Ma - Horizont

Werbung
41
REPORT
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
www.horizont.net/report
FMCG-MARKETING
FOTO: KAMAGA / FOTOLIA
Angepasste Dosis
Von Bettina Sonnenschein
Wachstumsgrenzen in gesättigten
Märkten setzen FMCG-Konzerne
unter Druck. Mit der Konzentration auf Kernmarken versuchen sie, dem zu begegnen
D
ie Verbraucher sind guter
Laune, die FMCG-Konzerne
nicht: Während das Konsumklima trotz zunehmender
konjunktureller Unsicherheiten in den
vergangenen Monaten auf hohem Niveau stabil geblieben ist, blasen die Produzenten Trübsal. Laut Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) setzten die Unternehmen
dieses Industriezweigs im August 13,7
Milliarden Euro um – 5,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Der IFO-Geschäftsklimaindex sank im Oktober auf den
tiefsten Stand der vergangenen zwölf
Monate. Die Gründe für die miese Stimmung: sinkende Verkaufspreise, eine ne-
gative Produktionsentwicklung und das
schwache Exportgeschäft.
Um aus dem Tief zu kommen, haben
sich viele Unternehmen umfassende
Sparprogramme auferlegt, konzentrieren sich auf starke Segmente und misten
ihre Markenportfolio aus. So überlässt
Nestlé zum Jahreswechsel die Babynahrungsmarke Alete einem Finanzinvestor.
Procter & Gamble will in den kommenden eineinhalb Jahren rund 100 Marken
loswerden (HORIZONT 32/2014), derzeit
plant es gerade die Trennung von seiner
Batteriesparte Duracell. Unilever veräußert ebenfalls seit geraumer Zeit zahlreiche Foodmarken wie die Erdnussbutter
Skippy, die Bertolli-Pastasaucen, die Diätsparte Slim Fast und zuletzt die Snacksalami Bifi. Analysten mutmaßen, dass
sich der Konzern ganz auf seine Haushalts- und Hautpflegeprodukte konzentrieren will.
Neben Einsparungspotenzial basiert
ein weiterer Grund, sich auf einen USP
zu konzentrieren, sicher auch auf der
Einstellung der Verbraucher: Die erkennen inzwischen kaum noch einen Unter-
schied zwischen Markenartikeln und
Handelsmarken. Laut Handelsmarkenmonitor der „Lebensmittel Zeitung“
(dfv Mediengruppe) bescheinigen 88
Prozent der Konsumenten den Eigenmarken der Händler, ebenso gut zu sein
wie klassische Markenartikel. Das erhöht
den Druck auf alle B- und C-Marken –
und bestärkt möglicherweise darin, sich
von ihnen zu trennen.
V
erschärft wird die Situation für
die FMCG-Hersteller außerdem
durch gesellschaftliche Veränderungen, sprich die Einstellung zum Konsum sowie Ernährungstrends. Weniger,
gesünder und regionaler: In Zeiten, in
denen alles im Überfluss vorhanden ist,
definieren sich manche Konsumenten
über mehr Achtsamkeit beim Einkauf
oder gleich Verzicht. Mega-Marken wie
Coca-Cola werden dadurch ihre Grenzen aufgezeigt: Der Getränkehersteller
leidet seit geraumer Zeit unter der Kaufzurückhaltung der Kunden in Europa
und Nordamerika, der Umsatz ist rückläufig. Die stark zuckerhaltigen Geträn-
ke treffen nicht mehr überall auf den
Geschmack und vor allem die Einstellung der Kunden.
Ähnlich geht es der fleischverarbeitenden Industrie, die seit Jahren unter
dem Rückgang des Verzehrs von Fleischund Wurstwaren leidet. Von „veränderten Ernährungsgewohnheiten“ spricht
der Bundesverband der Deutschen
Fleischwarenindustrie und von der jungen Bevölkerung in Großstädten, die
Kritik an der Produktion übe. Tatsächlich führen ethische, tierrechtliche und
gesundheitliche Überlegungen bei vielen
Verbauchern zum Reduzieren bis hin
zum Verzicht auf Fleisch (siehe Seite 44).
Dass darin auch Chancen liegen, könnte
Rügenwalder Mühle zeigen, die versucht
und mit vegetarischen Produkten den zu
Rückgang kompensieren. Sicher eine
Option, ebenso wie die Konzentration
auf lokale Produkte: Auch ihnen bescheinigt der Handelsmarkenmonitor
gute Aussichten: 77 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass mehr
Handelsmarken in der Heimatregion
hergestellt werden sollten.
ZUM THEMA
Gelernt
Der Skeptiker fragt sich gelegentlich: Warum heißt ein Produkt Schnitzel, wenn es
doch aus Soja besteht? Wieso wird etwas
Würstchen genannt, obwohl es aus Tofu
gemacht wird? Darf etwas, das keine tierische Milch enthält, noch den Namen Käse tragen? Über solche Fragen und über
den Sinn einer veganen Ernährung liefern sich Fleischkonsumenten und Veganer erbitterte Debatten. Für Hersteller
von fleischfreien Produkten ist die Antwort hingegen klar: Ohne die bekannten
Begrifflichkeiten sind Vermarktung und
Vertrieb ihrer Ware kaum möglich.
Schließlich gilt es, einen bislang noch als
Nische geltenden, aber wachsenden
Markt zu bedienen, in dem immer mehr
Verbraucher immer weniger tierische
Produkte zu sich nehmen möchten – aus
welchen Beweggründen auch immer. Auf
Begriffe wie Bratling werden sie dabei
kaum gut reagieren. Unter Schnitzel, Frikadelle und Aufschnitt dagegen können
sie sich etwas vorstellen. Der vertraute Titel macht aus dem Angebot eine Alternative, die Verkaufspotenzial hat.
Bettina Sonnenschein
Ressort Specials
INHALT
Werbung: Hersteller tun sich noch immer
schwer mit Owned und Earned Media. 42
Trend: Wie Medien und Industrie das Interesse an veganer Ernährung bedienen. 44
Nachhaltigkeit: Produzenten suchen den
Schulterschluss mit dem Handel.
46
Markt: Drogerien dehnen das Geschäft
langsam auf E-Commerce aus.
50
Know-how: Leo Burnett analysiert die Konsumenten nach Einkaufsverhalten.
52
Anzeige
42 REPORT FMCG-MARKETING
HORIZONT 45/2014
Auf
Nummer
sicher
Konsumgüterriesen investieren noch immer
das meiste Geld in TV. Auf digitale
Kanäle reagieren Entscheider nur zögernd
Von Guido Schneider
D
„Gehen die TV-Reichweiten weiter zurück,
verliert das Medium
an Relevanz“
Ulrike Hefter, Optimedia
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Natascha Gross
ie Nielsen-Werbestatistik gibt
eine scheinbar eindeutige
Antwort auf die Frage nach
dem Mediasplit der großen
Konsumgüterkonzerne: Procter, Unilever
und Co investieren nach wie vor einen
Großteil ihres Marketingbudgets in TVSpots und ölen so den Betrieb der Fernsehindustrie. Was Nielsen nicht zeigt:
Langsam, aber sicher überdenken die
Konzerne ihre eingeübte Budgetverteilung und beziehen soziale Netzwerke, die
Suchmaschine Google sowie eigene Kanäle stärker in die Werbeplanung ein.
Die Hersteller haben verstanden, dass
sie ihren Zielgruppen in die digitale Welt
folgen und Kontakte zu ihnen aufbauen
müssen; mit klassischer Werbung allein
ist das nicht machbar. Folglich bekennen
sich die Mediachefs immer mehr zum Digitalen und zu Owned und Earned Media. Da die Etats insgesamt aber bestenfalls leicht steigen, heißt das im Umkehrschluss: Werbefinanzierte Medien (Paid
Media) müssen kämpfen.
Für Jan Pechmann, Geschäftsführer
der Berliner Beratungsfirma Diffferent,
ist die Umschichtung zugunsten von
Owned und Earned Media unumgänglich: „Konsumenten werden sich in Zukunft freiwillig mit Markenbotschaften
auseinandersetzen oder überhaupt nicht
mehr.“ Content Marketing und Social
Media Marketing werden deshalb zur
Pflicht, weil sie laut Pechmann auf Freiwilligkeit abzielen und einen echten Dialog in Gang bringen sollen. Owned und
Earned Media müssen von Beginn an in
den Planungsprozess integriert werden.
Für Pechmann lautet die Eingangsfrage
der strategischen Planung künftig: „Welchen Teil meiner kampagnenspezifischen
Ziele kann ich mit eigenen Plattformen
erreichen, bevor ich zukaufen muss?“
Doch die Media-Entscheider der
FMCG-Branche tun sich mit dem
Schwenk zu den digitalen Kanälen und zu
Owned wie Earned Media eher schwer.
