SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Die andere Moderne
Die Außenseiter (2)
Von Bernd Künzig
Sendung:
Mittwoch, 18. Mai 2016
Redaktion:
Bettina Winkler
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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SWR2 Musikstunde mit Bernd Künzig
Die andere Moderne, Teil 2: Die Außenseiter.
Signet Musikstunde
zu der Sie Bernd Künzig begrüßt. „Die andere Moderne“, heute mit dem zweiten Teil, der
den musikalischen Außenseitern gewidmet ist.
Musikstunden-Indikativ ca. 0„20
Zahlreiche skandinavische Komponisten der Moderne des 20. Jahrhunderts sind in
unseren Breitengarden erstaunlich unbekannt. Zu den Unbekanntesten unter ihnen
gehört der 1893 geborene Däne Rued Langgaard, der bis zu seinem Tod 1952 ein
umfangreiches Werk für Orchester, Soloinstrumente, Orgel und Musiktheater hinterließ.
Manches davon scheint einer gewissen Rückständigkeit zu folgen, die der
skandinavischen Musik des 20. Jahrhunderts gern attestiert wird. Einige seiner 16
Sinfonien folgen spätromantischen Traditionen. Anderes dagegen ist aber derart radikal
und im Rückblick zukunftweisend, dass es von seinen Zeitgenossen fast schon
zwangsläufig verkannt werden musste. Dazu zählt auch sein 2. Streichquartett.
Musik: Rued Langgaard: 2. Streichquartett (1918), 2. Satz M0420216 (2:18)
Das Nightingale String Quartet spielte den 2. Satz aus Rued Langgaards 2.
Streichquartett. Fast schon unüberhörbar ist die mechanische Rhythmik dieses rabiat
zupackenden Satzes. Das Bild dieses kurzen Satzes ist ebenso klar: ein Zug rauscht
vorbei. Nur wurde das Quartett bereits 1918 komponiert, also mehrere Jahr bevor Arthur
Honegger mit seinem heute viel bekannteren Orchesterstück „Pacific 231“ eine Fahrt
aufnehmende Lokomotive schilderte. Langgaards Streichquartett ist im Vergleich
wesentlich bruitistischer und lässt die bei Honegger noch durchscheinende tonale
Harmonik hinter sich. Er war in der Tat seiner Zeit weit voraus – und darin verkannt und
zum eigenbrötlerischen Außenseiter abgestempelt. Als der ungarische Komponist
György Ligeti in den 1960ger Jahren gemeinsam mit seinem Komponistenkollegen Per
Norgard Jurymitglied eines Wettbewerbs war, schmuggelte der Däne eine Partitur seines
Landsmannes Rued Langgaards ein. Es handelte sich um die 1918 vollendete
„Sphärenmusik“, die Ligeti selbstredend vollkommen unbekannt war. Nach Lektüre
bekannte er voller Überraschung, bislang nicht gewusst zu haben, ein Epigone
Langgaards gewesen zu sein. Denn der Däne komponierte in der „Sphärenmusik“
bereits mit statischen, die Tonalität hinter sich lassenden Klangflächen und einer flächig
sich ausbreitenden Polyrhythmik, wie sie Ligeti rund vierzig Jahre später in
Orchesterstücken wie „Atmosphères“ praktizieren sollte.
Spieltechnische Neuerungen führte Langaard auch in seine Klaviermusik ein. Sein
kurzer Zyklus „Insektarium“ könnte man seinem Sujet folgend, noch als eine
Reminiszenz auf Saint-Saens „Karneval der Tiere“ lesen. Doch hier wird das Kleine, fast
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Unsichtbare und den meisten Unbekannte geschildert, es sei denn man hätte die
Erinnerungen des Insektenforschers Jean-Henri Fabre gelesen. Doch ein possierlicher
Karneval der Insekten ist Langgards Klavierzyklus keineswegs. Plötzlich tauchen hier
Spielweisen auf, wie das Klopfen auf den Rahmen oder das mit den Fingern über die
Saiten Streichen, die erst in der avancierten Musik der Nachkriegszeit als
Geräuschmomente eingeführt werden sollten. Sie entspringen aber nicht dem
Materialgedanken, sondern dem Malerischen. Das Klopfen auf dem Rahmen schildert
einen Klopfkäfer und das gestrichene Glissando auf der Saite den Schwebflug einer
Stubenfliege. Wir hören Rosalind Bevan mit zwei Ausschnitten aus Rued Langgards
1917 entstandenem Klavierzyklus „Insektarium“.
Musik: Rued Langgaard: Insektarium Nr. VI und VII (1917)
(Rosalind Bevan, Klavier – Classico CLASSCD 240 (2:12)
Die frühe Modernität Rued Langgaards sollte in den 1920ger Jahren in ein Hauptwerk für
das Musiktheater münden, in die als Oper bezeichnete Komposition “Antikrist”. Doch
eine Oper ist das Stück im traditionellen Sinne kaum. Auch hier verfährt Langgaard
radikaler als etwa Arnold Schönberg in seinen zeitlich kurz zuvor entstandenen
expressionistischen Werken fürs Musiktheater. Eine Handlung gibt es nicht, das Stück
besteht hauptsächlich aus reflektierenden Monologen und apokalyptischen Bildern.
Erstaunlicherweise wollte der Komponist der Moderne und ihrer sich apokalyptisch
entfaltenden Krise während des ersten Weltkriegs einen Spiegel vorhalten und zu
religiöser Einkehr anhalten. Doch mit theologischer Beseeligung und Erhebung hat die
Klangwelt Langaards kaum etwas gemein. Der Antimodernismus schlägt kompositorisch
ins Modernste um, so dass es dem Komponisten über Jahrzehnte nicht gelang, das
Werk zu einer Aufführung zu bringen. Er witterte sogar einen künstlerischen Justizmord,
denn über die Musik sprach man am königlichen Opernhaus in Kopenhagen erst gar
nicht, sondern nur über den als zu düster empfundenen Text aus Gedankenstrichen.
Man lehnte eine Aufführung rundweg ab. Auch hier ist der Außenseiter der unerkannte
Vorläufer von Höhepunkten einer Moderne, die sich in den 1970ger Jahren in György
Ligetis gleichfalls apoklyptischem, einzigen Beitrag fürs Musiktheater “Le grand
macabre” entfalten sollte. Langgaards “Antikrist” musste bis 1999 auf seine szenische
Realisation warten. Das Danish National Symphony Orchestra spielt unter der Leitung
von Thomas Dausgaard das Vorspiel zu “Antikrist”.
Musik: Rued Langgaard: Vorspiel zu „Antikrist“ (1921)
(Danish National Symphony Orchestra; Thomas Dausgaaard,
Dirigent – da capo 6.220523-24 LC (6:45)
Komponisten wie Langgard mit seinem „Antikrist“ wollten noch im Etablierten reüssieren
und wurden aufgrund ihrer nicht etablierten Haltung zu Außenseitern abgestempelt.
Andere nahmen von Anfang an in jeder Hinsicht die Position des Außenseiters ein. Zu
ihnen zählte der amerikanische Komponist Harry Partch. In der Zeit der amerikanischen
Depression nach dem ersten Weltkrieg war der junge, homosexuelle Mann als HoBo, als
homeless boy auf Zügen durch Amerika unterwegs. Sein Leben als Underdog hat ihn
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zutiefst geprägt. Als Komponist lag ihm von daher nichts ferner, als für das
Establishment und dessen Institutionen zu komponieren. Zudem wollte er dem
europäischen klassischen Musiksystem entkommen und ursprüngliche, antike
Stimmungssysteme wieder beleben. Um diese nicht tonalen und mikrotonalen Verfahren
zu realisieren baute sich Partch ein eigenes Instrumentarium, dem er so merkwürdige,
dennoch griechisch klingende Namen wie Chromelodeon verlieh. Manches erinnert von
Ferne an überdimensionale Marimbaphone anderes wie die aus Nebelkammern
gebildeten Glasglocken sind Objekte von berückender Schönheit. 1965 komponierte
Partch für sein Instrumentarium eines seiner Hauptwerke, das Musiktheater „Delusion of
the fury“. In ihm überlagert sich ein japanisches No-Spiel mit einer afrikanischen
Legende und einer Episode aus Partchs Hobo-Zeit. Die Spieler des PartchInstrumentariums haben nicht nur die eigentümlichen Klangwelten zu erzeugen, sondern
müssen als antiker Chor singen und als Darsteller agieren. Die hypnotische Wirkung
dieser Musik ist klanglich mit nichts vergleichbar, was es bis dahin gegeben hatte.
Realisieren lässt sich diese Wirkung auch nur mit diesem singulären Instrumentarium,
das eine Übertragung auf klassisches Instrumentarium verbietet. Schönheit entsteht hier
durch Verweigerung – um ein Motto des avancierten Komponisten Helmut Lachenmann
aufzugreifen. Wir hören das einleitende Exordium aus Partchs „Delusion of the fury“ mit
dem Ensemble Musikfabrik.
Musik: Harry Partch: Exordium aus „Delusion of the Fury“ (1965)
M0387609 (10:47 oder 5:15)
Wenn Komponieren in der Moderne bedeutet, sich ein Instrument zu bauen, dann ist der
Amerikaner Harry Partch sicher das beste Beispiel im wörtlichen Sinne. Ein anderer
Außenseiter baute sich nicht nur sein eigenes Instrument, sondern Musikmaschinen, die
das für menschliche Hände Unausführbare realisieren konnten. Im selbstgewählten
mexikanischen Exil begann der amerikanische Komponist Conlon Nancarrow
selbstspielende Klaviere zu entwickeln. Er stanzte für sie Rollen mit eigens dafür
gebauten Geräten, auf die er hochkomplexe Überlagerungen einschrieb, die höchstens
mit mehreren Händen zu spielen waren. Sein eigentliches Ausdrucksmedium war das
Tempo. In harmonischer Hinsicht blieb er zum Teil traditionell verhaftet. Die
Geschwindigkeit, mit der seine gestanzten Gebilde durch die Mechanik der
Selbstspielklaviere abliefen, war von Menschenhänden nicht mehr ausführbar. Dadurch
erreichte er aber auch eine Veränderung des gewohnten Klavierklangs. Für lange Zeit
arbeitete Nancarrow im Verborgenen. Nur selten gingen seine Selbstspielklaviere auf
Reisen. Es dauerte, bis der Kompponist György Ligeti auf ihn aufmerksam wurde, der
ein starkes Interesse an den Wahrnhemungsverwischungen durch extreme Spieltempi
hatte. Er nutzte sie für seine Klavieretüden der 1980ger Jahre und die Methode des
Außenseiters Nancarrow wurde für ihn zu einer maßgeblichen Inspirationsquelle. Einige
seiner eigenen Etüden ließ er für Selbstspielklaviere setzen. Nancarrow selbst begann
lange vor Ligeti um 1948 die ersten seiner sogenannten Studies zu entwickeln. Als
“Boogie Woogie” Studien bezogen sie sich noch auf amerikanische Popularmusik.
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Musik: Conlon Nancarrow: Study for player piano Nr. 3a
(WERGO 6907 2 LC
00846) (3:21)
Für die späte Entdeckung der Studies für Playerpiano von Conlon Nancarrow war
György Ligetis Fürsprache also entscheidend. Der ungarische Komponist, der sich seit
den 1970er Jahren von der Avantgarde deutlich distanziert hatte, spielte auch für weitere
Vertreter einer anderen Moderne eine bedeutende Rolle. So auch für den kanadischen
Komponisten Claude Vivier. Aufgrund seiner Ermordung im Alter von 34 Jahren durch
einen Pariser Serienmörder im Jahr 1983 erlangte er so etwas wie tragische
Berühmtheit. Dies war zu einem Zeitpunkt, als sich langsam erste Erfolge einstellten.
Obwohl Vivier Kanada verlassen hatte, um bei Karlheinz Stockhausen in Köln zu
studieren, fand er nicht wirklich Anschluss an die Kölner, Darmstädter oder
Donaueschinger Avantgarde-Zirkel. Das war sicher auch in seinem Interesse für nicht
temperierte Stimmungssysteme begründet – ähnlich wie Harry Partch. Auf einer
längeren Reise in den Osten über den Iran bis nach Japan studierte er
außereuropäische Stimmungssysteme und ließ sie in einen höchst eigenen und
eigenwilligen Stil einfließen. Reisen und Entdecken war für ihn ein Synonym für das
Komponieren anderer Klangwelten. Und der Entdecker Marco Polo sollte neben Alice im
Wunderland und dem Zauberer Merlin zu seiner Schlüsselfigur eines nicht realisierten
Musiktheaters werden. Auf dem Weg dorthin, komponierte Vivier 1980 ein Werk für
Streicher, dessen mikrotonale Psalmodien eine eigentümlich magische und hypnotische
Wirkung erzeugen. Er gab diesem Stück den Titel “Zipangu”. Dies war Marco Polos
Name für das sagenumwobene Wunderreich Japans, das der italienische Asienreisende
nie betreten sollte. Es spielt das Asko Schönberg Ensemble unter der Leitung von
Reinbert de Leeuw.
Musik: Claude Vivier: Zipangu (1980) M0043240 (13:57)
Eine teilweise extreme Lebensführung ließ den katholischen und homosexuellen Claude
Vivier die Rolle eines komponierenden Außenseiters einer anderen Moderne einnehmen.
Das gilt nicht weniger für einen weiteren Komponisten, der ebenfalls homosexuell,
afroamerikanisch und drogenabhängig war. Und wie Vivier ein 1990 im Alter von nur 39
Jahren aufgrund seiner Drogensucht früh Verstorbener. Bis heute ist Julius Eastman der
große Unbekannte geblieben, wenngleich er als herausragender Interpret der “Eight
Songs for a mad king” von Peter Maxwell Davies auch auf Schallplatte dokumentiert
wurde. Unter anderem studierte Eastman bei Morton Feldman, der ihn durch seine
hypnotischen Langzeitstücke beeinflusste. Man erwartet das nicht unbedingt bei
Stücken, die Titel tragen wie “Gay Guerilla” oder “Evil Nigger”. Es scheint, als würde uns
Julius Eastman mit doppeldeutiger Ironie von seiner Rolle als komponierender
Außenseiter überzeugen wollen. So schlimm kann es also mit dem “Evil Nigger” nicht
sein – zumindest nicht in einer Musik der Rettung. Wir hören zum Schluss einen
Ausschnitt aus Eastmans Klavierhypnose.
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Musik: Julius Eastman: Evil Nigger (1979) (Julius Eastman, Frank Ferko, Janet
Kattas, Patricia Martin, Klaviere – New World Records 80638-2 LC --) (Ausschnitt
auf Zeit)
Unsere heutige Musikstunde zu den komponierenden Außenseitern einer anderen
Moderne ging zu Ende mit einem Ausschnitt aus „Evil Nigger“ von Julius Eastman für
vier Klaviere. Es spielten Julius Eastman, Frank Ferko, Janet Katta und Patricia Martin.
In unserer morgigen Musikstunde schweift unser Blick weiter in den Vereinigten Staaten
mit „Stars and Stripes“ und anderen fast nichteuropäischen und nichtgeheuren Dingen.
Am Mikrophon verabschiedet sich Bernd Künzig.
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Musikstunde 19. Mai 2016
Signet Musikstunde
mit Bernd Künzig, der zum dritten Teil der anderen Moderne begrüßt, in dem wir den
Blick über den großen Teich werfen: Stars and Stripes.
Musikstunden-Indikativ ca. 0„20
Die amerikanischen Weiten: das ist der Mythos des wilden Westens, der vor allem durch
das Massenmedium der Moderne bekannt wurde: den Western. Wir assoziieren gerne
mit diesem Genre einen bestimmten Musikstil und können ihn auch scheinbar in Aaron
Coplands Westernballett „Rodeo“ aus dem Jahr 1942 wieder erkennen, als der filmische
Western also längst etabliert war.
Musik: Aaron Copland: “Hoe-Down” aus Rodeo (1942) (Baltimore Symphony
Orchestra; David Zinman, Dirigent – Decca 4 78 4585 LC00171) (4:28)
Das Baltimore Symphony Orchestra spielte unter der Leitung von David Zinman den
“Hoe-Down” aus Aaron Coplands Ballettmusik “Rodeo”. Heute hören wir Coplands Musik
als typische Westernmusik. Hinter der Leinwand tönt sie vor allem in filmischen
Meisterwerken aus der Ära des sogenannten Spätwesterns seit den 1970ger Jahren.
Musikalisch empfinden wir Coplands Stil als nicht sonderlich modern: zu tonal, zu
folkloristisch. Doch so einfach ist die Sache gar nicht. Die typische Westernmelodie des
Hoe-Down wurde nämlich nicht von Copland erfunden, sondern ist ein Zitat aus einem
Musiktheaterwerk Virgil Thomsons, mit dem er triumphal seine Rückkehr nach Amerika
Ende der 1920er Jahre feiern konnte. Nach Studienjahren in Paris kehrte der Komponist
damit in seine Heimat zurück. Die Ursprünge dieses „Four saints in three acts”
genannten Musiktheaters sind durch und durch europäisch. Das Libretto zu diesem den
heiligen Ignatius und die heilige Teresa umkreisenden Stück stammt von der Grande
Dame der Pariser Avantgarde: von Gertrude Stein. Im zweiten Akt, dieses einige
Tendenzen des Musiktheaters von Robert Wilson vorwegnehmenden Werkes, findet sich
eine kleine Ballettszene. Ausgerechnet diesem Tanz der Engel entnimmt Copland die
vorgebliche Hill-Billy-Melodie seines Hoe-Down.
Musik: Virgil Thomson „Four saints in three acts – Dance of the angels”. (1928)
(Commère: Betty Allen; St. Teresa I: Clamma Dale; St. Teresa II: Florence Quivar;
St. Lawrence: Lloyod Thompkins; Chorus; Orchestra of Our Time; Joel Thome,
Dirigent Nonesuch 9 79035) (4:26)
Der Tanz der Engel aus Virgil Thomsons “Four saints in three acts” mit den Solisten
Betty Allen, Clamma Dale, Florence Quivar, Lloyd Thompkins, dem Chor und Orchestra
of Our Time unter der Leitung von Joel Thome. Obwohl Aaron Copland als der
amerikanische Komponist schlechthin gilt, besuchte auch er wie Virgil Thomson und
viele andere Amerikaner die Kurse bei Nadia Boulanger im Paris der Avantgarde. Das
Kino, das hinter seiner Ballettmusik “Rodeo” für die meisten Ohren durchschimmert,
spielte für Copland 1921 in ganz anderer Hinsicht eine anregende Rolle. Bei einem
damaligen Kinobesuch erlag er Friedrich Wilhelm Murnaus hypnotischem
Vampiralptraum “Nosferatu”. Angeregt durch dieses Meisterwerk des deutschen
Stummfilms begann Copland, ein Ballett zu komponieren. Die titelgebende Figur “Grogh”
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stammt allerdings aus Bram Stokers Roman “Dracula”, der auch Murnau als Vorlage
gedient hatte. Mit „Grogh” schrieb Copland sein vielleicht radikalstes Stück, das zu
seinen Lebzeiten nie eine Aufführung erfuhr. Die Partitur ging verloren und wurde erst zu
Beginn der 1990ger Jahre in der Library of Congress wieder entdeckt und mit der
London Sinfonietta unter Oliver Knussen eingespielt. Einige Teile der Balletmusik
arbeitete Copland für seine abstraktere Konzeption der “Dance Symphony” aus dem
Jahr 1925 um. Wir hören einen Ausschnitt aus Coplands originalem Ballet “Grogh”.
Musik: Aaron Copland: Grogh (1922 – 25) “Grohg imagines the dead are mocking
him“ M0019252 (4:41)
Nach seiner Rückkehr wurde Copland zu dem typisch amerikanischen Komponisten, mit
der “Fanfare for a common man” sogar zu einem Staatskomponisten der Roosevelt-Ära.
Dieser durchaus zwiespältige Nimbus haftete ihm bis zu seinem langen Lebensabend
an. Für die einen war er ein Vertreter der amerikanischen Moderne, für die anderen und
auch die meisten Europäer war er ein Beispiel typisch amerikanischer Rückständigkeit in
ästhetischer Hinsicht. Die Komponisten der 1960ger Jahre versuchten durchaus, einen
eigenen, amerikanischen Stil zu finden, der modern sein sollte, aber auch nicht allzu
europäisch. Eine Lösung hieß Minimal Music. Das Etikett mag auf eine Musik mit
Repetitionen, Klangschleifen und einfachsten tonal-harmonischen Wendungen, wie wir
ihr im Falle von Philipp Glass begegnen können, zutreffen. Unverblümt gab er auch
einmal von sich, Beethoven für den schlechtesten Komponisten aller Zeiten zu halten.
Für Vertreter einer anderen Moderne wie John Adams gilt das keineswegs. Er orientierte
sich eher an dem Nichtabgegoltenen der europäischen Moderne. Gemeint sind damit
kompositorische Neuerungen, die aus verschiedenen Gründen zu ihrer Zeit nicht
weitergedacht, rezipiert oder aufgegriffen wurden. Es sind Komponisten, deren
Methodiken erst Jahrzehnt später wieder zu Bewusstsein gelangten. Hierzu zählte für
Adams auch der Komponist Ferrucio Busoni, der theoretisch über mikrotonales
Komponieren nachdachte, aber in der Praxis nie den Sprung in das Jenseits der
Tonalität wagte. Die „Berceuse elegiaque“ Busonis wurde zu einem wichtigen
Anknüpfungspunkt John Adams und er instrumentierte das Stück im Jahr 1989 neu. Wir
hören den Anfang mit der London Sinfonietta unter der Leitung des Komponisten und
Bearbeiters.
Musik: Ferruccio Busoni/John Adams: Berceuse elegiaque M0062170 (3:56)
Mit einem anderen orchestralen Schlüsselwerk knüpfte John Adams 1985 an eine nicht
in Richtung zwölftönige Avantgarde tendierende Moderne an. Das Unausgeschöpfte
einer Grenzerfahrung sollte hier weiterhin produktiv gemacht werden. Das Stück
“Harmonielehre” führt wie auch die „Chamber Symphonie“ zu Arnold Schönberg und
dessen gleichnamiges Lehrwerk zurück. In ihm zeigte der österreichische Komponist am
Ende die Möglichkeitsformen der Grenzerweiterung der tonalen Harmonik an. Er selbst
wandte sich mit der von ihm entwickelten Zwölftonmethode allerdings anderen
Organisationsformen zu. In Adams “Harmonielehre” wird das Unabgegoltene der
Schönbergschen Theorie zur offenen Wunde. Der mittleren Satz trägt nicht ohne Grund
den Titel “The Anfortas Wound”. Die Klangmagie und –alchemie von Richard Wagners
Spätwerk “Parsifal”, in dem der Gralskönig Amfortas an der sich nicht schließen
wollenden Wunde leidet, wird für Adams zum Vorbild einer anderen, nichtabgegoltenen
Moderne, die Schönberg trotz seiner bewussten Analytik seiner „Harmonielehre“ nicht
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weiter verfolgt hat. Und Adams will diese Spur aufgreifen. Wir hören das San Francisco
Symphony Orchestra unter der Leitung von Michael Tilson Thomas.
Musik: John Adams: Harmonielehre – The Anfortas Wound M0357982 (12:48)
Die John Adams im zweiten Satz seiner “Harmonielehre” betriebene Klangalchemie und
–magie, weist ins Okkulte. Die okkulten Musiktheorien des 18. und 19. Jahrhunderts sind
so etwas wie die Schmuddelkinder der Musiktheorie. In den die kosmische Magie
streifenden Bildern suchten diese Theorien Musiksysteme zu errichten, die jenseits der
temperierten Stimmungen liegen. Und damit sind sie auch Schmuddelkinder der
Moderne oder unserer These folgend, Vertreter der anderen Moderne. So verwundert es
kaum, wenn wir dem Okkulten auch bei ihren Komponisten begegnen. Der Amerikaner
George Crumb war seit jeher ein Anhänger des Okkulten, alchemistischer Theorien und
der daraus resultierenden Klangverwandlung. Durch elektronische Mittel und
Verstärkungen weitet er häufig und gern die instrumentalen Klangräume zu kosmischen
Dimensionen aus. Aber auch das Magische im Landschaftlichen hat ihn zu Klangbildern
des Okkulten angeregt. Mit ihnen lassen sich dennoch Bedingungen des Modernen
erfüllen: nämlich Klänge zu erweitern. In seinem Orchesterstück „A haunted landscape“
spürt er in diesem Sinne besessenen und verzauberten Klanglandschaften nach. Das
unheimliche Klopfen gehört unabdingbar dazu. Es spielt das Warschauer
Philharmonische Orchester unter dem Dirigat von Thomas Conlin.
Musik: George Crumb: A haunted Landscape (The Warsaw Philharmonic
Orchestra; Thomas Conlin, Dirigent – Bridge 9113 LC --) (15:53)
Die dritte Folge zur anderen Moderne und „Stars and stripes“ ging zu Ende mit „A
haunted landscape“ von George Crumb. Thomas Conlin dirigierte das Warschauer
Philharmonische Orchester. In unserer letzten Folge am nächsten Morgen erschrecken
wir einmal nicht die Bourgeoisie, sondern die Avantgarde: „Epater l‟Avantgarde“. Am
Mikrophon war Bernd Künzig.
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Musikstunde 20. Mai 2016
Signet Musikstunde
mit der letzten Folge unserer Reihe zur anderen Moderne mit Bernd Künzig am
Mikrophon. In der letzten Folge provozieren wir die Avantgarde: Epater l„Avantgarde.
Musikstunden-Indikativ ca. 0„20
Skandale gehören zur Geschichte der modernen Musik wie die Soße zum Braten. Man
denke an die Saalschlachten bei der Pariser Uraufführung von Igor Strawinskys Ballett
„Le sacre du printemps“ im Jahr 1913 oder an das Wiener Watschenkonzert im gleichen
Jahr, als bei der Aufführung der Werke von Arnold Schönberg, Alexander Zemlinsky und
Alban Berg nicht nur Ohrfeigen verteilt, sondern auch Duellforderungen ausgesprochen
wurden. Der bürgerliche Musikgeschmack fühlte sich beleidigt und zutiefst in seiner Ehre
gekränkt. Doch um diese Skandale soll es heute gar nicht gehen. Wir beginnen mit
einem ganz anders gearteten Skandalstück von Hans Werner Henze. 1957 wurden bei
den Donaueschinger Musiktagen seine „Nachtstücke und Arien“ mit zwei Gedichten von
Ingeborg Bachmann uraufgeführt. Wir hören die Aria I mit der Sopranistin Claudia
Barainsky und dem Gürzenich-Orchester Köln unter der Leitung von Markus Stenz.
Musik: Hans Werner Henze: Aria I aus "Nachtstücke und Arien"
Claudia Barainsky, Sopran; Gürzenich Orchester Köln; Markus Stenz, Dirigent
Capriccio 71 134 LC08748 (3:35)
Von dieser lyrisch-sinnlichen Musik fühlte sich nun weniger das gut bildungsbürgerliche
Publikum schockiert und empört, sondern die Vertreter der Avantgarde. Karlheinz
Stockhausen, Pierre Boulez und der mit Henze befreundete Luigi Nono verließen
türschlagend bei dieser ersten Arie den Saal. Henze war in ihren Augen ein Verräter: er
hatte nicht streng seriell komponiert, sondern schrieb an einem lyrischen
Expressionismus mit grandios gehandhabter Instrumentationskunst weiter. Für die
Vertreter der Avantgarde war das eine muffige, längst abgestandene Moderne. Und so
setzte sich dieser Vertreter einer modernen Musik zwischen die Stühle: dem
Establishment war er zu radikal, der Avantgarde zu konservativ. Und provozierte mit der
im gleichen Jahr vollendeten Ballettmusik „Undine“ weiter.
Henze hatte der für ihn unerträglichen Bundesrepublik bereits den Rücken gekehrt und
sich in Italien angesiedelt. In Neapel entdeckte er die Kanzone und die neapolitanische
Oper, die Lieder der Straßensänger und Seemänner. All das war in sein auf der
romantischen Erzählung Friedrich de la Motte-Fouqués basierendes Ballett eingeflossen.
Im letzten Akt wartet Henze mit einem eruptiven Divertissement auf, einer
Variationenfolge auf die Katzenfuge von Domenico Scarlatti. Sie durchmischt
verschiedene Stile auf hedonistische Art und Weise, bis hin zu Jazzeinflüssen. Das
Heterogene dieser wild wuchernden Musik wäre ohne die Moderne nicht denkbar, sie
denkt sich nur nicht in jenen Konsequenzen der Nachkriegsavantgarde à la Darmstadt
oder Donaueschingen und will damit die Fortschrittsapologeten ganz bewusst
provozieren. Die Musikgeschichte ist als totale vorhanden und verwendbar. So will diese
Musik keinem Lager mehr zugehören und nur eines sein: unverhohlen hedonistisch.
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Musik: Hans Werner Henze: Undine – 3. Akt V. Divertissement (London
Sinfonietta; Oliver Knussen, Dirigent – Deutsche Grammophon 453 467-2 LC
0173) (10:19)
Oliver Knussen dirigierte die London Sinfonietta mit dem Divertissement aus Hans
Werner Henzes Ballett „Undine“. In den späten 1950ger Jahren konnte sich der
Avantgardist Pierre Boulez über das Etablierte empören und bei Henzes Hedonismus
türknallend den Saal verlassen. Als Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker zu
Beginn der siebziger Jahre musste er sich aber angepasster geben. Dennoch versuchte
er auch in New York die Avantgarde und ihre Vorläufer zu etablieren. Was ihm den Zorn
manch amerikanischer Komponisten eintrug, für die er sich nicht zu interessieren schien.
Zu ihnen zählte auch Morton Feldman. Die meditative Zeitentrücktheit der Musik des
amerikanischen Komponisten schien Boulez geradezu gegen den Geist der Moderne
gedacht zu sein. Wenn wir die Entwicklung der Moderne auch als eine der
Beschleunigung begreifen – die zahlreichen, schnell aufeinander folgenden –Ismen des
20. Jahrhunderts belegen diese Vorstellung recht eindeutig – dann vertritt Feldman mit
seiner Tendenz der Entschleunigung weniger eine antimodernistische Haltung, als
vielmehr eine des dialektischen Gegenübers. Ohne Entschleunigung kein
Geschwindigkeitsrausch und umgekehrt – wir würden ihn ansonsten gar nicht mehr
wahrnehmen können. Auch die auffällige Formlosigkeit der Feldmanschen Klanggebilde
hat sicherlich wenig mit der europäischen Musiktradition zu tun. Von all dem erzählt auch
der ins Private und Intime gedachte Zyklus „The Viola in my life“. Dieses Leben ist sicher
keines des vorgeführten Virtuosentums. Dennoch verlangt dieses Werk sowohl vom
Interpreten als auch vom Zuhörer ein Höchstmaß an Konzentration. Ein solches, das wir
gewöhnlich zur Bewältigung unserer Wahrnehmungsüberforderung durch
tempogesättigte Komplexität benötigen. Hier ist nur scheinbar alles einfacher. Der
Pianist Marek Konstantynowicz und der Bratschist Kenneth Karlsson spielen den dritten
Teil aus „The Viola in my life“ von Morton Feldman.
Musik: Morton Feldman: The Viola in my life Part III for Viola and Piano
M0090373 (5:07)
Morton Feldmans Zeitentrücktheit kennt zwar Zeitumstände, doch politisch waren sie
meist nicht gedacht. Der amerikanische Komponist Frederic Rzewski kann sicher nicht in
gleichem Maße als zeitentrückt gelten. Gerade die politischen Implikationen von Musik
waren ihm wichtiger. Seine Lehrer Milton Babitt, Roger Sessions und Luigi Dallapiccola
vertraten alle Prinzipien der europäischen Moderne in Amerika. Doch Rzewski verstand
sich rasch als Einzelgänger, Visionär und Sonderling zugleich. Ein Höhepunkt des
eigenbrötlerischen Virtuosentums stellt Rzewskis 1975 komponierter Klavierzyklus „The
people united will never be defeated“ dar. Gedacht war er als Konzertergänzung zu
Beethovens nicht abendfüllenden Diabelli-Variationen. Im Gegensatz jedoch zum Wiener
Klassiker, wählte Rzewski kein seichtes Unterhaltungsstückchen als Ausgangspunkt
virtuoser Übersteigerung, sondern das chilenische Protestlied „ El pueblo unido“. L‟art
pour l‟art ist der Variationenzyklus also sicherlich nicht. Dennoch liegen ihm serielle
Techniken zugrunde. Wie für Henze gilt auch bei Rzewski das Fortschrittsideal wenig,
ohne deshalb reaktionär zu werden: Tonales steht neben Atonalem, Kontrapunktische
Strenge neben Lockerungsübungen, Jazz neben Minimalismus. Und so wirkt „The
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people united“ modern, ohne in diese Schublade eigentlich passen zu wollen. Es bleibt
ein anderes. Igor Levit spielt das Thema und die ersten vier Variationen.
Musik: Frederic Rzewski: The people united will never be defeated
Igor Levit, Klavier
Sony Classical 88875060962 LC 06868 (5:39)
Etwa zur gleichen Zeit als Frederic Rzewski an seinem Klavierzyklus “The people united
will never be defeated” arbeitete, träumte sich der Engländer Oliver Knussen 1973 in den
Manierismus William Shakespeares zurück. Die Klangsprache der Moderne war ihm
aber nicht weniger als dirigierender Interpret durch und durch vertraut. Wir konnten ihn
zu Beginn unserer Musikstunde mit Henzes „Undine“-Musik hören. Was allerdings zum
damaligen Zeitpunkt nur mit hochgezogenen Augenbrauen wahrgenommen wurde,
schien für Knussen das Selbstverständlichste: eine sinfonische Dichtung über die Figur
der Ophelia aus Shakespeares „Hamlet“. Ein abstraktes Materialverständnis kann man
dieser duftenden Orchidee kaum unterstellen. Die Behandlung des Orchesters durch den
damals erst einundzwanzigjährigen Komponisten ist nicht nur souverän, sondern hat
auch einiges mit jener Haltung Hans Werner Henzes zu tun, mit der man die Avantgarde
schockiert und doch genau weiß, wie ein modernes Orchester klingen kann. Michael
Tilson Thomas dirigiert den 2. Satz aus Oliver Knussens der Ophelia-Figur gewidmeten
3. Sinfonie mit dem Philharmonia Orchestra.
Musik: Oliver Knussen: Symphony Nr. 3 - 2. Satz
Philharmonia Orchestra; Michael Tilson Thomas, Dirigent
NMC D 175 LC 03128 (4:58)
Oliver Knussens 1973 begonnene Shakespeare-Sinfonie ist sicherlich nicht das letzte
Beispiel einer anderen Moderne. Auch in unserer Gegenwart nach der
Jahrtausendwende tauchen Komponisten auf, die nicht in jene offizielle Leitlinie des
fortschrittlichen Gänsemarschs von Avantgarde und Moderne zu passen scheinen. Zu
ihnen gehört auch der tschechische Komponist Martin Smolka. Mit seinem ersten Auftritt
bei den Donaueschinger Musiktagen 1992 schien er ein typisches Beispiel für die
Öffnung des eisernen Vorhangs zu sein. Unbeleckt von den westlichen Strömungen, sich
gleichzeitig aber auch jedem östlichen Folklorismus und jeder staatlich verordneten
Kulturdoktrin entziehend, strahlte seine Musik damals schon eine erzählerische Naivität
aus. Normalerweise wird das vom Publikum des Club Moderne nicht unbedingt goutiert.
Man fordert lieber eine deutliche Reflexion des klanglichen Materials ein. Doch Smolkas
Musik ist in ihrer scheinbaren Einfachheit schlicht und ergreifend überwältigend und man
kann sich ihrem eigentümlichen Sog nur schwer entziehen. Das gilt auch für das 2008
entstandene Chorstück „Poema de Balcones“ nach einem Gedicht Federico Garcia
Lorcas. Von dem im Text geschilderten Blick vom Balkon aufs Meer ist eigentlich nichts
zu verstehen. Es geht mehr ums Atmosphärische. Das ist aber so subtil durch den
Doppelchor gestaltet, dass man im Anschwellen und Abebben, im Pfeifen der
Männerstimmen von dieser Meerlandschaft mir ihren sanft rollenden Wellen und dem
Sausen des Windes etwas erahnen kann. Man muss es aber nicht. Denn es kann auch
eine reine, zu Tränen rührende Schönheit des Klangs sein. Jedenfalls hat ein Chor so
noch nie geklungen. Es ist Musik aus einer anderen Welt und vielleicht sogar für eine
andere. Darin realisiert sich dann doch noch einmal jener utopische Anspruch der
Moderne, die nun wirklich das Andere meint. Wir hören zum Schluss das SWR
13
Vokalensemble Stuttgart unter der Leitung von Marcus Creed mit Martin Smolkas
„Poema de Balcones“ für gemischten Doppelchor.
Musik: Martin Smolka: Poema de Balcones M0425287(AMS) (14:15)
Die letzte Folge der anderen Moderne „Epater l‟Avantgarde“ ging zu Ende mit „Poema
de Balcones“ von Martin Smolka. Es sang das SWR Vokalensemble Stuttgart unter der
Leitung von Marcus Creed. Sie können die Folgen der Musikstunde zur „anderen
Moderne“ eine Woche lang im Internet nachhören und die Sendungsmanuskripte stehen
online als Download zur Verfügung. Am Mikrophon verabschiedet sich für diese Woche
Bernd Künzig.
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