Biomechanische Grundlagen für den alpinen Skilauf K. Schindelwig Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck Mechanik Kinematik Dynamik ist die Lehre von Bewegungen ohne Berücksichtigung von Masse und einwirkenden Kräften. befasst sich mit der Wirkung von Kräften Geben Sie eine kinematische Bewegungsanweisung! Geben Sie eine dynamische Bewegungsanweisung! Dynamik Statik Kinetik Kräfte sind im Gleichgeweicht Keine Bewegung beschreibt die Änderung der Bewegungsgrößen (Weg, Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung) unter Einwirkung von Kräften. Beispiel: • Skifahrer steht in einem steilen Hang….Statik • Geschwindigkeitsverlust beim Driften….Kinetik Kenntnisse der Biomechanik helfen: • Gesetzmäßigkeiten von Bewegungen zu verstehen und erleichtern dadurch den Lernprozess beim Erwerb von Bewegungsabläufen. • Ursachen für Technikfehler erkennen Beispiel: • Warum wird der Schwungradius bei zunehmendem Kantwinkel kleiner? • Warum hat der Schwimmer eine starke Seitbewegung beim Kraulen? Wirkung der Kraft Die Kraft erkennt man nur an ihrer Wirkung: • Eine Kraft kann die Geschwindigkeit oder Bewegungsrichtung eines Körpers ändern. • Ein Kräftepaar kann einen Körper verformen (Deformation). Zwei Arten der Deformation: Elastizität: Fähigkeit von Stoffen, eine Formänderung rückgängig zu machen, sobald die einwirkende Kraft wegfällt. Plastizität: Vermögen eines Werkstoffes, seine Gestalt beizubehalten, die durch eine Krafteinwirkung entstanden ist. Wirkung der Kraft Um eine Kraft zu beschreiben, genügt es nicht, Zahlenwert und Einheit anzugeben; wichtig ist auch die Richtung, in die die Kraft wirkt. Kräfte können mit Vektoren (Pfeile mit bestimmter Länge und Richtung) angegeben werden. Beispiel: Zur Veranschaulichung können Gummischnüre verwendet werden. Beispiele: In welche Richtung wird die Kugel bewegt? a) b) c) d) Wie groß ist die Druckbelastung der Kniescheibe bei 180, 90 und 30°? Wie groß ist die Druckbelastung der Patellascheibe bei 180, 90 und 30° bei gleicher Muskelkraft ? Kräfte beim Abbremsen durch eine Pflugstellung Kräfte beim Abbremsen durch eine Pflugstellung Bremsende Kraft Kräfte beim Abbremsen durch eine Pflugstellung (größere Kraft auf linkem Ski) Bremsende Kraft Skifahrer wird nach Rechts abgelenkt Kräfte beim Skifahren Äußere Kräfte 1. Gewichtskraft Sie wirkt immer senkrecht nach unten und ist das Produkt von Masse und Erdbeschleunigung Sie setzt am Körperschwerpunkt an Der Körperschwerpunkt ist der gedachte Massenmittelpunkt 1. Gewichtskraft Sie wirkt immer senkrecht nach unten Bei welcher Position kippt die Person? Warum kippt sie bei dieser Position? Wie wird die Stabilität erhöht? 1. Gewichtskraft Eine Person befindet sich so lange im Gleichgewicht, solange die Kraft durch die Stützfläche wirkt. 1. Gewichtskraft Mit welchem Gelenkswinkel wird das Vor-RückGleichgewicht bei einer Kniebeuge am stärksten beeinflusst? Warum ist das Vor-Rück-Gleichgewicht beim Skifahren besser? 