Beispiel Arne Kirchem: Der Media Director DACH bei Unilever will einerseits
das Storytelling für eine Marke wie Axe
ausbauen: „Unser Ziel ist es, Inhalte zu
schaffen, die für den Konsumenten relevant sind, auf unsere Brand Equity einzahlen und zum Abverkauf am Regal beitragen.“ Andererseits gibt er aber zu bedenken, dass eine coole Idee und etwas
Budget allein nicht reichen, um Inhalte
im Web zu verbreiten. Wer Nettoreichweite will, „wird immer auch Geld reinstecken müssen“, so Kirchem.
Marc S. Pritchard, globaler CMO bei
Procter & Gamble, will den Umstieg in
die digitale Welt dagegen mit festen Vorgaben erreichen. Künftig sollen pro Land
zwischen 25 und 35 Prozent des Budgets
in digitale Maßnahmen fließen (HORIZONT 25/2014). Auch Nestlé will laut der
Mediaverantwortlichen Tina Beuchler
den Digitalanteil über alle Marken hinweg von derzeit 10 auf 15 Prozent ausbauen, vermeidet aber eine zentrale Vorgabe für jede Marke (HORIZONT 36/
2014). Andere wie Unilever testen eifrig
und genehmigen sich dafür ein Explorationsbudget: „Das brauchen wir, weil sich
gerade in Online permanent neue Werbemöglichkeiten und Chancen ergeben“, so
Kirchem.
schen Mitteleinsatzes die höchsten Rabatte, ein Umstand, auf den Einkauf und
Controlling viel Wert legen.
Beuchler hebt dagegen die strategische
Rolle von TV hervor: „Aktuell liefert es
uns immer noch den schnellen Reichweitenaufbau, den wir zur Unterstützung
unserer Marken- und unserer Produktkampagnen benötigen.“ Doch inzwischen hat das lineare Fernsehen durch
Online-Bewegtbild einen Konkurrenten
erhalten. Video on Demand in allen Ausprägungen hilft den Konzernen, besser an
junge Zielgruppen heranzukommen.
Glaubt man Unilever-Manager Kirchem,
dann sind all diese Kanäle zwar wichtig,
stehen aber ständig auf dem Prüfstand.
Vor allem die Leistungswerte der TV-Sender beäugt er kritisch: „Sinkende Nettoreichweiten und steigende Preise im TV –
das geht aus meiner Sicht nicht zusammen.“ Auch manche Agentur nimmt das
Fernsehen inzwischen genauer unter die
Lupe: „Gehen die Reichweiten weiter zurück, verliert das Medium an Relevanz“,
mahnt Ulrike Hefter, Managing Director
bei Optimedia, Frankfurt. Dann mag es
zwar noch effizient sein, aber: „Wenn die
Effektivität verliert, muss man sich neue
Kanäle und Maßnahmen suchen.“
E
V
om guten alten Fernsehen wollen
die Mediachefs in dieser Umbruchphase aber nicht lassen.
Denn wenn es darum geht, zentrale Mediaziele zu erreichen, scheint auf TV weiter Verlass. Außerdem erhalten die
FMCG-Riesen dort dank ihres giganti-
s passt zum lavierenden Verhalten
der FMCG-Hersteller, dass sie
beim Übergang in die neue Medienwelt besonders auf die Leistungswerte
digitaler Werbeträger achten. Für Beuchler hat der Wirkungsbeleg dieser Angebote „höchste Priorität“ und das gilt nicht
nur für Paid Media, sondern auch für
Owned und Earned: „Wenn wir Digital
weiter ausbauen wollen, und hierbei reden wir nicht über kleine Summen, dann
müssen wir zusätzliche und crossmediale
Wirkungsnachweise verstärkt einsetzen.“
Denn nur wenn die neuen Kanäle ihren
Return on Investment belegen können,
„Noch wirkt vieles, was
Hersteller im Netz
unternehmen, nicht
strategisch“
Jan Pechmann, Diffferent
6. November 2014
„TV liefert uns immer
noch den schnellen
Reichweitenaufbau,
den wir benötigen“
Tina Beuchler, Nestlé
lässt sich die Umschichtung von Etats
rechtfertigen. Für Kirchem würden Effizienznachweise deutlich leichter, wenn
die Konvergenzwährung für Bewegtbild,
auf die der Kundenverband OWM lautstark pocht, möglichst bald Realität wird.
Ein Punkt, den auch Berater Pechmann herausstreicht: Bessere Mess- und
Vergleichsstandards im Mediamix könnten wie ein „Brustlöser“ wirken und den
Wandel beschleunigen. Einstweilen lässt
sich die Neuausrichtung der Marketingplanung der Konsumgüterhersteller mit
einer Art Dreiklang aus Wissen, Wollen
und Können beschreiben: Die Unternehmen wissen, dass die digitale Transformation nicht aufzuhalten ist. Und sie wollen
auch neue Wege beschreiten. Nur beim
Können hapert es: „Viele innovative Media-Initiativen bleiben in der Trägheit des
Habitus von Beschaffung und Planung
hängen“, moniert Pechmann.
Das erklärt auch, weshalb lineares TV
immer noch so stark in den Mediaplänen
vertreten ist. Marketingentscheider können damit nicht viel falsch machen –
noch nicht: „Konventionell betrachtet,
bieten große TV-Deals nach wie vor den
besten Gegenwert fürs Geld“, so Pechmann. In der digitalen Welt fehlt es den
Firmen dagegen an Erfahrungswerten
und „Erfolgsprognosen jenseits der 90
Prozent“. Dahin, wo sie sich nicht auskennen, müssten sie sich bewegen, fordert Pechmann. Noch wirkt vieles, was
die Hersteller im Netz unternehmen, eher
aktionistisch und wenig strategisch, kritisiert er. Dabei wäre genau das jetzt gefragt. Wer unter den neuen digitalen Rahmenbedingungen vorankommen will,
muss mehr ändern als nur den Mediaeinkauf. Die komplette Struktur mit ihren Kernprozessen steht zur Disposition,
so Pechmann: „Eine digitale und inhaltegetriebene Marketingorganisation denkt,
plant und handelt ganz anders.“
Im Fokus: Werbeausgaben
Big Spender agieren verhalten im Web
Erst Fernsehen, dann der Rest
Mediasplit der Top-10-Konsumgüterkonzerne 2014 (Januar bis September) in Prozent
Bruttowerbeinvestitionen der Top 10 Konsumgüter-Konzerne in Deutschland (Januar bis September) in Mio. Euro
Fernsehen
Online
Zeitschriften
Gesamt
Online
Veränd.
in Prozent
Zeitschriften
Veränd.
in Prozent
2013
Procter & Gamble
365,8
374,3
–2,3
289,5
301,6
–4,0
56,2
54,6
2,9
18,4
13,7
34,3
L'Oréal
267,9
247,7
8,1
225,9
200,6
12,6
8,0
10,1
–20,8
32,8
34,0
–3,5
Ferrero
230,8
245,2
–5,8
192,5
197,3
-2,4
29,4
25,5
15,3
2,5
5,9
–57,6
Unilever
227,4
195,4
16,4
198,4
161,4
22,9
8,8
10,8
–18,5
7,2
10,0
–28,0
Beiersdorf
171,6
143,7
19,4
128,3
80,2
60,0
17,9
28,7
–37,6
24,9
26,7
-6,7
6,0
Henkel Wasch- u. Reinigungsmittel
144,9
138,1
4,9
128,4
121,0
6,1
9,7
4,6
110,9
5,2
8,3
–37,3
0,3
0,2
McDonald's
138,2
154,0
–10,3
83,7
86,3
-3,0
18,3
25,3
–27,7
0,4
0,3
33,3
0,8
0,0
Reckitt Benckiser
131,8
118,3
11,4
122,2
106,9
14,3
7,5
1,5
400,0
1,1
0,0
2,1
9,9
6,3
Schwarzkopf+Henkel Cosmetics
117,1
123,0
–4,8
98,2
110,6
–11,2
7,2
2,5
188,0
11,6
7,7
14,6
0,3
0,2
Coca-Cola
104,0
95,5
8,8
69,1
68,3
1,2
23,4
13,9
68,3
0,3
0,2
50,0
9,7
5,5
5,8
Top 10 gesamt
1 899,5
1 835,2
3,5
1 536,2
1 434,2
7,1
186,4
177,5
5,0
104,4
106,8
–2,2
11,7
12,7
13,3
19 382,1
18 660,0
3,9
8 726,8
8 071,2
8,1
2 240,7
2 178,9
2,8
2 459,8
2 481,8
–0,9
2014
2013
2014
2013
2014
2013
79,1
80,6
15,4
14,6
5,0
3,7
L'Oréal
84,3
81,0
3,0
4,1
12,3
13,7
Ferrero
83,4
80,5
12,7
10,4
1,1
2,4
Unilever
87,3
82,6
3,9
5,5
3,2
5,1
Beiersdorf
74,8
55,8
10,5
19,9
14,5
18,6
Henkel Wasch- u. Reinigungsmittel
88,6
87,7
6,7
3,3
3,6
McDonald's
60,5
56,0
13,3
16,4
Reckitt Benckiser
92,7
90,3
5,7
1,3
Schwarzkopf+Henkel Cosmet.
