ANGEBOTORIENTIERTE WIRTSCHAFTSPOLITIK Manfred O. E.

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ANGEBOTORIENTIERTE WIRTSCHAFTSPOLITIK
Manfred O. E. Hennies
Fachhochschule Kiel/University of Applied Sciences
Deutschland
1. Konzeptionelle Entstehung
Als in den 70er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland – wie in anderen westlichen Industrieländern auch – der Wachstumstrend weiter abflachte, wirkten sich die konjunkturellen
Abschwungsphasen zwischen 1973 (3. Quartal) und 1975 (2. Quartal) sowie 1979 (3. Quartal) und 1982 (4. Quartal)1 in deutlich ansteigenden Erwerblosenzahlen aus. Es trat nunmehr
etwas in Erscheinung, was man in der Bundesrepublik bislang noch nicht kennen gelernt
hatte: Die 'Stagflation', das zeitliche Zusammentreffen von Erwerblosigkeit und Inflation!
Das Stagflationsphänomen schien die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik vor ein unlösbares Problem zu stellen: Nach diesem Konzept sollten doch inflatorische Prozesse durch nachfragedämpfende Maßnahmen bekämpft werden, während zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung Nachfragesteigerungen empfohlen wurden. Diese Diskrepanz gab den Anstoß zur
Rückbesinnung auf die Harmonievorstellungen der Klassiker (Say'sches Theorem usw.). Es
entstand das als Gegenposition gedachte Konzept der angebotorientierten Wirtschaftspolitik.
Ihre Maßnahmen zielen ganz allgemein auf eine Verbesserung der Produktions- und Angebotsbedingungen (daher auch die angelsächsische Bezeichnung 'Supply-side Economics')
sowie Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft an Strukturveränderungen. Für den
geldpolitischen Bereich hatten bereits einige Jahre zuvor die Monetaristen (voran: Milton
Friedman) eine Strategie entwickelt, die nunmehr übernommen wurde.
2. Einwendungen gegen die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik
Als Reaktion auf die zunehmend auftretenden stabilitätspolitischen Schwierigkeiten, welche
die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik nicht mehr zu bewältigen schien, ist die angebotorientierte Wirtschaftspolitik (Supply-side Economics) entwickelt worden. Die Einwendungen, die gegen die Nachfragesteuerung vorgetragen werden, lassen sich im Wesentlichen in
vier Punkten zusammenfassen:
∧ Das Konzept der Globalsteuerung der Nachfragekomponenten setzt voraus, dass die Fragen
der D i a g n o s e der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, der P r o g n o s e der
zukünftigen Wirtschaftsentwicklung, des r e c h t z e i t i g e n Einsatzes ('timing') sowie der
Q u a n t i f i z i e r u n g der zu ergreifenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen befriedigend beantwortet werden können. Die praktischen Erfahrungen haben aber gezeigt, dass diese Probleme bisher nicht gelöst worden sind.
∧ Die diskretionären Instrumentvariablen der Nachfragesteuerung stellen an die Wirtschaftspolitiker Anforderungen, die von diesen meist nicht erfüllt werden können. Gemäß dem antizyklischen Konzept müssen in überhitzten Expansionsphasen Ausgaben eingeschränkt, steuerliche Vergünstigungen abgebaut, Haushaltsüberschüsse gebildet und in Konjunkturausgleichsrücklagen stillgelegt oder zur Tilgung bestehender Schulden bei der Zentralbank verwendet werden, auch wenn das noch so unpopulär ist und Wahlen bevorstehen. Die Erfah1
jeweils im Anschluss an die Ölpreisschocks (2. Ölkrise in Deutschland 1978-1980).
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rungen zeigen, dass Politiker viel eher dazu neigen, zu ihrer Wiederwahl 'Steuergeschenke' an
die Bürger zu verteilen, als den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten zu entsprechen. Dabei wird dann versäumt, öffentliche Schulden, die im Abschwung entstanden sind, in Aufschwungsphasen aus Haushaltsüberschüssen wieder zu tilgen. Wächst auf diese Weise der öffentliche Schuldenberg schneller als das nominale Bruttoinlandprodukt, überschuldet sich der
Staat.
∧ Mit den Mitteln der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik können zwar einerseits konjunkturelle Erwerblosigkeit (Keynesianische Erwerblosigkeit) und andererseits auch Überschuss-Nachfrage-Inflation (Demand-pull-inflation) bekämpft werden; sind aber andere Ursachen wirksam, die beispielsweise zu technologischer, angebotstrukturbedingter Erwerblosigkeit oder gar zu einem Zusammentreffen von Erwerblosigkeit und Inflation (Stagflation,
slumpflation) führen, so versagt diese Strategie.
∧ Die Strategie der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik muss wegen ihres einseitigen
Ansatzes vor allem immer dann versagen, wenn massive exogene Störungen auftreten, die –
wie das beispielsweise während der rapiden Ölpreisverteuerungen in den 70er Jahren der Fall
war – überwiegend die Angebotsseite betreffen. Zu ihrer Bekämpfung bedarf es dann angebotorientierter Maßnahmen oder – noch besser – Vorkehrungen auf der Angebotsseite, damit
zukünftig solche und ähnliche Schocks von der Wirtschaft reibungsloser verkraftet werden
können.
3. Elemente einer angebotorientierten Wirtschaftspolitik
Die angebotorientierte Wirtschaftspolitik stellt kein in sich geschlossenes Konzept dar, so wie
das bei der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik der Fall ist. Sie ist eher eine Zusammenfassung zahlreicher Einzelmaßnahmen. Ihr liegt die Überlegung zu Grunde, dass die wirtschaftlichen Erscheinungen viel zu kompliziert seien, als dass sich das Wirtschaftsgeschehen
jemals durch diskretionäre Maßnahmen einigermaßen sicher steuern ließe. Der Staat könne
nicht die Rolle einer Superinstanz übernehmen, die alles das korrigiert, was als Defekt der
Privatwirtschaft angesehen wird. Überdies sei er oft Verursacher dieser Störungen. Deshalb
müsse er insoweit Objekt der Therapie sein und nicht Subjekt. Die Vertreter der angebotorientierten Wirtschaftspolitik sind davon überzeugt, dass eine Marktwirtschaft, die sich selbst
überlassen ist, das beste Steuerungsinstrument biete, weil sie Störungen jeglicher Art weitgehend selbsttätig über den Preismechanismus2 bereinigen und Fehlentwicklungen von vornherein verhindern könne. Voraussetzung hierfür sei allerdings ein intakter Wettbewerb. Deshalb komme es vor allem darauf an, bestehende Wettbewerbshemmnisse zu beseitigen und
eine Wettbewerbsordnung zu erhalten, welche die freien Marktkräfte zur vollen Entfaltung
kommen lasse. Die angebotorientierte Position kann durch folgende Punkte skizziert werden:
a) Zurückhaltende Lohnpolitik
Für die angebotorientierten Wirtschaftspolitiker hat die Lohnpolitik in den stabilisierungspolitischen Überlegungen eine zentrale Bedeutung. Nach deren Vorstellungen besteht zwischen
Produktivitätsfortschritt, Reallohn (preisbereinigter Nominallohn) und Erwerblosigkeit ein
unmittelbarer Zusammenhang.
2
Herbert Giersch spricht in diesem Zusammenhang vom 'Mega-Computer des Signalsystems der
freien Marktpreise' (Giersch, H., Löhne, Jobs und Jobkiller, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
13.12.1982).
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Werden durch die Tarifpolitik die Nominallöhne über den Produktivitätsfortschritt hinaus angehoben, so erhöhen sich die spezifischen Lohnkosten.3 In dieser Situation gibt es zwei
Möglichkeiten: Entweder gelingt es den Unternehmungen, die Preise ihrer Produkte den gestiegenen Lohnstückkosten anzupassen; dann steigt das Preisniveau in etwa um die Differenz
beider Veränderungsraten (lohnpolitische Komponente der Geldentwertung). Die Reallöhne
wachsen im Ausmaß des technischen Fortschritts, also der fortschrittsbedingten Gütermehrerzeugung. Ertragslage der Unternehmungen und Beschäftigung bleiben unverändert. — Der
andere Fall ist der, dass die Unternehmungen nicht in der Lage sind – aus welchen Gründen
auch immer –, ihre Absatzpreise der veränderten Kostensituation anzupassen. Bleibt das
Preisniveau konstant (stabiler Geldwert), erhöhen sich die Reallöhne im Ausmaß der steigenden Nominallöhne, also um mehr als unter stabilitätspolitischen Gesichtspunkten ceteris paribus zu vertreten ist. Die Unternehmer werden sich unter diesen Umständen aus Rentabilitätsgründen früher oder später dazu genötigt sehen, jene Arbeitplätze durch Betriebsmittel zu ersetzen oder diese Kapazitäten gänzlich abzubauen, auf denen die gestiegenen Reallöhne nicht
mehr erwirtschaftet werden können. Damit scheiden unterdurchschnittlich produktive Arbeitplätze und Arbeitkräfte aus dem Produktionsprozess aus. Die Zahl der Erwerblosen nimmt
zu. Bei Substitution von Arbeit durch Betriebsmittel liegt dem äußeren Anschein nach technologische Erwerblosigkeit vor; in Wirklichkeit handelt es sich um lohnkostenbedingte Erwerblosigkeit.
Die Freisetzung unterdurchschnittlich produktiver Arbeitkräfte führt rein rechnerisch auf den
verbleibenden Arbeitplätzen zu Produktivitätssteigerungen4, auch wenn kein tatsächlicher
Fortschritt vorliegen sollte. Werden diese numerischen Effekt in den Tarifverhandlungen zur
Grundlage weiterer Nominallohnerhöhungen gemacht, sind erneute überproduktivitätsproportionale Lohnsteigerungen, steigende spezifische Lohnkosten und – wenn es nicht zu entsprechenden Preisanpassungen kommt – Rentabilitätsminderungen die Folgen und damit zusätzliche Erwerblose vorprogrammiert.5
Nominallohnerhöhungen, die über den tatsächlichen, technologisch bedingten Produktivitätsfortschritt hinausgehen, wirken, wenn sie nicht mit rentabilitätserhaltenden – aber dann den
Geldwert mindernden – Preisanpassungen korrespondieren, wie Rationalisierungspeitschen.
Sie führen durch forcierte Substitution von Arbeit durch Betriebsmittel zu Erwerblosigkeit.
Die Formel, nach der heute die durchschnittlichen Produktivitätssteigerungen berechnet werden, und die Praxis der Tarifpolitik stellen einen 'Teufelskreis' dar, der zu fortlaufend steigender Erwerblosigkeit führt.6
3
Vgl. hierzu: Hennies, M. O. E., Verteilungspolitik in Wirtschaftsordnungen mit überwiegend marktwirtschaftlichen Ordnungselementen, in: Die Integration der Republik Estland mit der Europäischen
Union – Ziele und Mittel der Wirtschaftspolitik, Beiträge zur VI. wissenschaftlichen und ausbildenden
Konferenz, Tartu und Värska vom 25. – 27.06.1998, Tallinn 1998, S. 77 f.
4
Scheiden aus einer Grundgesamtheit Merkmalsträger mit unterdurchschnittlichen Merkmalswerten
aus, so steigt zwangsläufig der durchschnittliche Merkmalswert der in der Grundgesamtheit verbleibenden Merkmalsträger.
5
In den bisherigen Überlegungen ist unberücksichtigt geblieben, dass jede Lohnerhöhung ohne
Sparzwang auch zu steigenden Konsumausgaben führt. Kommt es bei elastischer Geldversorgung
zu Wiederverausgabungseffekten, dann werden die Unternehmungen ihre Preise den gestiegenen
spezifischen Lohnkosten anpassen können. In diesem Fall erhöhen sich die Reallöhne auf Grund
der steigenden Preise lediglich im Ausmaß des Produktivitätsfortschritts. Das ist der zuerst betrachtete Fall.
6
Dadurch entsteht eine 'duale Wirtschaft', bestehend aus Wirtschaftssubjekten, die Arbeit haben, und
anderen, die erwerblos sind. "Diejenigen, die drinnen sind und bleiben, sind hochproduktiv, wie die
überhöhten Löhne es verlangen. Die anderen sind arbeitslos, finden den Zugang zum Markt versperrt oder stehen vor Anforderungen an Produktivität und Leistungsfähigkeit, die sie kurzfristig
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Zur Lösung dieses Problems ist eine zurückhaltende Lohnpolitik eine unabdingbare Voraussetzung. Die Nominallöhne dürfen nur in einem Ausmaß angehoben werden, wodurch gewährleistet ist, dass die Reallöhne nicht stärker wachsen als der 'natürliche Produktivitätsfortschritt'.7
b) Konstanz der Wirtschaftspolitik
Eine weiteres wichtiges Anliegen für die angebotorientierten Wirtschaftspolitiker ist die Konstanz der Wirtschaftspolitik im Sinne von Walter Eucken8, damit die Wirtschaftseinheiten,
insbesondere die Unternehmungen, in ihren Wirtschaftsplänen mit festen Rahmendaten rechnen können. Eine diskretionäre Politik wird strikt abgelehnt: Gefordert wird statt dessen eine
V e r s t e t i g u n g der öffentlichen Haushaltswirtschaft (Ablehnung antizyklischer Finanzpolitik). Dabei wird allerdings nicht zu vermeiden sein, dass in Abschwungsphasen auf
Grund sinkender Steueraufkommen und gegebenenfalls steigender Staatsausgaben9 Haushaltsdefizite entstehen (erlittene Defizite). Diese sind bei konsequenter Verstetigung der Finanzpolitik aber nur vorübergehender Natur, weil sie sich in der nächsten Expansionsphase
wieder zurückbilden und ins Gegenteil verkehren werden (?), so dass mit den dann resultierenden Haushaltsüberschüssen die in der Kontraktion entstandenen Defizite wieder abgebaut
werden können.
c) Beseitigung aktivitätshemmender Restriktionen
Durch Abbau aller bürokratischen Gesetze und Vorschriften, die sich im Laufe der Zeit als
nachteilig erwiesen haben, sind Wettbewerb zu fördern und Eigeninitiative sowie Unternehmergeist zu stärken. Zu denken ist dabei insbesondere an:
– Bestimmungen, durch welche die Staatstätigkeit gegen den offenen Wettbewerb abgeschirmt wird (z. B. rechtliche Monopole; Sonderrechte für Eisenbahn, Post, kommunale Versorgungsbetriebe und staatliche Bildungseinrichtungen; Restriktionen, welche die Telekom-
7
8
9
nicht erfüllen können. ... Wenn sich das Dilemma der dualen Wirtschaft nicht weiter verschärfen
soll, muss sich der Lohnanstieg am natürlichen Produktivitätsfortschritt ausrichten, nicht an jenem
Produktivitätsfortschritt, der für die Periode des Schrumpfens gemessen wurde." (Giersch, H.,
Produktivität und Beschäftigung, Vortrag anlässlich eines gemeinsamen Symposiums des
Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und des Instituts der deutschen
Wirtschaft (IW) am 1./2.02.1983, unveröffentlichtes Manuskript, S. 11 f.)
Giersch nennt ihn auch 'beschäftigungsneutralen' Produktivitätsfortschritt. Dabei handelt es sich
nach seiner Interpretation um jenen Produktivitätsfortschritt, der auf eine konstante Beschäftigtenzahl und -struktur bezogen ist und sich allein aus dem technischen Fortschritt erklärt. (Giersch, H.,
Produktivität und Beschäftigung, ebenda, S. 8 f.) — Nach Giersch wäre eigentlich eine noch viel
drastischere Formel angebracht, da das Reallohnniveau gegenwärtig viel zu hoch sei: "Die Lohnabschlüsse müssen eigentlich so niedrig wie möglich sein, damit die Reallöhne, soweit sie tarifliche
Mindestlöhne sind, möglichst schnell und möglichst stark sinken und die Zugangssperre des Mindestlohns bald aufhört, wirksam zu sein, ... ." (Giersch, H., Produktivität und Beschäftigung, ebenda,
S. 12.); zur Frage der Kostenneutralität und Verteilungswirksamkeit der Nominallohnpolitik vgl.:
Hennies, M. O. E., Allgemeine Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte – Geld, Konjunktur, Außenwirtschaft, Wirtschaftswachstum und Verteilung, Berlin 2001, Kapitel 6, § 4, 1.a).
"Eine gewisse Konstanz der Wirtschaftspolitik ist nötig, damit eine ausreichende Investitionstätigkeit
in Gang kommt. Ohne diese Konstanz wäre auch die Wettbewerbsordnung nicht funktionsfähig."
(Eucken, W., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Hamburg 1959, S. 176.
Dabei handelt es sich aber – das sei ausdrücklich betont – nicht um bewusste Staatsausgabenerhöhungen, sondern um Steigerungen, die auf Grund automatischer, im Wirtschaftssystem existierender Stabilisatoren ('built-in stabilizer') entstehen und zu antizyklischen Budgetbewegungen führen (z. B. bei Erwerblosengeldern und -unterstützungszahlungen).
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munikation hemmen). Ziel ist, einen freien Wettbewerb unter allen Wirtschaftseinheiten, einschließlich der öffentlichen Institutionen, zu gewährleisten. Damit soll erreicht werden, dass
bisher öffentliche Aufgaben, die unter Produktivitätsgesichtspunkten besser von privaten
Unternehmungen wahrgenommen werden können, in private Hände überführt werden ('Reprivatisierung öffentlicher Aufgaben').
– Eingriffe in das Marktgeschehen, die ursprünglich als soziale Korrektur gedacht waren, sich
aber als negativ erwiesen haben (z. B. Kündigungsschutz und gesetzliche Regelung der Mietpreise – statt dessen wird ein Übergang zu einer völlig freien Wohnungswirtschaft gefordert).
– Rechtsvorschriften, die den Zugang zu Märkten versperren (z. B. handelspolitische
Schutzmaßnahmen – Protektionen – durch Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse),10
– Generell ist eine Sozialpolitik anzustreben, die wieder stärker auf Eigenverantwortung und
Eigeninitiative setzt. Zumindest sollten bei den staatlichen Zwangsversicherungen ermäßigte
Tarife für diejenigen vorgesehen werden, die Teile des Risikos selbst zu tragen bereit sind,
also eine freiwillige Selbstbeteiligung wünschen (Hinweis: Es ist zu befürchten, dass sich
dann bei der Sozialversicherung die 'schlechten Risiken' häufen).
d) Senkung der Steuerlastquote
Das Steuersystem ist so umzugestalten, dass die Abgabenlast (Steuerlastquote) auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt und die Leistungsbereitschaft wieder angespornt wird. Die
Überlegungen der angebotorientierten Wirtschaftspolitiker beziehen sich dabei auf die Laffer-These.11 Danach verändern sich die öffentlichen Einnahmen aus einem Steuersystem mit
steigender Steuerlastquote ceteris paribus ähnlich einer quadratischen Funktion.
Gemäß der Laffer-Kurve gibt es eine Belastungsquote, bei der die öffentlichen Abgaben maximal sind (in der nachfolgenden Abbildung Tmax bei a2). Übersteigt die Steuerlastquote diesen kritischen Wert, sinkt das Steueraufkommen auf Grund wachsender Steuerwiderstände.12
10
Giersch geht sogar so weit, dass er eine Verfassungsvorschrift empfiehlt, "die einen privaten
Rechtsanspruch auf leichten Marktzugang verbürgt, also ein Klagerecht gegen staatliche und private Zugangssperren." (Giersch, H., Produktivität und Beschäftigung, a. a. O., S. 19)
11
Laffer, A. B., The Economics of the Tax Revolt: A Reader, New York 1979. Die Laffer-These ist
nicht neu. Wilhelm Gerloff hatte bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert einen ähnlichen
Standpunkt vertreten: "Bei steigenden Steuersätzen und zunehmender Veranlagungsintensität verringern sich – immer von einem gewissen Punkte an – Zahl und Bedeutung ... der Steuerfälle, und
es wächst zugleich die Steuerverkürzungsquote." (Gerloff, W., Die öffentliche Finanzwissenschaft,
Band I: Allgemeiner Teil, Frankfurt 19502 (1948), S. 211; vgl. auch: Issing, O., Die Laffer-Kurve,
Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 10. Jg. (1981), S. 384 ff.)
