41 REPORT HORIZONT 45/2014 6. November 2014 www.horizont.net/report FMCG-MARKETING FOTO: KAMAGA / FOTOLIA Angepasste Dosis Von Bettina Sonnenschein Wachstumsgrenzen in gesättigten Märkten setzen FMCG-Konzerne unter Druck. Mit der Konzentration auf Kernmarken versuchen sie, dem zu begegnen D ie Verbraucher sind guter Laune, die FMCG-Konzerne nicht: Während das Konsumklima trotz zunehmender konjunktureller Unsicherheiten in den vergangenen Monaten auf hohem Niveau stabil geblieben ist, blasen die Produzenten Trübsal. Laut Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) setzten die Unternehmen dieses Industriezweigs im August 13,7 Milliarden Euro um – 5,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Der IFO-Geschäftsklimaindex sank im Oktober auf den tiefsten Stand der vergangenen zwölf Monate. Die Gründe für die miese Stimmung: sinkende Verkaufspreise, eine ne- gative Produktionsentwicklung und das schwache Exportgeschäft. Um aus dem Tief zu kommen, haben sich viele Unternehmen umfassende Sparprogramme auferlegt, konzentrieren sich auf starke Segmente und misten ihre Markenportfolio aus. So überlässt Nestlé zum Jahreswechsel die Babynahrungsmarke Alete einem Finanzinvestor. Procter & Gamble will in den kommenden eineinhalb Jahren rund 100 Marken loswerden (HORIZONT 32/2014), derzeit plant es gerade die Trennung von seiner Batteriesparte Duracell. Unilever veräußert ebenfalls seit geraumer Zeit zahlreiche Foodmarken wie die Erdnussbutter Skippy, die Bertolli-Pastasaucen, die Diätsparte Slim Fast und zuletzt die Snacksalami Bifi. Analysten mutmaßen, dass sich der Konzern ganz auf seine Haushalts- und Hautpflegeprodukte konzentrieren will. Neben Einsparungspotenzial basiert ein weiterer Grund, sich auf einen USP zu konzentrieren, sicher auch auf der Einstellung der Verbraucher: Die erkennen inzwischen kaum noch einen Unter- schied zwischen Markenartikeln und Handelsmarken. Laut Handelsmarkenmonitor der „Lebensmittel Zeitung“ (dfv Mediengruppe) bescheinigen 88 Prozent der Konsumenten den Eigenmarken der Händler, ebenso gut zu sein wie klassische Markenartikel. Das erhöht den Druck auf alle B- und C-Marken – und bestärkt möglicherweise darin, sich von ihnen zu trennen. V erschärft wird die Situation für die FMCG-Hersteller außerdem durch gesellschaftliche Veränderungen, sprich die Einstellung zum Konsum sowie Ernährungstrends. Weniger, gesünder und regionaler: In Zeiten, in denen alles im Überfluss vorhanden ist, definieren sich manche Konsumenten über mehr Achtsamkeit beim Einkauf oder gleich Verzicht. Mega-Marken wie Coca-Cola werden dadurch ihre Grenzen aufgezeigt: Der Getränkehersteller leidet seit geraumer Zeit unter der Kaufzurückhaltung der Kunden in Europa und Nordamerika, der Umsatz ist rückläufig. Die stark zuckerhaltigen Geträn- ke treffen nicht mehr überall auf den Geschmack und vor allem die Einstellung der Kunden. Ähnlich geht es der fleischverarbeitenden Industrie, die seit Jahren unter dem Rückgang des Verzehrs von Fleischund Wurstwaren leidet. Von „veränderten Ernährungsgewohnheiten“ spricht der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie und von der jungen Bevölkerung in Großstädten, die Kritik an der Produktion übe. Tatsächlich führen ethische, tierrechtliche und gesundheitliche Überlegungen bei vielen Verbauchern zum Reduzieren bis hin zum Verzicht auf Fleisch (siehe Seite 44). Dass darin auch Chancen liegen, könnte Rügenwalder Mühle zeigen, die versucht und mit vegetarischen Produkten den zu Rückgang kompensieren. Sicher eine Option, ebenso wie die Konzentration auf lokale Produkte: Auch ihnen bescheinigt der Handelsmarkenmonitor gute Aussichten: 77 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass mehr Handelsmarken in der Heimatregion hergestellt werden sollten. ZUM THEMA Gelernt Der Skeptiker fragt sich gelegentlich: Warum heißt ein Produkt Schnitzel, wenn es doch aus Soja besteht? Wieso wird etwas Würstchen genannt, obwohl es aus Tofu gemacht wird? Darf etwas, das keine tierische Milch enthält, noch den Namen Käse tragen? Über solche Fragen und über den Sinn einer veganen Ernährung liefern sich Fleischkonsumenten und Veganer erbitterte Debatten. Für Hersteller von fleischfreien Produkten ist die Antwort hingegen klar: Ohne die bekannten Begrifflichkeiten sind Vermarktung und Vertrieb ihrer Ware kaum möglich. Schließlich gilt es, einen bislang noch als Nische geltenden, aber wachsenden Markt zu bedienen, in dem immer mehr Verbraucher immer weniger tierische Produkte zu sich nehmen möchten – aus welchen Beweggründen auch immer. Auf Begriffe wie Bratling werden sie dabei kaum gut reagieren. Unter Schnitzel, Frikadelle und Aufschnitt dagegen können sie sich etwas vorstellen. Der vertraute Titel macht aus dem Angebot eine Alternative, die Verkaufspotenzial hat. Bettina Sonnenschein Ressort Specials INHALT Werbung: Hersteller tun sich noch immer schwer mit Owned und Earned Media. 42 Trend: Wie Medien und Industrie das Interesse an veganer Ernährung bedienen. 44 Nachhaltigkeit: Produzenten suchen den Schulterschluss mit dem Handel. 46 Markt: Drogerien dehnen das Geschäft langsam auf E-Commerce aus. 50 Know-how: Leo Burnett analysiert die Konsumenten nach Einkaufsverhalten. 52 Anzeige 42 REPORT FMCG-MARKETING HORIZONT 45/2014 Auf Nummer sicher Konsumgüterriesen investieren noch immer das meiste Geld in TV. Auf digitale Kanäle reagieren Entscheider nur zögernd Von Guido Schneider D „Gehen die TV-Reichweiten weiter zurück, verliert das Medium an Relevanz“ Ulrike Hefter, Optimedia HORIZONTREPORT ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Natascha Gross ie Nielsen-Werbestatistik gibt eine scheinbar eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Mediasplit der großen Konsumgüterkonzerne: Procter, Unilever und Co investieren nach wie vor einen Großteil ihres Marketingbudgets in TVSpots und ölen so den Betrieb der Fernsehindustrie. Was Nielsen nicht zeigt: Langsam, aber sicher überdenken die Konzerne ihre eingeübte Budgetverteilung und beziehen soziale Netzwerke, die Suchmaschine Google sowie eigene Kanäle stärker in die Werbeplanung ein. Die Hersteller haben verstanden, dass sie ihren Zielgruppen in die digitale Welt folgen und Kontakte zu ihnen aufbauen müssen; mit klassischer Werbung allein ist das nicht machbar. Folglich bekennen sich die Mediachefs immer mehr zum Digitalen und zu Owned und Earned Media. Da die Etats insgesamt aber bestenfalls leicht steigen, heißt das im Umkehrschluss: Werbefinanzierte Medien (Paid Media) müssen kämpfen. Für Jan Pechmann, Geschäftsführer der Berliner Beratungsfirma Diffferent, ist die Umschichtung zugunsten von Owned und Earned Media unumgänglich: „Konsumenten werden sich in Zukunft freiwillig mit Markenbotschaften auseinandersetzen oder überhaupt nicht mehr.“ Content Marketing und Social Media Marketing werden deshalb zur Pflicht, weil sie laut Pechmann auf Freiwilligkeit abzielen und einen echten Dialog in Gang bringen sollen. Owned und Earned Media müssen von Beginn an in den Planungsprozess integriert werden. Für Pechmann lautet die Eingangsfrage der strategischen Planung künftig: „Welchen Teil meiner kampagnenspezifischen Ziele kann ich mit eigenen Plattformen erreichen, bevor ich zukaufen muss?“ Doch die Media-Entscheider der FMCG-Branche tun sich mit dem Schwenk zu den digitalen Kanälen und zu Owned wie Earned Media eher schwer. Beispiel Arne Kirchem: Der Media Director DACH bei Unilever will einerseits das Storytelling für eine Marke wie Axe ausbauen: „Unser Ziel ist es, Inhalte zu schaffen, die für den Konsumenten relevant sind, auf unsere Brand Equity einzahlen und zum Abverkauf am Regal beitragen.“ Andererseits gibt er aber zu bedenken, dass eine coole Idee und etwas Budget allein nicht reichen, um Inhalte im Web zu verbreiten. Wer Nettoreichweite will, „wird immer auch Geld reinstecken müssen“, so Kirchem. Marc S. Pritchard, globaler CMO bei Procter & Gamble, will den Umstieg in die digitale Welt dagegen mit festen Vorgaben erreichen. Künftig sollen pro Land zwischen 25 und 35 Prozent des Budgets in digitale Maßnahmen fließen (HORIZONT 25/2014). Auch Nestlé will laut der Mediaverantwortlichen Tina Beuchler den Digitalanteil über alle Marken hinweg von derzeit 10 auf 15 Prozent ausbauen, vermeidet aber eine zentrale Vorgabe für jede Marke (HORIZONT 36/ 2014). Andere wie Unilever testen eifrig und genehmigen sich dafür ein Explorationsbudget: „Das brauchen wir, weil sich gerade in Online permanent neue Werbemöglichkeiten und Chancen ergeben“, so Kirchem. schen Mitteleinsatzes die höchsten Rabatte, ein Umstand, auf den Einkauf und Controlling viel Wert legen. Beuchler hebt dagegen die strategische Rolle von TV hervor: „Aktuell liefert es uns immer noch den schnellen Reichweitenaufbau, den wir zur Unterstützung unserer Marken- und unserer Produktkampagnen benötigen.“ Doch inzwischen hat das lineare Fernsehen durch Online-Bewegtbild einen Konkurrenten erhalten. Video on Demand in allen Ausprägungen hilft den Konzernen, besser an junge Zielgruppen heranzukommen. Glaubt man Unilever-Manager Kirchem, dann sind all diese Kanäle zwar wichtig, stehen aber ständig auf dem Prüfstand. Vor allem die Leistungswerte der TV-Sender beäugt er kritisch: „Sinkende Nettoreichweiten und steigende Preise im TV – das geht aus meiner Sicht nicht zusammen.“ Auch manche Agentur nimmt das Fernsehen inzwischen genauer unter die Lupe: „Gehen die Reichweiten weiter zurück, verliert das Medium an Relevanz“, mahnt Ulrike Hefter, Managing Director bei Optimedia, Frankfurt. Dann mag es zwar noch effizient sein, aber: „Wenn die Effektivität verliert, muss man sich neue Kanäle und Maßnahmen suchen.“ E V om guten alten Fernsehen wollen die Mediachefs in dieser Umbruchphase aber nicht lassen. Denn wenn es darum geht, zentrale Mediaziele zu erreichen, scheint auf TV weiter Verlass. Außerdem erhalten die FMCG-Riesen dort dank ihres giganti- s passt zum lavierenden Verhalten der FMCG-Hersteller, dass sie beim Übergang in die neue Medienwelt besonders auf die Leistungswerte digitaler Werbeträger achten. Für Beuchler hat der Wirkungsbeleg dieser Angebote „höchste Priorität“ und das gilt nicht nur für Paid Media, sondern auch für Owned und Earned: „Wenn wir Digital weiter ausbauen wollen, und hierbei reden wir nicht über kleine Summen, dann müssen wir zusätzliche und crossmediale Wirkungsnachweise verstärkt einsetzen.“ Denn nur wenn die neuen Kanäle ihren Return on Investment belegen können, „Noch wirkt vieles, was Hersteller im Netz unternehmen, nicht strategisch“ Jan Pechmann, Diffferent 6. November 2014 „TV liefert uns immer noch den schnellen Reichweitenaufbau, den wir benötigen“ Tina Beuchler, Nestlé lässt sich die Umschichtung von Etats rechtfertigen. Für Kirchem würden Effizienznachweise deutlich leichter, wenn die Konvergenzwährung für Bewegtbild, auf die der Kundenverband OWM lautstark pocht, möglichst bald Realität wird. Ein Punkt, den auch Berater Pechmann herausstreicht: Bessere Mess- und Vergleichsstandards im Mediamix könnten wie ein „Brustlöser“ wirken und den Wandel beschleunigen. Einstweilen lässt sich die Neuausrichtung der Marketingplanung der Konsumgüterhersteller mit einer Art Dreiklang aus Wissen, Wollen und Können beschreiben: Die Unternehmen wissen, dass die digitale Transformation nicht aufzuhalten ist. Und sie wollen auch neue Wege beschreiten. Nur beim Können hapert es: „Viele innovative Media-Initiativen bleiben in der Trägheit des Habitus von Beschaffung und Planung hängen“, moniert Pechmann. Das erklärt auch, weshalb lineares TV immer noch so stark in den Mediaplänen vertreten ist. Marketingentscheider können damit nicht viel falsch machen – noch nicht: „Konventionell betrachtet, bieten große TV-Deals nach wie vor den besten Gegenwert fürs Geld“, so Pechmann. In der digitalen Welt fehlt es den Firmen dagegen an Erfahrungswerten und „Erfolgsprognosen jenseits der 90 Prozent“. Dahin, wo sie sich nicht auskennen, müssten sie sich bewegen, fordert Pechmann. Noch wirkt vieles, was die Hersteller im Netz unternehmen, eher aktionistisch und wenig strategisch, kritisiert er. Dabei wäre genau das jetzt gefragt. Wer unter den neuen digitalen Rahmenbedingungen vorankommen will, muss mehr ändern als nur den Mediaeinkauf. Die komplette Struktur mit ihren Kernprozessen steht zur Disposition, so Pechmann: „Eine digitale und inhaltegetriebene Marketingorganisation denkt, plant und handelt ganz anders.“ Im Fokus: Werbeausgaben Big Spender agieren verhalten im Web Erst Fernsehen, dann der Rest Mediasplit der Top-10-Konsumgüterkonzerne 2014 (Januar bis September) in Prozent Bruttowerbeinvestitionen der Top 10 Konsumgüter-Konzerne in Deutschland (Januar bis September) in Mio. Euro Fernsehen Online Zeitschriften Gesamt Online Veränd. in Prozent Zeitschriften Veränd. in Prozent 2013 Procter & Gamble 365,8 374,3 –2,3 289,5 301,6 –4,0 56,2 54,6 2,9 18,4 13,7 34,3 L'Oréal 267,9 247,7 8,1 225,9 200,6 12,6 8,0 10,1 –20,8 32,8 34,0 –3,5 Ferrero 230,8 245,2 –5,8 192,5 197,3 -2,4 29,4 25,5 15,3 2,5 5,9 –57,6 Unilever 227,4 195,4 16,4 198,4 161,4 22,9 8,8 10,8 –18,5 7,2 10,0 –28,0 Beiersdorf 171,6 143,7 19,4 128,3 80,2 60,0 17,9 28,7 –37,6 24,9 26,7 -6,7 6,0 Henkel Wasch- u. Reinigungsmittel 144,9 138,1 4,9 128,4 121,0 6,1 9,7 4,6 110,9 5,2 8,3 –37,3 0,3 0,2 McDonald's 138,2 154,0 –10,3 83,7 86,3 -3,0 18,3 25,3 –27,7 0,4 0,3 33,3 0,8 0,0 Reckitt Benckiser 131,8 118,3 11,4 122,2 106,9 14,3 7,5 1,5 400,0 1,1 0,0 2,1 9,9 6,3 Schwarzkopf+Henkel Cosmetics 117,1 123,0 –4,8 98,2 110,6 –11,2 7,2 2,5 188,0 11,6 7,7 14,6 0,3 0,2 Coca-Cola 104,0 95,5 8,8 69,1 68,3 1,2 23,4 13,9 68,3 0,3 0,2 50,0 9,7 5,5 5,8 Top 10 gesamt 1 899,5 1 835,2 3,5 1 536,2 1 434,2 7,1 186,4 177,5 5,0 104,4 106,8 –2,2 11,7 12,7 13,3 19 382,1 18 660,0 3,9 8 726,8 8 071,2 8,1 2 240,7 2 178,9 2,8 2 459,8 2 481,8 –0,9 2014 2013 2014 2013 2014 2013 79,1 80,6 15,4 14,6 5,0 3,7 L'Oréal 84,3 81,0 3,0 4,1 12,3 13,7 Ferrero 83,4 80,5 12,7 10,4 1,1 2,4 Unilever 87,3 82,6 3,9 5,5 3,2 5,1 Beiersdorf 74,8 55,8 10,5 19,9 14,5 18,6 Henkel Wasch- u. Reinigungsmittel 88,6 87,7 6,7 3,3 3,6 McDonald's 60,5 56,0 13,3 16,4 Reckitt Benckiser 92,7 90,3 5,7 1,3 Schwarzkopf+Henkel Cosmet. 83,9 89,9 6,1 Coca-Cola 66,5 71,5 22,5 Top 10 gesamt 80,9 78,1 9,8 Werbemarkt gesamt 45,0 43,3 11,6 Quelle: Nielsen Fernsehen Änd. in Prozent Procter & Gamble HORIZONT 45/2014 Die Hersteller schnelldrehender Konsumgüter zählen zu den dominierenden Akteuren im deutschen Werbemarkt. Die zehn größten haben laut Nielsen in den ersten neun Monaten 2014 brutto rund 1,9 Milliarden Euro für klassische Werbung aufgewandt und standen damit für rund 10 Prozent aller Spendings. Dabei ist die Abhängigkeit von TV am größten: Die Top-10-Konsumgüterriesen platzierten dort Werbung im Bruttowert von 1,54 Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil von beinahe 2014 Werbemarkt gesamt 2013 Veränd. in Prozent 2014 2014 Quelle: Nielsen 18 Prozent der Werbeerlöse dieser Gattung. Die zehn größten FMCG-Firmen haben die Gattung sogar aufgewertet: Im Mediamix wuchs der Anteil von TV an den Gesamtspendings im Jahresvergleich von 78 auf 81 Prozent, während Online bei 10 Prozent verharrte. Allerdings zeichnet die Nielsen-Statistik ein unvollständiges Bild, weil sie Aufwendungen für Social Media, Suchmaschinen und Videoplattformen nicht erfasst. Auch die Investitionen in unternehmenseigene (digitale) Medien fehlen. 2013 2014 2013 50,6 HORIZONT 45/2014 44 REPORT FMCG-MARKETING F Von Bettina Sonnenschein HORIZONT 45/2014 6. November 2014 Verzicht ohne Mangel Zwischen Trend und Ethik Fehlende Lockerheit ist in der Tat etwas, was das Thema streitbar macht und nicht ganz einfach zu bedienen. Denn eingefleischte Veganer richten ihre Ernährung oft nach ethischen Motiven aus und sehen sich inzwischen in eine Fun-Ecke gedrängt, wogegen sie – manchmal recht militant – rebellieren. Hobbyköche wiederum halten sich gern für vernünftig genug, ihren Fleischkonsum eigenverantwortlich zu regulieren und reagieren auf Blogs und Foren oft ähnlich aggressiv auf vegane Rezepte. Gerade Magazine aus dem Foodbereich müssen darum die Balance finden, um die alte Leserschaft nicht zu verärgern und gleichzeitig alte wie neue Veganer und Vegetarier zu bedienen. „Je nach Zielgruppe gehen wir etwas anders heran“, erläutert Bauer-Chefredakteurin Brendel: „Die Leserinnen von ‚Mutti‘ gehen Wie Medien und Industrie das wachsende Interesse an vegetarischer und veganer Ernährung bedienen Von der Nische zur Masse Offensiver geht auch die Industrie an das Thema heran, die eine deutliche Absatzsteigerung im Blick hat. Shopper-Marketing-Experte Faseli bestätigt, dass eine nicht zu ignorierende Kaufkraft hinter dem Trend stehe. Interessierte Konsumenten seien auch bereit, Geld dafür auszugeben: „Für den von Preiskämpfen geplagten Lebensmitteleinzelhandel ergeben sich dadurch natürlich attraktive Margenpotenziale.“ Wie viel Potenzial dahintersteckt, lässt auch der Markteintritt von Rügenwalder erahnen: Anders als der kontinuierlich Absatz verlierende Wurstmarkt wachse der für Fleischersatzprodukte seit Jahren, heißt es vonseiten des Herstellers. Bis 2020 wolle man rund ein Drittel des Umsatzes mit vegetarischen Produkten erzielen. Dafür nehme man jetzt nicht unerhebliche Investitionen in Kauf. Hervorheben will sich Rügenwalder von der vorhandenen Konkurrenz durch Know-how: „Das Angebot an fleischfreien Produkten wird zunehmend besser – allerdings lässt die Auswahl bislang vor allem optisch und geschmacklich zu wünschen übrig“, sagt Godo Röben, Geschäftsleitung Marketing, Forschung und Entwicklung. Ob das zu einem Wurstproduzenten passt? Sebastian Strubel, Director Brand Strategy bei Leo Burnett, rät allgemein zur Vorsicht: „Die Frage bei den Produkten ist immer, wie glaubhaft diese für eine Marke sind. Ob dann bestimmte Hersteller immer eine fleischlose Variante im Angebot haben sollten? Alternativ besteht ja auch die Möglichkeit, über kleinere Portionen nachzudenken, um dem Bedürfnis nach weniger Fleischkonsum gerecht zu werden.“ Nichtsdestotrotz könne die Industrie den Bedarf nicht mehr ignorieren, bestätigt auch er. Den haben neben Vorreitern wie Valess, das bereits seit neun Jahren auf dem deutschen Markt unterwegs ist, sogar schon Handelsketten erkannt: Vor drei Jahren führte Edeka seine Produktlinie Soyes ein, um der stetig wachsenden Nachfrage insbesondere in städtischen Regionen gerecht zu werden. Damit sei man der erste klassische Lebensmittelhändler gewesen, dessen Fleischersatzprodukte vegetarischen und veganen Standards entsprechen, heißt es vonseiten des Unternehmens. FOTO: EYETRONIC / FOTOLIA / EDEKA / RÜGENWALDER / VALESS leischlos ist in. Galten Vegetarier jahrzehntelang als schafwollsockige Ökos und Veganer als durchgeknallte Exoten, hat sich das Bild seit rund zwei Jahren stark verändert: Dönerbuden werben mit einer veganen Variante, vegetarische und vegane Cafés mehren sich, in Buchhandlungen stapeln sich Kochbücher mit Rezepten, die ohne Fleisch auskommen, ebenso mehren sich in Frauenund Food-Zeitschriften Rezeptstrecken, in denen es nur um Gemüse geht. Erst kürzlich verkündete Rügenwalder Mühle, im Dezember erstmals vegetarische Produkte einzuführen (HORIZONT 43/2014). „Bild“ berichtet über den Welttag der Veganer und Family Media bringt dieser Tage mit „Vegan für mich“ einen Titel an den Kiosk, der sich zwischen „Das Vegan Magazin“, „Das Veggie Journal“, „Slowly Veggie“, „Vegan und Bio“ und „Happy Veggie“ einreiht. Um es mit den Worten von Darijusch Faseli, Director Shopper Marketing Strategy bei Leo Burnett, zu sagen: „Spätestens wenn Aldi ein Veggie-Siegel einführt, weiß man, dass ein Trend im Mainstream angekommen ist.“ Anders ausgedrückt: Medien und Industrie sind derzeit dabei, ein Kundenpotenzial auszuschöpfen, das lange in der Nische lebte und durch die Verbindung mit Attributen einer gesunden Lebensweise einen Imagewandel erfahren hat. Reduzierter oder kompletter Fleischverzicht klingt nicht mehr nach Entbehrung, sondern nach Vernunft: Gut für die Gesundheit, gut für die Tiere, gut für die Ökobilanz und gut für die Umwelt. Dazu kommt ein nicht zu verachtender Spaßfaktor, der es jedem neuen Trend leichter macht. Mitverantwortlich für diesen Ruf ist sicherlich Attila Hildmann, Fitnessmodel und Kochbuchautor, der viel zur medialen Verbreitung des Themas Veganismus beigetragen hat. „Plötzlich war da ein gutaussehender Kochbuchautor ohne Mohairpulli, mit tollen Rezepten und einer Prise Humor, der dem ganzen Thema mehr Lockerheit verliehen hat“, sagt Jessika Brendel, Chefredakteurin von „Lecker“, „Kochen & Genießen“ und „Mutti“ bei Bauer Media. sehr entspannt um mit dem Trend, denen von ‚Kochen & Genießen‘ ist er dagegen noch sehr fremd. Bei den ‚Lecker‘-Lesern muss man diese Themen sehr sensibel einsetzen.“ Letztere überzeugt man am besten über den Inhalt: Das Rezept liest sich gut, das Foto spricht an – und nur beiläufig bemerkt der Leser den kleinen Hinweis, dass es sich hier übrigens um etwas Gesundes, Vegetarisches oder gar Veganes handelt. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger, aber deutlich offensiver kann „Vegan für mich“ agieren und setzt auf den schon erwähnten Spaßfaktor: Die Botschaft sei konsequent positiv, veganes Leben mache Spaß, sei gesund und berge noch viel zu entdecken, lässt Family Media zum Start verlauten. Geplant ist eine vierteljährliche Erscheingsweise ab Frühjahr 2015 (Copypreis 4,50 Euro). Dem ersten Heft liegt als Service für Neulinge ein Kärtchen bei, das über pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten aufklärt. 46 REPORT FMCG-MARKETING HORIZONT 45/2014 6. November 2014 FOTO: SVEDOLIVER / BLACK MTS / FOTOLIA / MONTAGE: HORIZONT Bund fürs Leben Nachhaltiges Wirtschaften steigert nicht automatisch den Umsatz. FMCG-Hersteller suchen den Schulterschluss mit dem Handel Von Uwe Förster D er stets gut gelaunte, uniformierte Herr mit dem weißen Vollbart hat einen Zweitjob bekommen: Käpt’n Iglo gibt jetzt auch den „grünen Nachhaltigkeitsbotschafter“. Sein Konterfei neben dem Schriftzug „Forever Food Together“ steht als Symbol für ein Anfang 2015 beginnendes Nachhaltigkeitsprogramm von Iglo. „Tiefkühlkost spart Geld“ verkündet das Unternehmen darin und will den Handel für seine Offensive nutzen. Der Preis spielt für die Deutschen eine entscheidende Rolle beim Kauf nachhaltiger Produkte, wie die Accenture-Konsumentenstudie „From Marketing to Mattering“ belegt. Also ist Iglos kommunikativer Ansatz logisch: Der Hamburger Hersteller argumentiert, dass Lebensmittelverschwendung bares Geld kostet, tiefgekühlte Lebensmittel jedoch nicht in den Abfall wandern müssen. „In einem extrem preissensiblen Umfeld wie dem Lebensmittel-Sektor hat nachhaltiges Verhalten somit auch einen Schnäppchen- beziehungsweise Einspar-Effekt“, erläutert Alfred Jansen, Senior Corporate & Brand Communication Manager. Anlass für den Iglo-Vorstoß liefert nicht zuletzt der Wettbewerb. Die ihren Wachstumszielen hinterherlaufende Marke muss dem Konkurrenten Frosta etwas entgegensetzen. Denn der Tiefkühlkostproduzent mit dem Reinheitsgebot aus Bremerhaven, Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2012, hat vor einem Jahr ein Fischsortiment unter seiner Marke eingeführt. Zudem besagen Umfragen, dass sich Verbraucher immer häufiger nachhaltige Produkte wünschen – sich diesen Wunsch allerdings eher selten erfüllen. Wie groß diese Lücke zwischen Kaufbereitschaft und Transaktion ist, darüber herrscht Uneinigkeit. Klar ist: Die Verbraucher werden sensibler, die Regale mit nachhaltig herge- stellten Produkten müssen dennoch nicht ständig aufgefüllt werden. Das kann Rewe-Chef Alain Caparros bestätigen. Er fährt bereits seit 2008 eine Nachhaltigkeitsstrategie, musste auf dem „Dialogforum“ des Konzerns im September jedoch zugeben, dass seine Kunden nicht so zu den „grünen“ Produkten greifen wie erhofft. Laut „Lebensmittel Zeitung“ sind mittlerweile rund 25 Prozent des ReweSortiments nachhaltig. Selbst intern gebe es inzwischen Zweifel, damit auf dem Massenmarkt erfolgreich sein zu können. Eine von Rewe in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Konsumenten Nachhaltigkeit nicht als spezielle Produkteigenschaft verstehen. Und sie bestätigt: Nur selten ziehen sie Nachhaltigkeit allein als Argument für einen Kauf heran. Sie ist nur ein Qualitätsmerkmal unter vielen. Für Andreas Pogoda, Gesellschafter der Brandmeyer Markenberatung, ist das nicht neu. „Wir erleben in zahlreichen Markenanalysen, die auch danach fragen, was Menschen zum Kauf eines Produktes führt oder an die Marke bindet, dass Nachhaltigkeit als Treiber recht weit hinten rangiert.“ Der eigentliche Treiber sei das Evidente: der Geschmack, das Aussehen, die Verpackung oder wie gut sich etwas aufs Brot streichen lässt. Das bedeute nicht, dass Nachhaltigkeit kein wichtiges Thema wäre, im Gegenteil: „Nachhaltigkeit ist Chefsache“, ist Pogoda überzeugt. Aber als Differenzierungsmerkmal in lauten Werbekampagnen tauge sie in den meisten Fällen wenig, insbesondere wenn Verbraucher sie für eine Kategorie einfach voraussetzen. D as heißt umgekehrt aber auch: Fehlen nachhaltige Lösungen und stehen die Markenversprechen nackt da, nehmen die Gefahren für die Reputation zu. Der Handlungsdruck steigt dann, auf Seiten des Verbrauchers, aber etwa auch durch Investoren. Die Frage ist nur: Wie erzähle ich meinen Kunden von meinem engagierten Handeln? Die Deutschen sind preisgesteuert Deutschland Angaben in Prozent Indien 78 ... die Produkte nicht teurer wären G emeinsame Aktivitäten gibt es. P&G engagiert sich nach eigenen Angaben mit seinen Handelspartnern in verschiedenen Initiativen und nimmt seit mehreren Jahren an den Rewe-Nachhaltigkeitswochen teil. Die Kölner Supermarktkette wiederum hat mit der Marke Frosch die Initiative „Recyclat“ gegründet, die den Einsatz gebrauchter Verpackungen aus dem Gelben Sack bei der Produktion von PET-Verpackungen möglich gemacht hat. Auch Iglo möchte den Handel einbinden. Doch wie das aussehen soll, ist laut Jansen noch nicht klar: „Es geht ganz allgemein um Partizipation und Engagement, und hier sollen sowohl Word-of-Mouth- als auch PoS-Kommunikations-Elemente in der Ansprache in Kooperation mit den Handelsorganisationen umgesetzt werden.“ Insgesamt sind nach außen sichtbare Beispiele solcher Kooperationen noch selten. Die Wirtschaftsakteure würden Nachhaltigkeit meist unabhängig voneinander vorantreiben, meint Cordes. Ein Knackpunkt: „Der Handel verlangt zum Teil erhebliche Summen von der Industrie, um im eigenen Nachhaltigkeitskonzept für den Verbraucher sichtbar dabei sein zu dürfen.“ Ohne solche Partnerschaften dürfte es für Markenartikler schwieriger werden, mit ihren Investitionen beim Verbraucher zu punkten. 46 ... ich durch den Kauf belohnt würde 21 69 64 69 63 55 54 42 ... ich durch den Kauf die Ursachen bekämpfen könnte 66 68 61 ... die Produkte leichter auszumachen wären 70 73 67 ... ich mehr über die Grundprinzipien wüsste 57 67 57 Ich berücksichtige nachhaltige Kriterien bereits 69 59 69 ... ich den damit verbundenen Claims glaubte Berücksichtigen Sie Nachhaltigkeit bei Ihrer Kaufentscheidung? weltweiter Durchschnitt 75 ... ich mir über die positive Wirkung klarer wäre 33 48 Indien Brasilien 46 China 45 Russland Frankreich Angaben in Prozent Ich werde nachhaltige Kriterien im nächsten Jahr stärker berücksichtigen 50 72 34 73 44 77 29 26 Ich suche aktiv nach Informationen darüber 21 53 50 13 Deutschland 21 47 13 USA 21 46 14 Basis: globale Befragung unter insgesamt 30 000 Erwachsenen Basis: globale Befragung unter 30 000 Erwachsenen; Deutschland: n = ca.1500 Quelle: Accenture-Studie „From Marketing to Mattering˝ braucher gerichtete Nachhaltigkeitsaktion umgesetzt. Dabei wäre schon der nächste Schritt fällig, nämlich stärker „together“ mit Stakeholdern kommunikativ zu kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit dem Handel liegt da nahe, zumal der seinerseits die Industrie zwingt, aktiver zu agieren. „Die Händler sind starke Treiber von Nachhaltigkeit“, sagt Cordes, der seit Anfang November den Bereich Corporate Affairs bei Reemtsma leitet. Kein Markenartikler könne es sich mehr leisten, das Thema zu ignorieren, je mehr Einzelhändler und Discounter erheblich in Nachhaltigkeit investieren. Mangel an „grünem“ Bewusstsein Ich würde häufiger ethisch einwandfreie und verantwortungsbewusst hergestellte Produkte kaufen, wenn ... ... die Produkte mich mit anderen in Kontakt brächten Krisenmanagement- und Nachhaltigkeitsexperte Christian Cordes empfiehlt einen partizipativen Ansatz. „Nachhaltigkeit per se ist selten kampagnenfähig“, sagt er. Unternehmen sollten die Verbraucher einbeziehen und den Dialog aktiv betreiben. Auch aus diesem Grund hat Iglo das Wort „together“ dem 2010 eingeführten Claim seiner Nachhaltigkeitsbestrebungen „Forever Food“ hinzugefügt. Man wolle damit keine Ökodebatte zur Wegwerfgesellschaft befeuern, sondern Impulsgeber für eine Diskussion über den ethischen Wert von Lebensmitteln werden, sagt Manager Jansen. Iglo setzt auf Dialog und wird daher Channel-übergreifende Aktivitäten, darunter Social Media, Events, Content Marketing und PR, auf den Weg bringen. Und auf eine klassische Werbekampagne verzichten. „Together“ ist auch die Strategie von Beiersdorf. „Wir sind davon überzeugt, dass wir nur gemeinsam mit unseren Verbrauchern etwas erreichen können“, formuliert Director Corporate Communications Cora von Meysenbug. Beiersdorf versucht, die Menschen in das soziale und ökologische Engagement einzubeziehen und sie anzuregen, dazu beizutragen. Als Beispiel nennt von Meysenbug die Kooperation zwischen Nivea und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Nestlé hält Nachhaltigkeit angesichts der komplexen Herausforderungen ebenfalls nicht für ein einfaches Werbethema. „Wir lassen aber Informationen hierzu zunehmend in die markenbezogene Kommunikation einfließen – jedoch mehr als Angebot an die Verbraucher, sich weiter zu informieren oder mit uns in den Dialog zu gehen“, sagt der PublicAffairs-Manager Achim Drewes. Das zeigt, dass einige FMCG-Hersteller längst über das Stadium der Nachhaltigkeitskommunikation in Form von Berichten und Ratgebern hinaus sind. Andere sind noch nicht so weit. Dr. Oetker beispielsweise hat noch keine auf Ver- HORIZONT 45/2014 Quelle: Accenture-Studie „From Marketing to Mattering“ HORIZONT 45/2014 HORIZONT 45/2014 REPORT FMCG-MARKETING 47 6. November 2014 Accenture-Manager Alexander Holst fordert Umdenken beim Produktmarketing Nachhaltigkeit Der Schwarze Peter wandert beim Thema Nachhaltigkeit hin und her. Motto: „Ich tue mehr, wenn du mehr tust.“ Das zeigt eine weitere Untersuchung von Accenture, die internationale CEO-Studie, die die Managementberater im Auftrag der CSR-Initiative UN Global Compact der Vereinten Nationen seit 2007 alle drei Jahre durchführen. Ihr zufolge ist ein Umdenken der Verbraucher beim Einkauf entscheidend für die Nachhaltigkeitsbestrebungen auf Unternehmensseite. So waren 2013 mehr als 80 Prozent der befragten Vorstandschefs überzeugt, dass ihre Konzepte erst dann greifen, wenn „grün“ zu einem unbedingten Kaufkriterium wird (HORIZONT 39/2013). Dass dieser Fall eintreten wird, glauben allerdings nur 15 Prozent. A Von Uwe Förster ccenture und die Mediengruppe Havas haben in diesem Jahr 30000 Verbraucher in 20 Ländern zu ihrem „grünen“ Konsumverhalten befragt. Alexander Holst, Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Accenture und Leiter Sustainability Services für die DACH-Region, erläutert die Resultate des Studienreports „From Marketing to Mattering“. Herr Holst, was ist das wichtigste Ergebnis Ihrer Studie? Es haben sich zwei wesentliche Dinge gezeigt. Legt man den Fokus zunächst auf den deutschen Markt, dann ist bemerkenswert, dass das abstrakte Thema Nachhaltigkeit für die Deutschen eine relativ hohe Bedeutung hat. „Inwieweit berücksichtigen Sie Nachhaltigkeit heute oder in Zukunft bei Ihrer Kaufentscheidung?“, ist ja eine eher abstrakte Fragestellung. Und doch sagen 21 respektive 47 Prozent der Befragten in Deutschland, FOTO: ACCENTURE „Nachhaltigkeit wird Teil des Qualitätsbegriffs“ dass sie diesen Begriff heute oder künftig mit ihrer Kaufentscheidung verknüpfen. Das unterstreicht, dass Nachhaltigkeit bei den Endkonsumenten mindestens positiv belegt ist – was immer der Einzelne konkret darunter verstehen mag. Entschuldigung, aber 21 Prozent klingt doch eher dürftig? Würden wir konkret fragen: „Möchten Sie gern T-Shirts kaufen, bei deren Herstellung Menschen in Bangladesch wahrscheinlich sterben?“, werden wir eine Ablehnung von 99,99 Prozent bekommen. Von dieser Warte aus sind Werte von 21 und knapp 50 durchaus ermutigend. Und die andere Erkenntnis? Dort, wo Nachhaltigkeit und die ökonomischen und sozialen Herausforderungen für eine Gesellschaft greifbarer sind, zum Beispiel in Indien und China, ist das Interesse an und der Wunsch nach Nachhaltigkeit viel höher als bei uns. Das wundert uns zunächst aus unserer eurozentrischen Perspektive. Aber die Probleme sind dort eben viel konkreter. Laut Ihrer CEO-Studie aus dem vergangenen Jahr geht jedoch fast die Hälfte der Vorstandschefs davon aus, dass für Konsumenten Preis, Qualität und Verfügbarkeit immer wichtiger sein werden als Nachhaltigkeit. Muss man nach den Resultaten der neuen Studie den CEOs den Vorwurf machen, Sie kennen ihre Kunden nicht? Es geht weniger um Vorwürfe, als vielmehr um Erwartungsmanagement. Erwartungen hängen sicherlich stark vom jeweiligen Produkt und von den Produktund Nutzenversprechen ab. Aber Firmen müssen, und das ist mein Appell an die Unternehmen, erkennen, dass sich Erwartungshaltungen bei den Konsumenten Schritt für Schritt verändern und dass Alexander Holst, Accenture soziale und ökologische Aspekte, die in der Gesellschaft lange diskutiert werden, Teil der Erwartungshaltung an ein Produkt werden. Sprich: Sie werden Teil des Qualitätsbegriffs. Das heißt? Das heißt, dass beispielsweise ein Unternehmen, das mit Kakaoprodukten auf dem Markt ist, immer einen gewissen Anteil fair gehandelten Kakaos dabei haben muss. Weil es ein Qualitätsmerkmal ist und der Kakao eben nicht nur gut schmeckt. Das heißt wiederum nicht, dass fair gehandelter Kakao schlecht schmecken darf wie in den 80er Jahren. Dann bleibe ich in der Nische. Erklärt die Meinung der CEOs über Konsumentscheidungen, warum der nachhaltige Aspekt von Qualität im Marketing unterrepräsentiert ist? Die Firmen haben aus der CorporatePerspektive mit ihren Nachhaltigkeitsberichten gute Anfänge gemacht, die auch wichtig waren, um überhaupt erst mal einen Überblick zu bekommen: Wo stehen wir eigentlich intern, wenn wir den Diskussionsprozess anstoßen? Sie mussten zunächst Daten sammeln, um messen und dann auch steuern zu können. Aber jetzt müssen Unternehmen konsequenter einen Schritt von der Kommunikationsperspektive hin zu Produktthemen gehen, um den veränderten Erwartungen der Kunden, die sich noch nicht zu 100 Prozent verändert haben, zu entsprechen. Aber auch denen anderer Stakeholder, von NGOs und Verbraucherzentralen beispielsweise, die ja auch Ansprüche stellen und die letztendlich Kommunikatoren sind. Mit welchen Mitteln kann es dem Marketing gelingen, Konsumenten, die prinzipiell zum Kauf nachhaltiger Produkte bereit sind, dazu auch am Point of Sale zu bewegen? Das ist natürlich immer von den Produkten, der Branche und den Zielgruppen abhängig. Aber im Grunde geht es um eine Dreierkombination. Das erste Thema ist die zirkuläre Ökonomie, und hier vor allem der Aspekt „Product as a Service“. Der Konsument bekommt ein anderes Verhältnis zu einem Produkt, wenn er die Leistung des Produkts stärker wahrnimmt und weniger das Produkt als Ganzes. Der zweite Punkt ist das Thema Digitalisierung: Ich versuche, mit meinem Kunden über die Möglichkeiten, die die digitalen Medien und Techniken bieten, in Kontakt zu kommen und Informationen bereitzustellen, die sie sonst so nicht haben. Schließlich geht es drittens um Emotionalität. Ich muss mehr Emotionen schaffen durch Social Community Building. Anzeige 48 REPORT FMCG-MARKETING HORIZONT 45/2014 6. November 2014 Locker statt lecker Kampagnen für Lebensmittel stellen meist die besonderen Eigenschaften, die Qualität und den Geschmack in den Mittelpunkt. Dass es auch ohne Genussbegriffe und dafür mit Emotionen geht, zeigt eine HORIZONT-Auswahl Von Bettina Sonnenschein Babybel: Der Minilaib in Wachshülle aus der Produktion der Fromagerie Bel ist nicht gerade etwas für Gourmets. Ein guter Grund, den Snack- und Spaßfaktor von Babybel in den Mittelpunkt der Kampagne zu stellen. Seit 2011 sind es folgerichtig die beiden Angestellten Basti und Bert, die in wechselnden Situationen mithilfe des Käses den Chef veralbern und für gute Laune im tristen Büroalltag sorgen. Passend dazu hat Jan Leube, Kreativchef von Y&R in Berlin, die Catchphrase „Erwachsen ist man oft genug“ entwickelt. Die Botschaft ist also klar: Nicht alles so ernst nehmen und ab und zu mal Käse machen. KUNDE: Fromagerie Bel KREATION: Y&R, Berlin Wer könnte dem widersprechen? „Über die Besten freut sich jeder“ sagt die Marke Ferrero über ihre Mischung Schokoladenpralinen. Ein großes Gemeinschaftsgefühl steht häufig im Mittelpunkt von Kampagnen des Herstellers. Es geht um den Anlass, zu dem die Süßigkeiten geschenkt oder genascht werden sollen, nicht unbedingt um das, was drin steckt und wie es schmeckt. KUNDE: Ferrero KREATION: M&C Saatchi, Berlin Kinderprodukte, die Erwachsene kaufen sollen, werden gerne besonders gesund gelabelt – schwierig bei einem Salamisnack. Die kleine Bifi Junior entfaltet in der kürzlich gelaunchten Kampagne daher ganz andere Fähigkeiten: Sie ist das Schutzpolster, das einen wagemutigen Jungen vor größeren Wunden nach seinem mutigen Fahrradstunt bewahrt. „Der Snack, der alles mitmacht“ findet ganz ohne Sprecher, nur mit heroischer Filmmusik untermalt, seine Berechtigung für jede Lebenslage. KUNDE: Jack Link’s KREATION: Thjnk, Hamburg Vor drei Jahren, noch unter der Führung von Kraft Foods, bekam die Marke Milka einen neuen Claim: „Trau dich, zart zu sein“ beinhaltet zwar immer noch ein Adjektiv, das auch die Produkteigenschaft beschreibt. Im Zusammenspiel mit den von Crispin Porter & Bogusky entwickelten und vom neuen Eigentümer Mondelez fortgeführten Spots wird aber immer wieder deutlich: Es geht ums Zwischenmenschliche. Und das wird von der lila Kuh persönlich gefördert. KUNDE: Mondelez KREATION: Crispin Porter & Bogusky, London HORIZONT 45/2014 REPORT FMCG-MARKETING 49 6. November 2014 Eigene Geschichten Immer mehr FMCG-Werbungtreibende kündigen an, mehr in Owned und Earned Media zu investieren. HORIZONT fragt, wie Unternehmen damit umgehen Redaktion: Natascha Gross W elchen Beitrag kann Ihr Medienhaus für FMCG-Kunden abseits des klassischen bezahlten Werbeplatzes leisten, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden? Matthias Dang, Geschäftsführer IP Deutschland Matthias Schönwandt, Geschäftsführer Medienhaus Deutschland Florian Ruckert, Vorsitzender der Geschäftsführung RMS Presse Rasmus Giese, Geschäftsführer United Internet Media Frank Vogel, Mitglied der Geschäftsleitung Gruner + Jahr Media Sales EMS W E D V W ir sehen dieser Entwicklung durchaus aufgeschlossen entgegen, denn aktuell sind wir mit unserem Portfolio so breit aufgestellt, dass wir den neuen Anforderungen der FMCGler mehr als gerecht werden können. Owned und Earned Media sind Trends, die funktionieren, aber die klassische Kommunikation, also Werbung, nicht ersetzen können. Beide kommen nur dann aus ihrer viralen Nische, wenn reichweitenstark darauf hingewiesen wird. Eine gute Geschichte allein reicht nicht aus, sie muss auch gefunden werden. Egal ob Owned oder Earned Media, Werbung gibt es nun mal nicht kostenlos. Virale Hits wird es auch in Zukunft nur wenige geben, daher braucht es klassische Kommunikation, um besonders schnell hohe Reichweiten aufzubauen. Und genau diese stellen wir mit unserem Portfolio zur Verfügung. Wir haben bereits sehr erfolgreich bewiesen, dass auch wir im Bereich Storytelling unseren Kunden kreative Ansätze für einen außergewöhnlichen Markenauftritt bieten können. Mehrfach ausgezeichnete Kampagnen für FMCG-Werbekunden geben uns Recht: Ob Product Placement oder Brand-PartnershipUmsetzungen – aus der Riege der Branded-Entertainment-Kampagnen sind dies mit Sicherheit nicht die letzten kreativen Ansätze, die wir initiiert haben. s hängt von den individuellen Kampagnen und Markenzielen ab. Fakt ist aber, dass bei rückläufigen Markenloyalitäten der Konsumenten aktuell über 40 Prozent der wichtigsten deutschen Marken Stammkäufer verlieren und daher intensiv prüfen, ob der 1000. Werbemittelkontakt über TV noch einen positiven Marken-KPI fördert. Daher wird es für alle FMCGler wichtiger, um ihre Produkte herum Geschichten zu erzählen, in denen sich der Konsument wiederfindet. Dieses Storytelling steht bei Owned und Earned Media im Fokus. Im Idealfall wird die Story über andere Medienkanäle gedreht, um die Community zu erweitern. Dazu sind klassische Printmedien unerlässlich. Unsere Qualitätszeitungen mit regionalem Fokus, derzeit sind es mehr als 40, punkten hier vor allem bei markenaffinen Konsumenten, die nicht nur preisgetrieben sind. Wer diese Zielgruppe erreichen will, für den sind unsere Angebote wie TZ Premium Select Crossmedia, SocialMedia-Ergänzungen wie Facebook-Dialog oder auch unser Modul Consumers Trust eine perfekte Kombination für den gezielten, hohen Reichweitenaufbau in Quality-ContentUmfeldern. ie Wege zum Konsumenten sind vielfältiger geworden und FMCG-Werbungtreibende reagieren entsprechend darauf. Paid, Owned und Earned Media haben wichtige Funktionen in der Kommunikation, die sich gegenseitig beeinflussen. Klassische Radiowerbung erfüllt mit ihrer überdurchschnittlichen Aktivierungskraft hin zum PoS seit jeher eine herausragende Rolle im Bereich Paid Media. Zusätzlich liefert sie Impulse, die Konsumenten gezielt zu Owned- und Earned-MediaAngeboten zu leiten, wie zum Beispiel auf Corporate Websites, Apps oder Facebook. Vieles davon spielt sich heute auf mobilen Geräten ab. Smartphones sind daher zunehmend als Werbekanal relevant, denn die Konsumenten sind mobil wie nie zuvor. Diese Generation Kopfhörer ist über visuelle Werbemittel kaum zu erreichen. Audiospots sind hier deutlich wirksamer: Sie werden immer gehört – auch wenn das Smartphone in der Tasche steckt – und können so zum Klick auf ein Banner oder auf eine Website aktivieren. Audiowerbung in UKW und Online Audio ist daher der effektivste Weg, um auch in Zeiten veränderter Mediennutzung die Konsumenten immer und überall zu erreichen. erstärkte Investitionen von FMCGlern in Owned und Earned Media sind verständlich – schließlich wollen sie ihre Käuferzielgruppen stärker an sich binden, und dies in jeglicher Mediennutzungssituation. Aber Owned und Earned Media braucht Paid Media. Gerade für die schnelldrehenden Konsumgüter bietet klassische Paid Media die Möglichkeit, Themen glaubwürdig nachhaltig zu besetzen und schnellem Traffic zuzuführen. Zudem garantiert Paid Media die Planbarkeit der Medienkontakte und somit auch der damit verbundenen Abverkäufe. United Internet Media bietet den FMCG-Werbungtreibenden hierfür optimale Möglichkeiten, wie reichweitenstarke Premium-Formate inklusive Bewegtbild auf allen Endgeräten, Native-AdvertisingLösungen für eine tiefergreifende Ansprache und eine auf FMCG-Zielgruppen zugeschnittene, treffgenaue und effiziente Targetinglösung – screenübergreifend mit Kontaktdosierung. Zur präzisen Online-Ansprache der FMCG-Käufer können die Werbungtreibenden das WebConsumer-Produktportfolio buchen, das für die Anforderungen und Mediaziele von FMCGUnternehmen optimiert ist. ir haben uns in der Vermarktung schon seit geraumer Zeit darauf eingestellt, dass immer mehr Werbungtreibende selber zu Inhalteanbietern werden beziehungsweise auf Collaborative Marketing setzen, und unterstützen unsere Kunden mit verschiedenen ContentMarketing-Lösungen. Dabei entwickeln wir für jeden die zu seiner Marke und Zielsetzung passende Strategie – basierend auf seinen Inhalten. Hierzu verfügen wir nicht nur über die redaktionelle Kompetenz – wir wissen, wie man eine gute Story erzählt und wie man Inhalte zielgruppenspezifisch präsentiert –, sondern haben auch die nötige technische Kompetenz zur Auslieferung der Inhalte beziehungsweise zum Generieren von Traffic – Stichwort: Content Recommendations. Dank der Größe unseres Portfolios und der editoriellen Empfehlungstechnologie können wir Werbungtreibenden helfen, ihre Inhalte mit hoher Relevanz einer breiten Verbrauchergruppe zugänglich zu machen. Anzeige 50 REPORT FMCG-MARKETING HORIZONT 45/2014 6. November 2014 Sauberes Geschäft FOTO: SEEN / FOTOLIA Drogerien: DM, Rossmann und Co wachsen und dehnen das Geschäft in Richtung E-Commerce aus DM macht mit weniger Märkten mehr Umsatz Die wichtigsten Drogeriemarktketten in Deutschland dm 6,40 Mrd. +9,6% Umsatz in Deutschland 2013/14 (Euro) Filialen 1622 Kundenzufriedenheit Note 1,87 Rossmann 4,99 Mrd. +12,1 % Umsatz in Deutschland 2013 (Euro) Filialen 1824 Kundenzufriedenheit Note 2,14 Müller 2,78 Mrd. +7 % Umsatz in Deutschland 2013 (Euro) Filialen 516 Kundenzufriedenheit Note 2,03 Budnikowsky 0,46 Mrd. +3,4% Umsatz in Deutschland 2013 (Euro) Filialen 180 Kundenzufriedenheit Note 1,89 Quelle: Kundenmonitor 2014, Lebensmittelzeitung, Unternehmen Von Julia Bröder Zeit Wert geben Zum 40-jährigen Jubiläum gibt DM – bekannt für eine anthroposophische Unternehmensphilosophie – das Buch „Zeit Wert geben“ heraus. Mit philosophischen Impulsen und Arbeiten von Künstlern wie Ólafur Elíasson will man den Kunden danken und sie zum Denken anregen. Geschenkt gibt es das Skizzenbuch allerdings nicht, im Buchhandel kostet es 14,95 Euro. Gestalterisch hat es aber bereits überzeugt: Bei den Econ Awards für Unternehmenskommunikation bekamen die Macher eine Goldmedaille. Verantwortliches Designstudio ist Projekttriangel in Stuttgart. D er Kuchen ist aufgeteilt, darüber sind sich Experten und Händler einig: Die Marktanteile, die nach der SchleckerInsolvenz 2012 im Drogeriebereich frei wurden, sind vergeben. Profitiert haben neben dem Lebensmitteleinzelhandel vor allem die beiden Branchenriesen DMDrogerie und Rossmann. Beide haben in den vergangenen Jahren ihr Filialnetz mit Nachdruck vergrößert und ihre Umsätze überdurchschnittlich gesteigert. Doch nicht nur das Schlecker-Aus lässt die verbliebenen Drogerieketten gut aussehen. Auch generisch handelt es sich hier um einen Wachstumsmarkt, Bild Plus schreibt gar von einem „ungebrochenen Boom“ in der Drogeriebranche. Die Protagonisten sind zweifelsohne DM und Rossmann. Daneben spielen Müller und Budni eine Rolle, wenngleich in kleineren Dimensionen. Inklusive ihrer Niederlassungen im Ausland erwirtschaftete das Quartett 2013 mehr als 18 Milliarden Euro. DM gab jüngst den Umsatz im Geschäftsjahr 2013/14 bekannt: Im Konzern waren es 8,32 Milliarden Euro – 8,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Rossmann wuchs 2013 europaweit um 11,6 Prozent auf 6,64 Milliarden Euro. Müller und Budni legten ebenfalls zu (Umsätze für Deutschland siehe Tabelle). Auch hinsichtlich ihrer Markenstärke stehen die Drogerien gut da. „Unsere Analysen zeigen, dass DM und Rossmann bei den Verbrauchern ein sehr gutes Image haben“, sagt GfK-Experte Robert Kecskes. Im Hamburger Raum sei auch Budni eine starke Marke, Müller müsse seine Position im Markt allerdings noch schärfen. Im Vergleich zum Wettbewerb stellt sich die in London eingetragene und in Ulm ansässige Limited-Gesellschaft stärker als Warenhaus auf. Die Flächen sind groß und oft in Innenstadtlage; das Sortiment geht über das eines reinen Drogeriemarkts hinaus und umfasst zum Beispiel Haushaltswaren und Entertainment. Auch in einigen Rossmann-Filialen gibt es neben Drogerieeigenmarken und Markenartikeln etwa auch Backformen und Bilderbücher. „Die neuen Sortimente fügen sich nahtlos ins Rossmann-Ladenbild ein“, beteuert Pressesprecher Stephan-Thomas Klose. Besonders erfolgreich seien sie in ländlichen Regionen, in denen Rossmann die Rolle des Nahversorgers oder eines kleinen Kaufhauses übernehme. DM-Chef Erich Harsch dagegen spricht sich klar gegen eine Erweiterung des Portfolios aus: „Wir möchten unseren Kunden auch weiterhin verlässlich die günstigsten Drogeriewaren anbieten und uns auf das drogistische Sortiment konzentrieren.