83,9
89,9
6,1
Coca-Cola
66,5
71,5
22,5
Top 10 gesamt
80,9
78,1
9,8
Werbemarkt gesamt
45,0
43,3
11,6
Quelle: Nielsen
Fernsehen
Änd.
in Prozent
Procter & Gamble
HORIZONT 45/2014
Die Hersteller schnelldrehender Konsumgüter zählen zu den dominierenden Akteuren im deutschen
Werbemarkt. Die zehn größten haben laut Nielsen in den ersten neun Monaten 2014 brutto rund 1,9
Milliarden Euro für klassische Werbung aufgewandt und standen damit für rund 10 Prozent aller
Spendings. Dabei ist die Abhängigkeit von TV am größten: Die Top-10-Konsumgüterriesen platzierten dort Werbung im Bruttowert von 1,54 Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil von beinahe
2014
Werbemarkt gesamt
2013
Veränd.
in Prozent
2014
2014
Quelle: Nielsen
18 Prozent der Werbeerlöse dieser Gattung. Die zehn größten FMCG-Firmen haben die Gattung sogar
aufgewertet: Im Mediamix wuchs der Anteil von TV an den Gesamtspendings im Jahresvergleich von
78 auf 81 Prozent, während Online bei 10 Prozent verharrte. Allerdings zeichnet die Nielsen-Statistik
ein unvollständiges Bild, weil sie Aufwendungen für Social Media, Suchmaschinen und Videoplattformen nicht erfasst. Auch die Investitionen in unternehmenseigene (digitale) Medien fehlen.
2013
2014
2013
50,6
HORIZONT 45/2014
44 REPORT FMCG-MARKETING
F
Von Bettina Sonnenschein
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
Verzicht
ohne
Mangel
Zwischen Trend und Ethik
Fehlende Lockerheit ist in der Tat etwas, was das
Thema streitbar macht und nicht ganz einfach
zu bedienen. Denn eingefleischte Veganer richten ihre Ernährung oft nach ethischen Motiven
aus und sehen sich inzwischen in eine Fun-Ecke
gedrängt, wogegen sie – manchmal recht militant – rebellieren. Hobbyköche wiederum halten sich gern für vernünftig genug, ihren
Fleischkonsum eigenverantwortlich zu regulieren und reagieren auf Blogs und Foren oft ähnlich aggressiv auf vegane Rezepte. Gerade
Magazine aus dem Foodbereich
müssen darum die Balance finden, um die alte Leserschaft
nicht zu verärgern und
gleichzeitig alte wie neue
Veganer und Vegetarier zu
bedienen. „Je nach Zielgruppe gehen wir etwas
anders heran“, erläutert
Bauer-Chefredakteurin Brendel:
„Die Leserinnen von ‚Mutti‘ gehen
Wie Medien und Industrie das
wachsende Interesse an
vegetarischer und veganer
Ernährung bedienen
Von der Nische zur Masse
Offensiver geht auch die Industrie an das Thema
heran, die eine deutliche Absatzsteigerung im
Blick hat. Shopper-Marketing-Experte Faseli bestätigt, dass eine nicht zu ignorierende Kaufkraft
hinter dem Trend stehe. Interessierte Konsumenten seien auch bereit, Geld dafür auszugeben: „Für den von Preiskämpfen geplagten Lebensmitteleinzelhandel ergeben sich dadurch
natürlich attraktive Margenpotenziale.“
Wie viel Potenzial dahintersteckt, lässt auch
der Markteintritt von Rügenwalder erahnen:
Anders als der kontinuierlich Absatz verlierende
Wurstmarkt wachse der für Fleischersatzprodukte seit Jahren, heißt es vonseiten des Herstellers. Bis 2020 wolle man rund ein Drittel des
Umsatzes mit vegetarischen Produkten erzielen.
Dafür nehme man jetzt nicht unerhebliche Investitionen in Kauf. Hervorheben will sich Rügenwalder von der vorhandenen Konkurrenz
durch Know-how: „Das Angebot an fleischfreien Produkten wird zunehmend besser – allerdings lässt die Auswahl bislang vor allem optisch
und geschmacklich zu wünschen übrig“, sagt
Godo Röben, Geschäftsleitung Marketing, Forschung und Entwicklung.
Ob das zu einem Wurstproduzenten passt?
Sebastian Strubel, Director Brand Strategy bei
Leo Burnett, rät allgemein zur Vorsicht: „Die
Frage bei den Produkten ist immer, wie glaubhaft diese für eine Marke sind. Ob dann bestimmte Hersteller immer eine fleischlose Variante im Angebot haben sollten? Alternativ besteht ja auch die Möglichkeit, über kleinere Portionen nachzudenken, um dem Bedürfnis nach
weniger Fleischkonsum gerecht zu werden.“
Nichtsdestotrotz könne die Industrie den Bedarf
nicht mehr ignorieren, bestätigt auch er.
Den haben neben Vorreitern wie
Valess, das bereits seit neun Jahren
auf dem deutschen Markt unterwegs ist, sogar schon Handelsketten
erkannt: Vor drei Jahren führte Edeka
seine Produktlinie Soyes ein, um der
stetig wachsenden Nachfrage insbesondere in städtischen Regionen gerecht zu werden. Damit sei man der
erste klassische Lebensmittelhändler
gewesen, dessen Fleischersatzprodukte
vegetarischen und veganen Standards
entsprechen, heißt es vonseiten des Unternehmens.
FOTO: EYETRONIC / FOTOLIA / EDEKA / RÜGENWALDER / VALESS
leischlos ist in. Galten Vegetarier jahrzehntelang als schafwollsockige Ökos
und Veganer als durchgeknallte Exoten,
hat sich das Bild seit rund zwei Jahren
stark verändert: Dönerbuden werben mit einer
veganen Variante, vegetarische und vegane
Cafés mehren sich, in Buchhandlungen stapeln
sich Kochbücher mit Rezepten, die ohne Fleisch
auskommen, ebenso mehren sich in Frauenund Food-Zeitschriften Rezeptstrecken, in denen es nur um Gemüse geht. Erst kürzlich verkündete Rügenwalder Mühle, im Dezember
erstmals vegetarische Produkte einzuführen
(HORIZONT 43/2014). „Bild“ berichtet über den
Welttag der Veganer und Family Media bringt
dieser Tage mit „Vegan für mich“ einen Titel an
den Kiosk, der sich zwischen „Das Vegan Magazin“, „Das Veggie Journal“, „Slowly Veggie“,
„Vegan und Bio“ und „Happy Veggie“ einreiht.
Um es mit den Worten von Darijusch Faseli,
Director Shopper Marketing Strategy bei Leo
Burnett, zu sagen: „Spätestens wenn Aldi ein
Veggie-Siegel einführt, weiß man, dass ein Trend
im Mainstream angekommen ist.“
Anders ausgedrückt: Medien und Industrie
sind derzeit dabei, ein Kundenpotenzial auszuschöpfen, das lange in der Nische lebte und
durch die Verbindung mit Attributen einer gesunden Lebensweise einen Imagewandel erfahren hat. Reduzierter oder kompletter Fleischverzicht klingt nicht mehr nach Entbehrung,
sondern nach Vernunft: Gut für die Gesundheit,
gut für die Tiere, gut für die Ökobilanz und gut
für die Umwelt. Dazu kommt ein nicht zu verachtender Spaßfaktor, der es jedem neuen Trend
leichter macht.
Mitverantwortlich für diesen Ruf ist sicherlich Attila Hildmann, Fitnessmodel und Kochbuchautor, der viel zur medialen Verbreitung
des Themas Veganismus beigetragen hat.