12
Dafür gibt es zwei Gründe: ∏ Steuer-Vermeidung: Die Wirtschaftssubjekte versuchen, den Steuertatbestand nicht mehr entstehen zu lassen, indem sie z. B. ihr Arbeitangebot gänzlich zurückziehen
('freiwillige Erwerblosigkeit') oder die Produktion in das Ausland verlagern, weil die Einkommen
nach Steuern zu gering geworden sind, oder durch Abschreibungsprojekte ihre Steuerschuld zu
vermindern suchen. Gesamtwirtschaftlich kann das fatale Folgen haben. Wenn Unselbständige und
Selbständige ihre Wirtschaftsaktivitäten vermindern oder ihre Kaufkraft in Verwendungen lenken,
die in erster Linie aus Gründen der Steuervermeidung gewählt werden, dann führt das zu steigender Erwerblosigkeit sowie Fehlallokationen und damit Verschwendung knapper Ressourcen. ∏
Steuer-Täuschung: Es werden steuerpflichtige Tatbestände verheimlicht, indem man beispielsweise
offiziell seinen Arbeitplatz aufgibt und in die 'Schattenwirtschaft' untertaucht. Aber auch dann, wenn
man offiziell wie bisher seiner Erwerbstätigkeit nachgeht und nebenher 'schwarz' arbeitet, entzieht
man der gewerblichen Wirtschaft Aufträge und dem Staat Steuereinnahmen. [Hinweis: Steuertäuschung ist eine illegale Form des Steuerwiderstandes, weil der Steuerpflichtige die Finanzbehörde
im Hinblick auf den steuerpflichtigen Tatbestand täuscht oder belügt. Das kann durch Steuerver-
49
Dieser Bereich (rechts von a2) kommt daher für eine rationale Steuerpolitik nicht in Betracht
(z. B. a3 mit dem Steueraufkommen Tx , das auch bei der wesentlich niedrigeren und mit
weitaus weniger Steuerwiderständen verbundenen Steuerlastquote a1 erzielt werden könnte).
Steueraufkommen
Tmax
(in Geldeinheiten)
Tx
0
a1
a2
a3
100
Steuersatz
(in v. H.)
Laffer-Kurve
Die angebotorientierten Wirtschaftspolitiker gehen davon aus, dass diese kritische Belastungsgrenze bereits überschritten sei. Eine Senkung der Steuerlastquote13 führe über eine
'Revitalisierung' der Wirtschaft zu höherer Beschäftigung und damit steigenden Steuereinnahmen.
e) Konsolidierung der Staatsfinanzen
Umstrukturierung und Sanierung der öffentlichen Haushalte gehören mit zum Kernstück der
angebotorientierten Wirtschaftspolitik. Die Konsolidierung ist zu erreichen durch:
– Verstetigung der Haushaltspolitik (s. oben Punkt b);
– Senkung der Steuerlastquote (s. oben d) in der Erwartung, u. a. durch ein leistungsgerechteres Steuersystem die Wirtschaftsaktivitäten so nachhaltig anregen zu können, dass sich das
Steueraufkommen letztendlich erhöht;
– Verlangsamung und schließlich Rückführung der jährlichen Ausgabensteigerungen auf das
mittlere Wirtschaftswachstum. Hierbei wird vor allem an einen Abbau der Subventionen gedacht, die nur dazu geeignet sind, überholte Wirtschaftsstrukturen künstlich am Leben zu erhalten, und damit Produktionsfaktoren in Verwendungen binden, in denen sie eine relativ geringe Produktivität haben.
f) Arbeitmarktpolitische Maßnahmen
Zur Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft an Strukturveränderungen wird auch
an eine Verbesserung sowohl der beruflichen als auch regionalen Mobilität der Arbeitkräfte
gedacht. Dadurch kann die angebotstrukturbedingte14 und regionale Erwerblosigkeit ursachengerecht bekämpft werden. Bei der Förderung regionaler Mobilität ist allerdings an ein
heimlichung (der steuerpflichtige Tatbestand wird verschwiegen, d. h. nicht angegeben) oder Steuerhinterziehung (in diesem Fall werden wissentlich falsche Angaben gemacht) geschehen.]
13
insbesondere durch Reduzierung überhöhter marginaler Abgabensätze (Verringerung der Steuerprogression), die in besonderer Weise die Leistungsbereitschaft hemmen und nur die 'Schattenwirtschaft begünstigen.
14
Angebotstrukturbedingte Erwerblosigkeit liegt vor, wenn bei den betreffenden Arbeitern oder Angestellten die individuellen Leistungsprofile nicht mit den Anforderungsprofilen moderner Arbeitplätze
übereinstimmen. Im angelsächsischen Bereich spricht man von 'mismatch'.
50
besonderes Problem zu denken. Zu einem Wohnortwechsel sind erfahrungsgemäß am ehesten
jüngere und hochqualifizierte Arbeitkräfte zu bewegen. Damit es durch mobilitätsfördernde
Maßnahmen nicht zu einer personellen Ausdünnung der ohnehin problembeladenen strukturschwachen Gebiete kommt, ist komplementär für Industrieansiedlungen in diesen Räumen zu
sorgen (Standortinnovationen; s. folgenden Punkt).
g) Förderung der Innovationen
Die wagemutigen Unternehmer (Schumpeter: 'Pionierunternehmer') sind die 'Motoren' des
wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses. Ihre Initiativen (Produkt-, Prozess- und Standortinnovationen) gilt es in jeder Hinsicht zu fördern. Ganz allgemein kann das durch Verwirklichung der zuvor genannten Programmpunkte geschehen. Bei einer darüber hinausgehenden
Förderung von Forschung und Entwicklung hat sich der Staat jedoch jeder direkten Projektförderung, mit der er eine konkrete Auswahl unter den Vorhaben treffen und die Produktionsstruktur unmittelbar beeinflussen würde, zu enthalten. Punktuelle Maßnahmen dieser Art sind
mit der Gefahr verbunden, dass der Staat die falschen Produkte und Verfahren unterstützt.
Außerdem wirkt eine projektbezogene Förderung in der Praxis meist konzentrationsfördernd,
weil die Mittel in solchen Fällen erfahrungsgemäß vor allem großen Unternehmungen zugute
kommen.15
h) Langfristige Stabilität der Währung
Hierbei wird vor allem an den 'inneren' Wert der Währung (innerer Geldwert, Kaufkraft des
Geldes) durch Preisniveaustabilität gedacht, damit das Preissystem seine Ausgleichs-, Indikations- und Allokationsaufgaben bestmöglich erfüllen kann und auch keine Substanzbesteuerung resultiert. Stabilität ist aber auch nach außen hin anzustreben, weil insbesondere für
Volkswirtschaften, die auf den Import von Rohstoffen angewiesen sind, eine starke Interdependenz zwischen Binnen- und Außenwert der Währung besteht. Die monetäre Stabilität ist
durch eine 'p o t e n z i a l o r i e n t i e r t e G e l d m e n g e n p o l i t i k', wie sie von den
Monetaristen vertreten wird ('neue Geldpolitik' der Monetaristen: Ausweitung der Geldmenge
im Ausmaß des Wirtschaftswachstums, ggf. erhöht um eine kurzfristig als unvermeidlich anzusehende Preisniveausteigerungsrate und korrigiert um die Veränderung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes) zu erreichen. Potenzialorientierte Geldmengenpolitik bedeutet
jeglichen Verzicht auf antizyklische Interventionen durch die Zentralbank. Konjunkturellen
Schwankungen der volkswirtschaftlichen Endnachfrage gegenüber hat sich die Geldpolitik
neutral zu verhalten.
4. Praktische Erfahrungen und Schlussfolgerungen
Praktische Erfahrungen mit der angebotorientierten Wirtschaftspolitik liegen bisher aus den
USA und Großbritannien vor. In Großbritannien hat die Wirtschaftspolitik allerdings immer
wieder zwischen Angebot- und Nachfragekonzept kurzfristig gewechselt, weshalb dieses
Beispiel zur Beurteilung weniger gut geeignet ist.
Das wirtschaftspolitische Programm, das der amerikanische Präsident im Februar 1981 dem
Kongress vorlegte, setzte sich im Wesentlichen aus vier Punkten zusammen:
15
So auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Auf dem
Weg zu mehr Beschäftigung, Jahresgutachten 1985/86, Stuttgart/Mainz 1985, Ziffer 314 ff., vor allem Ziffer 317.
51
– Steuersenkungen,16
– Ausgabenkürzungen,17
– Reduzierung der staatliche Eingriffe (Reform der 'regulations')18 und
– stabilitätsorientiertes Geldmengenwachstum im Sinne der Vorstellungen der Monetaristen.
Dieses Programm wurde als eine 'extreme' Variante der Angebotpolitik ('neue Klassik') bezeichnet, weil es angeblich auf jede Form der direkten Nachfragebeeinflussung verzichtete.19
Ihm lag der Standpunkt zu Grunde, dass jeder Versuch einer bewussten Nachfragesteuerung
schädlich sei, weil er im Ergebnis nur auf Inflation hinauslaufe. Statt dessen sollten Steuerkürzungen und Abschreibungsvergünstigungen die Produktion anregen und über damit verbundene Einkommensteigerungen und induzierte Wiederverausgabungseffekte konjunkturbelebende Impulse bewirken. Dies führe dann – so hoffte man – zu höheren Steuereinnahmen
und schrittweiser Reduzierung der Haushaltsdefizite. Ergänzend sollten die Einschränkungen
der staatlichen Regulierungen die Unternehmerinitiativen wiederbeleben und effizientere
Faktoreinsätze veranlassen. Der Inflation sollte durch mäßige Tariflohnabschlüsse – wozu
man die Gewerkschaften zu gewinnen hoffte – und ein streng potenzialorientiertes Geldmengenwachstum begegnet werden.
Die großen Erfolge, die man sich mit der 'Neuen Klassik' der Wirtschaftspolitik versprach,
blieben aus. Die Zuwachsraten bei den öffentlichen Ausgaben konnten zwar gegenüber dem
bisherigen Trend abgebremst werden; die Steuereinnahmen verminderten sich aber um so
mehr. Das war zum einen auf die massiven Steuersenkungen und zum anderen auf den fortschreitenden Konjunkturabschwung zurückzuführen. Die Folgen waren weiterhin zunehmende Budgetdefizite. Da der amerikanische Zentralbankrat ('Federal Reserve Board') zunächst
noch nicht von seinem streng stabilitätsorientierten Geldmengenkurs abwich – der ja ein wesentlicher Bestandteil des Programms war – und folglich die exorbitant hohen Haushaltsdefizite liquiditätsneutral (also über die Kapitalmärkte) finanziert werden mussten und somit den
US-Kapitalmarkt erheblich belasteten, stieg das Zinsniveau weiter an. Die steigenden Zinsen
senkten die Investitionen, von denen man eigentlich erhofft hatte, sie würden durch das Wirtschaftsprogramm angeregt und den Konjunkturanstoß geben.
16
Unter anderem: Verringerung der persönlichen Einkommensteuern bis 1983 in drei Etappen um linear 25 %; Verkürzung der möglichen Abschreibungsfristen bei Kraftfahrzeugen bis auf 3 Jahre, bei
Maschinen bis auf 5 Jahre und bei Fabrikanlagen bis auf 10 Jahre. (Vgl. im übrigen: Keller, K. J.,
Wirtschaftspolitik in den USA – Das wirtschaftspolitische Programm der Regierung Reagan und
seine Hintergründe, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 11. Jg. (1982), S. 230 ff. — Hinweis: im
Grunde handelt es sich bei den Abschreibungsmaßnahmen um Instrumente der Nachfragesteuerung, weil sie direkt auf die Investitionsgütersausgaben gerichtet sind.)
17
Die Steigerungsrate der gesamten Staatsausgaben sollte um die Hälfte reduziert werden. (Beachte:
2. Ableitung!) Dazu waren u. a. vorgesehen: Abschaffung der Subventionierung von Arbeitplätzen
im öffentlichen Sektor; geringere Mittelzuweisungen für Erziehung, Gesundheit, Transport, Städteplanung, Darlehen zur Ausbildung an Colleges, Sozialhilfen und Lebensmittelmarken für untere
Einkommenschichten; Reduzierung der Zahl der öffentlich Bediensteten.
18
In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Ausgaben für die größeren Kontrollbehörden in den USA
im Zeitraum von 1970 bis 1979 vervierfacht hatten, wurde zunächst einmal das 'Department of
Energy' in seinen Aktivitäten stark eingeschränkt. Darüber hinaus wurden in der Folgezeit mehr als
100 Gesetze und Verordnungen abgeschafft. (vgl. im übrigen: Barth, J. R., The Reagan Program for
Economic Recovery – Economic Rationale, Federal Reserve Bank of Atlanta, Economic Review,
September 1981, S. 4 ff.; Reagan, R., Program for Economic Recovery – Address before a Joint
Session of the Congress – 18.02.81, Weekly Compilation of Presidential Documents, Vol. 17
(1981), S. 130 ff.)
19
Was im Grunde nicht stimmt, weil z. B. Verkürzungen von Abschreibungsfristen eindeutig auf Investitionsgüterausgaben zielen und zum Standardrepertoire einer jeden nachfrageorientierten Wirtschaftpolitik gehören.
52
Unter dem Druck fortdauernder Rezession und hoher Erwerblosigkeit sahen sich Zentralregierung und 'Federal Reserve Board' Ende 1982 schließlich gezwungen, von ihrem bisherigen
Geldmengenkurs abzugehen und bis zum Sommer 1983 ein Wachstum des Geldvolumens
zuzulassen, das deutlich oberhalb des ursprünglich anvisierten 'Geldmengenkorridor' lag. Die
konjunkturelle Wiederbelebung ging dann von den zinsabhängigen Sachausgaben für den
Wohnungsbau und auch vom privaten Konsum aus, der offensichtlich durch die nunmehr auf
Nachfrageexpansion ausgerichtete Wirtschaftspolitik angeregt wurde.20
Das US-amerikanische Experiment zeigt, dass ein vor allem angebotpolitisch ausgerichtetes
Maßnahmenbündel unkontrollierte Effekte auslösen kann, die genau das Gegenteil von dem
bewirken können, was eigentlich angestrebt wird. Durch die Kreislaufzusammenhänge haben
alle angebotorientierten Maßnahmen zumindest indirekt auch Nachfragewirkungen. Das gilt
für die öffentlichen Abgaben, für die direkt nachfragewirksamen Staatsausgaben (konsumtive
und Infrastrukturausgaben) sogar unmittelbar. Diese wechselseitigen Beziehungen können
nicht außer Kraft gesetzt werden. Ihre Missachtung kann den erhofften Erfolg zu einem
Misserfolg werden lassen. Die amerikanischen Erfahrungen haben darüber hinaus den heute
oft vertretenen Standpunkt widerlegt, dass mit nachfrageexpansiver Politik nichts anderes als
Inflation zu erreichen sei. Vielmehr kommt es auf die konkrete Konjunktursituation an.
Kreislaufbetrachtungen und die durch sie aufgedeckten Interdependenzen der wirtschaftlichen Erscheinungen einerseits und die sich aus den strukturellen und institutionellen Bedingungen ergebenden wirtschaftspolitischen Probleme (wie z. B. technologische, angebotstruktur- und lohnkostenbedingte Erwerblosigkeit sowie strukturbedingte Komponente der
Geldentwertung21) andererseits zeigen deutlich, dass weder eine nachfrageorientierte noch eine angebotorientierte Wirtschaftspolitik22 allein zum Erfolg führen kann. Erfolgreich kann
nur eine 'Doppelstrategie' sein, wie sie auch vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vertreten wird. Er plädiert für eine 'kreislaufmäßige Absicherung' der Angebotpolitik durch Maßnahmen der Nachfragesteuerung, also eine Kombination von angebot- und nachfragepolitischen Maßnahmen.23 Wo das Schwergewicht jeweils
zu liegen hat, hängt nach seiner Auffassung von der Art der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ab. Von nachfrageseitigen Störungen spricht der Sachverständigenrat,
wenn sich die volkswirtschaftliche Endnachfrage so stark von dem gleichgewichtigen Niveau
entfernt hat, dass durch keinerlei Maßnahmen zur Verbesserung der Produktionsbedingungen
und der Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft die stabilitätspolitischen Ziele in vertretbarer
Zeit realisiert werden können. Umgekehrt liegen angebotseitige Störungen vor, wenn sich
Produktionsbedingungen und Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft so stark verschlechtert haben, dass die Zielerreichungsgrade stabilitätspolitischer Postulate sinken. Der Sachverständigenrat muss allerdings eingestehen, dass es schwierig ist, in der konkreten Situation die Art
der Störung zu bestimmen. Dennoch hält er eine ursachenorientierte Doppelstrategie für
möglich.
20
Vgl. im übrigen: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Ist die Überwindung der Rezession in
den angelsächsischen Ländern auf eine konsequent angebotsorientierte Wirtschaftspolitik zurückzuführen?, Wochenbericht 14/84 (51. Jg.), S. 159 ff.
21
Zusammenfassung von: Kosteninflation, lohnpolitischer – aus der intersektoralen Lohnpolitik sich
erklärender – Komponente der Geldentwertung und Sperrklinkeneffekt (ratchet-Effekt).
22
wenn man in Anbetracht der wirtschaftlichen Interdependenzen eine solche Unterscheidung überhaupt machen kann.
23
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Investieren für
mehr Beschäftigung, Jahresgutachten 1981/82, Stuttgart/Mainz 1981, Ziffer 295 ff.
53
Literatur: (Friedman, M., Die Rolle der Geldpolitik, in: Geldpolitik, hrsg. von J. Badura und
O. Issing, Stuttgart 1980, S. 8 ff.; Gilder, G., Wealth and Poverty, New York 1981; Hennies,
M. O. E., Allgemeine Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte – Geld, Konjunktur,
Außenwirtschaft, Wirtschaftswachstum und Verteilung, Berlin 2001, Kapitel 3, § 4.; Issing,
O., Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 11 Jg.
(1982), S. 463 ff.; Stein, J. L., Monetarist, Keynesian, and New Classical Economics,
American Economic Review, Vol. 71 (1981), S. 139 ff.; darüber hinaus weitere Hinweise in
den Fußnoten).
Kokkuvõte
PAKKUMISELE ORIENTEERITUD MAJANDUSPOLIITIKA
Manfred O.E. Hennies
Kieli Rakenduskõrgkool
Pakkumisele orienteeritud majanduspoliitika (Supply-side Economics) kui kontseptsioon
tekkis eelmise sajandi 60-ndate aastate lõpul ja 70-ndate algul vastureaktsioonina raskustele,
mis üha kasvaval määral ilmnesid stabiilsuspoliitika vallas. Tekkis mulje, et siiani valitsenud
nõudlusele orienteeritud majanduspoliitika ( Demand Management) ei suuda niisuguseid
probleeme enam lahendada.
Pakkumisele orienteeritud majanduspoliitika ei kujuta endast lõplikult väljakujunenud
kontseptsiooni, nii nagu see on nõudlusele orienteeritud majanduspoliitika puhul. Tegu on
pigem arvukate üksikmeetmete kogumiga, mille olulisemateks raskuspunktideks on:
- vaoshoitud palgapoliitika
- majanduspoliitika püsivus
- majandustegevust pidurdavate restriktsioonide kõrvaldamine (bürokraatlike seaduste ja
määruste vähendamine)
- maksukoorma alandamine
- riigi finantside konsolideerimine
- tööturgu puudutavad poliitilised meetmed tõstmaks tööjõu kutsealast ja regionaalset
mobiilsust
- uuenduste soodustamine
- raha väärtuse stabiilsus, mis tagatakse tootmispotentsiaalist sõltuva rahahulgapoliitikaga
Suur edu, mida loodeti "uuest klassikalisest" majanduspoliitikast Suurbritannias ja USAs, jäi
tulemata. Eriti Ameerika eksperiment näitas, et üksnes pakkumisele orienteeritud meetmete
kompleks võib vallandada kontrollimatuid efekte, mis annavad soovitud eesmärgile
vastupidise tulemuse. Majandusringlusest tingitud seoste tõttu mõjuvad pakkumisele
suunatud meetmed vähemalt kaudselt nõudlusele. Niisuguseid vastastikuseid suhteid ei saa
kehtetuks kuulutada. Nende eiramine võib loodetud edu muuta nurjumiseks. Ei nõudlusele
ega pakkumisele orienteeritud majanduspoliitika üksi (kui majanduslikke vastastikuseid
sõltuvusi silmas pidades niisugune eristamine üldse on võimalik) pole edu pandiks. Edukas
saab olla ainult "topeltstrateegia", mida pooldab ka Üldmajandusliku Arengu Hindamise
Ekspertkomisjon Saksamaal. See komisjon soovitab majandusringlust arvestades kindlustada
pakkumisele orienteeritud poliitikat, kasutades sealjuures nõudluse juhtimise meetodeid,
niisiis pakkumisele ja nõudlusele orienteeritud meetmete kombinatsiooni.
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