CAMPUS INNENSTADT INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN NEURALTHERAPIE Dr. med. Birgit Witzens Allgemeinmedizin Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie, med. Hypnotherapie, Psychotherapie DEFINITION „Die Neuraltherapie ist eine Injektionsbehandlung, welche Lokalanästhetika zur Diagnostik und Therapie einsetzt.“ KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 2 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN GESCHICHTE Die erste therapeutische Anwendung von Lokalanästhetika wurde im Jahr 1880 beschrieben. Sigmund Freud bemerkte im Eigenversuch nach Einnahme von Kokain eine Gefühllosigkeit von Zunge und Mundschleimhaut und eine Abheilung von Gingivitis und Glossitis. Die lokalanästhetische Wirkung berichtete er dem operativ tätigem Augenarzt Koller, der daraufhin Kokain erfolgreich zur Lokalanästhesie bei Augenoperationen einsetzte. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 3 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN GESCHICHTE Ein entscheidender Schritt in der therapeutischen Nutzung von Lokalanästhetika war die Entwicklung von Procain im Jahre 1905 durch den deutschen Chemiker Alfred Einhorn. Er nannte dieses erste synthetische Lokalanästhetikum Novocain. Im Vergleich zum Kokain hatte dieses bei gleicher lokalanästhetischer Wirkung keine toxischen Nebenwirkungen. Die ersten therapeutischen Anwendungen des Procain erfolgten durch C.L. Schleich und G. Spiess. Wichtige Hinweise für den breiten therapeutischen Nutzen des Procains entdeckte der französische Chirurg Rene Leriche. Er führte die ersten therapeutischen Stellatum-Injektionen durch und konnte damit Einfluss auf Krankheiten nehmen, die bisher nicht zufriedenstellend behandelt werden konnten z.B. Lungenembolie, Hirnembolie, Kopfschmerzen. Er prägte für diese Therapieform den Begriff "unblutiges Messer des Chirurgen". KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 4 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN NEURALTHERAPIE NACH HUNEKE Entwickelt wurde die Neuraltherapie maßgeblich durch die Ärzte Ferdinand und Walter Huneke. Im Jahre 1925 injizierte Ferdinand Huneke seiner an chronischer Migräne leidenden Schwester ein procainhaltiges Antirheumatikum (Atofanyl) versehentlich intravenös statt intramuskulär. Die intravenöse Applikation von Lokalanästhetika kann zu schwerwiegenden Komplikationen wie Krampfanfällen und Herzrhythmusstörungen führen. Huneke beobachtete jedoch in diesem Fall eine schlagartige und bleibende Heilwirkung. Beim nächsten Migräneanfall seiner Schwester konnte er dieses TherapieErgebnis nach intravenöser Injektion von reinem Procain reproduzieren, so dass er gemeinsam mit seinem Bruder Walter die therapeutische Anwendung von Procain weiter erforschte. Über mehrere Jahre entstand durch diese Forschung zunächst die sogenannte Segmenttherapie als Teil der Neuraltherapie. Die als praktische Ärzte tätigen Brüder Ferdinand und Walter Huneke verfeinerten das Therapiekonzept durch gezielte Injektionen an Nerven, Gefäße, Ganglien und Gelenke und entwickelten 1936 die Theorie, dass nervale Strukturen die therapeutischen Wirkstrukturen des Procain sind und nicht die allgemeine Wirkung es Procains im Organismus. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 5 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN STÖRFELDTHERAPIE 1940 behandelte Ferdinand Huneke eine an Migräne und Gelenkbeschwerden in der linken Schulter leidende Frau im Bereich einer Osteomyelitis-Wunde im rechten Unterschenkel, nachdem er bereits zuvor mehrfach erfolglos die Segmenttherapie durchgeführt hatte. Unmittelbar nach der Injektion in die Osteomyelitis-Wunde war die vorher erfolglos behandelte linke Schulter völlig schmerzfrei. Ferdinand Huneke erkannte den direkten Zusammenhang zwischen der vorgenommenen Intervention am Unterschenkel und dem Ergebnis einer sofortigen schmerzfreien Schulter und bezeichnete diesen Umstand als Sekundenphänomen. Er postulierte die Existenz sogenannter Störfelder; dabei handelt es sich um chronische Entzündungszustände, die Krankheiten an anderen Körperstellen auslösen oder unterhalten. Damit entstand die Störfeldtherapie mit den Grundsätzen, dass jede chron. Erkrankung störfeldbedingt sein kann, jede Erkrankung ein Störfeld hinterlassen kann und störfeldinduzierte Erkrankungen nur durch Ausschaltung des Störfeldes heilbar sind. Dies war ein völlig neues Therapiekonzept und der Arzt von Roques prägte den Begriff "Neuraltherapie nach Huneke". Dieser Begriff umfasst seither drei Ebenen: die lokale Therapie, die Segmenttherapie und die Störfeldtherapie. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 6 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN LOKALE THERAPIE Die diagnostische und therapeutische Arbeit mit Lokalanästhetika im lokalen und segmentalen Bereich sind in der Schulmedizin und Neuraltherapie nach Huneke identisch. Synonyme für Neuraltherapie in diesem Bereich sind therapeutische Lokalanästhesie (TLA) oder Infiltrationstherapie. Es werden Injektionen mit dem Lokalanästhetikum im unmittelbaren Bereich der betroffenen Struktur durchgeführt: loco-dolendi-Therapie. Beispiele sind Facetteninfiltrationen, Injektionen in Gelenke (intraartikuläre Injektionen) oder Gelenkkapseln, Injektionen an Bändern, Sehnenansätzen und Muskulatur, Infiltrationen bei Neuralgien etc. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 7 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN SEGMENTTHERAPIE In der Neuraltherapie gibt es einen erweiterten Segmentbegriff der SegmentAnatomie: der mit Gefäßen und peripheren Nerven in die Peripherie ziehende Sympathikus, das weite Versorgungsgebiet der Ganglien und vegetative Afferenzen via Nervus phrenicus und Nervus vagus sprengen die übliche segmentale Gliederung. Bei der Segmenttherapie wird das Lokalanästhetikum in Form von Hautquaddeln im Bereich der entsprechenden Headschen Zonen der inneren Organe, in Triggerpunkte, an Ganglien, an Nervenwurzeln = periradikuläre Therapie und periphere Nerven etc. injiziert. Auch Sakralanästhesien oder Periduralanästhesien werden eingesetzt. Die Sympathikusblockade wird bei Algodystrophien verwendet, um Störungen der lokalen Durchblutung zu behandeln. Die Wirkung dieser Verfahren wird über das vegetative Nervensystem im betroffenen Segment vermittelt. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 8 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN DAS VEGETATIVE NERVENSYSTEM KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 9 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN SYMPATHIKOLYSE Chronische Sympathikus-Überaktivität KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 10 04/05/15 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN STÖRFELDTHERAPIE Ein Störfeld ist ein chronischer Reizzustand einer bestimmten Struktur des Organismus, der Krankheiten in anderen Bereichen des Körpers auslöst oder unterhält. Dabei gilt: Jede chronische Erkrankung kann störfeldbedingt sein. Dabei wird die Fehlengrammierung des Sympathikus beseitigt. Beweisend für das Auffinden des Störfeldes ist das „Sekundenphänomen nach Huneke“: Wenn nach Injektion des Lokalanästhetikums die Beschwerden innerhalb von Sekunden für mindestens 20 Stunden gebessert sind, und dieses Phänomen reproduzierbar ist, ist die Quelle des Störfeldes gefunden. Jede Stelle des Körpers kann zu einem Störfeld werden. Jede Störfelderkrankung ist nur durch Ausschaltung des Störfeldes heilbar. Häufige Störfelder sind die Mandeln, die Nasennebenhöhlen, die Zähne, die Schilddrüse, der gynäkologische Bereich und Narben. Durch gezielte Befragung und Untersuchung wird versucht, das Störfeld zu finden und durch Injektion eines Lokalanästhetikums die Störwirkung zu unterbrechen. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 11 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN INDIKATIONEN orthopädische/chirurgische Krankheiten (Mermod J., Fischer L., Staub L., Busato A. Patient satisfaction of primary care for musculoskeletal diseases: A comparison between Neural Therapy and conventional medicine. BMC Complementary and Alternative Medicine 2008, 8:33 [2] ) myofasciale Trigger-Punkte, akute und chronische Rückenschmerzen, Cervicozephal- und Cervicobrachialsyndrom, Halswirbelsäulen-Schleudertrauma, Distorsionen, Arthrose, entzündliche Gelenksveränderungen unterschiedlicher Genese KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 12 04/05/15 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN INDIKATIONEN Allergien: Pollinosis (Heuschnupfen), allerg. Asthma bronchiale, allerg. Rhinitis akute und chronische Schmerzsyndrome: Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie, Neuralgien, sympathisch-unterhaltener Schmerz, Morbus Sudeck (CRPS I) neurologische Krankheiten: Kopfschmerzen (Migräne etc.), Carpaltunnelsyndrom, Tarsaltunnelsyndrom, Z.n. Apoplex urologische Krankheitsbilder: Reizblase, Blasenfunktionsstörungen, chronische Zystitis, chronische Prostatitis, Prostatahyperplasie gynäkologische Krankheiten: Wechseljahrbeschwerden, Meno-/Metrorrhagien, Dysmenorrhoe, zyklusabhängige Kopfschmerzen, unspezifischer Fluor vaginalis, Schmerzen im kleinen Becken bei negativen Abklärungsresultaten, rezidivierende Adnexitis und Zystitis KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 13 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN INDIKATIONEN HNO-ärztliche Krankheitsbilder: chronische Pharyngitis , rezidivierende Sinusitis, Tinnitus, Schwindel, Morbus Meniere, Neuronitis vestibularis, chronische Tonsillitis, Globusgefühl internistische Krankheiten: Durchblutungsstörungen, peripher-arterielle Verschlusskrankheit, diabetische Gangrän, Morbus Raynaud, Darmfunktionsstörungen, Colon irritabile, funktionelle Dyspepsie, Obstipation, paralytischer Ileus, chronische Diarrhoe, Refluxerkrankungen, rezidivierendes Ulcus ventriculi oder duodeni, Gastritis, akute und chronische Hepatitis, Gallenkolik, „Postcholezystektomie-Syndrom“, akute und chronische rezidivierende Pankreatitis, Nierenfunktionsstörungen Angina pectoris, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie Autoimmunkrankheiten: Störfeldtherapie bei Rheuma psychovegetative Krankheitsbilder: vegetative Labilität, depressive Stimmungslage, Konzentrationsschwäche KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 14 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN KONTRAINDIKATIONEN Absolute Kontraindikationen Allergie gegen Lokalanästhetika Alle akuten chirurgischen Indikationen Weitere Kontraindikationen für einzelne Indikationen: Tiefe Injektionen bei Gerinnungsstörungen oder gerinnungshemmender Medikation Schwere Hypotonie, schwere kardiale Dekompensation, kardiale Überleitungsstörungen keine Ggl.ciliare-Injektion bei Z.n.nach Enukleation des anderen Auges eine Injektion an das Ganglion coeliacum auf der Seite bei Z.n.Nephrektomie KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 15 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN KONTRAINDIKATIONEN Relative Kontraindikationen Erbkrankheiten Mangelkrankheiten Bestimmte Infektionskrankheiten, Zoonosen, Parasitosen Wenn ein nichtregulationsfähiges Grundsystem (z.B. Schwermetallbelastung) besteht KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 16 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN METHODEN, PRAKTISCHER TEIL KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® 17 INSTITUT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN