Wissenschaftlerin Yassari: Es gibt keine rechtliche Stellung der Frau

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Wissenschaftlerin Yassari: Es gibt keine
rechtliche Stellung der Frau in der islamischen
Gesellschaft
Das Fazit ihres Vortrages zur Stellung der Frau im islamischen Recht zog Dr. Nadjma
Yassari gleich zu Beginn ihres Vortrages in Münster: „Es gibt keine rechtliche
Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft. Es gibt nur eine Interpretation, wo
sie stehen könnte“. Diese für westliche Ohren überraschende Erklärung begründete
sie so: „Das eine islamische Recht gibt es nicht. Der Islam ist in erster Linie eine
Religion. Unterschiedliche Rechtsschulen interpretieren die Verse im Koran, die
einen rechtlichen Inhalt haben.“ Das sind nur etwa 80 der 6.600 Koranverse. Daraus
hätten Juristen das islamische Recht mit Geboten und Verboten entwickelt.
Im Allgemeinen reduziere man das islamische Recht auf sein Strafrecht und seine
Körperstrafen. Der Begriff „Scharia“ werde mit dem islamischen Recht assoziiert.
Das sei falsch, die Scharia sei kein Gesetzeswerk. Scharia bedeute wörtlich ‚Weg zur
Quelle’ und sei ein Oberbegriff für die den Menschen auferlegten Handlungsweisen
zu Gott, zur Quelle.
Interpretationen sorgen für Dynamik
Wenn ein Problem einer rechtlichen Klärung bedürfe, suchten die Gelehrten
zunächst nach einem passenden Vers im Koran, dann einen Hadith aus der Sunna.
„Sunna sind Überlieferungen der Handlungsweisen des Propheten, Hadithe sind
‚Anekdoten‘ dazu.“ Daraus leiteten die Juristen Regelungen ab. Die Auswahl von
Versen, Sunna und Hadithe sei selektiv. Folglich sei auch die Interpretation selektiv.
„Das islamische Recht, so wie es konzipiert ist, basierend auf Interpretationen, ist
dynamisch“, sagt Yassari. Es könne nicht statisch sein. Dies sei gleichzeitig Stärke
und Schwäche. „Das Recht ist wandelbar und hängt von den Interpreten ab sowie
dem Raum, den wir den Interpreten geben.“ Verankert im islamischen Recht sei der
Grundsatz der Komplementarität der Geschlechter. Daraus würden Schlüsse über
die Rolle von Frauen und Männern in einer idealtypischen Gesellschaft und
entsprechend im Recht gezogen. Die Suche nach Gleichheit der Menschen sei in
Gesetzen erkennbar. Doch im Familienrecht gebe es „keine Visionen“.
Rolle der Frau ist Ergebnis von Rechtsauslegung
Damit sei auch die Rolle der Frau, wie sie im Recht islamischer Länder beschrieben
werde, Ergebnis einer Rechtsauslegung, Jahrhunderte langer Interpretationen. Das
Monopol für die Rechtsauslegung habe bisher bei den Männern gelegen. Je nach
deren Hintergrund sei die Auslegung traditionalistisch, konservativ oder modernliberal, immer jedoch orientiert an einer idealtypischen muslimischen Gesellschaft.
Der Kampf islamischer Frauen für Gleichheit sei ein Kampf um die Deutungshoheit
über die Auslegung des Korans.
Yassari resümierte: „Auch wenn das islamische Recht kein gutes Image hat: Es ist
vielschichtig und reformfähig. Es gilt, das Recht in seiner Vielschichtigkeit zu
verstehen, seine Auswirkungen transparent zu machen und Reformen und
Reformideen zu erkennen. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau im
islamischen Recht sind nicht in Stein gemeißelt.“
Ursula Schmees
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