“ Sein Unternehmen sorgt aktiv dafür, Preisführer zu bleiben: Nachdem im Sommer Aldi den Preis für ein Duschgel auf 59 Cent gesenkt hatte, reduzierte DM auf 55 Cent. Kampf der Eigenmarken Eine Auswahl an Biolebensmitteln sowie Babytextilien in den größeren Märkten schließt die Konzentration aufs Kerngeschäft offensichtlich nicht aus. DM nimmt damit eine ähnliche Haltung ein wie die Kette Budnikowsky in Hamburg, zu der bis zuletzt auch eine unternehmerische Verbundenheit bestand. Eine Ko- HORIZONT 45/2014 operation, in der Budni die Eigenmarke Balea von DM vertrieb und sich DM dafür aus dem Hamburger Raum fernhielt, endete offiziell erst vor sieben Monaten. Bereits 2009 eröffnete die erste Hamburger DM-Filiale. Im April dieses Jahres ging Budni mit seiner Eigenmarke in mehreren Produktkategorien an den Start. Beim Image schlagen die einstigen Partner noch immer eine Richtung ein und setzen auf menschliches Wirtschaften und soziales Engagement. DM-Gründer Götz Werner hält regelmäßig Vorträge über Grundeinkommen, gerade hat seine Firma eine Hebammensprechstunde in den Filialen angekündigt. Im Claim schlägt sich das als „Hier bin ich Mensch. Hier kauf ich ein“ nieder. Bei Budni heißt es „Jeden Tag Gutes tun“, dazu passen Spendenprogramme für Hilfsaktionen im Hamburger Raum. „Aktionen und Bonusprogramme, aber auch Services in den Filialen sowie deren Lage sind entscheidend für die Attraktivität eines Drogeriemarktes“, sagt GfK-Mann Kecskes. DM profitiere zudem vom Partner Payback, bei Rossmann setze man stärker auf Sonderangebote. Weniger Image-, mehr Verkaufswerbung und PoS-Maßnahmen also. Daneben spielt natürlich auch das Thema E-Commerce eine Rolle für die Händler. „Im Bereich FMCG stehen wir hier noch am Anfang“, sagt Kecskes, der online großes Potenzial für die Händler sieht. Die Herausforderung ist indes groß, auch aufgrund der knappen Margen im Drogeriesegment. Das dürfte auch ein Grund sein, warum bei Online auf eine breite Produktpalette gesetzt wird. Auf Rossmann.de kann man zum Beispiel problemlos einen Kinderwagen bestellen. Die Versandsparte firmiert bereits seit 1999 als Rossmann Online GmbH – große Umsatzrelevanz hat sie bisher nicht. 2013 setzte die Firma 34 Millionen Euro um, 8 Prozent weniger als im Vorjahr. „Ziel des Onlineshops ist es, unseren stationären Kunden eine weitere Dienstleistung zu bieten und nicht, um jeden Preis Umsatz zu erzielen“, sagte Udo Günzel, Geschäftsführer von Rossmann Online, im März der „Lebensmittel Zeitung“. Und Konzern-Pressesprecher Klose erklärt, dass die Chancen im ECommerce „gleichwohl überschaubar“ seien, da Lebensmittel und Drogeriewaren nach wie vor bevorzugt stationär eingekauft würden. Vortasten im Internet Auch Müller betreibt einen Internetshop, die anderen probieren sich aus: DM verkaufte seine Eigenmarke Balea zwei Jahre lang in einem Amazon-Webshop. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, das Angebot eingestellt. Derzeit betreibt DM in Österreich einen Online-Versandhandel – eine Maßnahme, die auf einer autarken Entscheidung der Kollegen vor Ort basiert, deren Entwicklung man im Gesamtkonzern aber mit großem Interesse beobachtet: „Wir prüfen stetig, ob und welche Aktivitäten uns sinnvoll erscheinen“, betont Harsch. Im Erkundungsstadium befindet sich auch Budni. Statt das gesamte Sortiment ins Netz zu heben, betreiben die Hamburger drei kleinere Onlineshops für die Bereiche Naturkosmetik, Beauty und Souvenirs. Die sollen dabei helfen, den Onlinehandel verstehen zu lernen. 52 REPORT FMCG-MARKETING HORIZONT 45/2014 6. November 2014 Wer wie was wo einkauft Ein Marketing-Tool von Leo Burnett untersucht die Konsumenten nach ihrem Verhalten, nicht nach Werten Von Bettina Sonnenschein D er Einkaufsprozess hat sich verändert: In einen Laden gehen, vergleichen, aussuchen war gestern. Bei vielen – wenn auch nicht allen Produkten – passieren viele Schritte zunächst digital. Das hat enorme Auswirkungen auf die Planung strategischer Markenerlebnisse. Die meist soziodemographisch basierten Wertemodelle greifen nicht mehr allein: Weil der Einkaufsprozess immer mehr mit Verhalten als mit Wertvorstellungen zu tun hat. Bei Leo Burnett wollte man mehr wissen über die Erwartungen der Konsumenten an Marken und hat dazu das Tool People Shop entwickelt. Die Grundlage bilden Käufer-Archetypen für unterschiedliche Verhaltensweisen. Sie sind anzuwenden auf verschiedene Produktkategorien, denn: Den Lebensmitteleinkauf wird ein Konsument wahrscheinlich in einem anderen Modus erledigen als den Erwerb eines Mobiltelefons oder einer Waschmaschine. Hersteller, die wissen, welche Verhaltensmuster beim Einkauf ihrer Produkte vorherrschen, können mithilfe des Tools die zugehörigen Erwartungen abfragen, Touchpoints ermitteln und entsprechend nutzen. Eine wichtige Rolle nehmen dabei das Kaufrisiko und der Belohnungsfaktor ein. Ersteres ist bei vielen FMCGProdukten eher niedrig, Letzterer kann dagegen variieren: Toilettenpapier zu kaufen ist eher langweilige Routine, Süßigkeiten und Bier versprechen schon deutlich mehr Vergnügen. Know-how: Werbespendings Im stationären und mobilen Internet liegen vielversprechende Kundenpotenziale für werbungtreibende Unternehmen. Das geht aus den Agof Facts & Figures „FMCG: Food & Beverages“ hervor. Innerhalb des weitesten Nutzerkreises von Online-Usern interessieren sich 71,7 Prozent für diese Produkte. Das entspricht 37,81 Millionen. Mehr als ein Viertel (28,6 Prozent, 15,08 Millionen) informieren sich im Netz über Lebensmittel und Getränke und mehr als einer von zehn Nutzern kauft Dinge aus diesen Produktkategorien online. Auch bei den mobilen Internetnutzern ist das Interesse groß: 75,3 Prozent beziehungsweise fast 24 Millionen zeigen sich neugierig auf Angaben zu Ess- und Trinkbarem. 5,53 Millionen Mobile-User haben bereits über ihr Handy, Smartphone oder Tablet Informationen über diese Produkte eingeholt, sowohl auf entsprechenden Internetsites als auch über bestimmte Apps. 1,77 Millionen haben die Produkte schließlich auch per Mobile Shopping erworben. Zwar liegen die absoluten Zahlen noch in einem sehr niedrigen Bereich, dennoch lassen die Agof-Zahlen erkennen, dass die Produktkategorie laufend mehr Zuwachs erlebt. Der deutliche Rat: Hersteller aus dem Bereich sollten noch stärker auf digitale Werbung setzen als bisher. SON Ferrero kleckert nicht Getränkeproduzenten erkennen Netzpotenzial Top 20 Offline-Werbespendings Food & Beverages 2013* 93,2 Coca-Cola Haribo 60,0 Dr.Oetker 56,8 Wrigley 51,3 Mars 49,7 Bitburger Brauerei 41,8 Unilever Deutschland 41,5 35,0 Tchibo 32,5 Iglo 31,6 3,8 3,3 Nespresso Deutschland 3,0 Beck Brauerei 2,5 Haribo 39,3 Nespresso Deutschland 6,7 4,7 Mondelez Deutschland 45,5 Alois Müller Molkerei 27,0 16,4 Radeberger Exportbierbrauerei 68,3 Mondelez Deutschland Paulaner Brauerei 2,5 Beam Deutschland 2,4 Veltins C.+A. Brauerei 2,2 Red Bull 2,0 Storck Deutschland 1,9 Bel Deutschland 1,6 Heineken Deutschland 1,6 Pepsico Deutschland 1,4 Danone 26,8 Radeberger Exportbierbrauerei 26,0 Anheuser-Busch Inbev Germany Holding 1,1 Radeberger Gruppe 23,8 Berentzen-Gruppe 1,1 König Brauerei 22,4 Diageo Deutschland 1,1 Bionade 1,1 * TV, Zeitungen, Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Radio Quelle: Agof Fact & Figures HORIZONT 45/2014 in Mio. Euro Ferrero Deutschland Dr.Oetker 70,1 Krombacher Brauerei Top 20 Werbespendings im Internet Food & Beverages 2013 Coca-Cola 87,8 Storck Deutschland Lindt + Sprüngli in Mio. Euro 321,3 Ferrero Deutschland Quelle: Agof Fact & Figures HORIZONT 45/2014