2. Hangabwärtstreibende Kraft und Normalkraft Die hangabwärtstreibende Kraft wirkt parallel zum Untergrund FH Die Normalkraft wirkt im rechten Winkel zum Untergrund FN FGew Vektoriell addiert ergeben die zwei Kräfte die Gewichtskraft 2. Hangabwärtstreibende Kraft und Normalkraft Bestimmen Sie zeichnerisch die hangabwärtstreibende Kraft und die Normalkraft! FGew FGew FGew 2. Hangabwärtstreibende Kraft und Normalkraft FH FGew FN Welche Kraft wird stark von der Hangneigung beeinflusst, welche gering (Hangneigung 5 bis 30%)? 3. Reibungskraft Sie entsteht an der Berührungsfläche zweier fester Gegenstände. Sie wirkt entlang der Kontaktfläche. Beispiel Skifahren: FR 3. Reibungskraft Die Reibungskraft kann unterteilt werden in • Haftreibung • Gleitreibung • Rollreibung Die Haftreibung ist meist größer als die Gleitreibung Experimentelle Bestimmung der Haft- und Gleitreibung: Haftreibung: Ebene so lange anheben, bis der Körper zum Rutschen beginnt Hangabwärtstreibende Kraft ist leicht größer wie die Reibungskraft Gleitreibung: Körper anschieben, falls er die Geschwindigkeit beibehält, ist …. 3. Reibungskraft Experimentelle Bestimmung der Haft- und Gleitreibung: FR F H FN Haftreibung FR: Ebene so lange anheben, bis der Körper zum Rutschen beginnt Hangabwärtstreibende Kraft FH ist leicht größer wie die Haftreibungskraft Gleitreibung: Körper anschieben, falls er die Geschwindigkeit beibehält gilt: FGew FH = FR 3. Reibungskraft Mit welchem Winkel kann die Haft und Gleitreibung beim seitlichen Stehen bzw. Rutschen am stärksten beeinflusst werden? 3a. Gleitreibungskraft Beim Gleiten bei guten Verhältnissen beträgt die Gleitreibungskraft ca. 1 - 2 % von der Normalkraft FR 3a. Gleitreibung Die Gleitreibung zwischen Ski und Schnee ist Geschwindigkeitsabhängig und kann nicht als konstant angenommen werden. Deshalb werden z.B. für Abfahrtsski Teststrecken verwendet, bei der die Testfahrer zumindest 90 bis 120 km/h erreichen. 3b. Haftreibung Quer zur Fahrtrichtung wirkt meist die Haftreibung (Ski schneidet eine Spur in den Schnee). Diese kann je nach Schneeverhältnissen sogar größer als die Normalkraft werden. FHaftreibung FGleitreibung 3a. Gleitreibung Wenn der Ski driftet, wirkt auch quer zum Ski eine Gleitreibung, welche zwar kleiner wie die Haftreibung aber deutlich größer wie die Gleitreibung in Fahrtrichtung ist. FGleitreibung quer FGleitreibung 4. Luftwiderstand wirkt entgegen der Fahrtrichtung und ist abhängig von • der Geschwindigkeit • der Körperposition 4. Luftwiderstand Fw = cw · A · · v²/2 .......Dichte des Mediums (Luft ca. 1kg/m³) cw... Widerstandsbeiwert (Konstante) A ......angeströmte Fläche v .......Geschwindigkeit cw · A…schädliche Fläche, abhängig von der Körperposition 4. Luftwiderstand Fw = cw · A · · v²/2 Um wie viel erhöht sich der Luftwiderstand, wenn sich die Geschwindigkeit von 20 auf 40 km/h erhöht? 5. Zentrifugalkraft m * v² FZ = ---------r m…Masse v….Geschwindigkeit r…..Radius • Bei doppelter Geschwindigkeit vierfache Zentrifugalkraft • Bei halbem Schwungradius doppelte Zentrifugalkraft m * v² FZ = ---------r 5. Zentrifugalkraft 6,0 Vielfaches vom Körpergewicht 30m 5,0 25m Schwungradius 20m 4,0 15m 10m 3,0 2,0 1,0 0,0 10 20 30 40 50 Geschwindigkeit (km/h) 60 70 80 5. Zentrifugalkraft Fges Die Gesamtkraft Fges muss zwischen den Ski wirken, damit der Skifahrer nicht umfällt. 