„Plötzlich war da ein gutaussehender Kochbuchautor ohne Mohairpulli, mit tollen Rezepten und einer Prise Humor, der dem ganzen
Thema mehr Lockerheit verliehen hat“, sagt Jessika Brendel, Chefredakteurin von „Lecker“,
„Kochen & Genießen“ und „Mutti“ bei Bauer
Media.
sehr entspannt um mit dem Trend, denen von
‚Kochen & Genießen‘ ist er dagegen noch sehr
fremd. Bei den ‚Lecker‘-Lesern muss man diese
Themen sehr sensibel einsetzen.“ Letztere überzeugt man am besten über den Inhalt: Das Rezept liest sich gut, das Foto spricht an – und
nur beiläufig bemerkt der Leser den kleinen
Hinweis, dass es sich hier übrigens um etwas
Gesundes, Vegetarisches oder gar Veganes
handelt.
Ganz ohne erhobenen Zeigefinger, aber deutlich offensiver kann „Vegan für mich“ agieren
und setzt auf den schon erwähnten Spaßfaktor:
Die Botschaft sei konsequent positiv, veganes
Leben mache Spaß, sei gesund und berge noch
viel zu entdecken, lässt Family Media zum Start
verlauten. Geplant ist eine vierteljährliche Erscheingsweise ab Frühjahr 2015 (Copypreis 4,50
Euro). Dem ersten Heft liegt als Service für Neulinge ein Kärtchen bei, das über pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten aufklärt.
46 REPORT FMCG-MARKETING
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
FOTO: SVEDOLIVER / BLACK MTS / FOTOLIA / MONTAGE: HORIZONT
Bund
fürs Leben
Nachhaltiges Wirtschaften steigert nicht automatisch den Umsatz.
FMCG-Hersteller
suchen den Schulterschluss mit dem Handel
Von Uwe Förster
D
er stets gut gelaunte, uniformierte Herr mit dem weißen
Vollbart hat einen Zweitjob
bekommen: Käpt’n Iglo gibt
jetzt auch den „grünen Nachhaltigkeitsbotschafter“. Sein Konterfei neben dem
Schriftzug „Forever Food Together“ steht
als Symbol für ein Anfang 2015 beginnendes Nachhaltigkeitsprogramm von Iglo.
„Tiefkühlkost spart Geld“ verkündet das
Unternehmen darin und will den Handel
für seine Offensive nutzen.
Der Preis spielt für die Deutschen eine
entscheidende Rolle beim Kauf nachhaltiger Produkte, wie die Accenture-Konsumentenstudie „From Marketing to
Mattering“ belegt. Also ist Iglos kommunikativer Ansatz logisch: Der Hamburger
Hersteller argumentiert, dass Lebensmittelverschwendung bares Geld kostet, tiefgekühlte Lebensmittel jedoch nicht in
den Abfall wandern müssen. „In einem
extrem preissensiblen Umfeld wie dem
Lebensmittel-Sektor hat nachhaltiges
Verhalten somit auch einen Schnäppchen- beziehungsweise Einspar-Effekt“,
erläutert Alfred Jansen, Senior Corporate
& Brand Communication Manager.
Anlass für den Iglo-Vorstoß liefert
nicht zuletzt der Wettbewerb. Die ihren
Wachstumszielen
hinterherlaufende
Marke muss dem Konkurrenten Frosta
etwas entgegensetzen. Denn der Tiefkühlkostproduzent mit dem Reinheitsgebot aus Bremerhaven, Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2012, hat
vor einem Jahr ein Fischsortiment unter
seiner Marke eingeführt. Zudem besagen
Umfragen, dass sich Verbraucher immer
häufiger nachhaltige Produkte wünschen
– sich diesen Wunsch allerdings eher selten erfüllen. Wie groß diese Lücke zwischen Kaufbereitschaft und Transaktion
ist, darüber herrscht Uneinigkeit.
Klar ist: Die Verbraucher werden sensibler, die Regale mit nachhaltig herge-
stellten Produkten müssen dennoch nicht
ständig aufgefüllt werden. Das kann Rewe-Chef Alain Caparros bestätigen. Er
fährt bereits seit 2008 eine Nachhaltigkeitsstrategie, musste auf dem „Dialogforum“ des Konzerns im September jedoch
zugeben, dass seine Kunden nicht so zu
den „grünen“ Produkten greifen wie erhofft. Laut „Lebensmittel Zeitung“ sind
mittlerweile rund 25 Prozent des ReweSortiments nachhaltig. Selbst intern gebe
es inzwischen Zweifel, damit auf dem
Massenmarkt erfolgreich sein zu können.
Eine von Rewe in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Konsumenten Nachhaltigkeit nicht als spezielle Produkteigenschaft
verstehen. Und sie bestätigt: Nur selten
ziehen sie Nachhaltigkeit allein als Argument für einen Kauf heran. Sie ist nur ein
Qualitätsmerkmal unter vielen.
Für Andreas Pogoda, Gesellschafter
der Brandmeyer Markenberatung, ist das
nicht neu. „Wir erleben in zahlreichen
Markenanalysen, die auch danach fragen,
was Menschen zum Kauf eines Produktes
führt oder an die Marke bindet, dass
Nachhaltigkeit als Treiber recht weit hinten rangiert.“ Der eigentliche Treiber sei
das Evidente: der Geschmack, das Aussehen, die Verpackung oder wie gut sich
etwas aufs Brot streichen lässt. Das bedeute nicht, dass Nachhaltigkeit kein
wichtiges Thema wäre, im Gegenteil:
„Nachhaltigkeit ist Chefsache“, ist Pogoda überzeugt. Aber als Differenzierungsmerkmal in lauten Werbekampagnen
tauge sie in den meisten Fällen wenig,
insbesondere wenn Verbraucher sie für
eine Kategorie einfach voraussetzen.
D
as heißt umgekehrt aber auch:
Fehlen nachhaltige Lösungen
und stehen die Markenversprechen nackt da, nehmen die Gefahren für
die Reputation zu. Der Handlungsdruck
steigt dann, auf Seiten des Verbrauchers,
aber etwa auch durch Investoren. Die Frage ist nur: Wie erzähle ich meinen Kunden von meinem engagierten Handeln?
Die Deutschen sind preisgesteuert
Deutschland
Angaben in Prozent
Indien
78
... die Produkte nicht teurer wären
G
emeinsame Aktivitäten gibt es.
P&G engagiert sich nach eigenen
Angaben mit seinen Handelspartnern in verschiedenen Initiativen
und nimmt seit mehreren Jahren an den
Rewe-Nachhaltigkeitswochen teil. Die
Kölner Supermarktkette wiederum hat
mit der Marke Frosch die Initiative „Recyclat“ gegründet, die den Einsatz gebrauchter Verpackungen aus dem Gelben
Sack bei der Produktion von PET-Verpackungen möglich gemacht hat. Auch
Iglo möchte den Handel einbinden. Doch
wie das aussehen soll, ist laut Jansen noch
nicht klar: „Es geht ganz allgemein um
Partizipation und Engagement, und hier
sollen sowohl Word-of-Mouth- als auch
PoS-Kommunikations-Elemente in der
Ansprache in Kooperation mit den Handelsorganisationen umgesetzt werden.“
Insgesamt sind nach außen sichtbare
Beispiele solcher Kooperationen noch
selten. Die Wirtschaftsakteure würden
Nachhaltigkeit meist unabhängig voneinander vorantreiben, meint Cordes. Ein
Knackpunkt: „Der Handel verlangt zum
Teil erhebliche Summen von der Industrie, um im eigenen Nachhaltigkeitskonzept für den Verbraucher sichtbar dabei
sein zu dürfen.“ Ohne solche Partnerschaften dürfte es für Markenartikler
schwieriger werden, mit ihren Investitionen beim Verbraucher zu punkten.
46
... ich durch den Kauf belohnt würde
21
69
64
69
63
55
54
42
... ich durch den Kauf die Ursachen bekämpfen könnte
66
68
61
... die Produkte leichter auszumachen wären
70
73
67
... ich mehr über die Grundprinzipien wüsste
57
67
57
Ich berücksichtige
nachhaltige Kriterien bereits
69
59
69
... ich den damit verbundenen Claims glaubte
Berücksichtigen Sie Nachhaltigkeit bei Ihrer Kaufentscheidung?
weltweiter Durchschnitt
75
... ich mir über die positive Wirkung klarer wäre
33
48
Indien
Brasilien
46
China
45
Russland
Frankreich
Angaben in Prozent
Ich werde nachhaltige Kriterien im
nächsten Jahr stärker berücksichtigen
50
72
34
73
44
77
29
26
Ich suche aktiv nach
Informationen darüber
21
53
50
13
Deutschland
21
47
13
USA
21
46
14
Basis: globale Befragung unter insgesamt 30 000 Erwachsenen
Basis: globale Befragung unter 30 000 Erwachsenen; Deutschland: n = ca.1500
Quelle: Accenture-Studie „From Marketing to Mattering˝
braucher gerichtete Nachhaltigkeitsaktion umgesetzt. Dabei wäre schon der
nächste Schritt fällig, nämlich stärker „together“ mit Stakeholdern kommunikativ
zu kooperieren. Eine Zusammenarbeit
mit dem Handel liegt da nahe, zumal der
seinerseits die Industrie zwingt, aktiver zu
agieren. „Die Händler sind starke Treiber
von Nachhaltigkeit“, sagt Cordes, der seit
Anfang November den Bereich Corporate Affairs bei Reemtsma leitet. Kein Markenartikler könne es sich mehr leisten,
das Thema zu ignorieren, je mehr Einzelhändler und Discounter erheblich in
Nachhaltigkeit investieren.
