganz offensichtlich sind hier phantastische Möglichkeiten.“ (Oskar Fischinger zit. in Weibel 1987: 84). Fischingers parallel zu Rudolf Pfenningers Tönende Handschrift (ab 1929) entstehende Tonzeichnungen unmittelbar auf das Trägermedium Film Abhängig von der Wiedergabegeschwindigkeit beginnen sich aus den verschiedenen nacheinander angeordneten Klängen neue und komplexe Schallereignisse zu bilden. […] Aus diskontinuierlichen analogen (Tonband) und/oder digitalen (Computer) Klangaufzeichnungen wird ein neuer kontinuierlicher Klang. (vgl. Ruschkowski 1998: 314). 57 Aus dem Walter Ruttmann – Nachlass, ohne Titel, undatiert, vermutlich um 1919/20. Unter dem Titel »Malerei mit Zeit« veröffentlicht in: Birgit Hein/Wulf Herzogenrath (Hg.): Film als Film, 1910 bis heute, Stuttgart 1977, S. 63–64. [Anmerkung aus: www.medienkunstnetz.de, online: http://www.medienkunstnetz.de/quellentext/19/ 17.01.2011]. 57 kennzeichnen den Ursprung der visuellen Musik (Weibel 1987: 84) unter der Prämisse der technologischen Entwicklung. Diese Technologie beschränkte anfänglich noch die Freiheit des musikalisch–visuellen Ausdrucks der zeitlichen Gliederung des Raumes. Die geforderte Vereinfachung und Anpassung der Vorlagen als Universelle Sprache (Elder 2008: 144f) ist die Formalisierung zeitlicher Gestaltung innerhalb der Grenzen des Mediums Film. Die Metaebene einer Universellen Sprache abseits von Nationalismen und auf Mechanismen einer universellen visuellen Wahrnehmung (ebd.: 145) basierend, erlangt wegen ihrer Abstraktheit – im narrativen Film – selbst keine künstlerische Bedeutung. Der metrische Film (vgl. Peter Kubelka, Arnulf Rainer, 1960) kreiert ein rhythmisches Gebäude aus Licht und Ton (Kubelka 1976: 66), dessen Struktur wird in metrischen Maßen reglementiert. Eine über die körperliche Erfahrbarkeit hinausgehende Metrik ist aber auch die theoretische Metaebene auf der eine Wahrnehmung, die über die mechanischen oder physiologischen Möglichkeiten des Menschen hinausgeht, basiert. Die Auslotung eines Zeitmaßes im Mikrobereich, das sich der Wahrnehmung und der Erfahrbarkeit widersetzt, definiert eine Wahrnehmung zweiter Ordnung innerhalb der Grenzen der sensorischen Möglichkeiten. Wie Samuel Conlon Nancarrows Papierlochstreifen für Playerpianos und Oskar Fischingers Tonzeichnungen von den kleinstmöglichen Einheiten der mechanischen Abtastmöglichkeiten des Apparatus abhängig sind, so findet sich auf Basis der Montage von kleinstmöglichen Einheiten ein synthetisches Realitätssurrogat. Die Granularsynthese im Film wie in der Musik imaginiert ein Szenario immaterieller Dynamik und zeitlicher sowie auch räumlicher Irritation. Durch eine virtuelle Erhöhung der Geschwindigkeit über die Grenze des menschlich Fassbaren hinaus (Jauk 2005b: 95) wird die Raumerfahrung mittels mechanisch–analoger (De)Konstruktion irritiert und zurück in kognitiv–konventionelle Formvorstellungen übertragen, darin konstituiert Zeit sich nicht über reale Beziehungen, sondern über virtuelle. Eine so dem metrisch–strukturellen Film als Kontrapunktik gegenübergestellte Entwicklung der 1960er Jahre ist Andy Warhols zeitgedehnte und 58 rhythmuslose, ungeschnittene Trance–Ästhetik (vgl. Andy Warhol, Empire State Building, 1964) ohne den technologischen Eingriff – über Montagetechniken – in die Zeitstruktur. Diese paintings that move (Gerard Malanga) 58 sind Readymades unstrukturierter Zeit und markieren als eine mediale Fusion von bildender Kunst und deren Musikalisierung eine Antithese zum strukturellen Film. Analog zur Zeitwahrnehmung in den narrativ– prozessualen paintings that move erweitert sich über die nonnarrativ– abstrahierenden Exploding Plastic Inevitables (Andy Warhol & The Velvet Underground, 1966/67) die Raumwahrnehmung zu (sound)installations that move. Die Fusion von bildender Kunst und Musik, wenngleich unter der Prämisse synästhetischer Stimuli, erweitert sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der zweidimensionalen Bildfläche in den Raum der Skulptur und der Installation (vgl. Weibel 1987: 110). Die Erweiterung der Skulptur um den Faktor Zeit bei Boccioni (vgl. Boccioni, Synthese des menschlichen Dynamismus, 1913) komprimiert die Bewegung in der Zeit in einer Simultandarstellung, die Installation impliziert den Raum als Element der Bewegung und so als Element von Komposition und Konstruktion. Die monumental–technoiden Licht– und Klangtürme von Nicolas Schöffer und Mauricio Kagel sind in der Nachkriegszeit des WK II realisiert. Schöffers spatiodynamische Türme (1954 / 1961) randomisieren über umweltabhängige Algorithmen die Choreografie von Licht und musikalischer Komposition (Komponist Pierre Henry). Kagel andererseits verwirft die Synchronizität von Licht und Ton und erzeugt eine phasenverschobene, vorkonstruierte Musikund Lichtchoreografie. Die Dynamik des differenten Raumes wird von Schöffer einer indifferenten Zufallsarithmetik gegenübergestellt, ein kybernetisches Regelsystem (vgl. Motte Haber 1999: 216f) mediatisiert die physikalischen Umweltwerte in ein 58 Interview Gerard Malanga in WARHOL's CINEMA - A Mirror for the Sixties (1989). (64 min documentary on Andy Warhol's cinema of the sixties, made for Channel 4 in association with THE FACTORY, MOMA and the Whitney Museum of Art and in collaboration with Simon Field. Directed & Produced Keith Griffiths.) Recorded from a VHS video tape recording from the Channel 4 documentary. [online: http://www.ubu.com/film/warhol.html 17.01.2011]. 59 luminodynamisches Phänomen. Diese nicht–willkürliche Reaktion auf der Basis indeterminierter Parameter ist eine kybernetische Ästhetisierung des Stadt–Raumes, ein regulatives Andocken an die Stadt und ihre Bewohner (Motte Haber 1999: 219). Ähnlich wie bei Lazlo Moholy – Nagys Licht– Raum–Modulator 59 (1920 – 1930) ist die Konstruktion von Raum durch das „immaterielle“ Medium Licht und die daraus resultierenden sensorischen Sensationen die bestimmende Basis bei Schöffers abstrakter Lichtkunst. Nicht die Licht aussendenden Apparaturen sind das (Kunst)Werk, der Rezipient konstruiert durch Dekodierung und Informationsverarbeitung des Lichtes (s)eine temporäre Umwelt. Der prozesshafte Charakter und das mit diesem verknüpfte Nicht–Mimetische als Element der Abstraktion in der Lichtkunst ist Form in Bewegung. Hier findet sich eine Konkretisierung der Wahrnehmungskonstruktion von Raum, unter Einbeziehung der eigenen körperlichen Aktivität im Wahrnehmungsprozess als Körper–Umwelt–Interaktion (Jauk 2005: 508). Eine konsequente Strukturierung dessen findet sich in Christina Kubischs Arbeiten, die eine Umkehr der – üblicherweise ohne Bewegung zugängigen – auditiven Raumerfahrung in eine interaktive bewegungsbasierte Klangraum–Erfahrung anstrebten. Ausgehend von den ursprünglichen Arbeiten, die auf die visuell gesteuerte Verfolgung von willkürlich verlegten Energielinien – wie Stromkabel – und taktiles Ausloten deren elektromagnetischer Induktion (vgl. Motte Haber 1999: 236) als Raumerfahrung hinwirken, sind die Electrical Walks eine Erfahrung des Nichtwahrzunehmenden. Die elektroakustischen Resultate der Electrical Walks 60 sind die Reaktionen auf die in einer urbanisierten Topologie in verstärktem Maße vorhandenen elektromagnetischen Kraftlinien. Kubisch verwendet die anfallenden Stromfelder, ein Teil– oder Abfallprodukt der Lichterzeugung als elektromagnetisches, sensitiven Vorgängen unzugängliches Material des Hörbarmachens des immateriell–visuellen 59 Vgl. Moholy – Nagy, Laszlo (1947), Vision in Motion, Chicago: Paul Theobald & Company. Vgl. Art. ELECTRICAL WALKS, [online: http://www.christinakubisch.de/deutsch/klangundlicht_frs.htm 17.01.2011] 60 60 Mediums Licht. Die körperliche Bewegung im Raum als Basis einer visuellen Raumerfahrung ist umgepolt in eine Bewegung des Hörens von elektromagnetischer Induktion, deren Existenz unmittelbar gekoppelt ist an die Illumination des Raumes. Hier entstehen einerseits Interferenzen der visuellen und der auditiven Raumwahrnehmung durch die Dichotomie der Transformation von Elektromagnetismus in Licht und / oder Klang 61, hier findet sich auch eine Interferenz von mechanistischer Kybernetik (vgl. Norbert Wiener) und organisierter Komplexität offener Systeme (vgl. Ludwig v. Berthalanffy) 62. Die Arbeit der Gruppe ZERO 63 mit Licht als armen Material im Sinn der Arte Povera rekurriert auf die Manifeste Lucio Fontanas, der im Manifesto Blanco (1946) die Synästhesie von Farbe, Klang, Bewegung und Raum postuliert: „Sie sind die vier Standsäulen der Kunst, die in synästhetischer Form zu einem neuen Dynamismus, zu einer neuen Gestaltung von Umwelt und Raum führen müssen. Im ersten Manifest des Spazialismo heißt es hierzu: »[...] werden wir mit den Mitteln der modernen Technik künstliche Formen, wunderbare Regenbogen, Leuchtschriften am Himmel erscheinen lassen. durch Funk und Fernsehen werden wir künstlerische Ausdrucksformen von ganz neuer Art ausstrahlen«“ (Reißer / Wolf 2002: 103). Die lichtkinetischen Arbeiten der Gruppe ZERO enden zwar um ca. 1966, aber das Medium vieler neuer Manifestationen in der Kunst, besonders der kinetischen, technologisch fundierten [...] ist Licht (Piene 1991: 268). Ist die Information in den lichtkinetischen Arbeiten von ZERO oder den kybernetischen Schöffers in der visuellen Stimulation verankert, so synästhesiert das Abfallprodukt Induktion auf einer sensorischen Metaebene die kognitive Raumerfahrung über die Erzeugungs–Parameter von Licht und Klang und in der durch diese gesteuerten Bewegung. 61 Christoph Cox im Interview mit Christina Kubisch [online http://www.christinakubisch.de/pdf/Kubisch_Interview.pdf 15.01.2011] 62 Vgl. Art. Systemtheorie in: [online: http://www.t-h-e-n-et.com/html/_film/them/_them_sys_theorie.htm 15.01.2011]. 63 Gegründet 1958 von Heinz Mack und Otto Piene, ab 1961 auch Günther Uecker. 61 In der Popularkultur des 21. Jahrhunderts entsteht – speziell in Wien – nunmehr eine Form von Projektionskunst oder Projektionismus die Frederick Baker, einer ihrer Protagonisten, als einen Paradigmenwechsel in der Filmtheorie von der Produktion zur Projektion bezeichnet. Hier entwickelt sich eine Verbindung zwischen spektakulärer Schau ohne Rückkanal (vgl. Fassler 1997: 124) und der hedonistisch–emotionalen Reaktion auf eine subjektivistische Raumerfahrung. Die zweidimensional projektiv bewegten computergenerierten Bildkompositionen bilden als eine Verschmelzung zwischen Projektion und Hintergrund eine pseudo–barocke Raumästhetik. Eine Koinzidenz zweier heterogener Elemente wie das „Immaterielle“ einer Projektion und die körperliche Umwelterfahrung basiert hier auf der Metareferenz der Musikalisierung, deren Regelsystem der Selbstbeobachtung im Sinn einer Kybernetik 2. Ordnung eine Räumlichkeit 2. Ordnung (Ries 2004: 3) generiert. „Die Räumlichkeit zweiter Ordnung läßt sich am besten mit dem Begriff der Koinzidenz begreifen, der das Zusammenfallen, das Zusammentreffen zweier Elemente meint, ihre Wechselbeziehung oder Interaktion. Bevor jedoch etwas koinzidiert, muss von einem der räumlich nebeneinander positionierten, koexistierenden Elemente eine Inzidenz ausgehen, ein Ereignis sich manifestieren, das einen Vorfall, einen Zwischenfall, einen Einfall markiert. Zuallererst wäre eine solche Inzidenz die Manifestation eines Subjekts, das Angebot zur Kommunikation bspw. Die Koinzidenz ist dann das Aufeinanderbezugnehmen, reagieren [sic], die Tatsache also, dass eine sozialräumliche Spannung sich zwischen den Elementen aufbaut.“ (Ries 2004: 3). Die Verarbeitung digital codierter Bild– und Tonsequenzen in Echtzeit rekurriert auf die Thesen der konstruktivistischen Avantgarde des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts, insbesondere der audiovisuellen Musik (vgl. Thomas Wilfred, Lumia, 1922; Ludwig Hirschfeld – Mack, Reflektorische Farbenlichtspiele, um 1922 / 1923, als Teil des Programmes Der absolute Film). Die Liveperformance und die Interaktion eines Performers mit generativen Software–Applikationen, bei denen im Code implementierte Entwicklungsprinzipien selbsttätig Klänge und / oder Bilder erzeugen, löst das Collagieren und Manipulieren vorgefertigter Sequenzen ab (Rohlf 2004: 122) 62 und löst das VJing vom reinen Pop–Bezug im Kontext der musikalischen Club–Szene. „Dementsprechend lassen sich die Protagonisten dieser Kunstformen nicht mehr eindeutig als Musiker oder visuelle Künstler einordnen. Als «Videomusiker» respektive «Videomusikerin» verkörpern sie nicht ohne Rückgriff auf historische Vorbilder hybride Identitäten aus Musiker, Gestalterin, Darsteller, Wissenschaftlerin und Programmierer.“ (Rohlf 2004: 122). Mit der Bild– und Klanggenerierung über den digitalen Code in der Do–It– Yourself Szene geht eine Verwendung armer – weil in uneingeschränktem Überfluss vorhandenen – Materialien, wie dem Internet entnommene reale TCP – und Ethernet–Daten (vgl. Farmers Manual, Graceful Degradation, 2001 – 2002) einher. Das verweist auch auf die (im)materielle Identität des digitalen Codes als Ausgangsmaterial von Bild und Klang und deren schrittweise Annäherung und schließlich auf die Vereinigung akustischer und optischer Phänomene (Daniels / Naumann 2007: 52), wenngleich ein Primat des Akustischen (ebd.) – begründet in der technologischen Entwicklung – zu vermuten ist. 2.4 Krieg, Zäsur und Postmoderne Die ideologisch begründete und pathetisch überformte Kriegsbegeisterung des Marinetti–Futurismus wird im Marinetti–Pamphlet Mafarka, der Futurist 64 (1909) in Romanform vorweggenommen. Neben Chauvinismen, Rassismen und zynischem Antihumanismus wird die Ästhetisierung des Krieges durch ein sich selbst reproduzierendes halb menschliches, halb mechanisches Überwesen von Marinetti beschrieben. Das Pathos als Überhöhung ist weder parodistisch wie bei Alfred Jarrys Le surmâle (1902) noch dionysisch wie in Friederich Nietzsches Also sprach Zarathustra (1883 – 1885) (vgl. Schmidt – Bergmann 2009: 118 – 125), dieses Pathos ist hier seltsam ernst gemeint und transportiert 64 Marinetti, Filippo T., (2004 [1909]), Mafarka, der Futurist. Afrikanischer Roman, hg. v. Michael Farin / Hansgeorg Schmidt – Bergmann, München: Belleville. 63 die futuristische Apotheose des Krieges in völliger Absenz von Ironie. Im Hinblick auf die Mechanisierung der (futuristischen) Kunst als ein Indiz der Verwissenschaftlichung von Kunst und Alltag und für die Glorifizierung von Technik und Geschwindigkeit erweist sich der abstrahierte Krieg als probates Mittel den Ästhetik–Begriff eines dekadenten Romantizismus als Passatismus zu entlarven. In der futuristischen Ideologie, wo der Maschinenkult dem futuristischen Ästhetik–Begriff zugrunde liegt, ist die Maschine ein natürlicher Index kultureller Evolution und Symbol der technischen Moderne. Der Krieg und die Kriegsmaschinerie wurde[n] zu einem künstlerischen Werkzeug (Schmidt – Bergmann 2009: 166), die Artillerie sollte aus Menschenmaterial neue Skulpturen formen (ebd.). Die Artillerie, von Russolo als eine beeindruckende Symphonie der Geräusche (vgl. Russolo 1986: 52) bezeichnet, entgrenzt die Körper–Umwelt–Erfahrungen, die auf psychisch und physisch verarbeitbaren Reizen basieren. Durch eine dromologische Immersion (vgl. Tholen 199: 137ff) und die Immersion durch die hohe Intensität der Reize wird eine Situation der implodierenden Wahrnehmung (ebd.: 140) induziert, die ihrerseits eine deszendente Reaktionsfähigkeit und das dementsprechend hervorgerufene neuronale Trauma bedingt. Die Erhöhung oder Überhöhung von Geschwindigkeit bewirkt so nicht die parallele Zunahme von Bewegung, als Indikator von Geschwindigkeit, sondern deren Abnahme. In der Dromologie Paul Virilios sind die Geschwindigkeit und das Leben unmittelbar miteinander verknüpft, woraus folgt, dass die einzelnen Epochen der Geschichte je ihre eigene Geschwindigkeiten haben, die wiederum in ihren Kriegsstrategien begründet sind. In der enormen Überhöhung der Geschwindigkeit dieses Krieges jedoch verliert das Individuum die Möglichkeit des eigenen Beitrages und versinkt in Stillstand. Der – zumindest theoretische, in zahlreichen Manifesten formulierte – futuristische Anspruch der völligen Umgestaltung der Lebenswelt durch eine neue Sensibilisierung der Wahrnehmung für Geschwindigkeit, Bewegung, Simultaneität und Lärm sieht sich in der Wirklichkeit der Kriegs– und Nachkriegswirren des WK I konterkariert. Sein auffallender ideologischer 64 Dogmatismus treibt den italienischen Futurismus einerseits in die Richtung des italienischen Faschismus und andererseits für einige Jahrzehnte in den Mülleimer der (Kunst)Geschichte (vgl. Marcus 1996a). Der Dadaismus, die zweite relevante Avantgarde dieser Zeit ironisiert den Irrsinn des WK I und deutet das Kriegsgeschehen und die damit verbundene bürgerliche Ideologie auf provozierend–nihilistische Weise um. Dada etabliert sich in Europa, für den Dadaismus in New York konstatierte Man Ray später, dass der Geist des Dadaismus dem amerikanischen Denken höchst fremd sei, so endet dieser, ähnlich dem Futurismus, knapp nach dem WK I im Mülleimer der Geschichte. Der europäische Dadaismus agiert in radikaler, grotesker und bewusst höchst unsensibler Weise gegenüber der obrigkeitshörigen Bourgeoisie und gegenüber der als bourgeois empfundenen Kunstelite, aber auch die Verhöhnung des Kunstgeschmackes der Massen (vgl. Beyme 2005: 547) ist dadaistisches Programm. Das führt, ganz im „Sinn“ des Dadaismus, zu Angriffen aus den verschiedenen ideologischen Lagern. Die Kommunisten standen der Forderung der Dadaisten nach progressiver Arbeitslosigkeit durch umfassende Mechanisierung (ebd.) ebenso skeptisch gegenüber wie das rechte Lager, das die deutsche Seele durch Berlin–Dada vergiftet sah. Dem Trauma des WK I wird mit der Ordnung des Maschinenzeitalters begegnet, die technischen Möglichkeiten der Massenproduktion zeichnen sich in den Formen medialer Massendistribution ab. Die – zivile – Ordnung als Faktor der ideologiekonformen Stabilität bedingt wiederum die Vereinnahmung massenmedialer Distributionsmöglichkeiten wie Radio oder Film durch den Staatsapparat. Das Radio, als eine Möglichkeit Geräusche oder akustisches Material über bislang nicht gekannte Distanzen und vor allem in Echtzeit zu verbreiten und zu kommunizieren, ist die technologische Mediamorphose (vgl. Blaukopf 1989) der Zwischenkriegszeit. Die futuristische Forderung nach der Einbindung industrieller Errungenschaften in die Ästhetik des Kunst / Leben bedingt einerseits die Verwendung des Radios als künstlerisches Tool, andererseits dessen Vereinnahmung als Distributionsmittel von Ideologie. Die künstliche Erzeugung städtischen und somit alltäglichen Lärms als ein Grundgerüst für Musik ist mit Luigi Russolos Intonarumori als 65 Einzelkonstruktionen zur Erstellung nicht–instrumentengestützten Klanges verwirklicht. Der Klang wird zweifach von seiner Natürlichkeit entkoppelt, über seine Erzeugung durch technische Tools und über seine orts– und zeitungebundene mediale Verbreitung. Die Programmatik der Verwendung neuer Radiotechnik in der klassischen Moderne der Zwischenkriegszeit ist eine Erweiterung der relativ isolierten avantgardistischen Ästhetik und die Erreichbarkeit neuer sozialer Schichten. Dass die Malerei nicht imstande ist, den Gegenstand einer simultanen Kollektivrezeption zu bilden (Benjamin 1991[1936]: 460), ist einer der Gründe dieser ästhetischen Isolation, die die elektronische Mediamorphose, vorerst in Film und Radio, verändert. Durch die Verwendung des potenziellen Massenmediums Radio als avantgardistische Kunstform fällt das spezialisierte Publikum und so auch die Trennung zwischen Hoch– und Popkultur weg. F. T. Marinetti und Pino Masnata (vgl. futuristisches Manifest La Radia, 1933)65 sehen unter anderem aus diesem Grund das Radio schlussendlich dem herkömmlichen Theater und dem Film überlegen. Dementsprechend ist das radiophone Theater Marinettis ein Netz simultan agierender Knoten oder Sendepunkte des Mediums Radio, das dem zentralistischen unidirektionalen Sendeweg des von der Staatsmacht vereinnahmten Radios entgeht. So sieht das Drama der Distanzen 66 jeweils elf Sekunden lange akustische Ausschnitte aus verschiedenen Teilen der Welt vor, die, elektroakustisch aneinandergereiht, ortlos und entzeitlicht eine Collage von beliebigen Zuständen realisieren. Es werden so mit dem Instrument Radio die Distanzen negiert und artifizielle, elektroakustische Klänge zu einer simultanen Radioskulptur vereint. 65 Marinetti / Masnata, La Radia (1933), [online: http://www.kunstradio.at/THEORIE/theorymain.html 17.01.2011]. 66 Das Drama der Distanzen (Dramma di Distanzi) ist die Partitur eines Teiles des Hörstückes Cinque Sintesi dal Teatro Radiofonico (auch: Cinque Sintesi Radiofoniche) von F. T. Marinetti aus 1933: “´Dramma di Distanze´ (aus den “5 Sintesi dal Teatro Radiofonico” di F.T. Marinetti): 11 sec di una marcia militare a Roma – 11 sec di un tango danzato a Santos – 11 sec di musica giapponese religiosa suonata a Tokio – 11 sec di ballo campestre vivace nella campagna di Varese – 11 sec di un incontro di pugilato a New York – 11 sec di rumorismo stradale in Milano – 11 sec di romanza napoletana cantata nell albergo Copacabana di Rio de Janeiro.” (Grundmann 1989: online). 66 Wenngleich der Stand der Technik in dieser Epoche Live–Schaltungen nicht zuließ, enthält das Drama der Distanzen ein Telekommunikationsmodell, das in seinem antihierarchischen Aufbau die Konventionen des Mediums Radio, wie wir es kennen, übersteigt (Grundmann 1989: online). Marinettis Thesen einer simultanistischen Radiokunst sehen multidirektionale Sendewege einerseits und den Zugriff auf die unbegrenzten Datenmengen des – mit Russolo und dem Bruitismus – befreiten Geräusches andererseits vor. Kurt Weills Entwurf einer absoluten Radiokunst rekurriert auf die Theorien des absoluten Films, künstliche Klänge wie die von Russolos Intonarumori werden mit natürlichen Klängen gemischt und geschichtet, um so die skulpturale Qualität eines absoluten, über der Erde schwebenden, seelenhaften Kunstwerkes (Weill 1990: 195) zu entwickeln. Konsequenterweise erarbeitet Walter Ruttmann 1930 in Verwendung von Filmtechnologie eine erste Form des Hörspieles (Weekend, 1930), eine in den musikalischen Strukturen Klangfarbe, Rhythmus, Tonhöhe eingebettete, dennoch narrative, elfminütige auditive Zusammenfassung eines Wochenendes. Ruttmann sieht die Arbeit mit Filmtechnologie als direkten Zugang zu natürlichem Material an, Film benutze nicht die Symbole wie die Musik noch Stellvertreter wie das Schauspiel. Und da die Photographie des Tons durch Belichtung eines Filmbandes geschieht, ergeben sich für die akustische Montage die gleichen Möglichkeiten wie beim Filmschnitt (vgl. Ruttmann 1929, zit. in Goergen 1994: 25). Das Zusammenwirken von Montage und Radiotechnologie ist eine mediale Zeit–Raum–Gestaltung mit unmittelbarem Material als technisch reproduzierte Hör–Kunst. Das Radio wird speziell, wie die Medien allgemein, ab den beginnenden 1930er Jahren vor allem in Europa zum Mittel der politischen Propaganda, die Protagonisten 67 eines einst emanzipatorischen Mediums Radio stellen sich in den Dienst der ideologischen Systeme, was naturgemäß eine erhebliche Schmälerung des experimentellen Ausdrucks in sich birgt. Die sehr rasche Entstehung der Radiotechnologie in den 1920er Jahren nach dem WK I lässt schon erkennen, welche „Macht“ das Radio als Distributionsinstrument haben 67 Walter Ruttmann, F. T. Marinetti, Dziga Vertov arbeiten in Deutschland, Italien bzw. der Sowjetunion für die jeweilige Politpropaganda. 