5. Zentrifugalkraft FZ Fges FGew Die Gesamtkraft Fges setzt sich aus der Gewichts- und Zentrifugalkraft zusammen, beim Fahren auf einer waagrechten Ebene. 5. Zentrifugalkraft Steuerungsmöglichkeiten für das Gleichgewicht: a) Körperposition • Innenlage • Oberkörperhaltung • Breite der Skiführung 5. Zentrifugalkraft Steuerungsmöglichkeiten für das Gleichgewicht: b) Veränderung der Zentrifugalkraft mit • Schwungradius (Kantwinkel, Driften) • Geschwindigkeit!!! 2 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft FZ FH FN FGew 3 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft FZ FH 3 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft a) Bei konstantem Radius 3 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft a) Bei konstantem Radius Aufsicht 3 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft a) Bei konstantem Radius FZ FH Bestimmen Sie für alle Positionen die resultierende Kraft! Aufsicht FZ FH FGes Aufsicht 3 + 5. Zentrifugal und Hangabwärtstreibende Kraft a) Bei einem „normalen“ Schwung FH FZ Aufsicht FH = FGes FZ FGes Aufsicht Theoretischer Schwungradius Kein Driften, keine Torsionsbewegung vom Ski, kein Eindringen in den Schnee Schwungradius bzgl. Kantwinkel und Skiradius 35,0 Schwungradius (°) 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 0 10 20 30 40 Kantw inkel (°) 50 60 70 80 Kräfte beim Skifahren - Innere Kräfte Am Anfang der Tiefbewegung findet eine Entlastung statt (Phase 2) Beim unteren Umkehrpunkt wirkt die größte Kraft (Phase 3) Beim Stand wirkt nur die Gewichtskraft (Phase 1 und 4) . Riesentorlauf – Bremsende Kräfte Reibungskraft: wirkt entgegen der Fahrtrichtung abhängig von der Normalkraft abhängig vom Winkel Ski-Fahrtrichtung (Ski quer zur Fahrtrichtung hohe Reibungskraft) Riesentorlauf – Bremsende Kräfte Hohe Geringe Reibungskraft Riesentorlauf – Bremsende Kräfte Zentrifugalkraft: 2 mv FZ r Riesentorlauf – Bremsende Kräfte Die Normalkraft kann durch eine Streckoder Beugebewegung beeinflusst werden (z.B. Hochentlastung). Riesentorlauf – Beschleunigende Kräfte Hangabwärtstreibene Kraft abhängig von der Hangneigung abhängig von der Fahrtrichtung Riesentorlauf – Summe aller Kräfte in Fahrtrichtung Fges = FHA – FL – FR Riesentorlauf – Summe aller Kräfte in Fahrtrichtung Bei einer Geschwindigkeit von über 60 km/h besitzt der Skifahrer keine Möglichkeit in Fahrtrichtung positiv zu beschleunigen! Riesentorlauf – Linienwahl? 10 m 20 m Riesentorlauf – Linienwahl? Fall 1: Geraden Fall 2: Kreissegmente r α Riesentorlauf – Linienwahl Fall 3: Kombination Kreissegmente und Geraden α r Riesentorlauf – Linienwahl? Programm unter http://sport1.uibk.ac.at/lehre/kurt/Trainer/ Riesentorlauf – Linienwahl? 10 m horizontal, 20 m vertikal Schwungradius 5 Schwungradius 10 Diff. Diff. Gesamtweg Fahrzeit 22,56 0,20 Gesamtweg 1,35 0,01 Fahrzeit 22,87 0,51 1,37 0,03 Riesentorlauf – Linienwahl? 