2 von 36 Buddhismus (Kl. 9/10) Religionen und Weltanschauungen • 3 V Warum behandeln wir das Thema? Der Buddhismus fasziniert die westliche Bevölkerung zunehmend. Buddhistische Mönche wie der Dalai Lama oder Thich Nhat Hanh tragen einen nicht geringen Beitrag zu seiner Beliebtheit bei. Kinofilme, Berichte im Fernsehen, zahlreiche Bücher oder Zeitungsartikel über „Promis“, die sich zur buddhistischen Lehre bekennen, thematisieren den Buddhismus. Seine undogmatische Praxisbezogenheit (Meditations- und Konzentrationsübungen), Einforderung von Mitgefühl und sein gewaltfreies Image tun ein Übriges. Ein gewisser Anteil der Schülerinnen und Schüler* kommen durch asiatische Kampfsportarten oder Meditationskurse mit buddhistischen Inhalten in Berührung. Andere nehmen bei ihrer Suche nach Orientierung und Lebenssinn auch die buddhistische Lehre in den Blick. Sie greifen das eine oder andere heraus, um es individuell in ihren eigenen Glauben einzubauen (Trend zur „Patchwork-Religiosität“). Manche Jugendliche haben bereits asiatische Länder bereist und dort buddhistische Kulturen erlebt. Die Mehrheit der Klasse wird erfahrungsgemäß eher marginale Kenntnisse haben. Vor diesem Hintergrund lernen die Schüler die Grundzüge der buddhistischen Lehre kennen oder vertiefen bereits vorhandenes Wissen, um sich dann – auch in Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben – ein eigenes Urteil bilden zu können. U A * Im weiteren Verlauf wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur „Schüler“ verwendet. H C Was müssen Sie zum Thema wissen? Der Buddhismus – eine Weltreligion Der Buddhismus gehört neben dem Judentum, Christentum, Hinduismus und Islam zu den fünf großen Weltreligionen. Der ursprüngliche Buddhismus kennt keinen allmächtigen Schöpfergott wie etwa das Judentum oder Christentum. Deshalb wird die buddhistische Lehre auch gerne als „Erfahrungsreligion“ bezeichnet im Gegensatz zu einer „Offenbarungsreligion“, wie es zum Beispiel das Christentum darstellt. Nach einer Schätzung von 2007 gibt es weltweit 385 Millionen buddhistische Gläubige. S R Der Religionsgründer Siddhartha Gautama O V Der Buddhismus geht auf Siddhartha Gautama, den Sohn einer Adelsfamilie aus Indien, zurück. Er lebte etwa zwischen 560 und 480 v. Chr. – manche neuere Forschungen setzen seine Geburt 100 Jahre später an. Sein Ehrentitel „Buddha“ wurde ihm nach seiner „Erleuchtung“ (Buddha: der Erwachte, der Erleuchtete) zuteil, die er in tiefer Meditation erlangte. Er predigte daraufhin seine Erfahrungen und gewann immer mehr Anhänger. Es entstanden Ordensgemeinschaften aus Mönchen und Nonnen, die von Laienanhängern mit Nahrung versorgt wurden. Die buddhistische Gemeinschaft wird „Sangha“ genannt. Karma und Wiedergeburt Buddha hatte die brahmanische Tradition vom Kreislauf der Wiedergeburt und von der Tatvergeltung aus seiner Umgebung übernommen. Jedes Wesen bestimmt demnach durch seine Gedanken, seine Einstellung und sein Handeln (Karma) das nächste Leben. Gute Taten führen zu einem guten Karma und so zu einer guten Wiedergeburt. Schlechte Taten bewirken das Gegenteil. Dieser endlose Kreislauf (Samsara) wird als leidvoll empfunden. 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 zur Vollversion V Religionen und Weltanschauungen • 3 Buddhismus (Kl. 9/10) 9 von 36 Siddhartha Gautama und Buddha? – Leben und Wirken des Gründers einer Weltreligion M2 Den Namen „Buddha“ kennt ihr sicher, aber sagt euch auch „Siddhartha Gautama“ etwas? – Aber lest selbst, was dahintersteckt … Siddhartha Gautama, der Sohn einer adligen Familie in Nordindien, führt ein sorgenfreies und behütetes Leben in Überfluss und Luxus. Er wohnt in einem Palast und ist von schönen und gesunden Menschen umgeben. Alles Leid wird von ihm ferngehalten. Eines Tages macht Siddhartha mit seinem Wagenlenker eine Ausfahrt und begegnet dabei in der Welt „da draußen“ zum ersten Mal in seinem Leben dem Leid … U A H C Es folgen weitere Ausfahrten … S R Siddhartha beschließt, selbst ein Leben in Armut zu führen. Er möchte das menschliche Leiden überwinden. Heimlich verlässt Siddhartha seine Frau und seinen neugeborenen Sohn und flieht aus dem Palast. Zeichnungen: U. Bahl O V Siddhartha wird nach seinen Ausfahrten bewusst, dass das Leben auch aus Leiden besteht. Er grübelt über dessen Grund und Sinn nach. Schließlich begegnet er einem Bettelmönch. zur Vollversion 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 V Religionen und Weltanschauungen • 3 Buddhismus (Kl. 9/10) 17 von 36 Weder Luxus noch Selbstquälerei – der mittlere Weg M6 Um den Anweisungen des „edlen achtfachen Pfades“ folgen zu können, sollen Buddhisten in ihrer Lebensweise einen „mittleren Weg“ zwischen Luxus und völliger Askese finden, zum Beispiel, indem sie schlichte und praktische Kleidung tragen oder einfaches, aber gesundes Essen zu sich nehmen. Buddha hatte vor seiner Erleuchtung beide extremen Lebenswege beschritten, die ihn aber nicht zum Ziel führten: höchster Luxus im väterlichen Palast einerseits und strengste Askese als Wandermönch andererseits. Dies sagte er selbst dazu: Aus einer Rede des Buddha U A Quelle: Hans Küng (Hrsg.): Buddhismus, die klassischen Schriften. Heinrich Hugendubel Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH München 2005, S. 51. H C S R O V Fotos: © Thinkstock 5 Zwei Enden gibt es ... Welche zwei sind das? Hier ist das Leben in Lüsten, der Lust und dem Genuss ergeben: das ist niedrig, gemein, ungeistlich, unedel, nicht zum Ziele führend. Dort Übung der Selbstquälerei: die ist leidenreich, unedel, nicht zum Ziele führend. Von diesen beiden Enden, ihr Mönche, sich fernhaltend, hat der Vollendete den Weg, der in der Mitte liegt, entdeckt, der Blick schafft und Erkenntnis schafft, der zum Frieden, zum Erkennen, zur Erleuchtung, zum Nirwana führt. Aufgaben 1. Buddha lehrte seinen Anhängern, den „mittleren Weg“ zu beschreiten. Was ist damit gemeint? 2. Warum warnte Buddha wohl vor extremen Lebensweisen wie „Luxus“ oder „Selbstquälerei“? Findet Argumente. 3. Betrachtet die Fotos. In welchen Bildern erkennt ihr Kennzeichen des mittleren Weges? Begründet eure Antwort. zur Vollversion 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 V Religionen und Weltanschauungen • 3 Buddhismus (Kl. 9/10) 23 von 36 Eine Richtschnur für alle – drei Juwelen und fünf Shilas M9 Unabhängig von Schulrichtungen und buddhistischen Traditionen gibt es eine „Richtschnur“ für buddhistische Gläubige: die drei „Juwelen“. Wer sein Leben in tiefer Überzeugung danach ausrichtet, ist eine Buddhistin oder ein Buddhist. Die drei „Juwelen“ sind Buddha, seine Lehre und die Gemeinde. Deshalb bekennen Buddhisten: „Ich nehme Zuflucht beim Buddha. Ich nehme Zuflucht in der Lehre. Ich nehme Zuflucht in der Gemeinde.“ Buddha: Buddha, der unübertreffliche Lehrer, hat gezeigt, wie eine Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburt möglich ist. Seinen Einsichten zu vertrauen, ist ein Muss für jeden Gläubigen. 5 U A 10 Gemeinde: Die Gemeinschaft der Buddhisten soll sich gegenseitig auf dem Weg zur Erleuchtung unterstützen. Voneinander lernen, Inspiration und Beistand – das sind Hilfen, um dem gemeinsamen Ziel, dem Nirwana, näherzukommen. 15 H C Außerdem verpflichten sich Buddhisten, fünf ethische Regeln (Shilas) zu beachten. Diese Regeln sind nicht als auferlegte Gebote zu verstehen, auf deren Missachtung eine Strafe folgt. Vielmehr sollen sie als Selbstverpflichtung und Orientierungshilfe verstanden werden. Foto: © Thinkstock/iStock Lehre: Die Lehre fasst Buddhas wichtigste Ideen über das Leid und den Ausweg daraus zusammen. Sie dient nicht als theoretische Erklärung menschlichen Daseins, sondern soll als Lebensweg verstanden und umgesetzt werden. Das Praktizieren und Anwenden der Lehre steht im Zentrum. S R Die fünf Shilas Ich will keine Lebewesen töten. O V Ich will nichts nehmen, was mir nicht freiwillig gegeben wird. Ich will durch mein sexuelles Verhalten niemandem schaden. Ich will nicht lügen. Ich will keine berauschenden Mittel zu mir nehmen. Aufgaben 1. Nennt die drei „Juwelen“ und formuliert in eigenen Worten ihre Bedeutung im Buddhismus. 2. Was versteht ihr unter dem Begriff „Zulucht“ im Bekenntnis zu den drei „Juwelen“? Notiert Stichworte. 3. Kennt ihr christliche Normen, die den fünf Shilas nahekommen? Vergleicht sie miteinander und tragt eure Ergebnisse oben in die entsprechenden Zeilen ein. zur Vollversion 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 26 von 36 M 10 Buddhismus (Kl. 9/10) Religionen und Weltanschauungen • 3 V Ein Leben im Orden – Nonnen und Mönche Braune Kutte, Tonsur und Kreuz … Stellt man sich so den „typischen Mönch“ vor? Aber kann man das so verallgemeinern? Und steckt nicht eigentlich viel mehr dahinter? Aufgabe 1 Es gibt Nonnen- und Mönchsorden. Eintritt in Orden für Jungen mit acht Jahren möglich, für Mädchen mit fünfzehn Verzicht auf Besitz: nur wenig Eigentum erlaubt – dazu gehören: Gewand, Nadel und Faden (zum Flicken der Kleidung), Almosenschale, Rasiermesser, Wassersieb (zur Reinigung des Trinkwassers) H C Zentrales Thema für Nonnen und Mönche: Studium von Buddhas Lehren, Umsetzung ins Leben und Weitergabe der Erkenntnisse an andere (auch an Laien) Zeichen der Demut: geschorene Haare und Gewänder aus Tüchern Weltliches hinter sich lassen: Verpflichtung auf Armut und Friedfertigkeit, Verzicht auf sexuelle Beziehungen (über 200 Regeln bestimmen das Klosterleben) Keine Absonderung von der Welt: Mönche und Nonnen pflegen Kontakt zur Laienbevölkerung (zum Beispiel auch durch Sozialarbeit) S R O V Disziplinierter Tagesablauf: Aufstehen zwischen vier und fünf Uhr, Meditation und Vortrag buddhistischer Texte, Frühstück, Arbeit im Kloster, in manchen Ländern Almosengang, Mittagessen (in vielen Orden das letzte Essen des Tages), nachmittags Meditation, Laienunterweisung, Nachtruhe gegen 22 Uhr © Thinkstock/iStock Mönchtum auf Zeit möglich: Gelübde für Eintritt in Orden kann auch nur für Tage, Wochen oder Monate abgelegt werden; Ziel vieler Laien: einmal im Leben wenigstens für kurze Zeit Nonne oder Mönch sein © Thinkstock/iStock U A Mönchtum im Buddhismus © iStockphoto Was verbindet ihr mit dem christlichen Mönchtum? Notiert eure Ideen in den Denkblasen. Theravada-Buddhismus: Mönche und Nonnen wandern am Vormittag durch Straßen und lassen sich Essen von Laien in ihre Almosenschale legen; Laien sammeln durch Spende gutes Karma Aufgabe 2 a) Schreibt anhand der oben aufgelisteten Stichpunkte einen Wikipedia-Artikel zum buddhistischen Mönchtum. b) Vergleicht das buddhistische Mönchtum mit dem christlichen. Nennt Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 zur Vollversion 30 von 36 Religionen und Weltanschauungen • 3 V Buddhismus im Westen – ein Selbstbedienungsladen? Nach Aussagen von Wissenschaftlern gibt es in unserer Gesellschaft einen Wandel hin zur „Patchwork-Religion“. Der Buddhismus spiele dabei häufig eine bedeutende Rolle. Wie seht ihr das? Ich bin evangelisch getauft und wurde auch konfirmiert. In die Kirche gehe ich selten. Trotzdem glaube ich an Gott und Jesus Christus. Aber wie man im Buddhismus mit Stress umgeht, das beeindruckt mich schon. Da schaue ich mir so manches ab. Maria, 17 U A Ich bin gläubige Katholikin, aber erst durch Zen-Meditation* kann ich meine Sinne ganz auf Gott richten und ihn spüren. Unser Gemeindepriester ist auch ausgebildeter Zen-Lehrer und bietet Kurse an. Es gibt schon manche unserer Gemeindemitglieder, die das komisch finden. H C Ich finde, jede Religion hat faszinierende Elemente und Aspekte. Ich baue mir aus verschiedenen Teilen daraus meinen eigenen Glauben, eben so, wie es sich für mich gut anfühlt. Nikolas, 17 S R Mich beeindruckt die Ausstrahlung des Dalai Lama. Er vermittelt so etwas Positives. Vielleicht sollte ich mir auch das eine oder andere vom Buddhismus aneignen? O V Tim, 16 Mir gefällt im Buddhismus, dass es keinen Gott gibt, der uns Dinge vorschreibt oder Regeln aufstellt. Jeder ist für sich und sein Glück verantwortlich. Man kann die Schuld nicht auf andere schieben. Trotzdem: Mit dem Nirwana kann ich nicht so viel anfangen. Wenn ich an den Tod denke, halte ich mich lieber an die christliche Tradition. Fotos: © 1, 4, 5: Colourbox; 2: Thinkstock/Pixland; 3: Thinkstock/iStock Simone, 18 Sarah, 16 * Zen-Meditation = Der Zen-Buddhismus erfährt in westlichen Ländern eine große Akzeptanz. Er ist die japanische Weiterentwicklung einer chinesischen Form des Mahayana-Buddhismus. Meditierendes stilles Sitzen nimmt eine zentrale Stellung ein. Deshalb wird Zen auch gerne Meditations-Buddhismus genannt. Der Meditierende soll still und „leer“ werden, frei von allen Gedanken. Das gewöhnliche Alltagsdenken und persönliche Wünsche muss man hinter sich lassen, um die in allen Wesen und Dingen vorhandene BuddhaNatur erkennen zu können. Ziel des Zen ist die Erleuchtung, das Erkennen der eigenen Buddha-Natur. Manche christlichen Klöster und Kirchengemeinden in Deutschland praktizieren Zen-Meditationen. Aufgaben 1. Lest die oben stehenden Statements. Formuliert anhand dieser Aussagen eine Definition von „Patchwork-Religion“. 2. Nehmt Stellung zum Thema „Patchwork-Religiosität“. Was denkt ihr darüber? 6 RAAbits Realschule Religion März 2015 Zeichnung: J. Lenzmann M 13 Buddhismus (Kl. 9/10) zur Vollversion