67 kann und dass diese Mediamorphose zu einer radikalen Umwertung kultureller Strukturen führt. Die Vermittlung der Welt als sozialisierende, gemeinschaftsbildende Funktion des Radios bringt vorher möglicherweise isolierte Individuen und / oder Gemeinschaften in relativ intimen Kontakt mit einer zentralen Quelle (vgl. Monaco 1995: 475) und fördert so (über die Distribution der menschlichen Stimme und ausgewähltem oder montiertem Audiomaterial) bestimmte gemeinschaftliche Wertvorstellungen. Die verschiedenen totalitären Systeme der Zwischenkriegszeit erkannten und nutzten so die Umstände, dass das Radio als authentisches Medium eine quasi– persönliche Präsenz zeigt, die, weil einerseits im vertrauten häuslichen Umfeld, andererseits hörend und ohne die für das Sehen charakteristische Hinwendung, wesentlich leichter zugänglich wird, als der Film oder das Theater. Der öffentliche wie der private Hörraum wurden entweder über Radiolautsprecher oder über sogenannte Volksempfänger von der zentralistisch gesteuerten, flächendeckenden Übertragung okkupiert. Die radikale Kommerzialisierung des Radios und der Medien allgemein in den Vereinigten Staaten war demgegenüber zwar keineswegs ein Vorteil, die Ästhetik des amerikanischen Pragmatismus betont aber die Funktionalität der Kunst und das damit verbundene Ziel, Kunst und Leben zugunsten ihrer wechselseitigen Verbesserung stärker aneinander zu binden (vgl. Shusterman 1994: 14). Die amerikanische Denkweise des Optimismus relativiert die europäische Theorielastigkeit des Diskurses Kunst / Leben und entwirft in pragmatischer Annäherung von Nützlichkeit, Wirklichkeit und Wahrheit 68 Programme die vom elitären Kunstverständnis wegführen. Dementsprechend schwindet auch der europäische Diskurs über musikalisch–bildnerische Synergien und deren quasi–wissenschaftliche Theorien (vgl. Franz Marc, Paul Klee, Wassily Kandinsky) in Amerika mit der Erosion der klassischen Moderne und mit wachsenden Tendenzen einer Art–as–art–Bewegung (vgl. Beyme 2005: 322ff). Dass nicht die gesamte Avantgarde der Kunst / Leben Theorie folgte, zeigt die Anmerkung von Ad Reinhardt: “I´m against the 68 Der Begriff Wahrheit sei hier im Sinne des Satzes von Theodor W. Adorno gebraucht: Kriterium des Wahren ist nicht seine unmittelbare Kommunizierbarkeit an jedermann. Adorno, Theodor W. (2003b [1966]), Negative Dialektik, S.51. 68 mixture of all the arts, against the mixture of art and everyday life.” und an anderer Stelle: “The mixture or integration of the separate and different arts are ugly. Poetic musical sculptural and mural painting are ugly” (Reinhardt / Rose 1991: 28; 165). Die radiotechnischen Entwicklungen sind ab den 1920er Jahren von den Avantgarden fast vorbehaltlos übernommen worden, diese Vorformen der heutigen Medienkunst wurden danach durch die Zwischenkriegs– Totalitarismen und den folgenden WK II radikal unterbrochen und finden erst in den 1960er Jahren eine Fortführung. So verschiebt sich der Schwerpunkt der Künste aufgrund der Emigration europäischer Avantgarde nach Amerika, das seinerseits eine Förderung für arbeitslose Künstler (vgl. Federal Art Project / New Deal) 69 im Rahmen der Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 1929 anstrebt. Dies bewirkt eine Tendenz zum Amerikanismus und zur Folklore, die Entwicklungen zum unpolitischen abstrakten Expressionismus als genuin amerikanische Kunst zeichnen sich ab (vgl. Beyme 2005: 819f). Das Radio wird in den USA der Zwischenkriegszeit von den werbungsfinanzierten Privatsendern (vgl. Radio Act, 1927) im Sinne der freien Marktwirtschaft und eines laissez–faire Kapitalismus faktisch übernommen. Die Lizenzvergabe für die Verwendung von Frequenzen wurde nach dem Prinzip des public interest vorgenommen, was den privatwirtschaftlichen Interessen der Rundfunkindustrie keineswegs entgegensteht (vgl. Hampf 2000: 15), die unabhängigen Sendeeinrichtungen jedoch drastisch einschränkt. Mit der kriegsbedingten Verödung Europas und damit der Zentren der klassischen Moderne geht die Ablösung der Dominanz der europäischen Avantgarde einher, ohne deren Einfluss jedoch die US–amerikanische 69 “The Federal Art Project (FAP) was created in 1935 […] (as part of Franklin Delano Roosevelt's New Deal) […] to provide work relief for artists in various media–painters, sculptors, muralists and graphic artists, with varous levels of experience. Holger Cahill, a curator and fine and folk art expert, was appointed director of the program. As with the other Federal cultural projects of the time, the program sought to bring art and artists into the everyday life of communities throughout the United States, through community art centers, exhibitions and classes.” (New Deal Programs: Selected Library of Congress Resources, in: The Library of Congress, Virtual Programs & Services. [online: http://www.loc.gov/rr/program/bib/newdeal/fap.html 17.01.2011]. 69 Kunsthegemonie nach dem WK II kaum denkbar wäre. Der abstrakte Expressionismus wird nunmehr zum Paradigma für eine Informalisierung der Künste nach dem WK II die teils, wie die europäische Parallelentwicklung des Tachismus, in einem – surrealistischen – Automatismus (vgl. Beyme 2005: 828f) wurzelt. Nach dem WK II und vor allem in den Anfängen des Kalten Krieges wird der abstrakte Expressionismus als die genuin amerikanische Kunst propagiert, in der sich die amerikanischen Werte von Freiheit, Demokratie, selbstbestimmtem Handeln und die Unangepasstheit und Freiheitsliebe des modernen Künstlers (Alfred Barr zit. in Saunders 2001: 258) widerspiegeln. Der sogenannte Kongress für kulturelle Freiheit, eine Einrichtung des CIA und so auch von diesem – verdeckt – finanziert, propagiert ab 1950 offiziell eine freie Kultur in einer freien Welt als Gegenpol zu den totalitaristischen (vor allem der der Sowjetunion) Kulturauffassungen (vgl. Saunders 2001: 79 – 89). Damit werden im Rahmen einer als Cola–Colonisation (vgl. Wagnleitner 2000) gesehenen kulturellen Re–Enkulturation Europas nach dem WK II die (als Avantgarde im Sinne amerikanischer 70 Werte okkupierte) abstrakte Kunst und die serielle Musik nachhaltig gefördert, was Pierre Boulez als Folklore der Mittelmäßigkeit bezeichnete (Saunders Amerikanisierung 2001: Europas 211). über Ebenso wird die Militär–Radiostationen popkulturelle oder diesen programmatisch ähnlichen Sendeeinrichtungen gezielt betrieben und vor allem die europäische Jugend über die Rock´n´Roll Kultur auf den American Way of Life zu konditionieren versucht. In der technologischen und wirtschaftlichen Verfügbarkeit von Radiotechnologie begründet sich die Verbreitung der pro– amerikanischen Propaganda, was aber auch europäischen Radiostationen ermöglicht, Rundfunktechnologie als Medium der musikalischen Avantgarde zu verwenden. Die Umsetzung der futuristischen Geräuschkunst als Implementierung des Geräusches in die Musik wird in den Radiostationen der Nachkriegszeit des WK II mit Hilfe von Kriegstechnologie realisiert, die Nachkriegsavantgarde verwirklicht jene kompositorischen Absichten, die ein 70 Ohne die Eigenständigkeit der Nouvelle École de Paris als Erholung der europäischen Kunst nach Ende des WK II zu vergessen. 70 Klangmaterial finden, das die Differenzierung bis zur Grenze des gehörsmäßig Erfassbaren (Koenig 1955: 29) erlaubt. Die Spätmoderne des abstrakten Expressionismus oder insgesamt der informellen Kunst sieht sich nach den Jahren des magisch–metaphysischen Pathos (Beyme 2005: 862) mit dem anything goes der Postmoderne insgesamt und der Pop–Art – inklusive speziell in Fluxus die Wiederentdeckung des Dadaismus – konfrontiert. Dass die Popkultur mit einer gewachsenen Pluralität von Denk– und Handlungsmöglichkeiten (Mischke 1997: online) ab dem Ende der 1950er Jahre in die postmoderne Denkweise von Bedeutungsnetzen anstelle teleologischer Linearität tendiert, geht parallel mit der Vermengung verschiedener Strömungen der europäischen und der afroamerikanischen (Folk) Musik zur Rockmusik und deren massenmedialer Distribution. Die der popkulturellen Entwicklung der Rockmusik implizite Wiederakzeptanz der Körperlichkeit in der Nachkriegszeit ist die Gegenhaltung zu einer einerseits körperfeindlichen, andererseits den Körper als Arbeits– und Kriegsgerät instrumentalisierenden (vgl. Griebler 2006: 22) Dominanz– und Disziplinarkultur der WK II–Generation. Ist die Pop– und Rockmusik eine körperlich–hedonistische Erfahrung musikalischer Parameter im von exiting Sounds mit high Intensities (Jauk 2005a: 168) getriggerten körperlichen Ausdrucksverhalten von gleichermaßen Rezipienten und Konsumenten, so wird im Fluxus diese hedonistische Erfahrung in einer gattungsübergreifenden und intermedialen Plattform unterhaltenden Vergnügens gemacht. George Maciunas definiert Fluxus – wiederum in Anlehnung an den Dadaismus – als einfach, unterhaltend und anspruchslos und das FLUXUSKunstVergnügen [sic] solle keine Geschicklichkeit und zahllose Proben erfordern, es darf keinen Waren– oder institutionellen Wert (zit. nach Fricke 2000: 585) haben. Fluxus ist eine Entwicklung aus dem Umfeld der musikalischen Avantgarde (vgl. John Cage) und der Wiederentdeckung des Dadaismus und der Aktion, wenngleich die amateuristische Komponente im Intermedialitäts–Anspruch (vgl. Rajewsky 2002: 9 T2) und der ausführungstechnischen Komplexität untergeht. 71 In der Intermedialität des Fluxus finden sich vor dem Hintergrund dadaistischer Sinn– und (Be)deutungsfreiheit die Fortführung der radiophonen Vorformen der Medienkunst der Zwischenkriegszeit ebenso wie Anklänge an das Readymade, Zufallskomposition und Bruitismus. Die artifizielle Inanspruchnahme des – öffentlichen – Raumes, nicht nur mit Unterstützung elektronischer Medien und Kommunikationsformen im event oder der activity, ist eine konzeptuelle; die Kunst wird vom Leben zwar nicht entgrenzt, die Grenzen zwischen Kunst und Leben werden über die intermedialen Strukturen durchlässig. 72 3 (Bildende) Kunst – Informalisierung, Geste, Code 3.1 Musik – Befreiung vom Notierten Die Lösung der Musik vom Körper geht parallel zur Entwicklung der Linienschrift, die Musik wird in der codierten Aufzeichnung von der Körperlichkeit entkoppelt und entfernt sich in ihrer zeitlichen Organisation von den körpergebundenen Zeiterfahrungen. Solange die Musik an den Körper der Ausführenden gebunden war, war sie auch an jene Zeiterfahrungen, denen der Körper unterlag, gebunden (Walter 1994: 91). Die frühen musikalischen Formen sind zum einen an den mechanischen Körper und in ihrer zeitlichen Flüchtigkeit an dessen physikalische Möglichkeiten gebunden und zum anderen emotionaler Erregung verhaftet. Als akustischer Informationsträger war der musikalisierte Klang in den frühen Gesellschaften direkt an die unmittelbare Körperlichkeit gekoppelt und somit eindeutig kontrollierbar und strikt an einen Anlass gebunden. Emotionale und kognitive Prozesse finden sich gleichwertig in einer, in dieser Form nur im sozialen Verband leistbaren emotionalen Aneignung der Welt (Knepler 1982: 33) wieder, deren emotionales Kommunikationssystem musikalisch–gestische Analogien sind. In der akustischen Signalhaftigkeit des emotionalen Ausdruckslautes (vgl. Knepler 1982: 75) und im gestischen Ausdrucksverhalten – als dessen Äquivalent – findet sich eine analoge Codierung (Watzlawick / Beavin / Jackson zit. in Knepler 1982: 77) emotionaler Beziehungen, die auf der Nähe von Zeichen zu Bezeichnetem basiert und eine Ikonizität von Körper–Umwelt–Beziehungen bildet. Die Entwicklung verschiedener zeichenhafter Ausdrucksformen, die ihre Signifikanz in den Aspekten eines Signifikates finden – wie stimmlicher Ausdruck, körperlich–nachahmende Geste, gemeinschaftlicher Tanz, im Umfeld eines bestimmten (stammes)festlichen Anlasses – affirmiert den Bedeutungskomplex (vgl. Knepler 1982: 101) eines emotionalen Kommunikationssystems innerhalb der geltenden kulturellen und tradierten Rahmenbedingungen. In der Folge ist das Musizieren in den frühen 73 Gesellschaften ein an deren umweltdeterminierte gesellschaftliche Realität gebundenes Denotat der relevanten Bedeutungskomplexe. Die Signalhaftigkeit des Emotionslautes bezeichnet einen akustischen Ausnahmezustand als eine außergewöhnliche Figur auf umweltakustischen Grundlagen (vgl. Schafer 1988: 17), die als klangliche Grundstruktur den Charakter der mit ihnen lebenden Menschen mitformen (ebd.: 16). Diese biogenen Einstimmungselemente 71 in den frühen Musizierformen basieren auf der unmittelbaren körperlichen Emotion und der damit einhergehenden Situation, beschränkt lediglich durch die biologisch–mechanischen Möglichkeiten des Körpers. Die stetige und vor allem rhythmisierte Wiederholung biogener Einstimmungselemente – der Sound – evoziert eine Form der Zuwendung und Aufmerksamkeit, auf der das akustische Signal als Transcodierung emotionaler und auch kognitiver Zustände (vgl. Knepler 1982: 75) moduliert wird, wobei der klangliche Prozess als eine mögliche Grundlage der Musik zu sehen sei. Die emotionale Kommunikation als musikalische Sinnlichkeit im klanglichen Prozess kann sich nur mitteilen unter Voraussetzungen ´eines natürlichen Systems, das für der Natur nach gleiche Wesen die a priori Bedingungen der Kommunikation schafft´ (Zehentreiter 2008: 369). Diese Voraussetzung ist somit einerseits der Körper und andererseits dessen Erfahrung mit der Umwelt, also der physiologisch – psychologische Filter des körperlich Verarbeit– und Machbaren und der kulturelle Filter der tradierten denotativen Beziehungen. Die physiologischen Bedingungen sind verbunden mit einer vorindividuierten, vorsprachlichen Leiberfahrung (ebd.: 369), deren kollektiver Charakter eine Grundlage musikalisch–somatischen Ausdrucksverhaltens und mit spezifischen sozialen Strukturen eng verbunden ist. Der klanglich–rhythmische Prozess trennt nicht nur die genuin emotionale Botschaft von der Sprachkommunikation (vgl. Blacking 1995: 27), das instrumentalisierte Ausdrucksverhalten sozial motivierter musikalischer Kommunikation gilt auch als kulturelle Übereinkunft über soziokulturelle Strukturen der Gemeinschaft. 71 Knepler nennt dies die erste Codierungsschicht, gegenüber mindestens einer zweiten Codierungsschicht, die der logogenen Einstimmungselemente (vgl. Knepler 1982: 124 – 131). 74 Die stetige Wiederholung biogener Einstimmungselemente, von klanglich– rhythmischen Patterns, stimuliert – trotz des Vorwurfs der Redundanz oder der semantischen Nullstufe (Tibor Kneif zit. in Knepler 1982: 172) – und steigert Erregung und Spannung über biologisch–neuronale Rückkopplungsmechanismen. Der Hang zur Wiederholung oder Iteration vereinigt durchaus den Wunsch nach dem Verweilen in – und dem Verlängern von – der ephemeren musikalischen Hervorbringung (vgl. Knepler 1982: 172) und den daraus entstehenden Wunsch nach Generalisierung und Affirmation sozialer Konstrukte. Dies macht deutlich, dass nur die Entstehung originär menschlich erzeugten Klanges als emotionale Kommunikation verstanden wird (vgl. Blacking 1995: 27), maschinell erzeugte repetitive Geräusche erreichen diese Qualität nur durch den Umstand explizit musikalischer Absicht. So entstand die Form des Pattern72 der Minimal–Music im maschinellen Umfeld, die Unzulänglichkeiten der (Tonband)Maschine (vgl. Steve Reich, It's Gonna Rain, 1965)73 wurden zur strukturellen musikalischen Qualität, die durch eine Phasenverschiebung das Pattern sukzessive erneuert und so die immersiv– kontemplative Wirkung steigert. Im Übergang von Ausdrucksverhalten zum kommunikativen Geste entsteht die Entwicklung einer gestisch abgeleiteten Neumenschrift, die in Analogie zur Geste die Stimmbewegungen in der Schriftlichkeit andeuten (Walter 1994: 18). Sind die im 9. Jahrhundert als Beiprodukt einer Nivellierung des liturgisch inspirierten Gesanges (vordergründig um Gott in der päpstlichen Einflusssphäre Europas überall gleich würdig zu preisen), so sind auch sie eine (Vor)Form ausreichender 74 Verschriftlichung in repräsentativ–ikonischen 72 Ostinates musikalisches Grundmuster. „Hier wird die kurze Aufnahme eines Straßenpredigers in einer Tonbandschleife zunächst zu einer lang anhaltenden Wiederholung geführt. Mit der Zeit verlagert sich die Aufmerksamkeit des Hörers fort von dem Inhalt des Textes und hin auf den Sprachrhythmus und die Sprachmelodie des Redners. Die Semantik der Sprache verschwindet allmählich hinter den materiellen Details ihrer Artikulation“ (Straebel 1999: 50). Durch wiederholte, einander überlagernde Aufnahmen der Phrase It's Gonna Rain und deren Manipulation wird die Phrase unmerklich asynchron, sie klingt immer weniger nach Stimme, sondern eher nach Musik. Da die Frequenzen der aufgenommenen Phrase identisch sind, bewegen sie sich durch die sich überlagernden Aufnahmen phasenverschoben und es entsteht das akustische Phänomen der Schwebung. 74 „Voraussetzung einer zweifelsfreien Tradierung von Melodien war (und ist) deren hinreichende (nicht vollständige) schriftliche Fixierung. Die Notationsgeschichte des 73 75 Zeichen, die die Entwicklung okzidentaler Musik prägt. Die Verschriftlichung des Gehörten ist in Interdependenz mit regionaler kultureller Identität zu sehen und deren Intention ist nicht die musikalische Komposition, sondern die Fixierung einer von metaphysischen Instanzen (in diesem Fall von Engeln) dem Menschen zur Verfügung gestellten verklanglichten Lobpreisung. Die Neumen sind vor der Entwicklung zur Linienschrift notae 75, die die Melodie, einen nicht semantisch und nicht durch Regeln determinierten Sprachbestandteil, als Ausführungsmodus der Sprache im Gedächtnis festzuhalten und damit potentiell als Wissen verfügbar zu machen (Walter 1994: 82). Die musikalische Schrift, eine Instrumentarisierung des Klanges in der Entwicklung von einem repräsentativ–ikonischen Zeichen zu einem denotativen Zeichen (vgl. Brandstätter 2004: 233), abstrahiert den Klang durch die Teilung in diskrete Schritte vom analogen, körperlichen Ausdrucksverhalten. Die Entwicklung der Linienschrift ist einerseits die weitgehende Entkopplung der Musik vom Körper und von der Sprache und andererseits eine Voraussetzung für ein arbeitsteiliges Schaffen und für die Entstehung der Polyphonie und des musikalischen Werks. Diese Entwicklung begünstigt weiter, im Sinne von zweck– und wertrationalem Handeln (vgl. Weber 1988: 566f), soziale, ästhetische und ökonomische Neuerungen in Mittelalter und Neuzeit wie neue Instrumentarien und deren Spielweisen oder Berufe wie den Kopisten. In der Polyphonie oder der polyphonen Komposition, die nach Adorno den kollektiven Übungen von Kult und Tanz entsprang (Adorno 2006 [1949]: 26), findet sich eine Objektivation des „Wir“–Begriffes (ebd. 26) und so eine Objektivation des Begriffes der Kommunikation durch die Formalisierung musikalischen (Ausdrucks)Verhaltens. Die Musik wird durch die Notation und somit Mediatisierung mit der daraus entstehenden Trennung vom Körper auch vom Musizieren getrennt. Die zeitliche Flüchtigkeit von Musik wird im Mittelalters, aber auch dessen Musiktheorie läßt sich über weite Strecken als ein Versuch verstehen, das was erklang, was gesungen wurde, schriftlich zu fixieren und zu rationalisieren.“ (Walter 1994: 17). 75 „Die »notae« sind […] nicht einer arbiträren Automatik unterliegende Signifikanten, sondern müssen vorab jeder Verwendung erst einmal einem Signifikat zugeordnet werden.“ (Walter 1994: 38) 76 zweidimensionalen Raum des Notenblattes willkürlich codiert. Daraus ergibt sich neben dem Verlust an Information auch der Verlust der Kontrolle über die Komposition, Ausführende und Komponisten sind entkoppelt. Die Interaktion sowie die Kommunikation entfernen sich in der Entwicklung der Mediatisierung reziprok zum Ausmaß der Abstraktion von der unmittelbaren Körperlichkeit. Das strikte musikalische Regelwerk, das, begründet durch Ausbildung von Notation und Polyphonie und deren stetige, jahrhundertelange Nachbesserung in der klassisch – romantischen Bildungsmusik (vgl. Kneif 1977: 131) kulminiert, wird an der Epochenschwelle des 20. Jahrhunderts (Anm.: um 1910; vgl. Mauser 1993: 526) von erheblichen kompositionstechnischen Auflösungstendenzen heimgesucht. Die sich um 1910 entwickelnde Auflösung einer ab diesem Zeitpunkt musikgeschichtlich obsoleten dur – moll tonalen Kompositionstechnik (Kutschke 2002: 12) in eine freie Atonalität ist im kompositorischen Denken jener Zeit der Versuch einer Entsubjektivierung und einer Vergegenständlichung des Ich. Ein gestisch–spontaner Ausdrucksakt als Idee der Selbst–Vergegenständlichung ist im Expressionismus der Zweiten Wiener Schule 76 zwar konzipiert, der Anspruch der Unmittelbarkeit wurde in den Restriktionen fixierter musikalischer Verläufe nur bedingt eingelöst (vgl. Saxer 2004: 317f). Der neuartig organisierte Tonsatz Schönbergs findet sich nach wie vor in einer Tradition der Neoromantik verhaftet und zementiert über die Eindeutigkeit des Notentextes die Trennung von Komponist und Interpret, die musikalischen Verläufe werden zum Ausdrucksprotokoll versachlicht (vgl. Adorno 2006: 56). Die Abkehr vom repräsentativen Ausdrucksparadigma und der Selbstvergegenständlichung im Werk (Saxer 2004: 322) wird bei Duchamp 77 und Cage 78 einerseits durch die Auflösung der integrativen Struktur der Komposition und andererseits durch deren Methode der Unbestimmtheit erreicht. Demgegenüber 76 Auch Neue Wiener Schule oder Schönberg – Schule, vgl. Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton Webern. 77 Vgl. Erratum Musical (1912) und La mariée mise à nu par ses célibataires, même. Erratum Musical (1913). 78 Vgl. Music of Changes (1951), Imaginary Landscape (1952) und Radio Music (1956). 77 erreicht die serielle Musik diese Abkehr durch die, auf der Dodekaphonie aufbauenden und einer stringenten algorithmischen Logik folgenden syntaktischen Ordnung. Sie zeichnet sich durch eine Hypertrophie von Komplexität und musikalischer Logik aus, die [schließlich] zur Karikatur ihrer selbst wird (Adorno 2003a: 162). Die Ordnungsmuster des Serialismus orientieren sich am weltkriegsgeprägten Fortschrittsglauben und an der Exaktheit der möglichen Forschung und Technologie; diese Ordnungsmuster als rationales, verwaltetes und straff organisiertes System sind nach Adorno auch der Abdruck, das indexikalische Zeichen sozialer Systeme. Die Rationalität der seriellen Musik bildet neben dem zweckrationalen, den Körper funktionalisierenden, soziopolitischen System der Fabriksgesellschaft, den Ausdrucks– und Sinnverlust der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tradierten, expliziten Anti–Expressivität ab (vgl. Kutschke 2002: 228). Die unübersichtliche Komplexität zusammenwirkender Parameter in der seriellen Musik als eine Folge der immer strengeren Determiniertheit bedingt eine Konnotation von Unbestimmtheit, die schließlich auch als Parameter der seriellen Komposition (vgl. K. H. Stockhausen, Zyklus, 1959)79 eingesetzt wird. Das Kippen immer komplexerer Determiniertheit in Unbestimmtheit ist jene Entwicklung, die die serielle Musik hin zu einer Grenze, an der das Reglement so entropisch wird wie der Zufall selbst, führt (Essl 1989: 95). Der Ausschluss jeglicher Determiniertheit in John Cages aleatorischen De – Kompositionen (ebd.: 95) wird über die Einbindung der metaphysischen Instanz des I Ging angestrebt, die De–Hierarchisierung des Verhältnisses von Komposition / Interpretation und Komponist / Interpret spiegelt Cages Ideal einer herrschaftsfreien Gesellschaft und auch das Ziel der Nachkriegsavantgarde der Egalisierung von Kunst und Leben. Neben der Ästhetisierung des Geräusches und der damit obsolet werdenden temperierten Stimmung ist in den Partituren Luigi Russolos der Ansatz von grafischer 79 „Die Zufallsentscheidungen werden nicht im Inneren der Komposition selbst getroffen, sondern als Wahlmöglichkeiten für den Interpreten an die Oberfläche gekehrt. [...] So entpuppt sich die proklamierte Freiheit des Interpreten als Irreführung: [dieser] kann zwar die Anordnung der Teile beliebig variieren, greift damit aber nie wirklich ins Werkganze ein.“ (Essl 1989: 96). 78 Notation (noch) basierend auf dem klassischen Fünfliniensystem gegeben. Die Nachkriegsavantgarde Liniennotation entfernt gegebenen sich zielstrebig Restriktionen, bis von hin den einer durch die zeichenhaft– begrifflichen Konzeptualisierung (vgl. John Cage, Water Music, 1952) des Musikstückes. In den musikalischen Gestaltungsformen der Avantgarde finden sich abseits immer wiederkehrender musiktheoretischer Muster – wie auch die diskrete Teilung der temperierten Stimmung in der nichthierarchischen Struktur des Seriellen – Konzepte und funktionale Grafik als neue Aufzeichnungsmethoden für prozessuale Vorgänge. Diese mit der Informalisierung der Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einhergehenden prozessualen Tendenzen sind trotz der explizit determinierten Konstrukte des seriellen Strukturalismus Positionen der Unschärfe, ein Nachweis der Komplexität des Systems zwischen den Bereichen des Determinierten und Chaotischen (Essl 1989: 96). Die Wiederakzeptanz der Körperlichkeit nach den Disziplinierungsstrategien im Umfeld zweier Weltkriege komprimiert in Verbindung mit dem aleatorischen Denken die mimetische und metaphorische Expressivität in der Geste als (musikalische) Bedeutungsvermittlung. Der Unschärfe der gestischen Kommunikation ist, als ein ephemeres Konstruktionsprinzip von – speziell – der Musik und – allgemein – dem Happening, die Offenheit und die Unabgeschlossenheit des Prozesses implizit. Die Geste ist als nonverbales Kommunikationsmittel eine Formalisierung des zur sprachlichen Qualität Erhobenen des Nichtgesagten, Nichtartikulierbaren (Barthes 1990: 285) und zeigt sich als die Bewegung des Körpers, der sich in den Zustand des Sprechens versetzt (Barthes 1990: 305). Kurt Weill und Bert Brecht 80 sahen, zurückhaltender, im Begriff der gestischen Musik eine Musik, die der Gestik eines Vorgangs angepasst ist, bestimmtes Verhalten von Menschen wiedergibt, sie soll die Handlung weder illustrieren noch weitertreiben (Hartung 2004: 95). Brecht ideologisiert darüber hinaus den Begriff des gesellschaftlichen 80 „Weill [...] spricht schon in einem Beitrag von 1928 vom ´gestischen Charakter der Musik´ [...]. Zwar begegnet bei Brecht 1929/30 der Satz ´Wenn die Musik gestisch ist, handeln die, die Musik machen´; doch er ist kaum geeignet eine Priorität Weills infrage zu stellen.“ (Frobenius 2006: 116). 79 Gestus, indem dieser dem Musiker ermögliche, musizierend eine politische Haltung einzunehmen (Frobenius 2006: 119). Der Einfluss der aus dem Jazz entlehnten Techniken der Improvisation in Verbindung mit der körperlichen, unmittelbaren Geste evoziert ephemere Arbeits– und Kompositionstechniken, deren Entstehung im Hier und Jetzt verankert ist. Die von musik– und kompositionstheoretischen Regeln bereits – relativ – weit entfernte nichttonale Improvisation 81 sieht nicht die Beziehungen der Akkorde als grundsätzlich für die Improvisation an, sondern den Sound der aus diesen Beziehungen resultiert. Die freie Improvisation des Jazz (vgl. Ornette Coleman, Cecil Taylor) verlässt den musiktheoretischen Rahmen völlig und interagiert über emotionale Kommunikation und persönlicher Expressivität. Indem das musiktheoretische Wissen und Wollen ausgeblendet 82 wird, kann ein von den Regeln der Improvisation entkoppelte und dem Zufallsprinzip folgendes Musizieren einen kommunikativen Prozess in Form nonverbaler, informeller Konversation erzeugen. Die Noise Music 83, speziell der JapaNoise (vgl. Masami Akita aka Merzbow)84 evoziert, ebenfalls abseits regelgerechter Improvisation spontane, willensunbeeinflusste und automatistische Kompositionen. Das – im Sinne eines surrealistischen Denk–Diktat[es] ohne jede Kontrolle durch die Vernunft jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung (Breton 1924: 26) – so erzeugte Klangkonvolut ist aber wegen seines technologischen Generierungsprozesses von den körperlichen Hervorbringungs– und Kommunikations81 Im Sinne einer Beseitigung der Beziehungen traditioneller Tonalität (vgl. Miles Davis). Parallel dazu zeigen fMRI – Gehirnscans improvisierender Jazzmusiker, durchgeführt an der Johns Hopkins University, Baltimore, eine signifikante Abnahme der Aktivität im sogenannten dorsolateralen präfrontalen Cortex, einer Hirnregion, die für geplante Aktionen und Selbstzensur zuständig ist. Demgegenüber ist eine Zunahme der Aktivität im medialen präfrontalen Cortex zu erkennen, in denen Selbstdarstellung und eng mit der Persönlichkeit zusammenhängende Handlungen gesteuert werden. Charles Limb und Allen Braun interpretieren dies als das Erzählen einer Geschichte über sich selbst, unter gleichzeitiger Ausschaltung von allen hindernden Elementen (vgl. Limb / Braun 2008: online). 83 Der Terminus der NOISE MUSIC wird im gesamten 20. Jahrhundert relativ großzügig verwendet, die hier verwendete Form bezieht sich speziell auf die letzten drei Jahrzehnte (vgl. auch Kahn 1999). 84 "I wanted to compose real surrealistic music in a non-musical way. Surrealism is also reaching unconsciousness. Noise is the primitive and collective consciousness of music. My composition is automatism, not improvisation." Masami Akita (Interview mit Oskari Mertalo im e-zine Corridor of Cells, 1997) [online: http://noiseweb.com/merzbow/all.html 17.01.2011]. 82 80 formen entkoppelt. Der so erzeugte Klang ist – im Gegensatz zum kommunikativen Wert des musizierenden [...] körperlichen Verhaltens und [...] der am unmittelbaren Ausdrucksverhalten orientierten originären Formen von Musik (vgl. Jauk 2005a: 221) – entmediatisiert (vgl. Wicke 1998: online), somit bedeutungsfrei und ohne Bezug auf seine Hervorbringung, bleibt aber in seiner Rezeption körperbezogen. Die hochmediatisierten (vgl. Jauk 2005a: 322) Kompositionsformen der Noise Music mit dem Laptop – sie entsprechen einem indexikalen Zeichenmodus der auf die kausalen Prinzipien seiner Entstehung verweist – sind improvisatorische Arbeiten am Sound und dessen unmittelbarer Wirkung. Sie widersetzen sich zwar dem Denken der Körpermusik als Instrumentalisierung des Ausdrucksverhaltens und des originären Musizierens, sind aber wie diese in ihrer unmittelbaren Generierung und Rezeption hedonistisch. Der ästhetische Diskurs der Avantgarde wird im Happening mit der Ästhetik des Alltäglichen als Folge prozessualer Aktionsformen verknüpft, das Happening ist interaktive Kommunikation mit oder ohne Partitur85 oder Notation und das ephemere, unmittelbar ins Geschehen umgesetzte Kunstwerk. „Das gelungene Happening [...] hatte nichts Komponiertes, es war gereihtes Geschehen aus Zufälligkeit und Wiederholung, ein spielerisches Umgehen mit den Partikeln des Daseins.“ (Klotz 1994: 40). Insofern ist das Happening bei erwarteter Deckungsgleichheit von Kunst und Leben in einer ähnlichen Diskrepanz wie der Futurismus, nämlich dass sich Kunst normalerweise dadurch legitimiert, dass sie Alltägliches abstößt (Keppler 2001: online) und somit doch wieder gezwungen ist, den Ansatz von Komposition aufrechtzuerhalten. Diesen Ansatz von Komposition beschreibt Allan Kaprow als die Gewißheit einer Zahl von Ereignissen, in denen man etwas aufmerksamer ist als unter normalen Umständen (Allan Kaprow zit. in Klotz 1994: 39), da das Happening keine Zuschauer vorsieht, ist diese Differenz der Levels von Aufmerksamkeit die kunstspezifische Fiktion (vgl. ebd.: 57 ff), die Kunst als solche charakterisiert. Agitatorisches Verhalten ist in 85 Die Idee des (späten) Happenings ist, dass der Verlauf nicht genau festlegbar ist. 81 den, auf Cage verweisenden, anarchistischen Kooperationsmodi in der radikalen freien Improvisation (vgl. Kutschke 2007: 19) analog der Optimierung des Erregungslevels 86 klanggenerierendes und somit auch kompositorisches Verhalten. Musizierendes und zugleich komponierendes Verhalten in der Gruppe ist die – in der Terminologie Adornos – De– Objektivation des „Wir“, die das Subjektiv–Emotionale und das Nonverbal– Körperliche interaktiv im unmittelbaren Musizieren zusammenführt. Expression und Performanz, 87 sind Parameter einer prozessualen Kommunikation in der Avantgarde wie im Pop, wo deren Klanggenerierung wie musikalische Zeitgestaltung sich auf die Prozesse der Hervorbringung beziehen, anstatt auf die tonalen Formalbeziehungen. Die körperhafte Geste und in deren unmittelbarer emotionaler Nähe der Schrei, die ungezügelte Stimme, ist darüber hinaus als außermusikalisches Konzept die Rückbesinnung auf die Natürlichkeit und Emotionalität und die tätige Überwindung von Konventionen und Autoritäten (vgl. Kutschke 2002: 167). Ausdruckslaut und Ausdrucksverhalten verbinden im originären Musizieren des Pop (vgl. Jauk 2005b: 105) die – über ihre Mediatisierung in der Notation – vom Körper entkoppelte Musik wiederum mit dem Körper. In den Prozessen emotional gesteuerter Interaktion wird das sinnliche Vergnügen am De–Komponieren von Ereignissen klanglicher und nicht– klanglicher Art evident. Die Gestaltung von (musikalischen) Ereignissen ist von der Interdependenz der sensorischen Intensität und des emotionalen Erlebens gesteuert und so eine diskursive Kopplung musikinhärenter Strukturen an die Lebenswelt und Lebenswirklichkeit. 86 87 Vgl. Berlyne, Experimentelle Ästhetik in Jauk 2004a: 213f. Selbstoffenbarung und Appell (vgl. Schulz v. Thun 1981) als analoge Kommunikation nach Paul Watzlawick. 82 3.2 Das Bild – Befreiung vom Narrativen? Die sich auch in der Simultaneität des Futurismus findende Kritik der Moderne und des Realismus an einer deterministischen Weltsicht ist ein Element non– narrativer Handlungslogik, die hypertextuelle Konstellationen antizipiert. Die Vernetzung non–kausaler, fragmentarischer Ereignisse ist eine Reaktion auf die Dominanz eines positivistischen Weltmodells im Vor– und Umfeld des Fin de siècle, dessen naturwissenschaftlicher Ordnungszwang und linearer Charakter die Komplexität der Moderne nicht zu reflektieren imstande war. Wie in der futuristischen Simultaneität angedeutet, setzt das non–narrative Bild den impliziten Leser (vgl. Dinkla 2004: online) voraus, dessen Aneignung des Werkes mit dessen Wahrnehmungsfähigkeiten als Fortschreibung und imaginäre Verselbstständigung des Bild–Textangebotes (ebd.) interagieren. Die Krise des Narrativen in der Moderne ist die Krise des linearen Zeitverständnisses, das in der Wahrnehmung der durée relativiert wird und nach der Zäsur der Weltkriege in der intermedialen Mehrdeutigkeit der Konzeptkunst einen Ausweg findet. Die Indeterminiertheit als Basis des Gestaltungsprozesses ist in der informellen Bild–Kunst beeinflusst von der Geste des surrealistischen Automatismus, eine der Bedingungen der Befreiung des Bildes von Abbildung und Figuration. Die in einer non–narrativen Bildsprache vom Inhalt extrahierte Form im abstrakten Tafelbild wird, in der Wahrnehmung der Eigenschaften seiner Gesamtstruktur, zur Form als Gestalt einer Mitteilung (Brandstätter 2004: 166). Die Geste des Mal–Aktes ist zum einen unmittelbares körperliches Ausdrucksverhalten, zum anderen musizierend körperliches Verhalten, das die Spuren der psychischen und physischen Befindlichkeit im Artefakt Tafelbild fixiert. Jackson Pollock sieht seine Arbeit (vgl. Jackson Pollock, Lavender Mist: Number 1, 1950) als eine unmittelbar aus dem Unbewussten entstehende Handlung (Emmerling 2007: 48), deren Heftigkeit und Intensität die emotionale Kommunikation Pollocks in der emotionalen Atmosphäre dieser von der Unbändigkeit technologischen Fortschrittes gekennzeichneten Zeit (vgl. Wigal 2006: 142) repräsentiert. 83 Das Abstrakte ist als ästhetische Realisierung non–narrativer und non– figurativer Elemente, die Informalisierung des Sinnganzen (Gadamer 2006: 101) dessen Analyse im Zugleich von vertrauten Wahrnehmungsmustern mündet. Der Vollzug des Kunstwerkes, dessen energeia (vgl. ebd.: 102f), setzt die Zeitstruktur der simultanen Wahrnehmung, des Zugleich, in Beziehung mit dessen kybernetischer Abstraktion; die Abstraktheit des Bildes und die Abstrahierung der Reizverarbeitung (Brandstätter 2004: 216) werden mit dieser Zeitstruktur in eine iterative Beziehung gesetzt. Parallel zum Zufall als surrealistisches Prinzip der Bildgenerierung und der Signalhaftigkeit des körperlich–emotionalen Ausdrucks (wie des Pollockschen Mal–Aktes), entwickeln sich Aktion und Prozessualität in der späten Moderne. Im Informel und der nichtfigurativen Darstellung der bildenden Kunst findet sich der bereits im Fin de siècle angedeutete Zweifel, die Komplexität einer informalisierten Welt mit den linearen, kausalen Strukturen, die der Narration immanent sind, wiedergeben zu können. Das kausale Prinzip impliziert „bestimmtes“ Erfahrungswissen in „bestimmte“ Situationen und antizipiert zukünftige; diese explizit lineare Strukturierung ist der Komplexität der Welt als Beschreibung inadäquat. Die der Musikalisierung der Farbe – in der Frühromantik wie auch in der klassischen Moderne – zugrunde liegende Organisationsform der Composition (Philipp Otto Runge zit. in Motte – Haber 1990: 129) sieht neben einer mathematisch – geometrischen und einer zeitlich–beziehenden Struktur die Kompositionsstruktur des musikalischen Satzes (Lingner 2004: online). Der bei Philip Otto Runge als abstrahierte (Landschafts)Allegorie 88 angedeutete metaphysische Zusammenhang des ganzen Universums (ebd.) entfernt sich vom Gegenständlichen über die frühromantisch–idealistische Imagination einer jenseits der gegenständlichen Welt existierenden systemischen Ordnung. Die Musikalisierung der Malerei ist in der Gesetzmäßigkeit strukturanaloger Beziehungen (Motte – Haber 1990: 132) verortet, wobei die der Musikalisierung implizite Zeitstruktur über das Beziehungsgefüge sinnlicher Reize auf ein übersummatives Ganzes – im Gegensatz zum linearen oder 88 Vgl. Philip Otto Runge, Vier Zeiten, ca. 1808. 84 zyklischen Zeitablauf – hinweist. Die Übersummation ist der Aspekt der Entgegenständlichung, der Dinge nur sichtbar macht als Beziehungen, die der Geist stiftet (Motte – Haber 1990: 129), wo heterogene Elemente zum idealistischen Sinnganzen konstruiert werden. In Abwendung von der chronometrischen Linearität der Romantik und der gleichzeitigen Geschwindigkeitszunahme in der Moderne verknüpft die Simultaneität des Futurismus die Automatisierung von Wahrnehmung mit der Ästhetik des Alltäglichen. Das non–narrative Element des futuristischen (Tafel)Bildes ist in der Übersummation von Wahrnehmung zu finden, deren netzanaloge Beziehungsstruktur heterogene Positionen der stati d´animo, der Gemütszustände, reflektiert. „[Wir] konzipieren mit Hilfe der Analyse das Konkrete und geben das Abstrakte (den bildnerischen Gemütszustand) wieder.“ (Boccioni 2002 [1914]: 188). Die sprachlich erfasste Idee in der Konzeptkunst ist im Vorfeld möglicher materieller Umsetzung mehrdeutig, ein intuitives und irrationales Unterfangen (Sol LeWitt zit. in Marzona 2005: 20), aber im Einzelfall ist es die Deskription eines Systems, das auf Beziehungen aufbaut. Die notwendige Kommentierung konzeptueller Kunst begründet sich in deren Selbstbezüglichkeit und kann als ein, dem subjektiven Empfinden analoges, intuitives (vgl. Wolf 2002b: 24) Narrativ erscheinen. Diese Phänomene des intuitiven Narrativs konstituieren sich aus den verschiedenen Ebenen des Prozesses, in Abhängigkeit vom Vorwissen des Betrachters und der Unbestimmtheitsstellen (vgl. Ingarden 1972: 265f) der Betrachtung. Durch die Verselbstständigung des Rezeptionsaktes und Verbergung des Autors89 kann das Werk in der Konzeptkunst nicht als genuin narrativ – im Sinne analytischer Narratologie – gesehen werden. Der Betrachter ist Handelnder und die Erzählung wird erst im Rahmen der Wahrnehmung in Gemeinsamkeit mit der Unmittelbarkeit der Erfahrung generiert. Die der 89 „[…] so dienen die Dialoge Platons […] zur Verbergung ihres Autors und sind eben dadurch ein Gegenbild der epideiktischen Zur–Schau–Stellung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten […]“. (Ebert (1974: 29). 85 Konzept– und Prozesskunst wie der gestischen Malerei immanenten offenen, dynamischen Prozesse erscheinen prinzipiell non–narrativ, wie aber auch die Dynamik des Rezeptionsprozesses und der Interpretationszusammenhang (vgl. Nünning / Nünning 2002: 24) mannigfaltige Leserichtungen indizieren. Vielfältige oder mannigfaltige Leserichtungen können je verschiedene narrative Zusammenhänge ergeben, in Abhängigkeit von der Reihenfolge der Wahrnehmungsereignisse deren strukturelle Relation nicht von Anfang an in eindeutiger Weise festgelegt ist (Eco 2002: 152). Die in ein Feld interpretativer Möglichkeiten (ebd.: 155) gefasste informelle Malerei ist einerseits die Erweiterung der Dynamisierung des Tafelbildes, die vom Futurismus und vom Kubismus ausging, andererseits die Erweiterung mimetischer Wirkweise von Emotion. Die unmittelbare Körperlichkeit in der malerischen Gestik des Informellen und die Transformation der Natur unmittelbar zum Medium (vgl. Rohsmann 1977: 161f) im Prozessualen entkoppelt sich in der, diesen Prozessen immanenten, Unbestimmtheit vom Kausalen und somit von narrativer Eindeutigkeit. „Ein offenes Kunstwerk stellt sich der Aufgabe, uns ein Bild von der Diskontinuität zu geben: es erzählt sie nicht, es ist sie.“ (Eco 2002: 165). Das daraus folgende Mehr an – virtueller – Information im non–narrativen Kunstwerk basiert in der Mehrdeutigkeit der ästhetischen Kommunikation wie auch in der Auflösung der Redundanz seiner ästhetischen Botschaft. Die Informalisierung, die Aufhebung des Regelwerkes oder bestimmter Ordnungsprinzipien, begünstigt den Wegfall von Redundanz zugunsten von Mehrdeutigkeit und interpretativer Offenheit, aber auch zu Ungunsten von Sicherheit (Exaktheit) der kommunizierten Botschaft. Die Uneindeutigkeit der kommunizierten Botschaft abstrahiert die strukturelle Linearität ästhetischer Beziehungen zur Netzstruktur eines Beziehungsgewebes (Henri Pousseur zit. in Eco 2002: 172) in der die einzelnen Informationsnodes je die fortschreitende Wirkweise von Kommunikation bedingen. Die zeichenhaft–abstrakten Prinzipien in der gestischen Malerei, der Konzept / Prozesskunst (vgl. Haacke, Condensation cube; ca. 1963) oder der musikalischen Improvisation 86 repräsentieren so ein Angebot von Information, deren kommunikativer und mimetischer Partizipation ein Fließgleichgewicht eines Minimums an Ordnung und eines Maximums an Unordnung 90 zugrundeliegt. Die offenen Strukturen des Happening bedingen, wie die der musikalischen Improvisation, Ereignisse in Echtzeit, denen Informationsnodes ohne vermittelndem, erzählenden Agenten zugrunde liegen und die somit non– narrativ erscheinen. Das Fehlen der Rezipienten – das Happening sollte keine Zuschauer, sondern nur Teilnehmende haben (vgl. Klotz 1994: 39) – ist jene Konsequenz, die von der figurativen Abstrahierung über das abstrakte gestische Bild und der Aktion zu einem in der Kunst verankerten Ausschnitt des Lebens weist. Die Transition von der gestischen Malerei als Aktion der Kunst 91 zum Happening als Aktion des Lebens ist ein Phänomen, das sich (nach Allan Kaprow) unmittelbar aus der (amerikanischen) Aktionsmalerei92 entwickelte und in der sich die Unmittelbarkeit der Gebärde / Geste in die Willkür der konzeptuellen Möglichkeiten transformiert. Die Geste ist einerseits als linear–singuläre Konfiguration ein Ausdruck der Asymmetrie der Raum– Zeit (der Zeitpfeil der ausgeführten Geste / Gebärde ist irreversibel) und andererseits, wie im informellen Kunstwerk, der Hinweis auf die Asymmetrie zwischen dem Zeichen und dessen hervorbringender Geste. Aus der Unwiederholbarkeit der dem Zeichen zuzuordnenden körperlichen Geste und somit der Indeterminiertheit des resultierenden Zeichens ergibt sich eine Dynamik der Offenheit und interpretativen Kommunikation zwischen Rezipient und Produzent. Die in den postklassischen Erzähltheorien postulierten interpretativen und diachronen (vgl. Nünning / Nünning 2002: 24f) Aspekte der Rezeption erscheinen im informellen Kunstwerk als eine Dialektik von zur Verfügung gestellter Information und erfahrungsgebundener Gestaltungsintention. Diese Form von Unbestimmtheit ist im informellen 90 Der Zusammenhang von sehr hoher und sehr niederer Komplexität zeigt sich in einer umgekehrt U-förmigen Beziehung zwischen Komplexität des Reizes und dessen kognitivem Verarbeitungsniveau. (vgl. Berlyne 1974: 61f; vgl. Jauk 2004a: 213). 91 Vgl. Jackson Pollock: Reflection of the Big Dipper 1947; George Mathieu: Komposition 1956 (= erste öffentliche Malaktion Mathieus im Pariser Théâtre Sarah Bernhardt). 92 „[…] Die besten von ihnen [Happenings] kamen unmittelbar aus der amerikanischen Aktionsmalerei.“ (Allan Kaprow zit. in Klotz 1994: 38). 87 Kunstwerk von fraktaler Struktur, deren kreativitätslogische Zusammenhangsform nicht mehr nur eine des Verlaufs ist (Kutschke 2002: 209) und die so den Rahmen der Kausalität überschreitet. Das Happening verhält sich wie ein ins Geschehen umgesetztes abstraktes Kunstwerk (Klotz 1994: 40), ohne mit dem Alltagsleben identisch sein zu müssen (und zu können), einerseits basierend auf der Selbstbezüglichkeit seines Ereignischarakters und andererseits auf emotionaler Kommunikation. Das spielerische Umgehen mit den Partikeln des Daseins (ebd.) ist die Entgrenzung der üblicherweise dichotomen, Spiel– und Welt–Metaphern (Ryan 2001:191f), wo durch produktive Interaktivität eine Verfransung (Adorno 1977: 433) von Kunst und Leben erreicht wird. Die Selbstbezüglichkeit eines in Echtzeit entstehenden (Lebens)Auschnittes basiert auf dem konzeptuellen Fehlen einer Referenzialität zur Außenwelt, aber auch auf einer raumzeitlichen Immersion, diese ist immer dann gegeben, wenn sich die Distanz vom Akteur zum Rezipienten auf null zubewegt. Das Happening entwickelt sich – nach Klotz – non linear 93, es [hatte] nicht Anfang und Schluß sondern setzte ein und verebbte. (Klotz 1994: 40). So sind in der, der Spiel–Metapher immanenten Kreativitätslogik (vgl. Kutschke 2002: 204f), ähnlich wie in der traditionellen musikalischen Logik, Beziehungsfolgen zu erkennen, deren Gefüge jedoch non–kausal strukturiert ist und die zu Diskontinuitäten und Brüchen im Ablauf führen. Die Ambivalenz zwischen Interaktivität und Immersion gründet sich in der Auflösung der linearen Ordnung zugunsten von Kreativität, einer Ereignisfolge basierend auf einer Position zwischen Disposition und Spontaneität. Die Überformung des in einem improvisationstheoretischen Dispositiv verorteten musikalischen Regelwerkes durch eine Form der (nonverbalen) informellen Konversation ist eine kreative Leistung von Planung und Ausführung gleichzeitig (vgl. Wolfgang Rihm zit. in Kutschke 2002: 207). Die körperlich– emotionale Kommunikation als informelles Gestalten ist einerseits der 93 Vgl. dazu Thomas Dreher: „[…] Allan Kaprow verwandte 1958 den Begriff ‹Happening›, zum ersten Mal. Er hat seine komplex strukturierten und inklusive der Mitarbeit des Publikums festgelegten Aufführungen als Happenings bezeichnet, bevor der Begriff als Bezeichnung für spontane und unorganisierte Aktionen populär wurde.“ (Dreher 1992: 57). 88 Ausdruck der Überwindung willentlicher Prägung, andererseits eine singulär– irreversible und mit neuronalen Techniken nicht mehr zu überarbeitende Kommunikation. Im Free–Jazz, einer Form von informeller Echtzeitkomposition parallel zur Echtzeitkomposition von Tafelbildern des Informel, ist die Generierung von Klangstrukturen das Artefakt emotionaler Kommunikation, die im Tafelbild in eine Beschreibung des emotionalen Zustandes mündet. In der Auflösung der linearen Form in der Musik des Free–Jazz finden sich die von Deleuze und Guattari erhofften Mannigfaltigkeiten (Heyer 2001: 47) ebenso wie in der rhizomatischen Netzstruktur des Möglichkeitsraumes des offenen Kunstwerkes. Die rhizomatische Struktur der Informationsnodes widerspricht der Narrativierung auch im Sinne einer rezipientenseitig geforderten kognitiven, kulturell konditionierten Tätigkeit (vgl. Wolf 2002: 52), die eine temporal–kausale Kohärenz syntaktischer Narreme (ebd.: 42) 94 als Minimalanforderung postuliert. Das ephemere Artefakt als das (Kunst)Werk ist die Definition des – emotionalen – Zustandes im Hier und Jetzt, ob diese als Narrem in einem narrativen Diskurs auftaucht, ist somit unentscheidbar, vor allem vor dem Hintergrund, dass dem Werk ein kognitives Schema von Narrativität, das auf lebensweltliche Erfahrung, vor allem aber auf menschliche Artefakte gründet, applizierbar (vgl. Wolf 2002: 37) ist. Die Mannigfaltigkeiten, Vielheiten und Übergänge, die einen postmodernen Vernunftbegriff (Heyer 2001: 56) charakterisieren, sind ein Hinweis auf die Theorie nichtlinearer Systeme, die sich in rhizomatischen Figuren und a– zentrischen Systemen (vgl. Heyer 2001: 56; vgl. Biggs / Peat 1990: 284) wie der Gehirnaktivität spiegelt. Die nichtlinearen Systemstrukturen immanente Ehrfurcht vor der Ungewissheit (Biggs / Peat 1990: 309) evoziert die aktive Eigenleistung des Rezipienten, innerhalb einer rhizomatischen Netzstruktur von 94 Kunstproduktionen virtuelle Verbindungen zwischen bestimmten, „Nach Wolf sind die Narreme Faktoren von Narrativität; Kennzeichen, inhaltliche 'Hohlformen' und 'Syntaxregeln' des Narrativen. Dementsprechend können sie eingeteilt werden in qualitative (z.B. Sinndimension, Darstellungsqualität und Erlebnisqualität), inhaltliche (z.B. Zeit, Ort, antropomorphe Wesen, Geschehen) und syntaktische Narreme (z.B. Werk- bzw. textinterne Relevanz, formale und thematische Einheitsbildung, Relevanz).“ (Scheuermann 2005: 93). 89 selbstgewählten Nodes zu verbinden und so eine Erzählstrategie des Hypertextes in der Kunst (Dinkla 2004: online) ästhetisch zu realisieren. 3.3 Musikalisierung / Synästhesie / multimodale Wahrnehmung Der Grad der Verlässlichkeit singulärer sensorischer Information ist nach Maßgabe der Signalqualität variant, der sensorische Eindruck im Gehirn ist somit nicht identisch mit der Wirklichkeit, die optimale Auswertung der Daten über die Umwelt wird im Gehirn erst im Kollektiv verschiedener sensorischer Informationen evident. In der Interaktion mit der Umwelt bildet ein Konglomerat von sensorischer Information – darunter die schlüssige Integration von auditiver und visueller Information – die Basis für sinnvolles situationsrelevantes Agieren. In der technologischen Möglichkeit der medialen Übertragung und Speicherung von Bild oder Ton wird die visuelle von der auditiven Umwelt getrennt 95, die ursprünglich genuine Verbindung von Bild und Ton wird nunmehr willkürlich kontextualisiert 96. In dieser Wiederzusammenführung vorher isolierter auditiver und visueller Signale werden die subjektiven Wahrnehmungsmuster erfahrungsbasierter Körper– Umwelt–Erfahrungen irritiert, indem die unmittelbare auditive und visuelle Deckungsgleichheit des auslösenden Reizes fehlt. Die in Abgrenzung zur Synästhesie sensu Cytowic 97, also einer physiologischen Synästhesie, die in ihrer Reizauslösung mechanischen Prinzipien (vgl. Behne 2002: 31) folgt, ist hier eine intermodale Analogie angesprochen, die eine Synästhesie ganzheitlicher Wahrnehmungs– und Handlungumgebungen (vgl. Herczeg 2008: online 6) impliziert. Eine intermodale Analogie von Tonhöhe und Raumempfinden ist in der von der Neumennotation ausgehenden Entwicklung der musikalischen Aufzeichnung von Bedeutung, wo frühe Akzentneumen wie accentus acutus und accentus 95 Vgl. Walter Ruttmann, Weekend 1930. Vgl. Bill Fontana, Satelliten Ohrbrücke Köln San Francisco 1987. 97 „Synästhesie würde ich `sensu Cytowic` (Cytowic 1989; S. 64ff) als seltenes Phänomen definieren, als unwillentliche und durch Reize ausgelöste Perzepte (`Immer wenn ich einen Trompetenton höre, sehe ich die Farbe rot`), die einem Absolutheitsprinzip unterliegen.“ (Behne 2002: 31). 96 90 gravis (vgl. Walter 1994: 43ff) eine Änderung der Tonhöhe bedeuten, indem sie im Verhältnis zur Leserichtung nach oben oder nach unten auf dem Neumenblatt verweisen. In der Bewegungsanalogie der empfundenen musikalischen Bewegung im Tonraum zur eigenen Bewegung im realen Raum ist – beim Dirigat oder im originären Musizieren 98 – eine synchrone Verknüpfung der (Bewegungs)Abläufe die Basis für stabile intermodale Analogien. Deren Prozesscharakter ist in den frühen abstrakten Animationsfilmen (vgl. Oskar Fischinger, Tönende Ornamente, 1932) charakterisiert und ähnelt der prozessualen Form der Notationssynästhesie (vgl. Behne 2002: 34; vgl. Waldeck 2006: 110ff), hier visualisieren genuine Synästhetiker den Ton entsprechend seines Frequenzspektrums als verschieden großes, ephemeres Gebilde im Raum. Die in einer multimodalen Wahrnehmung integrierten Sinnesreize unterliegen in ihrem Beitrag zu dieser einer wechselseitigen Beeinflussung, die sich in einer widerspruchsfreien Interpretation der Umwelt summiert. Die Kontextabhängigkeit der Dominanz eines Sinnes ist einerseits in dessen Wahrnehmungsfähigkeit begründet und andererseits in der Qualität der bearbeitbaren Information. Sinkt die Qualität des optischen Reizes, so wird in einem wenig abgedunkelten Raum der auditive Reiz mit dem visuellen korrespondieren, in einem völlig abgedunkelten Raum zusätzlich der taktile. Dabei wird „[…] die Wahrnehmung in einem Sinnesgebiet durch die Wahrnehmung in einem anderen Sinnesgebiet beeinflusst, eben da die beiden Bestandteile in eine multimodale Wahrnehmung integriert werden.“ (Daurer 2006: 22). In der optimalen Integration der sensorischen Informationen ist eine stabile, kohärente und vor allem eindeutige Interpretation der Umwelt begründet und so die Basis für einen sinnvollen Handlungs – Wahrnehmungszyklus gegeben. In Folge ist in der Redundanz von Information (durch die Verarbeitung einer reizauslösenden Quelle über verschiedene sensorische Informationen) eine signifikante Erhöhung der Stabilität des 98 Originäres Musizieren: „Die unmittelbare körperliche Formung von Klang, somit der unmittelbare Bezug zwischen Körper und Klang – Generierung.“ (vgl. Jauk 2002: 86). 91 Wahrnehmungs– / Handlungszyklus des Menschen (vgl. Ernst / Bülthoff 2005: 354 / online) zu erkennen. Die redundante Informationsverarbeitung kann zu einer Irritation der Körper– Umwelt–Wahrnehmung werden, indem entsprechend der vorausgehenden Erfahrung und bei gleichzeitiger Präsentation mehrerer Reize verschiedener Modalitäten die Reize sich wechselseitig beeinflussen. Die synchrone Darbietung von visuellem und akustischem Reiz beeinflusst die räumliche Lokalisation einer Schallquelle, wie die Darbietung von Bauchrednern und deren vorgeblich sprechenden Handpuppen, oder die Irritation, dass der Sound im Kino nicht von den im Saal verteilten Lautsprechern, sondern von vorne – von der Leinwand – komme, zeigt. Die „Überstimmung“ akustischer durch visuelle Reize wird am McGurk – Effekt 99 beispielhaft, weder die Lippenbewegung noch der unpassende, zugespielte Klang ist mit dem resultierend empfundenen Silbenlaut identisch. Im umgekehrten Sinn überstimmen im illusory flash effect 100 die akustischen die optischen Reize, beide Effekte sind ausgesprochen dominant, sie werden auch von vorher explizit informierten Probanden wahrgenommen. Eine als intermodale Analogie zu erkennende synästhetische Erscheinungsform ist zum einen charakterisiert durch auf Vorwissen basierenden Assoziationen, zum anderen durch die Verknüpfung verschiedener Wahrnehmungsinhalte oder Assoziationen auf verschiedenen Ebenen. Da die Verknüpfungen auf verschiedenen Ebenen und von verschiedenen Ebenen parallel und somit zeitgleich verarbeitet werden, kann eine Gleichzeitigkeit von emotionalem 99 „Der McGurk–Effekt belegt, dass optische Reize nicht nur die Lokalisation einer akustischen Reizquelle beeinflussen können, sondern auch die Wahrnehmung selbst. Hierbei betrachteten Probanden eine Videosequenz, auf der eine Person zu sehen und hören war. Die Lippenbewegungen des Schauspielers führten den Laut ‚ga‘ aus, zeitgleich wurde jedoch der Ton ‚ba‘ abgespielt. Die Nichtübereinstimmung führte dazu, dass die Probanden angaben, den Ton ‚da‘ gehört zu haben. Die visuell wahrgenommene Bewegung hat in diesem Fall zu einer veränderten akustischen Lautwahrnehmung geführt (vgl. McGurk / MacDonald 1976, S. 746ff).“ (Salzmann 2007: 85) 100 „Den umgekehrten Einfluss der akustischen auf die optische Wahrnehmung belegt der ‚illusory flash effect‘. Hierbei nehmen Probanden einen Lichtblitz, der von mehreren kurzen Tönen begleitet wird, nicht als einen Lichtblitz war [sic], sondern als eine Folge von mehreren Lichtblitzen. Diese Illusion verläuft derart zwingend und automatisch, dass sogar Beobachter, die vorab über die physikalische Beschaffenheit des visuellen Reizes informiert wurden, dennoch behaupteten, mehrere Lichtblitze gesehen zu haben (Shams et al., 2000, S. 788; Shams et al 2002, S. 147ff).“ (Salzmann 2007: 85f) 92 Eindruck und analytischer Betrachtung des auslösenden Reizes ohne (inneren) Widerspruch akzeptiert werden (vgl. Haverkamp 2006: 36). Den Assoziationen auf verschiedenen Ebenen kommt individualistische Bedeutung zu, da – im Sinn eines konstruktivistischen Kommunikationsansatzes – das Handeln des Kommunikators als reizauslösendes Moment und das Handeln des Beobachters als reizverarbeitendes Moment nach Maßgabe der je subjektiven biologischen / kulturellen Konditionierung in differenten Verarbeitungsprozessen differente Ergebnisse bedingt. Somit ist die Annahme gleichartiger Assoziationsprozesse obsolet, der Assoziation des Rezipienten ist nicht zwingend die Assoziation des Komponisten zuzuordnen. Ähnliches gilt im Fall personaler Trennung für die musikalische Beziehung zwischen dem Komponisten und dem / den Musizierenden. Die parallel ablaufenden neuronalen Verarbeitungsprozesse – das unbemerkte Denken – sind äußerst zahlreich, wogegen die auf diesem unbemerkten Denken basierende bewusste Wahrnehmung eine äußerst beschränkte (vgl. Spitzer 2006: 702) ist. Die Komplexität der wahrgenommenen Echtzeitprozesse übersteigt die Verarbeitungsfähigkeit bewussten Denkens bei weitem, somit ist der unbewusste, unmittelbare Denkvorgang adäquat für einerseits intuitive Assoziationsprozesse und andererseits für eine sensorische Immersion in virtuelle Handlungsräume oder reale Handlungsabläufe. Die Unmittelbarkeit einer immersionsbezogenen Handlung setzt die Automatisierung systembezogener Fähigkeiten und die Internalisierung einzelner Handlungen in Abarbeitung eines der gegebenen Aufgabe angemessenen Handlungsplanes (Herczeg 2008: online 4f) voraus. Die für eine Unmittelbarkeit in immersionsbezogenen Handlungen essentiellen Konzepte sind einerseits die Direktheit einer interaktiv wahrnehmbaren Reaktion und andererseits die Simultaneität als unmittelbare, synchrone und nahtlose multimodale Wahrnehmung (ebd.: online 7). Mentale, physische und emotionale Immersion im Zusammenhang mit verschiedenen synchronen Wahrnehmungsmodalitäten ist so eine Folge von artifiziellen Reizzusammenhängen, die mit der kognitiven Körper–Umwelt–Erfahrung kommensurabel sind, eine empfunden falsche lag–time oder Latenzzeit von Aktion und 93 Reaktion – etwa in einem telematischen Konzert – kann die Immersion der Spieler im System empfindlich stören (vgl. Craig / Scherman 2003: 385). Die Menge an internalisiertem Vorwissen, das in Verbindung mit unmittelbarer Wahrnehmung Immersion in ganzheitlichen Wahrnehmungs– und Handlungsebenen vermittelt, ist im Sinne multimodaler Integration – also der Beeinflussung eines Sinnesarales durch ein anderes – an der Transformation des Originaleindruckes beteiligt, deren narrative und oder deskriptive Aspekte formen so die Körper–Umwelt–Interaktion mit. Daneben unterliegen die mit der Assoziation verbundenen Gedächtnisleistungen einer zeitabhängigen Varianz (vgl. Haverkamp 2006: 56f), die Deutlichkeit einer Assoziations– getriggerten intermodalen Analogie ist unmittelbar von der Stabilität des entsprechenden Vorwissens abhängig. Dem entsprechend ist die Kommunikation einer codierten symbolischen Bedeutung eines Objekts eine stabilere gegenüber der einer sinnlichen Analogie. Die lautmalerische Nachahmung ist im Vergleich zum priming – dem Aufladen mit codiertem symbolischem Gehalt –101 Information mit einem höheren Grad an Unmittelbarkeit, einhergehend mit einem höheren Grad an Verrauschung. Das assoziative Triggern von Emotion durch visuelle Reize birgt einen erhöhten Grad an Abstraktionsleistung bei dem Abruf autobiografischer Erinnerung (vgl. Salzmann 2007: 90), dementsprechende emotionstriggernde auditive – daher auch musikalische – Reize werden unter der Bewusstseinsebene wahrgenommen und unmittelbar verarbeitet. Die zeitliche Konvergenz solcher multipler sensorischer Impulseinwirkung auf multisensorisch aktive Neuronen regt diese zu erheblichem Aktivitätszuwachs an. Eine multimodale Integration (vgl. Haverkamp 2009: 292)102 verschiedener, regulär getrennter Sinnesreize fusioniert die entsprechenden 101 Das musikalische Leitmotiv Richard Wagners komprimiert die Signalhaftigkeit der plastischen Natur–Motive (Wagner 1907: 264) zur formalen Gestaltung des Handlungsablaufes, setzt aber zugleich eine zumindest rudimentäre Kenntnis des verwendeten Codes als Vorwissen voraus. 102 „Die gleichzeitige Zusammenfassung von Wahrnehmungs–Eigenschaften wird auch als simultane Integration bezeichnet (simultaneous integration, Bregman 1999)(…) Eine weitere wesentliche Aufgabe der Integration besteht in der Zuordnung zeitabhängiger Vorgänge (sequentielle Intregration).“ Haverkamp bezieht sich bei den Termini simultane Integration (Gesamtklang) und sequenzielle Integration (Zusammenführung von Tönen zu einer Melodie) ausdrücklich auf Albert Bregman, Auditory Scene Analysis,1999. 94 Abstraktionsleistungen mit den unmittelbaren emotionalen Reaktionen zu einer stabilen Wirklichkeitskonstruktion. Die Definition “Determinism demands a one–to–one relation of cause to possible effect; indeterminism maintains a one–to–many relation” (Ellrod 1992: 129), ist in ihrer Einfachheit prädestiniert, diese Differenz – zwischen genuiner Synästhesie mit determinierter Kopplung und synchroner, multimodaler Wahrnehmung – als indeterministisches Reizarsenal zu veranschaulichen. Der Zusammenführung von musikalischen und musizierenden Strukturen mit deren kontextueller Visualisierung liegen intermodale Analogien – anstelle genuin synästhetischer Wirkeffekte als Wahrnehmungsstörungen – zugrunde. Ein Beispiel dieser Form inter– / multimodaler Wahrnehmung bezeichnete Albert Wellek im Hinblick auf etwa die Verknüpfung von Tonhöhe und räumlicher Ausdehnung und deren zeit– und kulturunabhängigen Erscheinungsform als eine Ursynästhesie (zit. in Haverkamp 2009:151). Die Synästhesie als multimodale Wahrnehmung ist somit insofern eines der Leitmotive der Medienkunst (Ranzenbacher 2003: 342) als die Synchronität mehrerer Medien, ihre Echtzeitfähigkeit und Kontinuität als Prinzipien zur Realisierung von Immersion angesehen werden können. Der Rückgriff auf ikonische Zeichen in der grafischen Notation ist eine Wendung zu einer synästhetischen Rezipierbarkeit von Musik (Jauk 2005a: 207), die dem Determinismus des abstrakten musikalischen Codes und dessen Vorschriften die körperliche Immersion und zweckfreien Hedonismus (ebd.) auf der Basis indeterminierter Handlungsanweisungen bevorzugt. Die Synästhesie von klangorientiertem Musizieren und dessen grafischer Entsprechung summiert sich – im Gegensatz zur Translation des abstrakten syntaktischen Codes geschriebener Musik – im technologischen Prozess und über das unmittelbare körperliche Ausdrucksverhalten zum symbiotischen Handlungssystem „Medienkunst“. 95 4 Wahrnehmungsstrategien 4.1 Zeichensysteme / Selbstreferenzialität Die redundante Wahrnehmung von Wirklichkeit ist eine Wahrnehmung von gebündelten Merkmalen der Wirklichkeit, die auf verschiedenen Ebenen der Wahrnehmungssensorien und der damit verbundenen kognitiven Leistungen, Wirklichkeit konstruieren. Dass in der aktiven Wirklichkeitskonstruktion über vernetzte Wahrnehmungsmechanismen die wirklichkeitsanalog–redundante Wahrnehmung der Umwelt vorrangig ist, ist phylogenetisch stringent. Eine der Wirklichkeit analoge Wahrnehmung ist eine Wahrnehmung einer Wirklichkeit erster Ordnung (vgl. Brandstätter 2004: 90f, 105, 130), wobei die distinkten sinnlichen Wahrnehmungsformen über zugeordnete Zeichenanalogien eine Metaebene der Wirklichkeit generieren. Deren multimodale Integration ist die Basis für sinnvolles Handeln und stellt den Bezug zur Alltagswahrnehmung dar. Die von Erwin Panofsky in der Dreiteilung ikonografischer Interpretationsmethoden 103 postulierte vorikonographische Beschreibung (vgl. Panofsky 2006 [1955]: 43f) ist die erste Wahrnehmungsebene, die, der sinnlichen und unmittelbaren Wahrnehmung entzogenen Wirklichkeit nullter Ordnung (Brandstätter 2004: 90f) folgend, basale wirklichkeitsanaloge Zeichenketten generiert. Parallel zu diesen gering semantisierten, auf Körper–Umwelt– Erfahrungen rekurrierenden Zeichen entstehen komplex semantisierte externe Zeichensysteme, die im soziologischen Umfeld oder auch in den Mythen wurzeln. Die interpretative Synästhesie als synchrone, multimodale Wahrnehmung von Zeichen verschiedener Semantisierungsebenen beschreibt einerseits eine subjektive Wirklichkeit und generiert andererseits – in Interaktion mit der Metainstanz Sprache und im Kontext des gegebenen Zeichensystems – neue Bedeutungszusammenhänge. Die relationale Struktur von sinnlichen Wahrnehmungs–Zeichen bedingt so deren Bedeutungs103 Die Dreiteilung der ikonografischen Interpretation wird von Erwin Panofsky als die vorikonographische Beschreibung, die ikonographische Analyse und die ikonologische Interpretation bezeichnet (vgl. Panofsky 2006 [1955]: 43f). 96 konstruktion; dies bedeutet einerseits die Abkehr von der sinnlichen Unmittelbarkeit Hegelianischer Kunstästhetik 104, andererseits die Vermittlung ästhetischer Erfahrung über zeichentheoretische Grundlagen (vgl. Fricke 2001: 63). Das semiotische System Musik basiert, wie grundsätzlich jedes semiotische System, auf der systemimmanenten Funktion, dass eine Interdependenz zwischen der sinnlich wahrnehmbaren Materialität, dem Ton / Klang, (Signifikant) des musikalischen Zeichens und einer konventional–arbiträren Bedeutungszuordnung des notierten Zeichens (Signifikat) herrscht. Die Differenzierung in eine syntagmatisch gegliederte Signifikantenebene, die die formalen Beziehungen zwischen den Signifikanten regelt und der semantisch bestimmten Ebene der Signifikate und deren Bedeutungsbezüge, die die Codes für die Bedeutungszuordnungen induziert, ist für die Definition eines Zeichens als solches elementar. Den syntaktischen Elementen Ton / Klang, dem – musikalisierten – Geräusch und der Notation wird als Elementen der formalen Gestaltung von Musik (auf der Ebene von Codes / Notat im musikalischen Zeichen) Bedeutung zugewiesen, diese Semantisierung ist eine kulturelle Sinnzuschreibung, die jedoch wegen ihrer arbiträren Struktur jederzeit revidierbar ist. Wenn dem musikalischen Signifikant Ton / Klang a priori keine semantische Funktion zugewiesen ist, ergibt sich eine grundlegende semantische Offenheit eines Systems von musikalischen Signifikantenketten (Fiala o. J.: 3), die vorerst ohne jede emotionale oder kognitive Bedeutung bleibt. Solche musikalischen Signifikantenketten oder syntaktischen Strukturen von Musik können somit als semantisch neutrale Strukturen gesehen werden, deren Grad an Neutralität unmittelbar mit deren Grad an Abstraktheit einhergeht, vorausgesetzt die syntaktischen Operationen / Beziehungen bleiben von der Bedeutungsebene, vom Signifikat, entkoppelt. Die in der konkreten Musik (musique concrète) verarbeiteten konkreten Klänge sind als musikalische Signifikanten von ihrer 104 „Die eine Form oder [das erste] [sic] Verhältnis ist die Anschauung, das unmittelbare Wissen von dem absoluten Geiste und eben darum sinnliches Bewußtsein. Das zweite ist das vorstellende Bewußtsein, denn das Sinnliche ist das Unmittelbare.“ (Hegel / Gethmann 2005: 72). 97 Bedeutungsebene entkoppelt, auf der Grundlage der im kompositorischen Algorithmus eingebetteten formal–musikalischen Codes wird eine neue (musikalische) Signifikantenkette ohne Außenreferenz entwickelt, die eine phänomenologische Einordnung der Ausgangsklänge verunmöglicht. Die Richtung der Genese der musique concrète weist vom Konkreten zum Abstrakten 105, hier Signifikantenkette verweist auf sich schlussendlich selbst als die Signifikat, neue musikalische diese Form der Selbstreferenzialität wird gestützt durch die dem Werk inhärente abstrakte Qualität. Die Formalisierung von Musik in grundsätzlich bedeutungsfreien Symbolen des musikalischen Codes bedingt ein semantisch offenes System Musik, das im Regelfall ohne mimetische Referenz 106 zur Außenwelt zu verstehen ist. Durch die Ordnung von syntaktischen musikalischen Elementen, von nichts bedeutenden musikalischen Elementen, in dem willkürlichen gedanklichen Algorithmus der Komposition, wird die Arbitrarität und Bedeutungsneutralität der Musik konzeptualisiert. Im Sinne der Zeichentheorie von C. S. Peirce sind Zeichen einerseits eine geistige Repräsentation von etwas (vgl. Fricke 2001: 64) und haben andererseits Systemcharakter durch interdependente Bedeutungszuweisung in temporär gültiger Eindeutigkeit. Das Zeichensystem Musik ist so als Repräsentation von sich selbst auf der kognitiven, der abstrakten semantischen Bedeutungsebene, schwach codiert (vgl. Fiala o. J.: 5; Eco 1972: 217), auf der emotiven, körperlich unmittelbar rezipierbaren Ebene der Intensität oder des Rhythmus, stark codiert. Somit ergibt sich eine analoge Interdependenz der Quantitäten von Abstraktheit, semantischer Offenheit und 105 Die abendländische Kunstmusik, die so genannte abstrakte Musik entwickelt sich nach Pierre Schaeffer von der Idee über die Niederschrift zur Aufführung, das heißt im Sinne Schaeffers vom Abstrakten zum Konkreten. Im Gegensatz dazu entwickle sich die musique concrète vom Konkreten zum Abstrakten, indem konkretes Klangmaterial seiner Bezüge entkoppelt und in abstrakte musikalische Zusammenhänge eingepasst wird. (vgl. Schaeffer 1974: 19f). 106 „Als vorläufige Antwort auf die Frage [nach dem Abbildcharakter von Musik] kann behauptet werden, daß die zeitgenössischen Spielarten der artifiziellen Musik, seien es die serielle, die aleatorische oder die ‚konkrete’ Musik oder sei es die Musique stochastique, mit keiner der bisher genannten [darunter auch die Mimesis] Abbildbeziehungen zusammenstimmen wollen. (Riethmüller 1976: 30). 98 Aisthetik 107, wobei die De–Semantisierung und somit Abstrahierung mimetisch / ikonischer Musikzeichen (Signifikanten) eine unmittelbare körperlich– sinnliche Wirkweise von Musik induziert. Demgegenüber gilt für Nelson Goodman die semantische Eindeutigkeit als Voraussetzung größtmöglicher Klarheit in der Notation, sie sei ein kommunikationsrelevantes Erfordernis, das die grundlegende Zielsetzung eines Notationssystems, dessen funktionale Disambiguität (vgl. Goodman 1973: 144) sichert. Die Einhaltung semantischer Eindeutigkeit und deren Parameter würde die […] Identität eines Werkes in jeder Folge von Schritten von der Aufführung zur sie enthaltenden Partitur und von der Partitur zur diese erfüllenden Aufführung bewahren (ebd.). Wenn die musikalische Syntax aber als operante Beziehungsstruktur der musikalischen Logik des In–Beziehung–Setzens musikalischer Elemente zur Bildung sinnvoller musikalischer Zusammenhänge (vgl. Faltin 1985: 197) folgt, ist die konstitutive Instanz der Bedeutungsgebung der Produzent / Rezipient. Ein allgemeines, stets der gleichen Logik und den gleichen Wahrheitswerten folgendes Gesetz des musikalischen Denkens ist also wegen der Tatsache, dass es in der Musik weder logische Junktoren 108 mit semantisch genau festgelegter Bedeutung von Operationen gibt (ebd: 83) ebenso ausgeschlossen wie eine Eindeutigkeit und Absolutheit der soziokulturellen und historisch bedingten Semantisierungen. In der wahrnehmungsrepräsentativen Uneindeutigkeit der informalisierten bildenden Kunst 109 wird, in Analogie zum musikalischen Code als formale Struktur ohne syntaktische Ordnungsvorgabe und ohne semantischen Bezug zu Wirklichkeitsphänomenen, die stringente und eindeutige Codierung der gegenständlichen Kunst als Wirklichkeitsrepräsentanz aufgelöst. Durch die Entkopplung von der mimetischen / ikonischen Semantisierung des Gegen107 Während Wolfgang Welsch Ästhetik genereller als Aisthetik versteht, als Thematisierung von Wahrnehmung aller Art (vgl. Welsch 1993: 9), grenzt sich Martin Seel von einer Unterwerfung der speziellen philosophischen Disziplin der Ästhetik unter das Projekt einer allgemeinen Aisthetik ab (vgl. Seel 1996: 59). 108 Junktor, im Sinne von Konjunktion: „[…] in der Aussagenlogik die Verknüpfung zweier oder mehrerer Aussagen als logische Widerspiegelung des Zusammenbestehens von Sachverhalten der objektiven Realität“ (Klaus / Buhr 1964: 288). 109 Informalisierung als Auflösung des Formprinzips zugunsten von Indeterminiertheit, (vgl. abstrakte Strömungen [Informel] in der bildenden Kunst des post–WK II wie Tachismus, action painting, Abstrakter Expressionismus, colorfield painting). 99 ständlichen wird ein Konglomerat formaler Aspekte in einem zum arbiträren Gebrauch verfügbaren (vgl. Schapiro 1994: 274) Beziehungssystem vermittelt, ohne dass zwingend eine Abbildungs– und / oder Interpretationsrelation – resultierend aus dem Vorwissen des Rezipienten – gegeben sei. Die semantische Offenheit der informellen bildenden Kunst bedingt, parallel zur musikalischen freien Improvisation, einerseits eine Entkopplung von den musik– / kunsttheoretischen Regeln zur Generierung indeterministischer Prozesse, andererseits die Kunst als autonomes System mit eigener Syntax, das [den Hörer] veranlasst, nicht allein ein Signifikat für jeden Signifikanten festzustellen, sondern auch dazu, auf den Komplex der Signifikanten zu verweilen (Eco 2002: 73). Die Informalisierung der bildenden Kunst ist so jener Schritt, der die abbildungsneutralen syntaktischen Elemente und somit „nichts“ – bedeutende Formen in den willkürlichen, abstrakten Algorithmus der bedeutungsneutralen Codes integriert. Der Komplex der Signifikanten ist so frei von Außenbeziehung und diese nunmehr autoreflexive Botschaft kann als eigenständiges sinnliches Material als lediglich angenehme Materie (ebd.) aufgefasst und genossen werden. In der Bearbeitung dieses selbstreferenziellen Zeichensystems werden einerseits Vorschriften durch Handlungsanweisungen ersetzt, die eine Trennung von Produzenten und Rezipienten obsolet werden lassen, andererseits wird durch deren Zweckfreiheit der Hedonismus zum Motor ebendieses zweckfreien Handelns (vgl. Jauk 2005a: 207). Die Übertragung von dem ephemeren akustischen Medium (Zeichensystem Musik) in das stabile visuelle Medium (Notation) ist im Sinne intermedialer Transposition 110 eine Übertragung inhaltlich formaler Konzepte von einem Medium in ein anderes. Die mit der konzeptuellen Materialisierung erreichte Stabilität des flüchtigen akustischen Zeichens Musik ist in ihrer Verräumlichung im (grafischen) Notenblatt oder im Tonträger gleichzeitig die Überwindung der zeitlichen Irreversibilität, das ikonische Zeichen Musik wird multimodal–synästhetisch rezipierbar. Dem entsprechend ist das Artefakt in der informellen Kunst die Materialisierung und Verräumlichung einer 110 Werner Wolf weist, unter Hinweis auf Claus Clüver, (1989), On Intersemiotic Transposition, darauf hin, dass die intermediale Transposition mitunter auch als intersemiotische Transposition bezeichnet wird (vgl. Wolf 2002: 171). 100 irreversibel linearen Chronologie und eines ephemeren Ausdrucks unmittelbarer körperlicher Befindlichkeit und wird zum eigenständigen sinnlichen Zeichen, das die Übertragung von Verhaltensweisen, die ihre Ausprägung in der Sukzessivität erfahren, begünstigt und so der Zeitgestalt der Musik näher steht als der Statik der bildenden Kunst (vgl. Rösing 1971: 75). Die Wahrnehmung der Wirklichkeit erscheint als ein komplexes, multimodales Zeichensystem von sinngebenden Signifikanten, die auf verschiedenen Ebenen vernetzt interagieren. Die Identifikation sinngebender Signifikanten im System hängt von deren Relationen und deren Differenzen innerhalb des Zeichensystems und der aktiven Konstruktionsleistung des wahrnehmenden Subjekts ab. Das Zeichensystem Kunst ist, die De–Semantisierung der Signifikanten vorausgesetzt 111, ein selbstreferenzielles, es verweist auf sich selbst als einen Komplex von Signifikanten, der nicht die Wirklichkeit beschreibt, sondern beschreibt, wie er die Wirklichkeit beschreibt (vgl. Jauk 2005a: 490). Dass die zeichenhafte Wahrnehmung des Werkes – des Notentextes oder des Bildes – in ihrer hypertextuellen Struktur und non– Linearität sich über Beziehungen und prozessualer Diachronie definiert, weist auf die Dominanz der Form und zugleich auf deren inhärente non–Narrativität hin. Der Komplex von Signifikanten als präsentative Formen ist, im Gegensatz zur sukzessiv–diskursiven Symbolik der Sprache (vgl. Langer 1965: 86f), die Bedeutung von Beziehungen innerhalb einer ganzheitlichen Struktur, die in simultan–integrativer Wahrnehmung eine rein konnotative Semantik (ebd.: 107) transportiert. Die dieser konnotativen Semantik zugrundeliegende emotionale Erfahrung konstruiert eine simultane und holistische Wahrnehmung, die in Beziehung mit der subjektabhängigen inneren Dauer (durée) intuitiv erfasst wird: 111 Dies gilt für eine Wahrnehmung von Renaissance–Malerei ebenso wie für Werke der abstrakten Kunst oder der Konzept Kunst. Vorauszusetzen ist die Entkopplung von Signifikat und Signifikant, wobei die Bedeutungszuordnung abhängig vom Wissenshintergrund der symbolischen Ikonographie möglicherweise in der Renaissance–Malerei eine intensivere war. 101 „Sie [Anm.: die präsentativen Symbole] bieten ihre Bestandteile nicht nacheinander, sondern gleichzeitig dar […]. Daher ist ihre Komplexität nicht wie die des Diskurses nach Maßgabe dessen begrenzt, was der Geist vom Beginn eines Auffassungsaktes bis zu seinem Ende behalten kann.“ (Langer 1965: 99). In der Strukturarbeit, im verstehenden Nachvollziehen (Jauk 2005a: 232) des musikalischen Zeichens, wird die musikalische Form vom Sinnlichen entkoppelt und rational als beziehendes Denken (vgl. Riemann 1975 [1914/15]) analysiert. Die Formalisierung von Musik im musikalischen Code des beziehenden Denkens und deren Rezeption in der konnotativen Semantik des präsentativen Zeichensystems verweisen auf die Parallelen von Musik als beziehendem Denken und von Zeichensystemen als beziehendem Denken. Beiden Strukturen ist die – temporäre – Zuweisung von Bedeutungen aufgrund von Beziehungen gemein, deren Sinnzuschreibung eine semiotische Kompetenz im Sinn des Gebrauches eines Zeichensystems für kognitive und kommunikative Zwecke im Rahmen konventionaler oder individueller Vorgaben bedingt. Die internen Zeichensysteme, Wirklichkeiten erster Ordnung (Brandstätter 2004: 89) verweisen auf eine nicht–semantisierte, von Bedeutungszuschreibungen freie Wahrnehmung 112, die externen Zeichensysteme, Wirklichkeiten zweiter Ordnung (ebd.) oder höher verweisen auf eine höher semantisierte, bedeutungsgeladene Wahrnehmung. In einem präsentativen Zeichensystem sind die internen und externen Zeichensysteme wie die Wirklichkeiten verschiedener Ordnung interdependent und in einem hypertextuellen Bezugsrahmen ganzheitlich erfahrbar. Der konstruktiv–kommunikative Charakter des Zeichensystems der grafischen, synästhetischen Notation erschließt sich in der interdependenten Beziehung von graphischer figura (Walter 1994: 185f) und klanglicher Bedeutung. In dieser intendierten willkürlichen Bearbeitung von musikalischer Zeit in syntaktischen Codes findet sich die Parallele zur 112 Vgl. auch die Dreiteilung ikonografischer Interpretationsmethoden (Panofsky 2006 [1955]: 43f). 102 Mediatisierung der bildenden Kunst über den bedeutungsfreien – digitalen – Code. 4.2 Ästhetische Erfahrung Dass es sich bei einem materiellen Objekt und / oder einem immateriellen Sinneseindruck, einer Situation, um ein Kunstwerk handelt, ist keine Erkenntnis, die dem Rezipienten inhärent ist, sie basiert auf Vorwissen und spezieller Information. So ist die Erkenntnis von Geräusch als die klangliche Basis des musikalischen (Kunst)Werks wie das Zur–Verfügung–Stellen des nicht Fassbaren (vgl. Welsch 1993: 89) im abstrakten Bild nach Welsch ein Übergang von einer Ästhetik des Schönen zu einer Ästhetik des Erhabenen (vgl. Barnett Newman, Vir Heroicus Sublimis, 1950 – ´51). Indem das Bild nicht nur im Auge entsteht, sondern auch im Geist (Lyotard 85: 97), wird das Erhabene zum Motor einer unabsehbaren Reihe von Möglichkeits– und Wirklichkeitsexperimenten (ebd.: 91). Edmund Burke definiert die Quelle des Erhabenen als dasjenige, das die stärkste Bewegung hervorbringt, die zu fühlen das Gemüt fähig ist (Burke 1989 [1757]: 72) und betrachtet somit immer eine Art von Schrecken oder Schmerz [als] die Ursache des Erhabenen (ebd.: 176), eine ebenso anästhetische 113 Reizkonfiguration wie Blitz, Störung, Sprengung oder Fremdheit (Welsch 1993: 39). Der zeitgenössischen Kunst wird im Zusammenhang mit Anästhetik von Odo Marquard die Funktion des Sehens des bisher Nicht–Gesehenen (vgl. Motte – Haber 2004: 422) zugewiesen. In der Neuen Musik beschreibt die auf den russischen Formalismus zurückgehende Verfremdungstheorie 114 die Differenzen zwischen eingeschliffenen Gewohnheiten des Rezipienten und neu zu initiierenden Kognitionen (ebd.: 421), eine Anästhetik, die die Regelmäßigkeit sinnlicher Wahrnehmungsautomatismen stört. 113 Anästhetik als Komplementarität, als Kehrseite zur Ästhetik (Welsch 1993: 10). Jurij Striedter zur Verfremdungstheorie Viktor Sklovskijs: „Einmal dient die Verfremdung dazu die […] automatisierte Wahrnehmung zu erschweren, zum anderen wird […] die durch Verfremdung erschwerte Wahrnehmung auf die verfremdende und erschwerte Wahrnehmung selbst gelenkt“ (Striedter 1994 [1969]: XXIII). 114 103 Die Bindung ästhetischer Erkenntnis an das sinnlich–signifikative Geschehen des künstlerischen Erscheinens (vgl. Seel 2003: 192) fordert einerseits wegen der Indetermination ästhetischer Prozesse das Denken in Differenzen, andererseits das Denken in Analogien und Metaphern. Das Erfassen von Wirklichkeit in der abstrakten Kunst ist wegen des Fehlens konventionalisierter, mimetischer Beziehungen eine auf metaphorischen Beziehungen basierende Zeichenfunktion, die sich in ihrer semantischen Offenheit an der konnotativen Semantik von Musik (Langer 1965: 107) orientiert. Dem Prinzip der Sinnerzeugung aus Differenz innerhalb eines strukturellen Gefüges von Signifikanten entspricht, dass sich dessen Wert aus der Differenz, aus dessen was er nicht ist, ergibt und so keine fixierte und eindeutige Bedeutung hat, diese ändert sich nach dessen jeweiliger „Position“ im System. Eine in diesem System enthaltene Rezeptionsästhetik ist vom Vorwissen, von der Bildung und von der Anteilnahme der Rezipienten am ästhetischen Prozess abhängig, je karger und gleichgültiger also die Symbolik des zugrundeliegenden Zeichensystems, umso größer ist seine semantische Kraft (vgl. Langer 1965: 83). Anstelle der Objekte des sinnengeleiteten Wahrgenommenwerdens (Seel 1996: 105), eines Werks im gegenständlichen Sinn oder als einem in sich geschlossenen Zusammenhang, tritt der ästhetische Prozess, in dem die unterschiedlichsten Aspekte der ästhetischen Situation thematisiert und reflektiert werden können (Sanio 2004: 360). Die Emanzipation des Geräusches steht als richtungsweisend für eine Emanzipation der Malerei von ihrer dienenden Aufgabe als Darstellung der äußeren Wirklichkeit (vgl. Brandstätter 2008: 74), die (Selbst)Befreiung der abstrakten Kunst von der Außenreferenz findet sich so in Differenz zum rezipientenseitigen Erfahrungswissen. Das materiale Kunstwerk verliert seine prioritäre Stellung als ästhetisches Objekt, an seine Stelle tritt die Interaktion mit dem materialen Artefakt und – wie bei John Cage – ein ästhetischer Prozess, in dem die unterschiedlichsten Aspekte der ästhetischen Situation thematisiert und reflektiert werden können (Sanio 2004: 360). Die ästhetische 104 Rezeption von Kunst ist so in den Avantgarden 115 eine reflexive (Lyotard 1985: 38), in der postmodernen Kunst der 1980er Jahre wird die reflexive Ästhetik durch eine Ästhetik der sinnlichen Abstraktion – oder des Hedonismus – abgelöst, die gekennzeichnet ist von der postmodernen Pluralität des lustvollen Eklektizismus. Dass die Wirklichkeitssicht als reine Sinneserfahrung bereits ein Prozess der Formulierung ist, eine unbewusste Gliederung der Sinnesdaten in Formen und Muster, ist für Susanne K. Langer die primitive Wurzel aller Abstraktion, die ihrerseits der Schlüssel zur Rationalität ist (Langer 1965: 69). In der Aufhebung der Grenze zwischen Reflexion und Hedonismus ist, wegen der Befreiung von den strikten Regeln der Avantgarde durch einen tendenziellen Hedonismus, die Verschiebung von Kunst–Werk zum Kunst– Ereignis (Steinert 1989: 100)116 enthalten. In dem aus einem Prozess der De–Semantisierung 117 entstandenen und so einer Bedeutung enthobenen, funktionslosen Zeichensystem Musik ist das staunende Hinhorchen entsprechend der Erwartung, die durch das ästhetische Objekt evoziert wird, an die Stelle des Verstehens getreten (vgl. Tibor Kneif zit. in Knepler 1982: 521). Durch einen Überschuss an Intention (Knepler 1982: 522) entstandene zeichen– und funktionslose ästhetische Objekte initiieren jene kommunikativen Regelkreise zwischen Produzent–Objekt–Rezipient, die, im Sinne einer subjektiven Rezeptionsästhetik erkenntnisleitend (vgl. Sanio 2004: 406f) und so bedeutungsgeladen wirken. Die bedeutungsgebende Realität ergibt sich durch die ästhetisch–kognitiven Übereinstimmungen, die in einer Gruppe von Rezipienten entstehen und wird durch die subjektiven Zustände kollektiven Bewusstseins (vgl. Faltin 1972: 204ff), die bei den Rezipienten durch das materielle Objekt hervorgerufen werden, bestimmt. 115 „Die Rezeption von Kunst kann sich […] nicht mehr auf das sinnliche Wahrnehmen beschränken; sie wird nun in erster Linie eine Aufgabe für den Geist und das Denken. Die Reflexion ist Lyotard zufolge das entscheidende Moment in der Veränderung der traditionellen Malerei. Bezogen auf die Werke der bildnerischen Avantgarden kann er [Lyotard] somit feststellen: ´Die Malerei ist wesentlich reflexiv geworden.´“ (Friesen 1995: 72). 116 „Für dieses Kunstverständnis ist statt der Bezeichnung »reflexiv« die der »Postmoderne« gebräuchlich, allerdings in dem Sinn einer Befreiung von den strengen Normen der Moderne und der Avantgarde, wie sie in den 1950er Jahren verstanden wurde, nicht in dem Sinn des Rückgriffs auf traditionelle Vorstellungen und historische Formen, wie der Begriff seit den 1980er Jahren gebraucht wird.“ (Sanio 2004: 367). 117 Georg Knepler bezeichnet dies als Entsemantisierung (vgl. Knepler 1982: 521). 105 Die individuelle ästhetische Erfahrung von Musik ist eine subjektive und ist abseits von der rational–diskursiven Dichotomie der affektiven Dimension des Geschmacksurteils und der kognitiven Dimension des Sachurteils (Tadday 2004: 402) eine ästhetische Erfahrung des Körpers, die, gekoppelt an die Lebenswelt des Rezipienten, erkenntnisleitend und wirklichkeitskonstruierend wirkt. Somit ist eine ästhetische Erfahrung von Musik eine vorerst ästhetische Reflexion des Körpers, noch nicht die logozentristisch ästhetische Rationalität im Geiste (ebd.: 403), eine Unmittelbarkeit biogener Einstimmungselemente (Knepler 1982: 125), die in einem Dialog von individueller Sinnlichkeit und kognitivem Erkenntnisinteresse die Ästhetisierung des Alltags und dessen kollektive Konstruktion konstituiert. 4.2.1 Psychologische Ästhetik / (Kognitive Ästhetik) Die Beziehung zwischen Hedonismus 118 – als Form lustbetonter Erlebnisreaktion – und einer individuellen Variabilität ästhetischen Erlebens wird in den new experimental aesthetics (vgl. Berlyne 1974 [1960]; Jauk 2004a: 207f) bestimmt durch Reizvariablen, die eine Gratifikation des Lusterlebens ermöglichen. Das Lusterleben ist in der epikureischen Philosophie ein unteilbares, in der Annahme, dass von Lust als höchstem Gut alle anderen Werte abgeleitet werden, 119 erscheinen somit verschiedene Lustarten quantitativ mehr oder weniger lustvoll, dies gilt aber nicht als qualitativ–wertende Differenz Handlungsentscheid. Der in einem Gratifikationswert hedonistisch für Abwendung zu besonderen Sinnesreizen wird in 118 besondere geprägten Zu– oder den new experimental „Wenn man als höchstes Prinzip alles menschlichen Handelns den größtmöglichen Lustgewinn ansieht, dann müsste sich jede einzelne Handlung eindeutig daraus ableiten lassen. Das geschieht mit Hilfe des ‚hedonistischen Kalküls‘, das darin besteht, dass man die bei einer Handlung zu erwartende Lust und Unlust gegeneinander verrechnet, um so den ´Gratifikationswert` zu erhalten. Gewählt wird dann jeweils die Handlungsalternative mit dem größten Gratifikationswert“ (Hossenfelder 2008: 44f). 119 „Aristipp, der Begründer des kyrenaischen Hedonismus, lehrt, ‚dass Lust von Lust sich nicht unterscheide und nichts lustvoller sei‘. […] Damit kann gewiss nicht gemeint sein, dass die Lust überhaupt keinerlei Grade kenne, sodass nie eine Sache lustvoller sei als eine andere. Lust ist immer ein und dasselbe, aber sie kennt […] unterscheidbare Zustände, sofern sie in der Quantität schwanken oder dauern kann.“ (Hossenfelder 2008: 45). 106 aesthetics von der subjektiven Interpretation des Wahrgenommenen – dem ‚hedonischen Wert‘ des Gegenstandes / Werkes – und den dem Wahrgenommenen anhaftenden ‚kollativen‘ Reizvariablen (vgl. Allesch 2006: 78) bestimmt. Die kollativen Reizeigenschaften oder collative variables (Jauk 2004a: 214) sind als eine Form subjektiv orientierter Stimuli ein Trigger für erfahrungsbasierte Vergleichsprozesse, die eine Zuwendung zum Zeichen Kunst initiieren. Kollative Variable sind Variablen des Vergleichs – wie Ungewissheit, Neuheit, Komplexität, Regellosigkeit – die durch ein In– Beziehung–Setzen mit erlernten Erfahrungen und Erwartungen eine epistemische Neugier (vgl. Berlyne 1974: 349) aktivieren. Zusammen mit der Intensität des Reizes – wie Lautstärke – und / oder damit verbundenen Schlüsselreizen – wie Bedrohlichkeit – sind diese konflikt– und damit aktivitätsinduzierende Qualitäten der Reize (vgl. Jauk 2004a: 214) objektivierbare Gegebenheiten der Interessenszuwendung. Die umgekehrt U – förmige Relation zwischen der Komplexität des Reizes und dessen empfundener Erfreulichkeit und Wohlgefallen kennzeichnet das von dem Reiz hervorgerufene Aktivierungspotential. Wie in der Informationsästhetik, gestützt auf das Homöostaseprinzip (vgl. Jauk 2004a: 213), auf das Vermeiden zu einfacher oder zu komplexer Reize und der Wiederherstellung eines Gleichgewichtszustandes, steigt bei zunehmender Aktivierung das Wohlgefallen an, bei zu großer Aktivierung / Erregung kippt das Wohlgefallen in Unlust. Die Erregung ist ein Indikator der Intensität von Emotion, die Aktivierung einer Komponente. So wird die unmittelbare körperliche Aktivierung durch empirisch erfahrbare driving effects, das heißt mittels einer unmittelbaren Aktivierung durch die [physikalische] Intensität von Stimuli (ebd: 220) neben den kollativen Variablen mitbestimmt. In den informationsästhetischen Ansätzen wird das ästhetische Empfinden über die Quantifizierung des Informationsgehaltes einer Reizübertragung definiert, somit ist ein materielles Objekt […] ein ästhetisches Objekt, wenn es in einem Kommunikationsprozess als Zeichenträger fungiert und die Konstellation der Zeichen dabei ästhetische Information überträgt (Nake 1974: 65). Die Menge 107 der Elemente oder der Zeichen, aus der ein ästhetisches Objekt besteht, bestimmt dessen elementaren Informationsgehalt, die Information erster Ordnung, die eine basale Identifikation des Reizes / Ereignisses / Objekts über non–semantisierte Merkmalsbündel ermöglicht und einen Anteil ästhetischer (Reiz)Information höherer Ordnung(en). Die relevante Beziehung zwischen elementarem Informationsgehalt und ästhetischem Empfinden ist definiert im Verhältnis von Ordnung und Komplexität, 120 von redundanter Reizinformation und spannungserzeugender Neugier. Für eine objektive, quantifizierbare Erfassung von ästhetischer Information ist es nach Abraham Moles und Frieder Nake notwendig, das (Kunst)Werk als eine Dichotomie von ästhetischen und semantischen Eigenschaften zu sehen (vgl. Nake 1974: 67), um schließlich die empfindungsauslösenden, ästhetischen von den bedeutungstragenden, semantischen Inhalten zu abstrahieren. Die Botschaft / Kommunikation des (Kunst)Werkes ist demnach die Gesamtmenge von individualisierten ästhetischen Zeichen und standardisierten semantischen Zeichen; die Ausschließung des semantischen Aspektes bedingt somit die Messbarkeit der ästhetischen Information des Objektes (vgl. Nake 1974: 70f): „Ästhetische Information ist ‚die Information, welche noch in den Zeichen steckt, wenn ihre Bedeutung bereits bekannt ist‘“ (Helmar Frank zit. in Nake 1974: 70). Aus der Trennung der semantischen von den syntaktischen Elementen zur Messung ästhetischer Information kann – nach Frank – die folgende Überlegung abgeleitet werden: dass die Abnahme der semantischen Funktion mit der Zunahme an ästhetischer Information verbunden sei. Indem die Ästhetik mit den syntaktischen Aspekten des Objektes, also der Information über die Anordnung der Zeichen – nicht über die Zeichen selbst (Nake 1974: 73), gekoppelt ist, ermöglicht dies diese Definition von Informationsästhetik 120 George David Birkhoff definiert das ästhetische Empfinden (M) als Ordnung (O) durch Komplexität (C): M = O/C. Dass die Birkhoff‘sche Formel ein eher willkürlicher Ansatz zur Verdeutlichung von ästhetischer Erfahrung ist, zeigt die multiplikative Verknüpfung derselben Faktoren in M=O*C bei Adolf Vukovich und auch Martin Schuster, eine Formulierung, mit der auch Hans Jürgen Eysenck experimentierte (vgl. Allesch 2006: 81f). 108 auf Objekte / Zeichen ohne oder mit geringer semantischer Funktion – wie die abstrakte Kunst oder die Musik – anzuwenden. In der Komplexität des ästhetischen Objektes begründet sich aber die Beschränkung adäquate Algorithmen zur Beschreibung und Objektivierung ästhetischer Information zu finden. Weiters wird die implizite Intention, das ästhetische Objekt aus dem subjektiv lebensweltlichen Zusammenhang zu isolieren, als dem Erkenntnisstand der empirischen Kognitions– und Kommunikationsforschung nicht mehr entsprechend (Wolfgang Köck zit. in Allesch 2006: 90) gesehen. Wenn die körperliche Empfindung eine basale Größe ästhetischen Empfindens ist (Jauk 2004a: 216), wird diese in den Merkmalen des Wahrnehmungsobjektes ausgelöst (kollative Variablen), die darauf gerichteten subjektiven Prozesse sind interaktiver Teil der ästhetischen Gegenstandskonstruktion (vgl. Allesch 2006: 147). Die Auslösung von unmittelbarer körperlicher Erregung bei (Rock)Musik mit hoher Intensität wird einerseits über syntaktische Elemente 121, ästhetische Zeichen, die nichts bezeichnen aber dennoch Bedeutung haben (Faltin 1985: 33) und die emotionale Reagibilität verstärken, andererseits durch parallele kognitive Prozesse, die eben diesen Erregungszustand bezeichnen und bewerten, getriggert. In der kognitiven Wende wird der Paradigmenwechsel von einer behavioristischen, primär reizgesteuerten Wahrnehmung zu den Modellen konzeptgesteuerter, aber von subjektivem Verhalten beeinflusster Wahrnehmung postuliert. Das ist gleichzeitig eine Abkehr von einer einseitigen Richtung von Wahrnehmung, der Wahrnehmungsprozess wird nicht mehr ausschließlich bottom up, vom Reiz zur Empfindung verlaufend, sondern auch top down, vom wahrnehmenden Subjekt zum beobachteten Objekt, gesehen. Nach der Theorie der kognitiven Orientierung (vgl. Kreitler / Kreitler 1980: 36) fungieren ästhetische Reize nicht primär als Erregung auslösend, sondern Orientierungsreaktionen auslösend, wobei das Erkennen von Alltags– 121 Anm.: Innermusikalische Elemente wie Rhythmus, Dynamik und Klang. 109 Objekten 122 als eine vollständige, bekannte, sichere und daher spannungsfreie Orientierung zu sehen ist. Das Erkennen von Kunstobjekten sei eine unvollständige Orientierung (vgl. Allesch 2006: 99); sie erzeugt jene Spannung, die sich in äußerlicher Erforschung durch erhöhte Aufmerksamkeit und verstärkter Wahrnehmung des Kunstreizes und innere Erforschung in Form von Assoziationen und ´Bedeutungserweiterungsprozessen´ (ebd.) äußert. Die Objekte / Situationen als Gegenstand ästhetischer Wahrnehmung werden mit einem spezifischen, den Lebenswelten und Erfahrungen des analysierenden Subjekts angepassten, persönlichen Beteiligtsein (Kreitler / Kreitler 1980: 41f) untersucht und bewertet. Die Grundlage der Beurteilung ästhetischen Vergnügens ist nach wie vor die Spannung und Erregung, wird aber beeinflusst durch Sozialisation, Lerngeschichte, individuelle Befindlichkeit und die mit den subjektiven Persönlichkeitseigenschaften verbundenen Präferenzen. In einer subjektiven Ästhetik wird das Werk als Reiz betrachtet, der in kognitiven Ansätzen nicht unmittelbar Auslöser einer Reaktion ist, sondern Grundlage der subjektiven Interpretation des Wahrgenommenen, die schließlich erst zum Erleben führe (Jauk 2004a: 211). Die kognitive Musikpsychologie sieht die ästhetische Wahrnehmung als Wechselbeziehung zwischen hörendem Subjekt und seiner Umwelt, sie erhält ihre ästhetische Bedeutung aus dem Zusammenspiel situativer Hörwelten und deren multimodaler Integration. Die körperliche Aktivierung durch acoustic driving effects ist eine Aktivierung, die vor einer kognitiven Interpretation des Gehörten wirkt und deren emotionale Wirkung in die situative, kognitive Interpretation des auditiven Stimulus einfließt und mit diesem wechselwirkt. Die Erregung, die mit der körperlichen Rezeption und Aktivierung über die (Rock)Musik und deren exiting sounds (Jauk 2004a: 218) einhergeht, ist unspezifisch, die außermusikalischen Bedeutung der Erregung Umraum und dessen wird in kognitiver Folge vom Interpretation mitbestimmt. 122 Zu Alltagsobjekten und Kunstobjekten vgl. Konrad Paul Liessmann: „Die Entgrenzungen und Ausweitungen des Kunstbegriffs auf der einen Seite und die Ästhetisierungen des Alltagslebens auf der anderen, korrespondieren […] mit einer kulturellen Entwicklung, die es immer weniger plausibel macht, die Ästhetik auf die Künste beschränken zu wollen.“ (Liessmann 2004: 16). 110 Eine erheblich erhöhte Intensität der Musik scheint jedoch den Anteil der kognitiven Komponenten zu umgehen (vgl. ebd.), die Wucht der Musik erzeugt unmittelbare Erregung im Sinne einer Spannung–Lösung–Verknüpfung. Hier entsteht keine Kontradiktion der kognitiven Interpretation, die Schwerpunkte in der Wechselwirkung zwischen den Eigenschaften des Gehörten und der subjektiven Interpretation sind in Richtung Intensität und so unmittelbarer Körperlichkeit verschoben. Der in Anlehnung an Friedensreich Hundertwasser 123 verwendete Terminus einer vierten Haut (Schurian 1992: 116f) als eine aus verschiedenen, artifiziellen oder non–artifiziellen, akustischen Reizen und deren Beziehung zu subjektiven, vernetzten Klangräumen zusammengesetzte Klangumwelt weist einerseits auf eine ontogenetische Klang–Signal–Wirkung, andererseits auf eine situativ bedingte multisensorische Integration. Die ästhetische Bedeutung multisensorischer Integration konstituiert sich über eine Verschachtelung situativer Hörwelten und den Eindrücken anderer Sinne (vgl. Schurian 1992: 120) mit der maximalen Ich–Beteiligung und der damit einhergehenden Auflösung der Subjekt–Objekt Distanz (vgl. Motte – Haber 2004: 428). Der körperlich– somatische Stimulus wirkt über eine physiologische Resonanz des Körpers ebenso wie im daraus folgenden psychischen Bewegtsein, beide Komponenten sind Faktoren eines kybernetischen Regelkreises, der das ästhetische Erleben steuert. Das postmoderne Pastiche (Lyotard 1985: 29) von ehemals avantgardistischen Techniken der klassischen Moderne ist ein – möglicherweise – reminiszierender Remix der 1920er Jahre. Die Techniken der Collage, Montage, Dekomposition 124 werden in der Zeit erweiterter technoid–medialer Möglichkeiten zu einer ästhetischen Praxis der Massenkultur. Die digitalen Medien der Informations– und Kommunikationstechnologie erlauben subjektive Wirklichkeitskonstruktionen, die vom Gebraucher selber hergestellt (Oswald Wiener zit. in Schurian 1992: 175) werden können, die 123 Friedensreich Hundertwasser forderte in einer Nacktrede (München, Dez. 1967, Galerie Hartmann) das Anrecht des Menschen auf die Dritte Haut, als eine humane Architektur, neben der zweiten Haut, der Kleidung. (vgl. Restany 1998). 124 Wolfgang Welsch beschreibt mit Bezug auf Lyotard, wie die Avantgarde der Moderne als Vorläufer postmodernen Denkens gewertet werden kann (vgl. Spielmann 2002: 250f). 111 Zusammenführung von Technik und Ästhetik findet sich in der Interdependenz von Ästhetik und (digitalem) Medium. Der Verzicht auf die Zeichenbedeutung in der digitalen Information (vgl. Kap. 5.2 DER DIGITALE CODE) reduziert die Wirklichkeit auf Informationen ohne Analogie zu ihrem Ursprung (Lyotard 1985: 10); das Zeichen wird zum immaterialisierten Träger eines unendlichen Bedeutungsraumes, da das Zeichen, die Form, auch von jeglicher Selbstreferenzialität befreit ist (Berr 1994: 179). Die Bedeutungsfreiheit oder semiologische Kargheit (vgl. Langer 1965: 83) des digitalen Zeichens und der damit verknüpfte extrem hohe Abstraktionsgrad (vgl. Giannetti 2004: online) ist reziprok zu dessen basalem, syntaktischem Informationswert. Die Einbindung in das interaktive System von generativer Ästhetik 125 und partizipativem Kommunikationsprozess rückt die digitale Kunst in die Nähe zum radikalen Konstruktivismus, indem die individuelle Gedächtnisleistung frühere ästhetische Erfahrungen mit aktuellen subjektiven Sinnesreizen in Beziehung setzt. Dies eröffnet kommunikative interaktive Handlungsräume, die Ästhetik wird als ein Faktor des Mediums Kommunikation zu einer prozesshaften Kategorie des sozialen Systems (Kunst)Werk und Kommunikation. Wirklichkeitskonstituierend im Prozess Kunst / Ästhetik / Kommunikation sind so Wirklichkeitskonstruktionen, anthropologisch bedingter die mit den Wahrnehmungsformen Strukturen korrelieren historisch– und die Schemata evolutionärer Veränderungen erfüllen. 4.3 Kommunikation Der kommunikative Prozess im musikalischen Ausdrucksverhalten ist als eine analoge Kommunikation (vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2007 [1969]: 63 Abs. 2.53) zu sehen. Deren Ausdruckssignale / Ausdrucksbewegungen ist keinerlei denotative Bedeutung immanent, sondern wird durch (inter)aktive 125 „generative ästhetik ist also […] ein analogon zur generativen grammatik, als sie wie diese, sätze eines grammatischen schemas, realisationen einer ästhetischen struktur liefert.“ (Bense 1982 [1965]: 333). 112 Beziehungen zu anderen Teilnehmern definiert. Diese beziehungsbasierte analoge Kommunikationsform ist zum einen abhängig von bestimmtem Vor– oder Erfahrungswissen des Teilnehmers und ist somit an eine Außenreferenz gebunden, zum zweiten kann sich Ausdrucksverhalten über Formalisierung zu kommunikativer Gestik und zum willkürlich veränderbaren Zeichen126 entwickeln. Diese kommunikativen Prozesse sind nonverbale Kommunikation Sinne zu sehen, im als vorsprachliche emotiv–kognitiver Kommunikationssysteme, die vorwiegend emotiven Charakters sind, aber […] auch Träger kognitiver Mitteilungen (vgl. Knepler 1962: 73) werden können. Die Wirkung kollektiven Musizierens auf die inneren Zustände des menschlichen Körpers, die somatisch erlebt sind, werden zur Quelle extern geäußerter Bewegungen (Shepherd 1992: 54 / online), die Klangerzeugung ist das Artefakt der Körperbewegung, der motorischen Struktur und der gestischen Muster (Richard Middleton zit. in Shepherd 1992: 54 / online) der Erzeugung. Die grundsätzliche Ähnlichkeitsbeziehung analoger Kommunikation mit dem zu Bezeichnenden zeigt, dass die analoge Kommunikation ihre Wurzeln in viel archaischeren Entwicklungsperioden und so eine allgemeinere und umfassendere Gültigkeit hat als die viel jüngere und abstraktere digitale Kommunikationsform einer willkürlichen Kodifizierung (vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2007 [1969]: 62f Abs. 2.52). Die willkürliche Zuordnung der Bezeichnung in der digitalen Kommunikation bedingt deren diskrete Struktur und deren linearen Charakter in der Zeitauffassung. Die klare Trennung des Entweder – Oder und des Vergangenen – Zukünftigen weist das digitale Mitteilungsmaterial 127 als komplexer und vielseitiger in abstrakten Definitionen aus, demgegenüber ist es defizitär in der klaren Definition von analogen Beziehungen: 126 Vgl. die Entwicklung der Neumennotation als Formalisierung musikalischen Ausdrucksverhaltens zum willkürlich veränderbaren Zeichen (Kap. 3.1 MUSIK – BEFREIUNG VOM NOTIERTEN). 127 Anm.: In Form der logischen Syntax digitaler Sprach–Kommunikation. (vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2007 [1969]: 66 Abs. 2.54). 113 „Zusammenfassend ergibt sich als […] metakommunikatives Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen diese Semantik, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax.“ (Watzlawick / Beavin / Jackson 2007 [1969]: 68 Abs. 2.55). Eine digitale Kommunikation, die nur eine bestimmte Wirklichkeitsbeschreibung zu einem bestimmten Zeitpunkt zulässt, bedarf so des analogen Regulativs, das der sequenziellen, linearen Verarbeitung des Wahrzunehmenden die Simultaneität wahrnehmender Mustererkennung zur Seite stellt. Die musikalische Kommunikation weist gerade jene innere Logik auf, die strukturiert (das Geordnete, das Rationale, das Zerebrale) als auch die unstrukturierte Welt (der sprunghaften, ekstatischen jouissance 128, der hemmungslosen hedonistischen Vergnügungen) strukturierend ist. Musik wirkt direkt auf die komplexen Vermittlungen gesellschaftlicher, kultureller und biographischer Faktoren und ist gleichzeitig ein nicht–denotatives, körperlich bedingtes Vergnügen (vgl. Shepherd 1992: 54 / online). In der Kommunikation gestischer Muster wird die Erfahrung der Klangwahrnehmung einer Wahrnehmung des Fluiden und Umhüllenden von Klang zur Erklärung und Beschreibung einer dynamischen Ereigniskunst im Kommunikationsraum (Jauk 2009: 380f), in dem strukturelle Interferenzen zwischen Musik und bildender Kunst erkennbar werden. In der Idee des (musikalischen) Prozesses als die Inszenierung einer bestimmten konkreten Situation, die wegen unserer Einbindung in diese Prozesse und der daraus entstehenden Distanzlosigkeit ihrer Linearität entkoppelt wird 129, ist eine Form des Kommunikationsraumes, der sich über das ästhetische Angebot von 128 Anm.: Der Begriff jouissance wird bei Barthes, Lacan und Kristeva (in diffuser Abgrenzung zu plaisir ) in die Nähe des Dionysischen gerückt, indem er auf die unmittelbare, unbewusste, sich dem Sinn entziehende Form der Lust angewendet wird [Lust ist sagbar, Wollust (jouissance) nicht. Die Wollust ist un–sagbar, unter–sagt] (vgl. Brune 2003: 205ff). 129 “Do we have, if not ideas about we´re doing, feelings about our actions what we´ve made? We´re losing them because we´re no longer making objects but processes and is easy to see that we are not seperate from processes but ara in them, so our feelings are not about but in them.“ (Cage 1973: 236f). 114 emotional–körperlicher Bewegtheit und kognitivem Vergnügen definiert. Eine Konstruktion, die sich auch in einem kybernetischen Regelkreis emotiver Kommunikation zwischen den subjektiven Eckpunkten „schön“ und „hässlich“, zwischen Zusammenhang und Nicht–Zusammenhang, […] an der Grenze des Fruchtlandes (vgl. Boulez 1955: 56) etabliert. Die doppelte Bestimmung von kommunizierendem Vergnügen im körperlich– seelischen Affiziert–Sein (Motte – Haber 2004: 426) – durch kognitive Qualität und körperliche Intensität – zeigt sich in der Darstellung sentischer 130 Zustände (Clynes 1996: 59). Die grafische Darstellung des expliziten Zusammenhanges von kognitiver Gehirntätigkeit, deren emotionaler Entsprechung und schließlich deren medialer Kommunikation (im Klang, oder vice versa, im körperlichen Ausdrucksverhalten) als sentische Formen (Clynes 1996:60) zeigt eine grundlegende Beschreibung emotionaler und nonverbaler Kommunikation. Der aktive Verzicht auf kulturelle Überformung durch geltende Konventionen ist eine Voraussetzung für die nonverbale Kommunikation. Das körperliche Ausdrucksverhalten, formalisiert in den sentischen Formen, ist als Paradigma kollektiven Musizierens zu erkennen. Im Kommunikationsprozess des Free Jazz, einer informellen Gestaltungsform kollektiven Musizierens, wird musiktheoretisches Wissen „aktiv“ übersprungen um nicht–willentlich den musikalischen Prozess freier Improvisation zu initiieren. Diese willkürliche Umgehung von (musikalischem) Erfahrungswissen ist auch die Umgehung von an die Außenreferenz gebundenen kausalen Denksystemen; die informelle transaktionale Konversation durch non–verbales, instrumentalisiertes Ausdrucksverhalten wird zum kollektiven Handeln. Kommunikation wird im dynamisch – transaktionalen Ansatz als dynamischer Prozess, gekennzeichnet durch Intentionen und Antizipationen in Bezug auf Wirkung auf Andere (vgl. Wünsch 2007: 22) gekennzeichnet. In einem solchen Prozess beschreibt die Transaktion 130 „[Daher] werden wir von nun an nun jeden spezifischen emotionalen Zustand als ‚sentischen‘ Zustand bezeichnen. Das Substantiv ‚Sentik‘ leitet sich, wie das Adjektiv ‚sentisch‘ vom lateinischen Verb sentire ab, das auch die Wurzel von Wörtern wie ‚Sensorium‘ und ‚sentimental‘ ist.“ (Clynes 1996: 58). „Der Begriff ‚sentischer Zustand‘ wird eingesetzt zur Beschreibung derjenigen Gehirntätigkeit und zugehörigen Erfahrung, die im Allgemeinen mit dem Wort ‚Emotion‘ verbunden werden“ (vgl. ebd.). 115 – als Heuristik zur Beschreibung von Zusammenhängen und in Abgrenzung zur Kausalität (ebd.) – Beziehungen, in denen die zeitliche Linearisierung wegen eines Einfließens der antizipierten Wirkung in die Ursache nicht sinnvoll erscheint. Wesentlich ist, dass nicht ein Faktor wirkt und ein anderer beeinflusst wird, sondern dass (zwei) Größen in einer Beziehung zueinander stehen, die das Resultat gleichzeitiger Prägung von beiden Seiten ist (Werner Früh zit. in Wünsch 2007: 23). 4.3.1 Konstruktivistisches Kommunikationsmodell Die Integration des Prozesscharakters und somit der Zeitdimension in der Kommunikation weist auf deren transaktionale Dynamik hin, eine Botschaft erhält ihre Identität erst im Prozess des Verstehens und dies ist von Wissen, Aktivationspotential und deren systematischen Relationen (vgl. Rusch 2002: 108; 110) der Rezipienten abhängig. Die Reflexivität des Kommunikationsprozesses auf mediale, soziale und kognitive Variablen ist in einem mechanistischen Sender–Empfänger–Kommunikationsmodell 131 unberücksichtigt, eine antizipative Einbeziehung von Werten, Normen, Erwartungen und situativen Entscheidungen kulminiert in einem konstruktivistischen Kommunikationsansatz zu Wirkungen [die] – in the long run – durch Wirkungen selbst verändert werden (Klaus Merten zit. in Rusch 2002: 111). Die Gesamtheit der Kommunikation entwickelt sich im Konstruktivismus aus einer Dichotomie von Kommunikations– und Rezeptionsprozess, beide Prozesse sind voneinander unabhängig und latente Wirklichkeitskonstruktionen im Sinne eines kognitiv–sozialen Operierens (vgl. Weber 2003: 186). Kommunikator und Rezipient sind nicht mehr als Beteiligte an demselben 131 „Die Grundidee der Massenkommunikation bildete [Anfang / Mitte des 20. Jahrhunderts] der Gedanke, ‚Medien‘ (d.h. die Verbindung von Nachrichteninteresse Manipulationsabsicht, Verbreitungsgrad und fragloser Übernahme des Gesendeten) können direkt Meinungen und Haltung erzeugen; es war eine Ausprägung des stimulus–response Konzeptes des Behaviorismus [in Verbindung mit der soziologischen Vorstellung einer Massengesellschaft]“ (vgl. Faßler 1997: 143). Die Annahme, jedes Mitglied der Gesellschaft würde vom gleichen Stimulus in gleicher Weise erreicht und gleich darauf reagieren, wurde in Deutschland radikalisiert durch nationalsozialistische Propaganda und deren zentralistisch – manipulierende Einwegversorgung (ebd.) über gleichgeschaltete Medien. 116 Vorgang zu sehen; es werden Kommunikatbasen (lautliche, bildliche oder graphische Strukturen) mit spezifischen [thematischen oder stilistischen] Kommunikateigenschaften (vgl. Rusch 2002: 112) produziert, ob damit ein gewünschtes, antizipiertes Verhalten induziert wird, ist nicht mit Sicherheit vorherzusagen. Dieser Kommunikationsprozess ist abhängig von der Akzeptanz des angebotenen Kommunikates, der diesem Kommunikat zugewiesenen Aufmerksamkeit und den im Kommunikationsangebot eingehaltenen Konventionen. Diese strukturelle Kopplung 132 von Kognition und Kommunikation kann zu einem als Antwort zu interpretierenden Verhalten des beobachtenden Rezipienten führen. Der pragmatische Aspekt der Kommunikationshandlung (vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2007 [1969]: 22f Abs. 1.1) ist die Gesamtheit von syntaktisch–semantischen Daten und deren begleitendem non–verbalen Verhalten als unmittelbar beobachtbare Wechselwirkung der Datenübertragung. Während eine medientechnische (Massen)Kommunikation die mittelbare Reaktion von Besucherzahlen oder Einschaltquoten stützt, ist in der interpersonellen Kommunikation die unmittelbare Rückbezüglichkeit als Verhalten (ebd.) elementar für die Wirklichkeitskonstruktion. Die pragmatische Kommunikationshandlung verschränkt Reaktion und Feedback des Empfängers mit der intentionalen Kommunikationsabsicht des Senders und ist eine Grundlage für Wirklichkeitskonstruktionen, die auf komplexen Mustern von Beziehungen, Rückbezüglichkeit und Autopoiesis 133 beruhen. Ein autopoietisches System basiert auf dem Kriterium der Selbstreproduktion eigener Elemente aus eigenen Elementen, dieses Kriterium ist bedingt durch die operative und informationelle Geschlossenheit und eine material– energetische Offenheit oder strukturelle Kopplung des Systems mit der Umwelt 132 „Wie kann ein operativ/kommunikativ geschlossenes System seine Beziehungen zur Umwelt gestalten, wenn es keinen Kontakt zur Umwelt unterhalten […] kann? Seine [Luhmanns] Antwort lautet: über strukturelle Kopplungen. Luhmann geht von der These aus, dass strukturelle Kopplungen analoge Verhältnisse digitalisieren“ (Dieckmann 2004: 266). 133 „Das logische Modell der Autopoiesis ist nur dann tragfähig, wenn die Selbstreproduktion in unablöslicher Verbindung mit dem gesehen wird, was als Negativeinheit die Gegenseite der Selbsterzeugung ausmacht: das Herstellen, das laufende Prüfen, das Beobachten, das Justieren, das Berichtigen usw. der Selbstherstellung.“ (Dieckmann 2006: 29). 117 (vgl. Weber 2003a: 186; 2003b: 205 134). Die Beziehungen zwischen (Einzel) System und Umwelt (Systemen) sind einerseits durch deren Sinngrenzen und andererseits durch deren intersystemische Beziehungen wie strukturelle Kopplung, Irritation und Resonanz (vgl. Weber 2003b: 212) definiert. Die Initialisierung eines Kommunikationszustandes fordert somit Aufmerksamkeit durch aktive Formen des Beobachtens oder der Zuwendung – ob sich Kopplungszustände bilden, ist von der Übereinstimmung systemischer Konventionen in den subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen abhängig. Musikalisches Handeln ist als körperliches Ausdrucksverhalten unmittelbar gestaltende Interaktion und gleichzeitig ein kollektivierender kommunikativer Prozess. Die Interaktion als kommunikativer, wechselseitiger Beeinflussungs– Prozess (Jauk 2009: 418) ist der Regelmechanismus kollektiven Musizierens, die ankommende (musikalische) Information wird auf Grund der subjektiven Wissensbasis verändert und im intuitiven Ausdrucksverhalten reflektiert. Indem die polyphone Musik aus kollektiven Übungen von Kult und Tanz entsprang, aber auch längst mit jeglicher kollektiven Übung gebrochen hat (Adorno 2006 [1949]: 26), ist sie als Objektivation des »Wir« in der Isolation des »Ich« (ebd.) paradigmatisch für eine Objektivation der Kommunikation, in der Informationen in einer dynamischen Beziehung stehen (Jauk 2009: 418f). 4.3.2 Wahrnehmung der Wahrnehmung Die durch die Bewegung im Raum initiierte Zeitgestalt des Wahrzunehmenden begründet jene Asymmetrie zwischen Stillstand und Bewegtheit, die als Wahrnehmung erster Ordnung der Wahrnehmung der zu identifizierenden Form zugrunde liegt. Henri Poincaré formulierte das Postulat der Disparität von objektivem, geometrischem Raum (espace visuel) und einem über kinästhetische Reize erfahrbaren Vorstellungsraum (espace représentatif), der sich aus dem Ablauf assoziativer, kinästhetischer Algorithmen zusammensetzt (vgl. Poincaré 1974 [1902]: 57). Diese Unterscheidung ist insofern eine 134 Weber bezieht sich hier auf die Übernahme verschiedener Konzeptionen Humberto Romesin Maturanas, u.a. der Autopoiesis, durch Niklas Luhmann. 118 konstruktivistische, indem sie auf der bewegungsabhängigen Beziehung zwischen Sehraum und Bewegungsraum, der Beziehung einer bewussten Änderung des Blicks mit der zugehörigen Veränderung der Sicht (v. Foerster 1990: 440) basiert. Die durch die Bewegung initiierte Veränderung des Wahrzunehmenden wird wahrgenommen (ebd.), es ist somit die Unterscheidung / Asymmetrie, die den Wahrnehmenden die Beobachtung ermöglicht. Dies ist eine Phase der Wahrnehmung, die erkennbar macht, dass unterschieden und bezeichnet wird – im unerläßlichen Unterschied von allem, was nicht bezeichnet wird (Luhmann 1997: 102) –, jedoch nicht, wie bezeichnet bzw. wahrgenommen wird. Die Wahrnehmung der Wahrnehmung – oder Wahrnehmung zweiter Ordnung – baut auf den Veränderungen der Beziehungen im Vorstellungsraum auf und behandelt so die Information die »differance« (Derrida) der Differenz zwischen Beobachtetem und Nichtbeobachtetem (Luhmann 1997: 103). Die relationale Fortsetzbarkeit oder Verschiebbarkeit der Wahrnehmung von Information ist eine Voraussetzung für die Erkenntnis der Existenz dessen, was durch Unterscheiden unsichtbar gemacht wird, des blinden Flecks der Unterscheidung (Luhmann 1997: 160) und so für das wie des Wahrgenommenen. Das selbstreferentielle System Kunstwerk (Joseph Kosuth zit. in Jauk 2009: 381) ist zum einen die Konstruktion eines geeigneten Mediums, das durch den Abbau von Interpretationshilfen, die dem täglichen Leben entnommen werden können (Luhmann 1997: 206), entsteht, zum anderen die Erfahrung der Wahrnehmung unter den Bedingungen ihrer Veränderung (Jauk 2009: 452). Die Rückwirkung der über die Beziehungen zur Fremdreferenz „Umwelt“ veränderten Wahrnehmung auf die Mediatisierung der Kunst und so ihr Verhältnis zu einer außerkünstlerischen Wirklichkeit ist eine unresolvable indeterminacy (Spencer Brown zit. in Luhmann 1997: 474), die durch eine unberechenbare Umwelt variiert wird und die Beschreibung eines geschlossenen (Kunst)Systems mitbestimmt. Der re–entry (ebd.), der Wiedereintritt des wahrgenommenen Unterschiedes in das System, ist die Basis der unresolvable indeterminacy und diese Irritation eines deterministischen 119 (Körper)System–Umwelt–Bezugs, bedingt die Wirklichkeits–re–konstruktion (Jauk 2009: 380) der Form. Die Kopplung und Variabilität von Elementen der Form im Medium 135 Musik / Kunst ist die rekursive Vernetzung und Verschiebung von Erzeugungsoperationen (vgl. Luhmann 1997: 123), in deren temporaler Bedingtheit der Vorstellungsraum re–aktualisiert wird. Eine technologisch bedingte Geschwindigkeitszunahme und die damit einhergehende Überschreitung der muskulären Möglichkeiten zur Raumerfahrung 136 führen zum Rückgriff auf die phylogenetisch »ältere« Logik des Auditiven (Jauk 2009: 380) und so zu einer Neudefinition des Körper– Umwelt–Bezugs. Mit der Rücknahme des Körpers in der Wirklichkeitskonstruktion werden Strukturen und Interaktionsmechanismen des auditiven Systems, wie eine simultane Wahrnehmung und das Mustererkennen 137, evident, die bei gleichzeitiger eigener Passivität wirklichkeitskonstruierend sind. Die sequentielle Linearität, der Zeitverlust des re–entry, löst sich auf in der Simultaneität des Mustererkennens, der Kommunikationshandlung und des Informationsangebotes und ist so ein der Musikalisierung zugrundeliegendes beziehendes Denken. 135 „Bei Unterscheidung von Form und Medium handelt es sich um zwei Seiten, die nicht voneinander gelöst, nicht gegeneinander isoliert werden können. […] Dies erklärt auch, dass Medien nur an der Kontingenz der Formbildung erkennbar sind, die sie ermöglichen.“ (Luhmann 1997: 168, 169). 136 „Abgesehen von Gesichts– oder Tastsinn gibt es noch andere Empfindungen, welche ebenso oder noch mehr zur Entstehung der Raum–Vorstellung beitragen. Dieselben sind allgemein bekannt, sie begleiten alle unsere Bewegungen, man kennt sie allgemein als Muskel–Empfindungen. Den entsprechenden Rahmen kann man als Bewegungs–Raum bezeichnen.“ (Poincaré 1974 [1902]: 57). 137 Die Logik des Auditiven ist der Allortgegenwärtigkeit nicht begrenzten Schalls entsprechend, in dem wir selbst mitschwingender Teil sind, […] mustererkennendes, holistisches Wahrnehmen von Gleichzeitigem (vgl. Jauk 2009: 459f). 120 5 Die Kunst des Y2k+ 5.1 Technologie / Hidden HighTech Die Überwindung der Natürlichkeit zugunsten des Künstlichen wird, speziell in den die Architektur und Musik / Geräuschkunst betreffenden futuristischen Manifesten (vgl. Antonio Sant´Elia, L’architettura futurista, 1914; Luigi Russolo, L'arte dei rumori, 1913), von einem brachialen technologischen Faszinosum überformt. Ähnliche theoretische Erläuterungen zu einer Vereinigung von Kunst und Technik unter dem Zeichen des Fortschritts finden sich bei Le Corbusier und Amédée Ozenfant (1919) als Gleichsetzung von Ästhetik und exakter Wissenschaft (vgl. Scherliss 1999: 245). Edgard Varèse kritisierte 138 eine simple Verwendung von Tonaggregaten in der – futuristischen – Musik als spekulativ auf den äußeren Sinneseindruck gerichtet und postulierte Instrumente, die dem Denken gehorchen und […] ungeahnte Klangfarben hervorrufen (Edgard Varèse [1917] zit. in Bosseur 1976: 46f) als Ausdrucksmittel der Zusammenführung von Wissenschaft und Musik. Die Verfügbarkeit von Technologie im Fin de siècle ist definiert von einer Verwissenschaftlichung industrieller Technik und deren Einsatz in einer auf eine großbürgerlich–kapitalistischen Ideologie gestützte Umwelt, in deren Umfeld die romantizistische Idee von genialer Kunst versus trivialem Leben tradiert wird. Der Einsatz technologischer Mittel ist programmatisch für die Entsublimierung des romantizistischen Kunstideals (vgl. Jauk 2004b: 231), in der dilettierenden intermedialen Grenzüberschreitung (der Futuristen) und parallel zur überbordenden Technologie– und Maschinenromantik wird die Kunst durch triviales Material infiltriert und sozial horizontalisiert. Die Technologie / Maschine wird in den – futuristischen – Manifesten als eine Dichotomie von äußerem Aspekt und dem Geist, dem Wesen der Maschine, das durch deren Rhythmus […] suggeriert wird (vgl. Enrico Prampolini, Ivo 138 Varèses Kritik beinhält den Vorwurf handwerklicher, anekdotischer Annäherung an die neuen musikalischen Ausdrucksmittel und schlussendlich des Unorganischen (vgl. Bosseur 1976: 45f), hier scheint ein Konflikt aufgetreten zu sein zwischen der musikalischen Bildung Varèses und dem – in Eigendefinition (vgl. Schmidt – Bergmann 2009 [1993]: 241) – musikalischen Dilettieren Luigi Russolos. 121 Pannaggi, Vincino Paladini 1922, zit. in Baumgarth 1966: 222f) gesehen, wobei jener äußere Aspekt der Oberflächlichkeit und des Selbstzwecks 139 verdächtigt wird. Die medialen Strukturen des Wesens der Maschine werden mit der Wahrnehmung dynamischer, alltäglicher Ereignisse verknüpft, deren resultierende futuristische (Werk)Ästhetik ist aber noch in der romantizistischen Einzelhaftigkeit des (Kunst)Werks verhaftet. Dennoch ist die Entwicklung vom dynamischen Ereignis zum interaktiven Prozess in den futuristischen Theorien der Wahrnehmung als Simultaneität, das Ergebnis universellen Dynamismus […] in Vereinigung der beiden Begriffe Raum und Zeit (vgl. Boccioni 2002 [1914]: 160, 165) verankert. Der technologische Entwicklungsstand dieser Zeit erlaubt Einzelkonstruktionen (vgl. Luigi Russolos Intonarumori), die eine Überwindung des Natürlichen zugunsten des Künstlichen andeuten und die, paradigmatisch für die „Entheiligung“ der Kunst des spätromantischen Bildungsbürgertums, das Geräusch emanzipieren. Insgesamt sprengt die Programmatik des Futurismus die Grenzen des technologisch Machbaren zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Ästhetisierung des Alltages durch das Einbeziehen von dessen Artefakten als konstitutive Elemente des Kunst / Leben, die Simultaneität und die willkürliche Manipulierbarkeit des Wahrzunehmenden in einer Synergie von Lebendig / Natürlichem und Ideal / Künstlichem ist das Programm für eine Transformation der klassischen Kunst in eine technische Medienkunst (Weibel 1991: 223). Zum einen impliziert das Postulat der Simultaneität den willentlichen Umgang mit Ort und Zeit, die Speicherung und Übertragung von Information ist analog zu deren Entzeitlichung und Entortung, die Komprimierung des mechanistischen Gefüges Distanz–Zeit–Geschwindigkeit in das psychologische Moment (Jauk 2000: 136f). Zum zweiten sind die Programme, die von einem elitären Kunstverständnis wegführen, philosophisch im amerikanischen Pragmatismus – durch die Akzeptanz der Ästhetik von Alltagskultur – und technologisch in 139 „Als wir von Bolzen, Stahl, Getrieben und Zahnrädern sprachen, hat man uns missverstanden. […] Man muß […] zwischen dem äußeren Aspekt und dem Geist der Maschine unterscheiden. (Enrico Prampolini, Ivo Pannaggi, Vincino Paladini 1922, zit. in Baumgarth 1966: 222). 122 der Nachkriegsavantgarde des WK II durch die Umwertung von Kriegstechnologie verankert. Dass diese Technologie im Umfeld der über die notwendigen Ressourcen verfügenden Institutionen von der Nachkriegsavantgarde genutzt wird, zeigt eine „missbräuchliche“ Nutzung abseits ihres (zumeist hohen) ökonomischen Wertes oder ihrer ästhetischen Qualität. Die Machbarkeit einer technischen Medienkunst – nämlich die Zeit in verschiedenen Rhythmen zu artikulieren (Weibel 1987: 77) – ist eine konsequente Weiterführung des futuristischen Postulates der Simultaneität als Dynamismus und der Gleichzeitigkeit von Wissen und Mitteilung (vgl. Boccioni 2002 [1914]: 160). In der Popkultur diffundiert die elitär–institutionell entwickelte Technologie in ein naiv–dilettierendes Umfeld, das ein hedonistisches Benutzen von technischen Tools pragmatisch umsetzt. Der Mediamorphose (vgl. Blaukopf 1989) von einer, nur der Avantgarde / Elite zugänglichen technologischen Verfügbarkeit zu einer allgemeinen Verfügbarkeit der Kunstproduktion bedingt ein verändertes sozio–ästhetisches Umfeld der Popkultur. In dem Zusammenhang von unmittelbar erregungsgesteuertem Verhalten und den entsprechend intuitiven Interfaces ist die psychologisch barrierefreie Amateurisierung der Kunst zugleich deren Entauratisierung (vgl. (Benjamin 1991 [1936]) in der Alltagsrealität. Durch eine unmittelbar intuitive Bedienbarkeit von Interfaces zu Hightech– Gerätschaften der Kunstproduktion werden diese von ihren technischen Filtern entkoppelt, sie werden ent–technisiert. Die Kulturtechnik des Instrumentenspiels nach der Partitur setzt ein Denken in Form diskreter Notation und notwendigerweise das technische Vorwissen um deren Konvention und Umsetzung 140 voraus, eine Klangformung durch intuitives körperliches Verhalten ist eine Akquisition von – und zugleich ein Entbergen durch High – Technology. Die Klangformen im Feedbackspiel der E–Gitarre (vgl. Jimi Hendrix, The Star – Spangled Banner, 1969; Pete Townshend, My Generation, 1965) zeichnen simultane Analogismen zu einem körperlichen Ausdrucks140 Vgl. die Klangformung in diskreten Schritten bei der Klaviatur und die willkürliche tonale Struktur der dodekafonen Chromatik (Arnold[t] Schlick 1511; Andreas Werckmeister 1691). 123 verhalten, das durch die Erweiterungen des Körpers (Extensions of Man; vgl. McLuhan 1969) der technologiegestützten Medien der Klangerzeugung zur unmittelbaren Kommunikation wird. Dass die Kunst, das Leben und die Gesellschaft im Y2k+ zu einem Gesamt(Kunst)Werk konzeptionell verschmelzen, ohne dass deren jeweils eigenständige Strukturen und Grenzen verschwinden, ist einerseits die Folge der selbstverständlichen Verwendung von Technik und andererseits des emotionalen Körpers. Die konnotierte Simplizität, die mit der selbstverständlichen Verwendung von Technik einhergeht, ist ein Hinnehmen eines Grades an Komplexität, den wir definitiv nicht erfassen können (vgl. Maeda 2009: 16). Die Reduktion auf das Fassbare begründet sich im Schema der Beobachtung erster Ordnung, wo das Netz komplexer Beziehungen zwischen System und Umwelt zugunsten einer formalen Erkennung von „simplen“ Interfaces ausgeblendet ist. Die emotionale Nutzung von Interfaces, die eine maschineninterne High–Tech – deren psychologische Verfügbarkeit vergleichsweise gering ist – hinter einer horizontalisierten Benutzeroberfläche verschleiern /verbergen (vgl. Huhtamo 2003: 119) basiert auf dem popkulturellen Amateurismus und der Formalisierung algorithmischer Prozesse. Es wird aus Teilerfahrungen eine emotionale Wirklichkeit komponiert, deren Komponenten sind mathematische Algorithmen zur Code– / Prozesserzeugung von virtueller Realität. Die Verbindung von Code und Vorwissen des Benutzers und dessen – prozessorientierte – Aktivität im virtuellen Raum induziert die Information einer emotionalen Wirklichkeit ohne die Bedingung der Außenreferenz. 5.1.1 Körper vs./& Maschine Die Erweiterung des Körpers und seiner mechanischen Möglichkeiten über die instrumentelle Extension durch maschinelle Tools ist gleichzeitig die Erweiterung des körperlichen / musikalischen Ausdrucksverhaltens und der intuitiven Gestaltungsform. Der künstlerische Prozess wird über körperlichen 124 Ausdruck initiiert, anstelle eines algorithmischen Formalaktes. Das Experiment der – metaphorischen – Integration des Körpers in / an den mechanischen Apparat ersetzt das stochastische, reaktive Verhalten des kinetischen Prozesses durch das informelle Gestalten unmittelbaren körperlichen Ausdrucks und – diesem analoger – Kommunikation. Eine unmittelbare Bedienbarkeit technischer Erweiterungen des Körpers ist auch eine entmechanisierte, sie rekurriert auf das Intuitive, im Gegensatz zum diskursiven Formalismus der Zeichen eines technischen Bedienfeldes – wie dem eines Klaviers. Die Steuerung des Theremins 141 ist eine gestisch–audiovisuelle, die intuitive Klangformung ist eine offene, im Sinne von John Cage ein zu interpretierendes Feld von Möglichkeiten. Die Klangformung entsteht ohne den physischen Kontakt des Körpers und der Maschine 142, die Technik interagiert über physikalische Formalismen (wie die Feldstärke mit dem Körper), indem Hand und Antenne einen ephemeren Kondensator bilden, dessen Kapazität mit der Bewegung variiert. Die Dynamik des Entstehungsprozesses ist indeterministisch, sie ist bedingt im Fehlen der materialen Bezugspunkte kanonisierter Tonalität. Die Interdependenz der von der Maschine evozierten elektrischen Felder und der körperlichen Intervention ist ein ephemerer Prozess und so zugleich die Hinwendung zum direkten klanglichen Gestalten. In der Klangforschung der Nachkriegs–Avantgarde wird das elektronische Tool zur Klangerzeugung in die Echtzeitkomposition eingebunden und deren Variabilität als Kompositionsparameter eingesetzt. Abseits der Kunst ist die primäre Intention der Verwendung von Technik keineswegs das Mögliche um der Möglichkeit willen auszuprobieren (Koenig 1955: 29), dennoch löst im Prozess der Klangforschung der Soundbastler das Künstlergenie ab (Neidhart 2008: 137), die Variabilität resultiert aus der forschenden Beziehung von zweckentfremdeter Maschine und körperlicher Aktion. Der Hinweis Nam June 141 Das Theremin, ein Ätherophon, (nach Lev Sergejevitsch Termen aka Leon Theremin) ist im Prinzip ein Schwebungssummer, der den Differenzton zweier Oszillatoren emittiert (vgl. Ruschkowski 1989: 25ff). 142 Theremin–Instrumente mit Griffbrett – wie die von Edgard Varèse verwendeten Theremin– Cellos (vgl. Varèse, Ecuatorial, 1934) – bedeuten dem entsprechend ein Zugeständnis zugunsten einer einfacheren, dem tradierten Chellospiel näheren Spielweise. 125 Paiks 143, dass in der optischen Kunst Indeterminismus und Variabilität extrem unterentwickelte Parameter waren, obwohl dies das zentrale Problem in der Musik während der letzten zehn Jahre gewesen ist (vgl. Paik / Decker 1992 [1964]: 105), ist zum einen vor Paiks musikalischem Hintergrund und zum zweiten der (noch) kaum verfügbaren Technologie zu sehen. Im Fluxus ist die Verbindung von Tonträger, Musik und Performance, die Verbindung von Emotion mit dem sich ausliefern an das Material (vgl. Heyer 2003: 159) und so eine Zweckerweiterung des Fertigproduktes Maschine von der Reproduktion zur Produktion. Diese Maschinen des Nicht–Expressiven (Neidhart 2008: 137) exponieren im Materiellen nicht die Form, sondern Kräfte, Dichte und Intensitäten (Heyer 2003: 160). Die Variabilität der Bild(re)produktion in den elektronischen Medien wie Videorecorder und TV– Geräte ist konkret 144, sie ist gekoppelt an eine Verfremdung, die in enger Affinität mit dem Material, durch das [sie] hervorgebracht wird, steht (vgl. George Maciunas 1998 [um 1962]: 895). Durch die Intervention des Körpers in die Belange der Maschine entsteht (nach Maciunas) jener methodische Konkretismus, der als indeterministisches System (vgl. Schmidt – Burkhardt 2005: 366) zum selbstorganisierenden Prozess als Ausschnitt einer bestimmten Lebenssituation führt (vgl. John Cage, 33 1/3, 1969). Die kompositorischen Methoden, die John Cage in Ablehnung einer hierarchischen Struktur und in der Gleichwertigkeit von Objekten und Tönen im Begriff der Klangorganisation (vgl. Hoffmann 1995: 75f) zusammenfasst, werden von Nam June Paik in 143 Konfrontation von elektronischer Nam June Paik (1964) »NACHSPIEL zur Ausstellung des EXPERIMENTELLEN FERNSEHENS«. „Paik veröffentlichte im Faltblatt zur Ausstellung in Wuppertal 1963 ein erstes theoretisches Statement zu seiner Arbeit mit TV-Geräten. Das »Nachspiel«, dessen erster Teil hier abgedruckt ist, setzt diese Reflexion fort. Erstmals veröffentlicht in: »Fluxus cc five Three«, 1964. Deutsch in: Nam June Paik, »Niederschriften eines Kulturnomaden«, Edith Decker (Hrsg.), Köln 1992, S. 103–109, sowie Text des Faltblattes zur Ausstellung »Exposition of Music – Electronic Television« ebd., S. 96–99. „[Anmerkung aus: www.medienkunstnetz.de, online: http://www.medienkunstnetz.de/quellentext/31/ 17.01.2011]. 144 Astrid Schmidt – Burkhardt merkt, mit Verweis auf den Betrag von Thomas Kellein (I made jokes, Ausstellungskatalog Fluxus Basel 1994) an, dass „sich der von Maciunas eingeführte Begriff Konkretismus gegen das Obskure, Magische, Rituelle, Existentialistische sowie die Selbstreferenz der Kunst richtet. Er wurde als Reaktion auf den abstrakten Formalismus geprägt.“ (Schmidt – Burkhardt 2005: 367). 126 Bildgestaltung, Indeterminismus, dem musikalischen Gestaltungsprinzip des präparierten Instrumentes, der Aktion und schließlich der Entsubjektivierung 145 dem Metabegriff der physikalischen Musik (Paik 1964) zugeordnet. Die (Neu)Organisation des auf Tonband und auf der Schallplatte gespeicherten Klangmaterials als akustisches Readymade wird an die Instanz des Rezipienten delegiert (vgl. Nam June Paik, Random Access Music und Schallplatten – Schaschlik, 1963) und so der Einwegprozess Sender–Empfänger in eine Reziprozität von Körper und Maschine umgekehrt. Im Gegensatz zur idealistischen Idee der absoluten Musik (Dahlhaus 1987 [1978]; vgl. v. Massow 1992: 20f), wo Rationalität und feinmotorische Virtuosität der Instrumentalmusiker (vgl. Föllmer / Gerlach 2004: online) eine zentrale Bewertungskategorie waren, wird die Betonung von Körperlichkeit und Emotion in der Kunstmusik (des Fluxus 146) wie in der populären Musik des 20. Jahrhunderts zu einer Kategorie der Maschinensteuerung. Die mediale Übersetzung und die Verformungen, die bei der Übersetzung auftreten (Broeckmann 2008: 339), ist jene positive Asymmetrie der Humanisierung der Technologie (Paik / Decker 1992: 128), in deren – hypothetischer – Fusion von Maschine und Körper die intendierten Parameter des Indeterminismus und der Variabilität integriert werden. Das Concerto for TV Cello (Paik / Moorman, 1971) mediatisiert diese Parameter als musikalisches Ausdrucksverhalten im elektronischen Fernsehbild, dessen Steuerung ist eine direkte Interaktion zwischen der Akteurin (Moorman) und dem, die TV–Bilder (Clips) zur Verfügung stellenden, hardwaregestützten Algorithmus. Lou Reed delegiert in Metal Machine Music (1975) die Hervorbringung des Klanges vollständig an die Maschine, deren abgestimmte Komponenten (E– Gitarre, Verstärker und Reverb) ein intendiertes Feedback–Verhalten zeigen. 145 „Mein TV ist NICHT der Ausdruck meiner Persönlichkeit, sondern nur eine »PHYSIKALISCHE MUSIK« wie mein »FLUXUS–Champion–Wettbewerb«, bei dem der Rekordhalter im Langzeitpissen mit seiner Nationalhymne geehrt wird. (Der erste Meister: F. Trowbridge. U.S.A. 59,7 Sekunden.) Mein TV ist mehr (?) als die Kunst oder weniger (?) als die Kunst. Ich kann etwas komponieren, das höher (?) steht als meine Person oder niedriger (?) als meine Person.“ (Paik / Decker 1992: 103f). 146 Das Einbeziehen körperlichen Ausdrucksverhaltens bei der Musik/Klangproduktion ist keineswegs auf die hier argumentierten Beispiele beschränkt, vgl. Cecil Taylor, Glenn Branca, Laurie Anderson. 127 Durch die Ausschaltung des Humanfaktors des kontrollierenden menschlich– instrumentellen Spiels (vgl. Jauk 2009: 254) im Mensch–Maschine–System wird die konventionalisierte Klangerfahrung umgangen, der Klang wird im maschinellen Prozess elektro–akustischer Gesetzmäßigkeiten erzeugt 147 und mit Studiotechnologie weiterverarbeitet. Der maschinelle Prozess musikalischer Klanggenerierung wird durch die körpergesteuerte Interaktion physikalischer Prozesse ersetzt (vgl. Jimi Hendrix), wobei die Popmusik spezifische Klangästhetik von E–Gitarre in Verbindung mit Verstärker und Verzerrer (Fuzz–Box) erhalten bleibt. 5.1.2 Mechanistisch / Systemisch Das kartesianische Konzept der Körpermaschine, von Wolfgang von Kempelen (Der „Schachtürke“, ca. 1783 [vgl. Felderer 2008: 278f]) zu den verschiedenen Ausführungen des Datenhandschuhs (data–glove) als mechanistisches Low – Tech Interface bis zu Hiroshi Ishiguros Androiden (Geminoid / Telenoid, ab 2006, work in progress) 148, ist ein mit den mechanistischen Implikationen des Körpers verknüpftes (Jauk 2009: 45), erfahrungsbasiertes Denksystem. Die Akzeptanz der Maschine als eine mechanistische Erweiterung des Körpers und so als Interface zu einer Künstlichen Intelligenz (vgl. Grau 2002: 210) ist eine Verdinglichung des Ingenieursprinzips, verankert in der Kausalität und Linearität des – im Sinne von Laplace – 149 umfassend Erklärbaren. Die erwartete Steuerbarkeit des reaktiven Systems Maschine macht dieses zum Instrument der Objektivierung zeitlicher Linearität und der Reduktion von Mehrdeutigkeit. Das Prinzip positivistischer Eindeutigkeit ist zum einen in der Mimesis des Interfaces, zum anderen im determinierten Algorithmus der Kommunikation 147 Die Radikalität dieser Vorgehensweise wird später durch penible Transkription von drei Teilen der Metal Machine Music (vgl. Zeitkratzer feat. Lou Reed, Metal Machine Music, Asphodel 2007) und der Auto–Musealisierung Reeds mit der Europa–Tour des Metal Machine Music–Trio (April 2010) konterkariert. 148 Vgl. Geminoid [online: http://www.irc.atr.jp/Geminoid/ 17.01.2011]. 149 Vgl. den Laplaceschen Dämon als Veranschaulichung einer Weltformel, die es ermöglicht, bei Kenntnis aller Naturgesetze und Bedingungen jedes Ereignis vorherzusagen oder zu rekapitulieren. 128 mit der Maschine zu finden; beides weist hin auf den Menschen als technische Existenz – in einer technischen Umwelt, die seiner Doppelrolle als naturhaftes und geistiges Wesen angemessen sei (Bense 1998a [1951]: 446). Dessen mentale Repräsentationen geben den Ideen Gestalt (Lévy 2003: 93), sie sind die Formalisierung des Denkprinzips der Kausalität, das (Teil)Erfahrungen vergangener Situationen in Zukünftige impliziert. Das aus der Erfahrung abgeleitete Denksystem wird in dessen Wirklichkeitskonstruktion gestützt und bestärkt durch die Einbeziehung der Maschine und deren partieller „Perfektion“. So ist ein bewusst herbei geleitetes, auf Basis der Erfahrung als stochastisch klassifiziertes Zufalls–Verhalten die maschinengestützte Version eines surrealistischen Automatismus (Breton 1924: 36), wobei der formale Algorithmus die Illusion des Zufalls repräsentiert. Entkoppelt sich die Information vom Ereignis, wird die Maschine selbst zur Idee (Burckhardt 1994: 245) und zum kybernetischen Modell systemischer Wirklichkeitsbeschreibung. Die wechselwirkende Vernetzung von Information, Ereignis und deren wahrnehmungsverarbeitender Rückkopplungsschleifen ist im Sinne von nichtlinearem Verhalten Wirklichkeitskonstituierend. Die interaktive Gestaltung von (Kunst)Ereignissen basiert auf der interferierenden Wirkweise unregelmäßiger, normabweichender Elemente des Systems und der Notwendigkeit der Interpretation des Wahrgenommenen. In der Interaktivität dynamischer Kommunikationssysteme entstehen Irritationen als wahrgenommene Störung der Erkennungsmuster, diese Perturbationen (Maturana / Varela 1987: 27) initiieren Strukturveränderungen ohne diese zu determinieren. Eine kognitive Konstruktion, die vorhandene Wissensstrukturen nach den Möglichkeiten innerhalb von Schranken 150 (v. Glasersfeld 2004 [1981]: 29) in kybernetischen Kreisläufen verändert, bis die Störungswahrnehmung reduziert und die Störung in das System integriert ist. 150 „Es ist die Geschichte des Konstruierten selbst, die alles Konstruieren bestimmt, weil das jeweils bereits Gemachte das einschränkt, was noch gemacht werden kann.“ Ernst v. Glasersfeld bezieht sich hier auf die folgende Auffassung von Kausalität nach Giambattista Vico: „Wenn wahr ist, was gemacht ist, dann heißt, etwas durch seine Ursache beweisen, das gleiche wie, es bewirken.(sic)“ (v. Glasersfeld 2004 [1981]: 28f). 129 Dass sich kybernetische Entwicklungen in einem iterativen Teufelskreis, einem circulus vitiosus (Watzlawick 2004 [1981]: 65) wiederfinden können, ist eine theoretische Deformation systemischen Denkens; der Inbegriff dessen, was es zu vermeiden gilt (Varela 2004 [1981]: 294). Corsi e ricorsi (vgl. Vico 2000 [1744]: Fünftes Buch), Läufe und Gegenläufe 151, kennzeichnen die Entwicklung von sozialen Systemen 152, wie die Entwicklung der Künste. Hier beginnt die Umformung der Wirklichkeitskonstruktion über Strukturveränderungen an den Rändern der kunstrelevanten Denksysteme. Die interaktive Vernetzung und Wechselwirkung autonomer Denksysteme beschreibt so aus der Perspektive der Partizipation und Interpretation die Umdeutung der circuli vitiosi in circuli virtuosi, in kreative Zirkel (vgl. Varela 2004 [1981]: 294). 5.2 Der digitale Code Die Diskretisierung kontinuierlicher, natürlicher Signale ist die prinzipielle Entbindung von Information und deren physischer Präsenz, das zeit– und wertkontinuierliche Signal wird in ein zeit– und wertdiskretes 153 konvertiert. Die Konvertierung eines analogen Zustandes auf die Ebene der Codes ist die Quantisierung des Natürlichen, Kontinuierlichen in eine endliche Anzahl von Teilbereichen und durch diese gleichzeitige Binärcodierung eine Transposition in bearbeitbare Größen. Der Verlust an Information durch die Transposition von einem analogen in den digitalen Zustand wird einerseits durch die Redundanz der analogen Information verringert, andererseits durch eine – mögliche – mehrfache Weiterverarbeitung des digitalen Codes schließlich 151 Der Begriff des ricorso ist im Bezug auf die kunstgeschichtliche Sicht auf die Postmoderne ein wertender, gesehen im Sinn von Rückwendung. 152 „Vicos Geschichtskonzeption ist im Gegensatz zu Hegels Theorie nicht teleologisch ausgerichtet, der Verlauf der Geschichte spielt sich in corsi und ricorsi, Läufen und Gegenläufen, ab, wobei zwar das Ziel jedes corso darin besteht, Humanität und Vernünftigkeit zu verwirklichen, nachdem diese Ziele aber erreicht sind, kann die Vernünftigkeit in eine von Vico als Barbarei der Reflexion bezeichnete Gegenbewegung umschlagen, wodurch eben das Einsetzen eines ricorso markiert wird.“ (Erny 1994: 115). 153 Die Zwischenstufen wertkontinuierlich / zeitdiskret und wertdiskret / zeitkontinuierlich (vgl. Thomanek 2006: 178) bleiben hier unbehandelt. 130 belanglos; seine sensorische Realisierung ist Sache von Interfaces (Jauk 2009: 371). Die maschinelle Verarbeitung des Codes über Interfaces und in algorithmischen Prozessen ist die Verbindung von menschlichem Denken und maschinellem Handeln. Die Denkprozesse werden in maschinelle Handlungsprozesse überführt (Trogemann 2010a: 19). Die Formalisierung von Denksystemen in den entkörperlichten Handlungsmustern des Algorithmus (vgl. Trogemann 2010b: 168) ist eine Synthese der Codierung von Information und der Analyse des zugrunde liegenden Denkprozesses. Die Generierung solcher Prozess–Algorithmen, die eine unreflektierte Wiederholbarkeit unabhängig von konkreter Einsicht physikalischer Bedingungen zeigen (vgl. Trogemann 2010a: 19), ist – idealiter – die abstrakte Signalverarbeitung unabhängig vom auftretenden Ergebnis. Eine Strukturgleichheit von Bild, Ton oder Bewegung ist im prozessierenden Code als Arbeitsgrundlage der Maschine längst etabliert (ebd.: 20); deren immersive Umgebungen multisensorischer Interfaces (vgl. Huhtamo 2003: 123) verweisen auf das körperbedingte Wahrnehmungsverhalten. Der digitale, binäre Code ist ein absolutes 154 Konstrukt, gekennzeichnet durch zwei einander ausschließende Zustände und niemals aus der Regelhaftigkeit einer sinnlichen Erfahrung hervorgegangen (Jauk 2009: 443). Der digitale Code ist somit keiner Materialität zugeordnet, er ist immateriell durch die Möglichkeit der Beschreibung jedweden Zustandes, unabhängig von dessen physikalischer Realität oder Realisierungsmöglichkeit. Der referenzlose binäre Code verweist ausschließlich auf die Tatsache des eigenen Zustandes, ist aber zugleich eine normative Handlungsanweisung für die Maschine, eine sinnesadäquate Wahrnehmung – referentiell zu der phylogenetisch bedingten Umweltwahrnehmung – zu generieren. Musik als die Formalisierung einer spezifischen Art des Denkens, nämlich der Beziehung zwischen dem willkürlich codierbaren Klang (Notation) und dessen 154 Im Gegensatz zur Funktion, deren veränderliche Größe in ihrem Wert von einer anderen abhängig ist. 131 körperlicher Hervorbringung und Wahrnehmung, ist ein Hybrid aus willkürlicher Veränderbarkeit und konventionalisierten Denksystemen (vgl. Jauk 2009: 442f). Der digital codierte und codifizierbare Klang und seine Produktion abseits einer physischen Präsenz bedingt eine medientheoretische Interdependenz des entstehenden Artefaktes, dessen materialer Eigenschaften und des beschreibenden Codes in einem Crossover von Exaktheit und Störung. So der Eigenklang des digitalen Materials nicht existiert (Großmann 2003: 59), ist die Störung, die Mehrdeutigkeit jener Stilbruch, aus dem die Neucodierung herauszulesen sei (vgl. Kriesche 2003: 149) von konstititiver Bedeutung für den Prozess des emotionalen Erlebens und der Erregung. Die dem Raster und dessen Regel im Codierungs– bzw. Decodierungsprozess (vgl. Großmann 2003: 60f) immanenten Prinzipien sind verknüpft mit den emotionalen Kriterien von Auswahl und Gestaltung (vgl. Jauk 2008: 209) bedeutungsneutraler Stimuli. Der digitale Code wird – durch die „Defizite“ seiner technologischen Realisierung – zu einem Formteil der Aesthetics of failure155 (Großmann 2003: 66), deren materiale Qualität auf einem Gestaltungsprozess dynamischer Strukturveränderungen basiert. Der digitale / binäre Code ist keinem bestimmten Material verpflichtet, er konkretisiert sich im Dualismus von Unabhängigkeit vom gegebenen materiellen Bestand der Welt und dessen Informationssystem als ein Verbundwerkstoff informierten Materials (vgl. Trogemann 2010a: 24). Die Codierung der funktionalen Zustände in einem intendierten materiellen System (wie dem des Klanges oder des digitalen Bildes) entheben dieses System einer physikalischen Beschränkung. Der dem informierten Material zugrundeliegende immaterielle Algorithmus wird letztlich in Erwartung sensorischer Stimuli – unabhängig von erfahrungsgestütztem Verhalten – generiert. Eine humanbiologische Komplexitätsgrenze in den Möglichkeiten neuronaler Verarbeitungsleistung, die lineare Struktur algorithmischer Prozesse und die verfügbare Hardware für das geeignete Interface–Material, wie auch die 155 Vgl. Kim Cascone, The Aesthetics of Failure: “Post-Digital” Tendencies in Contemporary Computer Music, in: Computer Music Journal 24:4 (Cascone 2000). 132 technologische Trennung in Hard– und Software limitieren die Effizienz von informiertem Material mehrfach. Der natürliche Code des DNA–Moleküls unterliegt demgegenüber in seiner Ausführung der – äußerst komplexen – physikalischen Grundlage der dinglichen Einbettung in eine spezifisch relevante organische Umgebung: „Die DNA ist nicht nur Information, sie ist dinglich. Sie funktioniert nur, weil sie physisch ist.“ (vgl. Bentley 2003: 39). Die Transposition des informierten Materials in selbstorganisierende Prinzipien organischer Strukturen kann die willkürliche Grenze von Code und Hardware zugunsten konzeptueller (Re)Integration der Hardware in den Code aufheben und ein artifizielles organisches System bilden. Störungen im organischen System sind evolutionäre Praxis; durch die Störung wird das organische – zum Unterschied vom mechanischen – System evolutionsfähig, den notwendigen Komplexitätsgrad vorausgesetzt. Kunst als Code ist ein […] auf Fehlern beruhendes, hochfunktionales Zeichensystem (Kriesche 2003: 151), das das beziehende Denken des musikalischen Codes formalisiert und die Grenzziehung zwischen dem Natürlichen, dem Abstrakten und dem Künstlichen (Faßler 2002: 204) verhindert. In der Netzstruktur des programmierten Künstlichen und dessen prozessierbarem Algorithmus wird die kulturelle Natur des (technischen) Mediums sicht– bzw. hörbar 156 (vgl. Großmann 2003: 55) in der künstlichen Natur der rekursiven Epistemologie des wahrnehmenden Handelns (vgl. v. Foerster 1993: 28). 5.2.1 Das Ende der Distanz Das Ende der Distanz ist Giorgio de Chiricos Postulat (vgl. de Chirico 1973 [1919]: 41) der Aufhebung einer anthropomorphen Skalierung, es wird eine 156 „Die kulturelle Natur technischer Medien ist ihre Unsicht– bzw. Unhörbarkeit. Sie verschwinden im Normalzustand der alltäglichen, selbstverständlichen Nutzung, werden konstitutiver Teil der Realität. Sichtbar bzw. hörbar werden sie nur in Phasen des Übergangs – zu Beginn und am Ende ihrer Laufbahn.“ (Großmann 2003: 55). 133 zweite, metaphysische (ebd.) Wirklichkeit als Layer 157 über die erste, die „wirkliche“ Wirklichkeit gelegt. Der von de Chirico beschriebene Verlust des Erfahrungsraumes wird durch indexikalische Zeichen industriellen Fortschritts und deren Assoziation von maschineller Beschleunigung durch die Erfahrung der Ortlosigkeit ersetzt (vgl. Weibel 2004c: 218). Durch die Symbole industrieller Technologie wird eine Auflösung von raumzeitbezogener, phylogenetisch willkürlicher gelernter Neuordnung. Erfahrung Die konstituiert mechanistischen – zugunsten Relationen deren zwischen Fabrikschlot, Eisenbahn(Waggon) und menschlichem Körper (vgl. Giorgio de Chirico, Der Schmerz der Abreise, 1913/14) werden in einer von den menschlichen Sinnen entkoppelten Perspektive aufgelöst. Eine Erhöhung der Geschwindigkeit, repräsentiert durch Bewegungs– und Kommunikationsmaschinen (Weibel 2004c: 219), ist zugleich die Irritation der anthropomorphen Perspektive, die zum einen durch die Loslösung der Musik vom Körper, zum anderen des autonomen (Tafel)Bildes von der ortsgebundenen Aufstellung (vgl. Belting / Kruse 1994) in kulturspezifische Konventionen einwirkt. Die Multiplikation der inhaltlichen Information durch die – mögliche – Mobilität des spezifischen Mediums ist gleichzeitig deren Ortlosigkeit; sie wird entortet von ihrem Bereich der Herstellung in den Bereich der (Massen)Kommunikation. In den Telekommunikationstechnologien des 20. Jahrhunderts erscheint die Information nahezu gleichzeitig an multiplen Orten (Weibel 2004c: 221), die Geschwindigkeit des Elektrons initiiert die Deformation des Verhältnisses von Dauer und Entfernung und die damit verbundene Auflösung des anthropomorphen Raumes. Als Basis für Netzkunst gilt grundsätzlich jede Form von Netzwerken; die materiale Beschaffenheit des Informationstransportes (vgl. McLuhan 1969) und interaktive Mitgestaltung der Partizipanten (vgl. Jauk 2009: 424) steuert den künstlerischen Prozess. Die formale Beliebigkeit impliziert eine willkürliche Kombination von Medien in der prozessualen Realisierung von Netzkunst, deren analoge Organisation in den Konzeptionen von Mail Art– Netzwerken die existenten (Tele)Kommunikations–, Produktions– und 157 Die Layertechnik ist eine Technik zur Bearbeitung verschiedener Ebenen digitaler Bilder. 134 Distributionsformen verarbeitet. Die Distribution von Information (vgl. Ray Johnson, New York Correspondance 158 School, um 1969) und die Aufforderung zu deren prozessualer Weiterentwicklung (vgl. Mieko Shiomi, Spatial Poems, ab 1965) verbindet Ansätze der Konzeptkunst und der Mail Art zu einer neuen, globalen Komposition, die Aspekte der Telekommunikation wie Simultaneität und Ubiquität vorwegnimmt (Daniels 1994: online). Die subkulturelle Nutzung vernetzter Distributionswege für die Vermittlung – devianter – Information umgeht die Kontrolle der dominanten Kulturpolitik des Bildungsbürgertums mit den Strategien von Aktionskunst, Fluxus und musikalischer Kompositionstechnik (vgl. COUM Transmissions / Throbbing Gristle) 159. Es werden theorielastige Strategien und eine subkulturelle, nicht wissenschaftlich – theoretische Form von "Forschung" entwickelt, die im später entstehenden Begriff der Informationsgesellschaft160 (vgl. Richard o.J.: online) verwissenschaftlicht werden. Die Organisation von Informationen, die ohne Analogie zu ihrem Ursprung sind (Lyotard 1985: 10) ist eine willkürliche; indem sie ohne Restriktion einer objektiven Erkenntnis und des konkreten Erlebens (Flusser 1991: 158f) gestaltet werden, ist sie überall und jederzeit verfügbar. Diese ortlose Verfügbarkeit folgt dem hedonischen 161 Prinzip als Regulativ zur Organisation der Codes nach ihrem Erregungswert (Jauk: 2009: 7); in Verbindung mit ihrer Immaterialität (vgl. Lyotard 1985: 10) ist die digitale Codierung von Information eine Übersummation, eine Idee des Natürlichen. Das interaktive, kollektive Gestalten von Environments durch Kommunikation mit der Maschine und den immateriellen Codes ist die artifizielle Repräsentation konkreter Instanzen der Idee (Trogemann 2010: 17) und die Generierung einer künstlichen Natur. 158 “The deliberate misspelling ‚correspondance‘ ist characteristic of the ludic spirit of The New York Correspondance School […]“ (Danto 2000: 363). 159 Für die Entwicklungshistorie von COUM Transmissions / Throbbing Gristle / Psychic TV vgl. Ford 1999. 160 “We're interested in information, we're not interested in music as such. And we believe that the whole battlefield, if there is one in the human situation, it is about information.” (Genesis P. Orridge, zit. in Richard o.J.: online). 161 Im Sinne der Hedonik. (vgl. Berlyne 1974). 135 5.2.2 Verschränkung von Information & Wirklichkeit Der Terminus der Verschränkung bezieht sich auf die 1935 von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen veröffentlichte Arbeit (EPR – Arbeit) über auffällig enge Zusammenhänge von Quantensystemen, deren Konsequenzen Einstein als spukhafte Fernwirkung und Erwin Schrödinger unmittelbar darauf als Verschränkung bezeichnete (vgl. Zeilinger 2007: 195f) 162 . Weil ursprünglich als Widerlegung der Quantentheorie konzipiert, ist die Kernaussage der EPR–Arbeit, dass sich ein Objekt dort nicht darum kümmere was wir mit einem Objekt hier anstellen (Greene 2004: 140). Eine Annahme, die der Theorie des lokalen Realismus 163 folgt und die mittlerweile experimentell und theoretisch revidiert ist – ausgehend vom Postulat des Bell‘schen Theorems 164 erscheint das Universum nicht lokal: „Das Ergebnis dessen, was wir an einem Ort tun, kann mit dem, was an einem anderen Ort geschieht, verknüpft sein, selbst wenn sich nichts zwischen beiden Orten hin– und herbewegt – selbst wenn die Zeit so kurz ist, dass nichts die Strecke zwischen beiden Orten zurücklegen könnte.“ (Greene 2004: 141). Dies impliziert, dass auch das Bild einer Wirklichkeit, deren Eigenschaften unabhängig vom Beobachter existieren und deren Beobachtung eindeutige Eigenschaften reflektieren, die vor der Beobachtung – und unabhängig von ihr – existier(t)en, nicht aufrecht zu erhalten ist. Zum einen ist die Realisation beobachteter Eigenschaften von der Beobachtung selbst abhängig, zum anderen ist dieses Beobachtungsergebnis rein zufällig, ohne verborgene Ursache (Zeilinger 2007: 337). Dass eine Untersuchung eines Objektes aber nicht von seiner phänomenologischen Wahrnehmung getrennt werden kann – eine Trennung führe zur Gewinnung nur intuitiven Wissens – (Jeudy 1991: 162 „A. Einstein, B. Podolsky und N. Rosen, ‚Can Quantum – Mechanical Description Of Physical Reality Be Considered Complete?‘, Phys. Rev. 47; 777 (1935) / E. Schrödinger, ‚Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik‘, Naturwissenschaften 23, 807; 823; 844 (1935)“ (Zeilinger 2007: 209). 163 „Lokaler Realismus: Die Annahme, dass unsere Beobachtungsergebnisse einer unabhängig von der Beobachtung existierenden Wirklichkeit entsprechen, in der es keine Fernwirkung schneller als mit Lichtgeschwindigkeit gibt.“ (Zeilinger 2007: 341). 164 Das Bell‘sche Theorem (John Bell, 1964) konzipiert den Widerspruch zwischen der Physik des Alltagslebens, wo das kausale Ursache–Wirkung–Prinzip gilt und der Quantenphysik, wo statistische Wahrscheinlichkeiten eine Rolle spielen (vgl. Zeilinger 2003: 80f). 136 175) ist eine Voraussetzung für eine Übereinstimmung zwischen verschiedenen Beobachtungen der existierenden Welt und so einer Übereinstimmung der unabhängigen Welt als Wirklichkeit und der sie beschreibenden Information. Die nichtdeterminierte, offene Welt einerseits als die Freiheit der Natur uns die Antwort zu geben, die ihr beliebt (Zeilinger 2007: 338) und die Beeinflussung der Wirklichkeit eben dieser antwortgebenden Natur durch die beobachtende Teilhabe andererseits führt – laut Zeilinger – zur Annahme, dass die Konzepte Wirklichkeit und Information dasselbe sind (Zeilinger 2003: 229). Die Bedeutung von Information als künstlerisches Material wird in der Dichotomie von Idealität und Materialität (Moles 1971: 255) des digitalen Codes hergestellt, der sich als der Verbundwerkstoff von immateriellen Algorithmen und materiellem Artefakt zu informiertem Material 165 vereint (vgl. Trogemann 2010: 20). Eine sinngebende Ordnung von Information – nach Moles ein Maß für die Komplexität der von der Wahrnehmung angebotenen Formen (Moles 1971: 81) – ist deren Redundanz; sie steht in umgekehrtem Verhältnis zur Komplexität der Information. Die Redundanz von Information ist für eine Kommunizierbarkeit eines informationellen oder ästhetischen Zustandes und für deren sinnverstehende Wahrnehmung fast ebenso wichtig wie die Information selbst (Moles 1971: 64). Der Gewinn an Ordnung erweist sich als Informationsverlust (Bense 1998b [1969]: 319), dies reduziert zwar die Originalität der Information, erzeugt aber jenen strukturellen Zustand, der in der Wahrscheinlichkeitsverteilung 166 des beziehenden Denkens (vgl. Riemann 1975 [1914/15]) gestalteter Variationsmöglichkeiten von Musik erscheint. Die Unvorhersehbarkeit / Originalität von – ästhetischer – Information begründet sich in deren Ausdehnung ihres Freiheitsfeldes, erst im Zeitpunkt ihrer Realisierung wird die Information in einem Netz des Denkens (Moles 1971: 259) in ihrer Komplexität reduziert und im Zeichen standardisiert. Der chaogene Zustand (Bense 1998b [1969]: 318) der Unvorhersehbarkeit wird im 165 Norbert Wiener unterscheidet in der Frage von Materialität, Information und Kommunikation streng die Begriffe Information und Materie: “Information is information, not matter or energy“ (Wiener 1961 [1948]: 132). 166 „Ein struktureller Zustand ist […] dadurch gegeben, daß ein Zeichen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit […] expediert bzw. selektiert wird, denn dann sind alle anderen Zeichen bzw. Elemente syntaktisch, also durch eine Regel, festgelegt.“ (Bense 1998b [1969]: 318). 137 Prozess sinnverstehender Wahrnehmung einer interaktiven Reorganisation durch Rezipienten / Produzenten unterzogen, daraus folgt gleichzeitig eine Reorganisation von Wirklichkeit. Die Parität von Information und Wirklichkeit zeigt sich experimentell am Doppelspaltexperiment: Ist die Information, welchen Weg das Teilchen genommen hat, nirgends vorhanden, zeigt sich ein Interferenzmuster; ist Information darüber vorhanden, verschwindet das Interferenzmuster (vgl. Zeilinger 2007: 339). Ändern sich also die Möglichkeiten von Information, ändern sich auch die Möglichkeiten von Wirklichkeit. Die Kommunikation ästhetischer Information ist so mit einem Prozess der Informationsverarbeitung und zugleich der Wirklichkeitsgenerierung gekoppelt. Die Ästhetik als kommunikativer Prozess des sozialen Systems (Gianetti 2004: online) findet ihren Ausdruck in der Medienkunst, die ihrerseits den Prozess der Informationsverarbeitung – der menschlich / sozialen wie der technischen – als wirklichkeitsgenerierendes Instrument thematisiert (Jauk 2009: 31). Die Prozessualität des Kommunikativen ist in Wissenschaft wie in (Medien)Kunst eine selbstorganisierende Prozessualität des Unvorhersehbaren, deren – stets ein vorläufig bleibender – Erkenntniswert sich in der Abkehr vom statischen (Kunst)Werk und in der Zuwendung zu dynamisch–interaktiven Organisationsprinzipien zeigt. 138 6 Diskussion: Prozess vs. Kontemplation Die Emanzipation des Geräusches ist in der Radikalität futuristischen Denkens Anfang des 20. Jahrhunderts ein schlüssiges Parallelprodukt – neben der postulierten Simultaneität dynamistischer Empfindungen 167 und dem stato d´ animo, dem Seelenzustand, der aus deren Synthese resultiere – aus der sich gegenseitig beeinflussenden künstlerischen und politischen Propaganda des Vorkriegs 168 – Futurismus. Mit der aggressiv–radikalen Forderung der Einbindung des Geräusches in die Kunst (vgl. Russolo 1913), als unmittelbare Folge von Dynamismus und Industrialisierung, wird die in der Romantik des 19. Jahrhunderts idealisierte Trennung von Kunst und (Alltags)Leben revidiert. Das „arme“ Material Geräusch, ein Typus des alltäglich (urbanen) Lebens und der fortschrittsverkörpernden Maschine, wird mit der formalisierten Regelhaftigkeit des idealistischen Kunstwollens (vgl. Riegl 1996 [1901]) verknüpft und ersetzt die Ästhetik statischer Kontemplation durch die implizite Wirkweise von Dynamik. Die in den Postulaten der Avantgarden martialisch geforderte Überwindung einer normierten, disziplinierten und statischen Kunst des Bildungsbürgertums ist gekennzeichnet durch den Tabubruch an den Grenzen zwischen Hoch– und Trivialkultur. Die Verknüpfung von futuristischen und dadaistischen Kunsttheorien mit der musikalischen Logik beziehenden Denkens im kasual– ephemeren Prozess der Performance–Künste ist die zeichenhafte und bewusst avantgardistische Verkünstlichung des Lebens. In der Selbstreferenzialität der art informel wird die Geste als körperliches Ausdrucksverhalten zum Zeichensystem Gegenhaltung emotionaler zu Perfektion, Vorstellungsinhalte Vernunft und in einer tradierten ludischen Regeln der Disziplinargesellschaft. Die Geste, die Lösung vom Statischen, als eine mimetische Nachkonstruktion (Brandstätter 2004: 187) von körperlichen Spannungs– und Entspannungsprozessen bedingt die Abwendung vom 167 Vgl. Die Futuristische Malerei. Technisches Manifest 1910 (Asholt / Fähnders 1995: 13ff) F.T. Marinetti veröffentlicht das Gründungsmanifest des Futurismus am 20. Februar 1909 im Pariser Le Figaro. 168 139 Narrativen in der bildenden Kunst und die Dynamisierung des Bildes als Rudiment der Bewegung. Das postmoderne Umfeld der popkulturellen Entwicklung ab der Mitte des 20. Jahrhunderts verbindet die (elektronische) Avantgarde und die Pop–Kultur mit dem prozessualen Charakter des anything goes (vgl. Reinhardt / Rose 1991: 154) und der Auflösung von Funktionalität. Wenn die kommerzielle Untauglichkeit von Kunst umso gründlicher wird, je mehr sie das harmlose Gemüt befremdet (Adorno 2003c [1978]: 634), ist dies eine Form der Musikalisierung der bildenden Kunst, indem deren Problem der Abbildung durch die Abstraktion, einer explizit musikinhärenten Struktur, revidiert wird. Die Annäherung der bildenden Kunst an den Formalakt „Musik“ – als eine formale Struktur ohne semantischen und syntaktischen Bezug – impliziert eine zunehmend abstrakte Bilderwelt, befreit von der Abbildung und orientiert an den code–generierten Formen von Musik. Die Performance, ein Gestaltungsprozess entwachsen aus Informalisierung und freier Improvisation, wird angeregt und gesteuert über körperliches Ausdrucksverhalten und (nonverbale) Kommunikation, verbindet musizierendes Verhalten mit der willentlichen Gestaltung des subjektiven Seins. Die Entwicklungen in Fluxus und Konzeptkunst verdeutlichen eine bewusst zeichenhaft–avantgardistische Verkünstlichung des Lebens, die das (Kunst)Werk als momentanen Zustand eines Prozesses interaktiver, kommunikativer Gestaltung beschreibt. Die Interaktion, zum einen die Transformation von Information qua Wissensbasis, zum anderen die körperliche Partizipation der Rezipienten, induziert die willentliche Gestaltung von Beziehungen und deren (außen)referentielle Codierung. Eine fortschreitend abstrakte Bildkunst im 20. Jahrhundert wird mit den Formen der Musik, mit Codes, generiert und spiegelt die hedonistische Stimmung der Populären Künste wieder; der leistungsorientierte Körper wird durch die lustorientierte Erfahrung ersetzt. Zwischen den Techniken der Avantgarde und der ästhetischen Form der Popkultur entwickelt sich der funktionale Zusammenhang des Kunst / Leben auf der Basis emotionalen Vergnügens, die der distanzierten Kontemplation des statischen Kunstwerks entgegenwirkt. 140 Die Symbiose von gedanklichem Konstrukt und emotionalem Reiz in der Simultaneität multimodaler Wahrnehmung von Symbol und Signal wirkt als ästhetische Verdichtung von Zeit auf die Irritation körperlich erfahrbarer Wahrnehmungsprozesse. Die Konstruktion von Wirklichkeit ist in der Veränderung der Information in den Wahrnehmungsprozessen durch deren Verzerrung und Differenz zur Erfahrungsbasis des Empfängers begründet und wird in der künstlerischen Interaktion reflektiert. Die wechselseitige Beziehung der Informationsübertragung und deren Kommunikation ist instrumentalisiertes Ausdrucksverhalten, ein musikbasierendes körperliches Verhaltensprinzip, das auch als ein Modell für intuitiv bedienbare technologische Interfaces (vgl. Theremin) zu sehen ist. Der kommunikative Wert des zu Unterscheidenden zwischen dem Wahrnehmungsraum und dem Vorstellungsraum ist die mediatisierte Wirklichkeitskonstruktion, die den phylogenetischen Körper– Umwelt–Bezug redefiniert. Die Konversion des analogen Zustandes auf die Ebene des digitalen Codes ist zugleich die Transformation des Natürlichen auf die Ebene des Künstlichen; die den die künstliche Natur beschreibenden – digitalen – Code willkürlich alterierbar macht. Der digitale Code ist zum einen keinem bestimmten Material verpflichtet, zum anderen nicht an sensorische Erinnerungen des Individuums gebunden und somit nicht aus der Regelhaftigkeit einer sinnlichen Erfahrung hervorgegangen (Jauk 2009: 443). Die dem bedeutungsfreien digitalen Code implizite Virtualität physikalischer Parameter transferiert den Denkprozess in die (willkürliche) Regelung syntaktischer Ereignisse, die in maschinell– instrumentalen Prozessen zur semantischen Bedeutung verknüpft werden. In der Netzstruktur dieser Prozesse als komplexes Zeichensystem ist der Akt des Werdens die Transgression des „Werks“, die Interaktion von Immaterialität, Prozess und Partizipation kulminiert im künstlerischen Forschen (Lyotard 1985: 62) anstelle von distanzierter Kontemplation. Der Erhöhung der Geschwindigkeit durch den technologischen Fortschritt ist die Beschleunigung des Informationstransfers bis hin zur simultanen Verfügbarkeit an multiplen Orten implizit; die interaktive Konstruktion von Wirklichkeit ersetzt den anthropomorphen Raum. Die ortlose Information, 141 verknüpft mit der digitalen Ästhetik des bedeutungsfreien Codes, ist das unmittelbar verfügbare informierte Material kollektiver Wirklichkeitskonstruktion ohne die Einschränkung der konkreten Erfahrung. Die hedonistische Gestaltung abseits von logischem Verhalten ist im Dadaismus Programm, in der technoiden Kunst der Codes ist sie ein hochfunktionales Fehlersystem (vgl. Kriesche 2003: 151), das sich im Prozess beziehenden Denkens formalisiert. Die Verschränkung von Information und Wirklichkeit reduziert im Kommunikationsprozess den chaogenen Zustand (Bense 1998b [1969]: 318) des bedeutungsfreien Codes; in der Synthese von (Medien)Kunst, Technologie und Performance wird eine, vom musikalischen Paradigma des beziehenden Denkens bestimmte Wirklichkeit konstruiert. Die Ambivalenz zwischen den medialen Strukturen von Musik und bildender Kunst wird in der Metastruktur des Codes aufgelöst; die Inkulturation der Theorie der musikalischen Notation als willkürliche Codierung syntaktischer Elemente in die (bildende) Kunst ist die Überwindung deren wahrnehmungs– und medientheoretisch begründeten Segregation. Die Dynamisierung des Bildes (vgl. Jauk 2009: 389ff) ist die Transposition narrativer und mimetischer Formen des statischen Werkes – in der bildenden Kunst – in die informelle Gestaltung und Abstraktion; die Befreiung von der Abbildung ist die Voraussetzung für deren Codierung. Der (musikalische) Code 169 ist unbeeinflusst von Bedeutung und Körper–Umwelt–Bezug, er ist ein Vermittler, der vom Vermittelnden entkoppelt ist; die Codierung des Bildes ist dementsprechend entkoppelt von jeder ikonischen Repräsentanz. Das Kunstwollen des 21. Jahrhunderts ist begründet in der hedonistischen Ästhetik des kommunikativen Prozesses; die strukturelle Kommensurabilität von Musik und bildender Kunst ergibt sich durch die Metastruktur des Codes und ist dafür conditio sine qua non. 169 Der Musik, formalisiert im musikalischen Code, kann im Ausnahmefall abbildende Wirkung erfahren, eine über konkrete / abstrakte Erfahrungssituationen integrierte Mimesis ist durchaus möglich. 142 Literatur Adorno, Theodor W. (1977), Die Kunst und die Künste, in: ders., Kulturkritik und Gesellschaft 1; Prismen. Ohne Leitbild, hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitw. von Gretel Adorno (=Gesammelte Schriften Bd. 10.1), Frankfurt / Main: Suhrkamp, S. 432 – 453. Adorno, Theodor W. 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