Mangel an „grünem“ Bewusstsein
Ich würde häufiger ethisch einwandfreie und verantwortungsbewusst hergestellte Produkte kaufen, wenn ...
... die Produkte mich mit anderen in Kontakt brächten
Krisenmanagement- und Nachhaltigkeitsexperte Christian Cordes empfiehlt
einen partizipativen Ansatz. „Nachhaltigkeit per se ist selten kampagnenfähig“,
sagt er. Unternehmen sollten die Verbraucher einbeziehen und den Dialog aktiv betreiben.
Auch aus diesem Grund hat Iglo das
Wort „together“ dem 2010 eingeführten
Claim seiner Nachhaltigkeitsbestrebungen „Forever Food“ hinzugefügt. Man
wolle damit keine Ökodebatte zur Wegwerfgesellschaft befeuern, sondern Impulsgeber für eine Diskussion über den
ethischen Wert von Lebensmitteln werden, sagt Manager Jansen. Iglo setzt auf
Dialog und wird daher Channel-übergreifende Aktivitäten, darunter Social
Media, Events, Content Marketing und
PR, auf den Weg bringen. Und auf eine
klassische Werbekampagne verzichten.
„Together“ ist auch die Strategie von
Beiersdorf. „Wir sind davon überzeugt,
dass wir nur gemeinsam mit unseren Verbrauchern etwas erreichen können“, formuliert Director Corporate Communications Cora von Meysenbug. Beiersdorf
versucht, die Menschen in das soziale und
ökologische Engagement einzubeziehen
und sie anzuregen, dazu beizutragen. Als
Beispiel nennt von Meysenbug die Kooperation zwischen Nivea und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft.
Nestlé hält Nachhaltigkeit angesichts
der komplexen Herausforderungen
ebenfalls nicht für ein einfaches Werbethema. „Wir lassen aber Informationen
hierzu zunehmend in die markenbezogene Kommunikation einfließen – jedoch
mehr als Angebot an die Verbraucher,
sich weiter zu informieren oder mit uns
in den Dialog zu gehen“, sagt der PublicAffairs-Manager Achim Drewes.
Das zeigt, dass einige FMCG-Hersteller längst über das Stadium der Nachhaltigkeitskommunikation in Form von
Berichten und Ratgebern hinaus sind.
Andere sind noch nicht so weit. Dr. Oetker beispielsweise hat noch keine auf Ver-
HORIZONT 45/2014
Quelle: Accenture-Studie „From Marketing to Mattering“
HORIZONT 45/2014
HORIZONT 45/2014
REPORT FMCG-MARKETING 47
6. November 2014
Accenture-Manager Alexander Holst fordert
Umdenken beim Produktmarketing
Nachhaltigkeit
Der Schwarze Peter wandert
beim Thema Nachhaltigkeit
hin und her. Motto: „Ich tue
mehr, wenn du mehr tust.“
Das zeigt eine weitere Untersuchung von Accenture, die
internationale CEO-Studie, die
die Managementberater im
Auftrag der CSR-Initiative UN
Global Compact der Vereinten
Nationen seit 2007 alle drei
Jahre durchführen. Ihr zufolge
ist ein Umdenken der Verbraucher beim Einkauf
entscheidend für die Nachhaltigkeitsbestrebungen auf
Unternehmensseite. So waren
2013 mehr als 80 Prozent der
befragten Vorstandschefs
überzeugt, dass ihre Konzepte
erst dann greifen, wenn
„grün“ zu einem unbedingten
Kaufkriterium wird (HORIZONT 39/2013). Dass dieser
Fall eintreten wird, glauben
allerdings nur 15 Prozent.
A
Von Uwe Förster
ccenture und die Mediengruppe Havas haben in diesem Jahr
30000 Verbraucher in 20 Ländern zu ihrem „grünen“ Konsumverhalten befragt. Alexander Holst,
Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Accenture und Leiter Sustainability Services für die DACH-Region, erläutert die Resultate des Studienreports
„From Marketing to Mattering“.
Herr Holst, was ist das wichtigste Ergebnis Ihrer Studie?
Es haben sich zwei wesentliche Dinge gezeigt. Legt man den Fokus zunächst auf
den deutschen Markt, dann ist bemerkenswert, dass das abstrakte Thema
Nachhaltigkeit für die Deutschen eine relativ hohe Bedeutung hat. „Inwieweit berücksichtigen Sie Nachhaltigkeit heute
oder in Zukunft bei Ihrer Kaufentscheidung?“, ist ja eine eher abstrakte Fragestellung. Und doch sagen 21 respektive 47
Prozent der Befragten in Deutschland,
FOTO: ACCENTURE
„Nachhaltigkeit
wird Teil des
Qualitätsbegriffs“
dass sie diesen Begriff heute oder künftig
mit ihrer Kaufentscheidung verknüpfen.
Das unterstreicht, dass Nachhaltigkeit bei
den Endkonsumenten mindestens positiv belegt ist – was immer der Einzelne
konkret darunter verstehen mag.
Entschuldigung, aber 21 Prozent klingt
doch eher dürftig?
Würden wir konkret fragen: „Möchten
Sie gern T-Shirts kaufen, bei deren Herstellung Menschen in Bangladesch wahrscheinlich sterben?“, werden wir eine Ablehnung von 99,99 Prozent bekommen.
Von dieser Warte aus sind Werte von 21
und knapp 50 durchaus ermutigend.
Und die andere Erkenntnis?
Dort, wo Nachhaltigkeit und die ökonomischen und sozialen Herausforderungen für eine Gesellschaft greifbarer sind,
zum Beispiel in Indien und China, ist das
Interesse an und der Wunsch nach Nachhaltigkeit viel höher als bei uns. Das wundert uns zunächst aus unserer eurozentrischen Perspektive. Aber die Probleme
sind dort eben viel konkreter.
Laut Ihrer CEO-Studie aus dem vergangenen Jahr geht jedoch fast die Hälfte
der Vorstandschefs davon aus, dass für
Konsumenten Preis, Qualität und Verfügbarkeit immer wichtiger sein werden als Nachhaltigkeit. Muss man nach
den Resultaten der neuen Studie den
CEOs den Vorwurf machen, Sie kennen
ihre Kunden nicht?
Es geht weniger um Vorwürfe, als vielmehr um Erwartungsmanagement. Erwartungen hängen sicherlich stark vom
jeweiligen Produkt und von den Produktund Nutzenversprechen ab. Aber Firmen
müssen, und das ist mein Appell an die
Unternehmen, erkennen, dass sich Erwartungshaltungen bei den Konsumenten Schritt für Schritt verändern und dass
Alexander Holst, Accenture
soziale und ökologische Aspekte, die in
der Gesellschaft lange diskutiert werden,
Teil der Erwartungshaltung an ein Produkt werden. Sprich: Sie werden Teil des
Qualitätsbegriffs.
Das heißt?
Das heißt, dass beispielsweise ein Unternehmen, das mit Kakaoprodukten auf
dem Markt ist, immer einen gewissen
Anteil fair gehandelten Kakaos dabei haben muss. Weil es ein Qualitätsmerkmal
ist und der Kakao eben nicht nur gut
schmeckt. Das heißt wiederum nicht,
dass fair gehandelter Kakao schlecht
schmecken darf wie in den 80er Jahren.
Dann bleibe ich in der Nische.
Erklärt die Meinung der CEOs über
Konsumentscheidungen, warum der
nachhaltige Aspekt von Qualität im
Marketing unterrepräsentiert ist?
Die Firmen haben aus der CorporatePerspektive mit ihren Nachhaltigkeitsberichten gute Anfänge gemacht, die auch
wichtig waren, um überhaupt erst mal
einen Überblick zu bekommen: Wo stehen wir eigentlich intern, wenn wir den
Diskussionsprozess anstoßen? Sie mussten zunächst Daten sammeln, um messen
und dann auch steuern zu können. Aber
jetzt müssen Unternehmen konsequenter
einen Schritt von der Kommunikationsperspektive hin zu Produktthemen gehen, um den veränderten Erwartungen
der Kunden, die sich noch nicht zu 100
Prozent verändert haben, zu entsprechen.
Aber auch denen anderer Stakeholder,
von NGOs und Verbraucherzentralen
beispielsweise, die ja auch Ansprüche
stellen und die letztendlich Kommunikatoren sind.
Mit welchen Mitteln kann es dem Marketing gelingen, Konsumenten, die
prinzipiell zum Kauf nachhaltiger Produkte bereit sind, dazu auch am Point
of Sale zu bewegen?
Das ist natürlich immer von den Produkten, der Branche und den Zielgruppen abhängig. Aber im Grunde geht es
um eine Dreierkombination. Das erste
Thema ist die zirkuläre Ökonomie, und
hier vor allem der Aspekt „Product as
a Service“. Der Konsument bekommt ein
anderes Verhältnis zu einem Produkt,
wenn er die Leistung des Produkts stärker
wahrnimmt und weniger das Produkt als
Ganzes. Der zweite Punkt ist das Thema
Digitalisierung: Ich versuche, mit meinem Kunden über die Möglichkeiten, die
die digitalen Medien und Techniken bieten, in Kontakt zu kommen und Informationen bereitzustellen, die sie sonst so
nicht haben. Schließlich geht es drittens
um Emotionalität. Ich muss mehr Emotionen schaffen durch Social Community
Building.
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48 REPORT FMCG-MARKETING
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
Locker
statt
lecker
Kampagnen für Lebensmittel stellen
meist die besonderen Eigenschaften, die
Qualität und den Geschmack in den
Mittelpunkt. Dass es auch ohne Genussbegriffe und dafür mit Emotionen geht,
zeigt eine HORIZONT-Auswahl
Von Bettina Sonnenschein
Babybel: Der Minilaib in Wachshülle aus der Produktion der
Fromagerie Bel ist nicht gerade etwas für Gourmets. Ein guter Grund,
den Snack- und Spaßfaktor von Babybel in den Mittelpunkt der
Kampagne zu stellen. Seit 2011 sind es folgerichtig die beiden Angestellten Basti und Bert, die in wechselnden Situationen mithilfe des
Käses den Chef veralbern und für gute Laune im tristen Büroalltag
sorgen. Passend dazu hat Jan Leube, Kreativchef von Y&R in Berlin,
die Catchphrase „Erwachsen ist man oft genug“ entwickelt. Die
Botschaft ist also klar: Nicht alles so ernst nehmen und ab und zu mal
Käse machen.
KUNDE: Fromagerie Bel
KREATION: Y&R, Berlin
Wer könnte dem widersprechen? „Über die Besten freut sich
jeder“ sagt die Marke Ferrero über ihre Mischung Schokoladenpralinen. Ein großes Gemeinschaftsgefühl steht häufig im
Mittelpunkt von Kampagnen des Herstellers. Es geht um den
Anlass, zu dem die Süßigkeiten geschenkt oder genascht
werden sollen, nicht unbedingt um das, was drin steckt und
wie es schmeckt.
KUNDE: Ferrero
KREATION: M&C Saatchi, Berlin
Kinderprodukte, die Erwachsene kaufen sollen, werden gerne besonders gesund
gelabelt – schwierig bei einem Salamisnack. Die kleine Bifi Junior
entfaltet in der kürzlich gelaunchten Kampagne daher ganz andere Fähigkeiten:
Sie ist das Schutzpolster, das einen wagemutigen Jungen vor größeren Wunden
nach seinem mutigen Fahrradstunt bewahrt. „Der Snack, der alles mitmacht“
findet ganz ohne Sprecher, nur mit heroischer Filmmusik untermalt, seine
Berechtigung für jede Lebenslage.
KUNDE: Jack Link’s
KREATION: Thjnk, Hamburg
Vor drei Jahren, noch unter der Führung von Kraft Foods, bekam die
Marke Milka einen neuen Claim: „Trau dich, zart zu sein“ beinhaltet
zwar immer noch ein Adjektiv, das auch die Produkteigenschaft
beschreibt. Im Zusammenspiel mit den von Crispin Porter & Bogusky
entwickelten und vom neuen Eigentümer Mondelez fortgeführten
Spots wird aber immer wieder deutlich: Es geht ums Zwischenmenschliche. Und das wird von der lila Kuh persönlich gefördert.
KUNDE: Mondelez
KREATION: Crispin Porter & Bogusky, London
HORIZONT 45/2014
REPORT FMCG-MARKETING 49
6. November 2014
Eigene Geschichten
Immer mehr
FMCG-Werbungtreibende kündigen an, mehr in
Owned und
Earned Media zu
investieren.
HORIZONT fragt,
wie Unternehmen
damit umgehen
Redaktion:
Natascha Gross
W
elchen Beitrag
kann Ihr Medienhaus für
FMCG-Kunden abseits
des klassischen
bezahlten Werbeplatzes
leisten, um den neuen
Anforderungen gerecht
zu werden?
Matthias Dang, Geschäftsführer IP
Deutschland
Matthias Schönwandt, Geschäftsführer
Medienhaus Deutschland
Florian Ruckert, Vorsitzender der
Geschäftsführung RMS Presse
Rasmus Giese, Geschäftsführer United
Internet Media
Frank Vogel, Mitglied der Geschäftsleitung
Gruner + Jahr Media Sales EMS
W
E
D
V
W
ir sehen dieser Entwicklung durchaus
aufgeschlossen entgegen, denn aktuell sind wir mit
unserem Portfolio so breit aufgestellt, dass wir den neuen
Anforderungen der FMCGler
mehr als gerecht werden können.
Owned und Earned Media sind
Trends, die funktionieren, aber
die klassische Kommunikation,
also Werbung, nicht ersetzen
können. Beide kommen nur
dann aus ihrer viralen Nische,
wenn reichweitenstark darauf
hingewiesen wird. Eine gute
Geschichte allein reicht nicht aus,
sie muss auch gefunden werden.
Egal ob Owned oder Earned
Media, Werbung gibt es nun mal
nicht kostenlos. Virale Hits wird
es auch in Zukunft nur wenige
geben, daher braucht es klassische Kommunikation, um besonders schnell hohe Reichweiten aufzubauen. Und genau
diese stellen wir mit unserem
Portfolio zur Verfügung. Wir
haben bereits sehr erfolgreich
bewiesen, dass auch wir im
Bereich Storytelling unseren
Kunden kreative Ansätze für
einen außergewöhnlichen Markenauftritt bieten können. Mehrfach ausgezeichnete Kampagnen
für FMCG-Werbekunden geben
uns Recht: Ob Product Placement oder Brand-PartnershipUmsetzungen – aus der Riege der
Branded-Entertainment-Kampagnen sind dies mit Sicherheit
nicht die letzten kreativen Ansätze, die wir initiiert haben.
s hängt von den individuellen Kampagnen und
Markenzielen ab. Fakt ist
aber, dass bei rückläufigen
Markenloyalitäten der Konsumenten aktuell über 40 Prozent der wichtigsten deutschen
Marken Stammkäufer verlieren
und daher intensiv prüfen, ob
der 1000. Werbemittelkontakt
über TV noch einen positiven
Marken-KPI fördert. Daher
wird es für alle FMCGler wichtiger, um ihre Produkte herum
Geschichten zu erzählen, in
denen sich der Konsument
wiederfindet. Dieses Storytelling steht bei Owned und Earned Media im Fokus. Im Idealfall wird die Story über andere
Medienkanäle gedreht, um die
Community zu erweitern. Dazu
sind klassische Printmedien
unerlässlich. Unsere Qualitätszeitungen mit regionalem Fokus, derzeit sind es mehr als 40,
punkten hier vor allem bei
markenaffinen Konsumenten,
die nicht nur preisgetrieben
sind. Wer diese Zielgruppe
erreichen will, für den sind
unsere Angebote wie TZ Premium Select Crossmedia, SocialMedia-Ergänzungen wie Facebook-Dialog oder auch unser
Modul Consumers Trust eine
perfekte Kombination für den
gezielten, hohen Reichweitenaufbau in Quality-ContentUmfeldern.
ie Wege zum Konsumenten sind vielfältiger geworden und
FMCG-Werbungtreibende
reagieren entsprechend darauf.
Paid, Owned und Earned Media
haben wichtige Funktionen in
der Kommunikation, die sich
gegenseitig beeinflussen. Klassische Radiowerbung erfüllt mit
ihrer überdurchschnittlichen
Aktivierungskraft hin zum PoS
seit jeher eine herausragende
Rolle im Bereich Paid Media.
Zusätzlich liefert sie Impulse,
die Konsumenten gezielt zu
Owned- und Earned-MediaAngeboten zu leiten, wie zum
Beispiel auf Corporate Websites, Apps oder Facebook.
Vieles davon spielt sich heute
auf mobilen Geräten ab.
Smartphones sind daher zunehmend als Werbekanal relevant,
denn die Konsumenten sind
mobil wie nie zuvor. Diese
Generation Kopfhörer ist über
visuelle Werbemittel kaum zu
erreichen. Audiospots sind hier
deutlich wirksamer: Sie werden
immer gehört – auch wenn das
Smartphone in der Tasche
steckt – und können so zum
Klick auf ein Banner oder auf
eine Website aktivieren. Audiowerbung in UKW und Online
Audio ist daher der effektivste
Weg, um auch in Zeiten veränderter Mediennutzung die
Konsumenten immer und
überall zu erreichen.
erstärkte Investitionen
von FMCGlern in
Owned und Earned
Media sind verständlich –
schließlich wollen sie ihre Käuferzielgruppen stärker an sich
binden, und dies in jeglicher
Mediennutzungssituation. Aber
Owned und Earned Media
braucht Paid Media. Gerade für
die schnelldrehenden Konsumgüter bietet klassische Paid
Media die Möglichkeit, Themen
glaubwürdig nachhaltig zu
besetzen und schnellem Traffic
zuzuführen. Zudem garantiert
Paid Media die Planbarkeit der
Medienkontakte und somit auch
der damit verbundenen Abverkäufe. United Internet Media
bietet den FMCG-Werbungtreibenden hierfür optimale
Möglichkeiten, wie reichweitenstarke Premium-Formate inklusive Bewegtbild auf allen
Endgeräten, Native-AdvertisingLösungen für eine tiefergreifende Ansprache und eine auf
FMCG-Zielgruppen zugeschnittene, treffgenaue und effiziente
Targetinglösung – screenübergreifend mit Kontaktdosierung.
Zur präzisen Online-Ansprache
der FMCG-Käufer können die
Werbungtreibenden das WebConsumer-Produktportfolio
buchen, das für die Anforderungen und Mediaziele von FMCGUnternehmen optimiert ist.
ir haben uns in der
Vermarktung schon
seit geraumer Zeit
darauf eingestellt, dass immer
mehr Werbungtreibende selber
zu Inhalteanbietern werden
beziehungsweise auf Collaborative Marketing setzen, und
unterstützen unsere Kunden
mit verschiedenen ContentMarketing-Lösungen. Dabei
entwickeln wir für jeden die zu
seiner Marke und Zielsetzung
passende Strategie – basierend
auf seinen Inhalten. Hierzu
verfügen wir nicht nur über die
redaktionelle Kompetenz – wir
wissen, wie man eine gute Story
erzählt und wie man Inhalte
zielgruppenspezifisch präsentiert –, sondern haben auch die
nötige technische Kompetenz
zur Auslieferung der Inhalte
beziehungsweise zum Generieren von Traffic – Stichwort:
Content Recommendations.
Dank der Größe unseres Portfolios und der editoriellen Empfehlungstechnologie können wir
Werbungtreibenden helfen, ihre
Inhalte mit hoher Relevanz
einer breiten Verbrauchergruppe zugänglich zu machen.
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50 REPORT FMCG-MARKETING
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
Sauberes Geschäft
FOTO: SEEN / FOTOLIA
Drogerien: DM,
Rossmann und Co
wachsen und dehnen
das Geschäft in Richtung
E-Commerce aus
DM macht mit weniger Märkten mehr Umsatz
Die wichtigsten Drogeriemarktketten in Deutschland
dm
6,40 Mrd. +9,6%
Umsatz in Deutschland 2013/14 (Euro)
Filialen
1622
Kundenzufriedenheit
Note 1,87
Rossmann
4,99 Mrd. +12,1 %
Umsatz in Deutschland 2013 (Euro)
Filialen
1824
Kundenzufriedenheit
Note 2,14
Müller
2,78 Mrd. +7 %
Umsatz in Deutschland 2013 (Euro)
Filialen
516
Kundenzufriedenheit
Note 2,03
Budnikowsky
0,46 Mrd. +3,4%
Umsatz in Deutschland 2013 (Euro)
Filialen
180
Kundenzufriedenheit
Note 1,89
Quelle: Kundenmonitor 2014, Lebensmittelzeitung, Unternehmen
Von Julia Bröder
Zeit Wert geben
Zum 40-jährigen Jubiläum
gibt DM – bekannt für eine
anthroposophische Unternehmensphilosophie – das
Buch „Zeit Wert geben“
heraus. Mit philosophischen
Impulsen und Arbeiten von
Künstlern wie Ólafur Elíasson
will man den Kunden danken
und sie zum Denken anregen.
Geschenkt gibt es das Skizzenbuch allerdings nicht, im
Buchhandel kostet es 14,95
Euro. Gestalterisch hat es aber
bereits überzeugt: Bei den
Econ Awards für Unternehmenskommunikation
bekamen die Macher eine
Goldmedaille. Verantwortliches Designstudio ist Projekttriangel in Stuttgart.
D
er Kuchen ist aufgeteilt, darüber sind sich Experten und
Händler einig: Die Marktanteile, die nach der SchleckerInsolvenz 2012 im Drogeriebereich frei
wurden, sind vergeben. Profitiert haben
neben dem Lebensmitteleinzelhandel vor
allem die beiden Branchenriesen DMDrogerie und Rossmann. Beide haben in
den vergangenen Jahren ihr Filialnetz mit
Nachdruck vergrößert und ihre Umsätze
überdurchschnittlich gesteigert. Doch
nicht nur das Schlecker-Aus lässt die verbliebenen Drogerieketten gut aussehen.
Auch generisch handelt es sich hier um
einen Wachstumsmarkt, Bild Plus
schreibt gar von einem „ungebrochenen
Boom“ in der Drogeriebranche.
Die Protagonisten sind zweifelsohne
DM und Rossmann. Daneben spielen
Müller und Budni eine Rolle, wenngleich
in kleineren Dimensionen. Inklusive ihrer Niederlassungen im Ausland erwirtschaftete das Quartett 2013 mehr als 18
Milliarden Euro. DM gab jüngst den Umsatz im Geschäftsjahr 2013/14 bekannt:
Im Konzern waren es 8,32 Milliarden Euro – 8,2 Prozent mehr als im Jahr davor.
Rossmann wuchs 2013 europaweit um
11,6 Prozent auf 6,64 Milliarden Euro.
Müller und Budni legten ebenfalls zu
(Umsätze für Deutschland siehe Tabelle).
Auch hinsichtlich ihrer Markenstärke
stehen die Drogerien gut da. „Unsere
Analysen zeigen, dass DM und Rossmann
bei den Verbrauchern ein sehr gutes
Image haben“, sagt GfK-Experte Robert
Kecskes. Im Hamburger Raum sei auch
Budni eine starke Marke, Müller müsse
seine Position im Markt allerdings noch
schärfen. Im Vergleich zum Wettbewerb
stellt sich die in London eingetragene und
in Ulm ansässige Limited-Gesellschaft
stärker als Warenhaus auf. Die Flächen
sind groß und oft in Innenstadtlage;
das Sortiment geht über das eines reinen
Drogeriemarkts hinaus und umfasst
zum Beispiel Haushaltswaren und Entertainment.
Auch in einigen Rossmann-Filialen
gibt es neben Drogerieeigenmarken und
Markenartikeln etwa auch Backformen
und Bilderbücher. „Die neuen Sortimente fügen sich nahtlos ins Rossmann-Ladenbild ein“, beteuert Pressesprecher Stephan-Thomas Klose. Besonders erfolgreich seien sie in ländlichen Regionen, in
denen Rossmann die Rolle des Nahversorgers oder eines kleinen Kaufhauses
übernehme. DM-Chef Erich Harsch dagegen spricht sich klar gegen eine Erweiterung des Portfolios aus: „Wir möchten
unseren Kunden auch weiterhin verlässlich die günstigsten Drogeriewaren anbieten und uns auf das drogistische Sortiment konzentrieren.“ Sein Unternehmen
sorgt aktiv dafür, Preisführer zu bleiben:
Nachdem im Sommer Aldi den Preis für
ein Duschgel auf 59 Cent gesenkt hatte,
reduzierte DM auf 55 Cent.
Kampf der Eigenmarken
Eine Auswahl an Biolebensmitteln sowie
Babytextilien in den größeren Märkten
schließt die Konzentration aufs Kerngeschäft offensichtlich nicht aus. DM
nimmt damit eine ähnliche Haltung ein
wie die Kette Budnikowsky in Hamburg,
zu der bis zuletzt auch eine unternehmerische Verbundenheit bestand. Eine Ko-
HORIZONT 45/2014
operation, in der Budni die Eigenmarke
Balea von DM vertrieb und sich DM
dafür aus dem Hamburger Raum fernhielt, endete offiziell erst vor sieben
Monaten. Bereits 2009 eröffnete die erste
Hamburger DM-Filiale. Im April dieses
Jahres ging Budni mit seiner Eigenmarke in mehreren Produktkategorien an
den Start.
Beim Image schlagen die einstigen
Partner noch immer eine Richtung ein
und setzen auf menschliches Wirtschaften und soziales Engagement. DM-Gründer Götz Werner hält regelmäßig Vorträge über Grundeinkommen, gerade hat
seine Firma eine Hebammensprechstunde in den Filialen angekündigt. Im Claim
schlägt sich das als „Hier bin ich Mensch.
Hier kauf ich ein“ nieder. Bei Budni heißt
es „Jeden Tag Gutes tun“, dazu passen
Spendenprogramme für Hilfsaktionen
im Hamburger Raum.
„Aktionen und Bonusprogramme,
aber auch Services in den Filialen sowie
deren Lage sind entscheidend für die Attraktivität eines Drogeriemarktes“, sagt
GfK-Mann Kecskes. DM profitiere zudem vom Partner Payback, bei Rossmann
setze man stärker auf Sonderangebote.
Weniger Image-, mehr Verkaufswerbung
und PoS-Maßnahmen also.
Daneben spielt natürlich auch das
Thema E-Commerce eine Rolle für die
Händler. „Im Bereich FMCG stehen wir
hier noch am Anfang“, sagt Kecskes, der
online großes Potenzial für die Händler
sieht. Die Herausforderung ist indes
groß, auch aufgrund der knappen Margen im Drogeriesegment.
Das dürfte auch ein Grund sein, warum bei Online auf eine breite Produktpalette gesetzt wird. Auf Rossmann.de
kann man zum Beispiel problemlos einen
Kinderwagen bestellen. Die Versandsparte firmiert bereits seit 1999 als Rossmann
Online GmbH – große Umsatzrelevanz
hat sie bisher nicht. 2013 setzte die Firma
34 Millionen Euro um, 8 Prozent weniger
als im Vorjahr. „Ziel des Onlineshops ist
es, unseren stationären Kunden eine weitere Dienstleistung zu bieten und nicht,
um jeden Preis Umsatz zu erzielen“, sagte
Udo Günzel, Geschäftsführer von Rossmann Online, im März der „Lebensmittel
Zeitung“. Und Konzern-Pressesprecher
Klose erklärt, dass die Chancen im ECommerce „gleichwohl überschaubar“
seien, da Lebensmittel und Drogeriewaren nach wie vor bevorzugt stationär eingekauft würden.
Vortasten im Internet
Auch Müller betreibt einen Internetshop,
die anderen probieren sich aus: DM verkaufte seine Eigenmarke Balea zwei Jahre
lang in einem Amazon-Webshop. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, das Angebot eingestellt. Derzeit betreibt DM in
Österreich einen Online-Versandhandel
– eine Maßnahme, die auf einer autarken
Entscheidung der Kollegen vor Ort basiert, deren Entwicklung man im Gesamtkonzern aber mit großem Interesse
beobachtet: „Wir prüfen stetig, ob und
welche Aktivitäten uns sinnvoll erscheinen“, betont Harsch. Im Erkundungsstadium befindet sich auch Budni. Statt das
gesamte Sortiment ins Netz zu heben, betreiben die Hamburger drei kleinere Onlineshops für die Bereiche Naturkosmetik, Beauty und Souvenirs. Die sollen dabei helfen, den Onlinehandel verstehen
zu lernen.
52 REPORT FMCG-MARKETING
HORIZONT 45/2014
6. November 2014
Wer wie
was wo
einkauft
Ein Marketing-Tool
von Leo Burnett untersucht die Konsumenten
nach ihrem Verhalten,
nicht nach Werten
Von Bettina Sonnenschein
D
er Einkaufsprozess hat sich
verändert: In einen Laden gehen, vergleichen, aussuchen
war gestern. Bei vielen – wenn
auch nicht allen Produkten – passieren
viele Schritte zunächst digital. Das hat
enorme Auswirkungen auf die Planung
strategischer Markenerlebnisse. Die meist
soziodemographisch basierten Wertemodelle greifen nicht mehr allein: Weil der
Einkaufsprozess immer mehr mit Verhalten als mit Wertvorstellungen zu tun hat.
Bei Leo Burnett wollte man mehr wissen über die Erwartungen der Konsumenten an Marken und hat dazu das Tool
People Shop entwickelt. Die Grundlage
bilden Käufer-Archetypen für unterschiedliche Verhaltensweisen. Sie sind anzuwenden auf verschiedene Produktkategorien, denn: Den Lebensmitteleinkauf
wird ein Konsument wahrscheinlich in
einem anderen Modus erledigen als den
Erwerb eines Mobiltelefons oder einer
Waschmaschine.
Hersteller, die wissen, welche Verhaltensmuster beim Einkauf ihrer Produkte
vorherrschen, können mithilfe des Tools
die zugehörigen Erwartungen abfragen,
Touchpoints ermitteln und entsprechend
nutzen. Eine wichtige Rolle nehmen dabei das Kaufrisiko und der Belohnungsfaktor ein. Ersteres ist bei vielen FMCGProdukten eher niedrig, Letzterer kann
dagegen variieren: Toilettenpapier zu
kaufen ist eher langweilige Routine, Süßigkeiten und Bier versprechen schon
deutlich mehr Vergnügen.
Know-how: Werbespendings
Im stationären und mobilen Internet liegen
vielversprechende Kundenpotenziale für werbungtreibende Unternehmen. Das geht aus den
Agof Facts & Figures „FMCG: Food & Beverages“
hervor. Innerhalb des weitesten Nutzerkreises
von Online-Usern interessieren sich 71,7 Prozent
für diese Produkte. Das entspricht 37,81 Millionen. Mehr als ein Viertel (28,6 Prozent, 15,08
Millionen) informieren sich im Netz über Lebensmittel und Getränke und mehr als einer von
zehn Nutzern kauft Dinge aus diesen Produktkategorien online.
Auch bei den mobilen Internetnutzern ist das
Interesse groß: 75,3 Prozent beziehungsweise
fast 24 Millionen zeigen sich neugierig auf
Angaben zu Ess- und Trinkbarem. 5,53 Millionen Mobile-User haben bereits über ihr Handy,
Smartphone oder Tablet Informationen über
diese Produkte eingeholt, sowohl auf entsprechenden Internetsites als auch über bestimmte Apps. 1,77 Millionen haben die Produkte schließlich auch per Mobile Shopping
erworben. Zwar liegen die absoluten Zahlen
noch in einem sehr niedrigen Bereich, dennoch
lassen die Agof-Zahlen erkennen, dass die
Produktkategorie laufend mehr Zuwachs erlebt.
Der deutliche Rat: Hersteller aus dem Bereich
sollten noch stärker auf digitale Werbung
setzen als bisher.
SON
Ferrero kleckert nicht
Getränkeproduzenten erkennen Netzpotenzial
Top 20 Offline-Werbespendings Food & Beverages 2013*
93,2
Coca-Cola
Haribo
60,0
Dr.Oetker
56,8
Wrigley
51,3
Mars
49,7
Bitburger Brauerei
41,8
Unilever Deutschland
41,5
35,0
Tchibo
32,5
Iglo
31,6
3,8
3,3
Nespresso Deutschland
3,0
Beck Brauerei
2,5
Haribo
39,3
Nespresso Deutschland
6,7
4,7
Mondelez Deutschland
45,5
Alois Müller Molkerei
27,0
16,4
Radeberger Exportbierbrauerei
68,3
Mondelez Deutschland
Paulaner Brauerei
2,5
Beam Deutschland
2,4
Veltins C.+A. Brauerei
2,2
Red Bull
2,0
Storck Deutschland
1,9
Bel Deutschland
1,6
Heineken Deutschland
1,6
Pepsico Deutschland
1,4
Danone
26,8
Radeberger Exportbierbrauerei
26,0
Anheuser-Busch Inbev Germany Holding
1,1
Radeberger Gruppe
23,8
Berentzen-Gruppe
1,1
König Brauerei
22,4
Diageo Deutschland
1,1
Bionade
1,1
* TV, Zeitungen, Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Radio
Quelle: Agof Fact & Figures
HORIZONT 45/2014
in Mio. Euro
Ferrero Deutschland
Dr.Oetker
70,1
Krombacher Brauerei
Top 20 Werbespendings im Internet Food & Beverages 2013
Coca-Cola
87,8
Storck Deutschland
Lindt + Sprüngli
in Mio. Euro
321,3
Ferrero Deutschland
Quelle: Agof Fact & Figures
HORIZONT 45/2014
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