20 m horizontal, 20 m vertikal Schwungradius 5 Schwungradius 10 Diff. Diff. Gesamtweg Fahrzeit 29,27 0,99 Gesamtweg 1,76 0,06 Fahrzeit 31,42 3,13 1,88 0,18 Riesentorlauf – Linienwahl? Vorteile von einer Querbeschleunigung Luftwiderstand und Gleitreibung Gleitstrecke: Sensitivitätsanalyse 3m 180m 3m Lichtschranke Windmessgerät Luftwiderstand und Gleitreibung Beispiel: Hangneigung 10,5° Anfangsgeschwindigkeit 100km/h Streckenlänge 180m TZ1 0,1080s TZ2 6,4800s TZ3 0,1080s cd*A = 0.4m² = 0,0227 Wind +/- 0.1 m/s +/- 0.5 m/s +/- 1.0 m/s 1 0.021 0.017 0.010 2 0.022 0.028 0.033 schädliche Fläche (cd*A = 0.4 m²) +/- 0.01m² 0.019 0.026 +/- 0.02m² 0.014 0.030 Hangneigung (10,5°) +/- 0.1° 0.019 +/- 0.2° 0.014 0.026 0.030 Luftwiderstand und Gleitreibung Wind +/- 0.1m/s + schädliche Fläche +/- 0.01m² : 0.017 0.028 Messung der Gleitreibung auf einer Gleitstrecke Wind, schädlicher Fläche und Hangneigung starken negativen Einfluss auf Messgenauigkeit Folgerungen für die Gleitreibungsbestimmung: - Eine Messung ist nur sinnvoll, wenn kein Wind geht oder der Wind sehr exakt an mehreren Stellen gemessen wird. - Der Testfahrer muss seine Fahrposition exakt einhalten können. Luftwiderstand und Gleitreibung Windeinfluss bei einer Gleitstrecke (Abfahrt) Gegeben: l = 300 m, Hangneigung = 5° , v = 100 km/h Resultat: Windgeschw. Fahrzeit Differenz 0 m/s 11.21 0 1 -1 11.33 11.09 0.12 -0.11 3 m/s (10.8 km/h) -3 11.61 10.88 0.401 0.432 6 m/s (21.6 km/h) -6 12.10 10.60 0.83 0.60 Grundlagen Physik: Arbeit Potentiele Energie: m g h Kinetische Energie: m v² ½ Zustand 1: m gh h Zustand 2: m v² ½ Zustand 1: nur potentielle Energie vorhanden Zustand 2: nur kinetische Energie vorhanden m g h = m v² ½ Zustand 1: m g h h Zustand 2: m v² ½ Es gilt: Energie ist konstant Falls die Reibungsenergie und der Luftwiderstand nicht berücksichtigt werden, gilt: Summe potentielle und kinetische Energie ist konstant c = m g h + m v² ½ Zustand a: m va h ha g h a + m v a² ½ Grundlagen Physik: Impuls Der Impuls ist das Produkt aus der Masse eines Körpers und seiner Geschwindigkeit. p = m v = F t [Ns] Bei konstanter Masse ist eine Änderung des Impulses stets gleichbedeutend mit einer Änderung der Geschwindigkeit. Diese kann nur durch eine einwirkende Kraft verursacht werden. Riesentorlauf – Messung Beispiel Paromedvideo matthaeus3_p.avi 3d- Darstellung GPS + Glonas Weg in Querrichtung [m] Querabstand ca. 10m von Tor zu Tor Schwungradius [m] Kleinste Radien ca. 10m Geschwindigkeit [km/h] Größte Geschwindigkeit 65 km/h Zentrifugalbeschl. [m/s²] FZ FN Normalbeschl. [m/s²] FHN FZ FN FHN Vergleich Paromed - GPS Vergleich Paromed - GPS Unterschiede bestehen, weil - Beuge- und Streckkraft - Unebenheiten der Piste - Querstellen vom Ski (Driften) auf die GPS-Daten keinen direkten Einfluss haben Vergleich Paromed - GPS Reibungskoeffizient (Driften) ist nicht konstant Schädliche Fläche ist nicht konstant Weitere Ziele: Schädliche Fläche über den Verlauf eines Schwunges bestimmen Reibungskoeffizient kann errechnet werden Riesentorlauf – Messung Normalbeschl. [m/s²] FHN FZ FN Programm Gleiten.vi Belastung der Knie- und Hüftstrecker Kraft von Kopf, Arme Oberkörper und Oberschenkel MKnie = F * l Knie Excel Programm „Kniebeugen“: