Rhythmuszeichen in der musikalischen Notation

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INTERNATIONALER ARBEITSKREIS SIGNOGRAPHIE
INTERNATIONAL SIGNOGRAPHERS NETWORK
GROUPE INTERNATIONAL D’ÉTUDES SIGNOGRAPHIQUES
KARIN PAULSMEIER
Rhythmuszeichen
in der musikalischen Notation
Version 1.0 ÷ März 2005 ÷ © Karin Paulsmeier 2005
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www.signographie.de
Abhandlung ÷ IAS–Paulsm–Rhythm–vs–1–0.pdf ÷ März 2005 ÷ 3 Seiten
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internationaler arbeitskreis signographie
Karin Paulsmeier
Rhythmuszeichen in der musikalischen Notation
Die heute allgemein gebräuchliche Notenschri˝, in deren Zentrum die Ordnung der Notenzeichen nach den Gesetzmäßigkeiten des Taktssystems steht, ist geprägt von Inkonsequenzen und
Paradoxien.
Inkonsequent ist die Verwendung der Taktvorschri˝en selbst, indem die Zeichen ¡ und ¢
neben mathematischen Brüchen wie £, H, W u.s.w. stehen. Warum wird für ¡ und ¢ nicht ebenfalls
durchgehend R, beziehungsweise ” geschrieben? Und wo ist die Brevis (‰) im mit ¢ vorgeschriebenen, sogenannten »alla breve«-Takt?
Paradox ist die Verwendung der Zahlenvorschri˝en selbst, denn diese stehen in deutlichem
Widerspruch zu dem, was sie, für sich genommen, eigentlich aussagen. Denn wovon ist die »Viertelnote« ein Viertel und die »Achtelnote« ein Achtel? Wo ist im »Dreivierteltakt« £ das vierte
Viertel, das wir beim Anhören eines Walzers oder Menue∫s ja gar nicht vermissen? Müßte eine
Takteinheit aus drei Teilen nicht sinnvollerweise mit e vorgeschrieben werden? Aber wo bliebe
dann der Unterschied zum D-Takt?
Diese Diskrepanz zwischen den rechnerischen Konzepten, in denen die Notenzeichen eingebunden sind, und den musikalischen Realitäten, für die sie stehen, hat ihren Grund darin, daß die
Notenschri˝ nicht als ein in sich stimmiges Ganzes, in einem einmaligen Schöpfungsakt »erfunden« wurde, sondern – ursprünglich als Notation der musikalischen Klassik – das Ergebnis eines
langen geschichtlichen Prozesses darstellt. In ihr bewahren sich Elemente unterschiedlicher Epochen der Vergangenheit. (So sind zum Beispiel das Zeichen ¡ seit dem 14. Jahrhundert, das Zeichen
¢ seit dem 15. und die als Brüche dargestellten Taktvorschri˝en seit dem späteren 17. Jahrhundert
in Gebrauch.)
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Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Schichten innerhalb der heutigen Notenschri˝ genauer
zu untersuchen. Doch sollen einige ihrer Eigenheiten erwähnt werden, die zur Erklärung dieser
Toleranz oder – je nach Sichtweise – Nachlässigkeit der Musiker gegenüber einer konsequenten
schri˝lichen Fixierung ihrer Kompositionen dienen.
Die Besonderheit der abendländischen Musik, und in deutlicher Abgrenzung zu derjenigen
anderer Kulturen, besteht darin, daß sie sich seit dem Mi∫elalter an festen Beziehungen in der
Dauer der Töne zueinander orientiert und dies in ihrer Notation auszudrücken weiß. Eine Spiegelung dessen sind die in der Musiklehre zentralen Begriƒe der mensura, dem Maß, nach dem sich
alle Töne einer Komposition zu richten haben, und der proportio, durch welche besondere Verhältnisse der Notengruppen zueinander geregelt werden. Neben Mensurzeichen wie und ¡ oder
¢ sind es vor allem die durch Zahlen dargestellten Proportionen, wie zum Beispiel 2, ¢3 oder
¡§, die im Laufe der Jahrhunderte eine ständig wachsende Bedeutung erlangen. Ihre späten Nachfahren zeigen sich im klassischen Taktsystem. Es ist diese Bindung aller Stimmen einer Komposition an einen geregelten Zeitablauf, die als unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung zu
einer rhythmisch komplexen Mehrstimmigkeit angesehen werden muß, wie wir ihr im Konzertsaal beim Anhören von Streichquarte∫en oder Symphonien (zum Beispiel) ganz selbstverständlich
begegnen.
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Ein Eigenart der Notenschri˝ jedoch ist, daß sie nicht, wie zum Beispiel in der Mathematik,
Ausdruck definierter Denkprozesse ist und mit diesen eine unauflösliche Einheit bildet, sondern
auf eine Umsetzung in eine Klangbewegung zielt, auf welche sie letztlich keinen Einfluß hat.
Zudem geschehen Veränderungen in der Kompositionsweise, je weiter wir uns von der
Musik des Mi∫elalters entfernen, unabhängig von einer genauen Befolgung der rechnerischen
Bedingungen der Notenschri˝. Dies hat zur Folge, daß einer Komposition zwar häufig eine Proportionsangabe vorgeschrieben sein konnte, diese aber nicht mehr in rechnerischer Genauigkeit
verstanden wurde. Das heißt, daß zum Beispiel eine »proportio sesquialtera« (= 3:2) im 17. Jahrhundert nicht mehr unbedingt im Sinne der Gleichsetzung ¡∏∏ = ¡§∏∏∏ ausgeführt wurde,
sondern den Komponisten als selbständiges, wenn auch rhythmisch klar definiertes Bewegungsmodell zur Verfügung stand. Ein Konsens über den musikalischen Sinn der Proportion tri∫ an die
Stelle ihrer wörtlichen Ausführung. Damit kommt es zu einem Auseinandertreten zwischen den
theoretischen Grundsätzen der Schri˝ und ihrer praktischen Umsetzung. So lange ein Konsens
des Verstehens herrscht, bedarf es keiner Änderungen in der Art und Weise des Notierens.
So erweist sich unsere Taktvorschri˝ £ als die verkürzte Schreibweise der Proportionsangabe
¡£, die nach der Lehre des späten 17. Jahrhunderts (in Anpassung an die praktischen Gegebenheiten der Musik dieser Zeit) besagt, daß hier drei sta∫ der »normalerweise« (d.h. in ¡) vier Teile
eine rhythmische Einheit bilden. In der Reduktion der Vorschri˝ ¡£ zu £ spiegelt sich die Loslösung vom Konzept der Proportion und die Hinwendung zu einer Auffassung, die den £-Takt –
um bei diesem Beispiel zu bleiben – als eine Gruppierungsform versteht, die sich oƒen für im
höchsten Maße unterschiedliche musikalische Gestaltungen anbietet. Diese Qualität der Oƒenheit in der Schri˝ selbst und ihre Eigenart, dem Interpreten Freiheit in der Ausführung zu suggerieren, läßt sie als angemessenes Mi∫el der Aufzeichnung und Vermi∫lung von Musik ihre
Gültigkeit bis heute bewahren.
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SIGNA Nr. 4
Der Punkt in der Musik
Über die Funktionen des Punktes in der musikalischen
Notation sowie graphische ›Schlußpunkte‹ der Musik
isbn 3-933629-08-x
Format: 24 ≈ 16cm, Broschur, 48 Seiten mit zahlreichen
Abbildungen; Einzelpreis: ™7,90
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