TIERHALTUNG Luxuswolle aus EbnatKappel Kaschmirwolle zählt zum Komfortabelsten, Begehrtesten und Teuersten, was der Wollmarkt zu bieten hat. Die Ziegen, die diese feine Luxuswolle produzieren, werden auf der ganzen Welt gehalten. Auch im Toggenburg. von Eveline Dudda publiziert im St.Galler Tagblatt am 24.Januar 2009 E BNAT-KAPPEL. Die feine Unterwolle der Kaschmirziegen ist weicher, wärmer und leichter als Schafwolle und so beliebt, dass Kaschmirziegen längst nicht nur in der Himalajaregion Kaschmir gehalten werden. Grosse Herden gibt es in China, Australien, Neuseeland und den USA. Sogar in die Schweiz hat es dieses eigenwillige Rassengemisch geschafft: Die derzeit grösste KaschmirziegenHerde lebt in Ebnat-Kappel bei Stephan Wagner. Vor 14 Jahren hat er mit drei Kaschmirziegen angefangen. Er tat dies ganz bewusst: «Ich wollte ein Tier, das sowohl intensiv als auch extensiv gehalten werden kann und mit dem man Produkte im Hochpreissegment herstellen kann.» Unkomplizierte Haltung Obwohl die Ziegenhaltung auf dem Sieben-Hektar-Betrieb im Nebenerwerb geschieht, betreibt der Physiker und Informatiker die Ziegenzucht höchst professionell. Er setzt sogar schottisches Sperma ein, um seinem Zuchtziel – eine hohe Wollqualität bei grosser Tierrobustheit – näherzukommen. Inzwischen ist sein Bestand auf 40 Tiere angewachsen, 60 sollen es im Endausbau werden. Kaschmirziegen sind noch sehr ursprünglich, wie Wagner sagt: «Das erkennt man auch daran, dass die Geissen nicht mehr Milch geben, wenn sie besser gefüttert werden.» Eher im Gegenteil: Zu gutes, also zu eiweissreiches Futter kann für die Tiere Journalismus im grünen Bereich sogar tödlich sein. Die Kaschmirziegen-Haltung ist relativ unkompliziert, speziell ist vor allem die Wollgewinnung: Im Frühling wird das feine Unterhaar in zwei bis drei Durchgängen ausgebürstet; nicht alle Haare lösen sich gleichzeitig. Man kann die Tiere auch scheren, doch muss man sie danach so lange vor Kälte schützen, bis ihr Fell nachgewachsen ist. Dazu brauchen sie einen geheizten Stall oder ein Mäntelchen zum Anziehen. Aufwendige Sortierarbeit Die grösste Arbeit ist das Sortieren: das Trennen der feinen Wolle vom Deckhaar und den Verunreinigungen. Von Hand dauert es rund eine Stunde, um zehn Gramm Wolle zu sortieren. Industrielle Sortiermaschinen sind zwar schneller, aber teuer, und kleine Sortiermaschinen gibt es kaum, und auch sie kosten Zehntausende von Franken. Bisher hat Wagner diese Investition noch gescheut. Vorerst bewahrt er seine Rohwolle mottensicher auf und gibt sich mit den anderen Produkten der Kaschmirziegen zufrieden: mit der Milch, die sehr wenig Ziegenmilcharoma hat und sich wie Kuhmilch verkäsen lässt. Wobei die Kaschmirziege, bei einer Milchleistung von einem bis eineinhalb Litern Milch pro Tag, nicht gerade sehr produktiv ist. Auch die Fleischproduktion ist wenig wirtschaftlich, da die Tiere erst mit drei Jahren ausgewachsen sind. Doch Wagner hat ohnehin kaum schlachtreife Tiere, weil sich seine Herde noch im Aufbau befindet. Aus dem Bündnerland? Nicht nur Wagner setzt auf Schweizer Kaschmirwolle. Auch der Küsnachter Marketingmann Beat Nik Hug träumt seit ein paar Jahren vom Branding «Cashmere made in Switzerland». Hug möchte in den Bündner Hochtälern rund 3000 Kaschmirziegen ansiedeln lassen und deren Produkte (Wolle, Milch, Fleisch und Leder) als Luxusgüter in Edelboutiquen verkaufen. Technisch wäre die Haltung der Wollziegen im Bündnerland durchaus möglich, auch wenn die Tierbeschaffung schwierig werden dürfte, wie Andreas Michel, Präsident des Ziegenzucht-Verbandes Graubünden und Tierzuchtlehrer am Plantahof, erklärt: «Aus dem Ursprungsgebiet im Himalaja darf man wegen der Krankheit CAE keine Tiere einführen. Man müsste deshalb Ziegen aus Schottland, Norwegen oder Dänemark zukaufen.» Doch dort stehen eher wenig Tiere zum Verkauf, so dass man die Tierbestände langsam aufbauen müsste. Allerdings hätte die Bündner Kaschmirwolle ein Handicap: Sie wäre mindestens drei- bis viermal so teuer wie vergleichbare Wollqualitäten auf dem Weltmarkt. Michel: «Um die Produktionskosten zu decken, müsste der Wollpreis bei tausend Franken pro Kilogramm liegen.» Das klingt im ersten Moment nach viel, ist aber wenig, wenn Journalismus im grünen Bereich . Eveline Dudda . Krans-Lachenstrasse 69 . CH 9452 Hinterforst . Telefon 0041-71-755 73 09 . [email protected] Seite 1 TIERHALTUNG Luxuswolle aus EbnatKappel Journalismus im grünen Bereich man weiss, wie wenig Wolle die Ziegen sich die Haltung der Kaschmirziege nur produzieren: Mehr als 100 bis 200 lohnt, wenn auch ein Teil der Gramm pro Tier und Jahr liegen nicht drin. Stapelverarbeitung in den Händen der Bauern liegt. Genau das strebt er an. 1000 Franken pro Kilo www.cashmere-garden.ch Hug und sein Geschäftspartner Fred www.swisscashmere.ch Ryffel rechnen damit, dass es nicht an gutbetuchter Kundschaft mangelt, die bereit ist, für einen Kaschmirpullover Kaschmirziegen 2000 Franken und mehr zu bezahlen. werden vor allem wegen der Dennoch halten sie einen Rohstoffpreis Unterwolle gehalten; die Deckhaare von tausend Franken pro Kilo (was rund sind 10 bis 30 Zentimeter lang, die zehn Prozent des Verkaufspreises Unterwolle rund 6 Zentimeter. Pro ausmachen würde) für inakzeptabel. Tier und Jahr fallen 100 bis 200 «Mehr als vierhundert bis fünfhundert Gramm Unterwolle an. Franken liegen nicht drin», sagt Ryffel. Er Kaschmirziegen sind keine ist der Meinung, dass die Kosten der eigentliche Rasse, sondern ein Tierhaltung durch Subventionen gedeckt Sammelbegriff für rund 20 werden sollen. verschiedenen Wollziegen-Rassen, Hug geht sogar noch weiter und will nur die einem bestimmten Typ einen Bruchteil der Fasern, nämlich das angehören. Die Haarfarbe reicht von Hochqualitätssegment mit 11 bis 12 Weiss über Grau bis Schwarz. Die Mikron Durchmesser, verarbeiten. Er meisten Tiere haben Schlappohren rechnet damit – das ist eher optimistisch und sind mit einem Stockmass von –, dass pro Tier rund 50 Gramm diese 60 cm und einem Gewicht von 40 bis Anforderung erfüllen. Folglich würde der 50 Kilo (Böcke bis 70 Kilo) kleiner als Wollerlös der Bauern pro Ziege und Jahr andere Schweizer Ziegenrassen. (ed) bei 20 bis 25 Franken liegen – das deckt nicht einmal den Aufwand für die Wollgewinnung. Ob die Swisscashmere AG unter diesen Vorzeichen wirklich einmal «Schweizer Exklusivabnehmerin der aberntbaren höchsten Kaschmirqualität» wird, ist fraglich. Für Wagner ist schon länger klar, dass Journalismus im grünen Bereich . Eveline Dudda . Krans-Lachenstrasse 69 . CH 9452 Hinterforst . Telefon 0041-71-755 73 09 . [email protected] Seite 2