- Universität Wien

Werbung
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
VO Germanistische Sprachwissenschaft - Schnittstellen
1. Psycholinguistik
Definition





Wissenschaft von den psychischen Vorgängen beim Erlernen der Sprache und bei
ihrem Gebrauch (duden.de)
Wissenschaft vom sprachlichen Handeln und Erleben
Wechselwirkung Denken – Sprache
Vielfalt der möglichen Fragestellungen
Wahrnehmung, Gedächtnis, Gefühlsleben
Der Mensch als denkendes, handelndes Wesen ist in den Vordergrund gerückt. Sprache hat
etwas mit der Psyche zu tun. Psycholinguistik ist aber auch wissenschaftlich -> kognitive
Wende -> hat zu einer Auseinandersetzung mit einem Modell geführt -> Behaviorismus;
Kognitivismus wurde relativiert
Grundansichten Behaviorismus / Kognitivismus
Beides sind Lerntheorien mit verschiedenen Zugängen – heftiger Diskurs
Behaviorismus
Lernen ist ein konditionierter Reflex
Adaption = Anpassung
Daten werden abgelagert und aufgerufen
Was versteht man unter Wissen?
Wissen: korrekt ablaufende Relation
zwischen Input und Output (Output =
richtiges Wiedergeben und Verwenden)
Der Behaviorismus führt alle Leistungen auf
Lernvorgänge zurück. Es gibt einen
universalen Lernmechanismus (Menschen
müssen etwas lernen, um sich
weiterzuentwickeln). Kinder imitieren die
Sprache der Erwachsenen. Richtige
Imitationen werden verstärkt bzw. belohnt.
Kognitivismus
Lernen ist Resultat von
Informationsaufnahme und -verarbeitung
Das Gehirn bewertet und vergleicht Daten,
zieht Schlüsse, entwirft und verwirft
Wissen: Bedeutsame Prozesse im Gehirn –
Input wird verarbeitet und es kommt etwas
Besseres heraus
Kritik am Behaviorismus: Man könnte nie
etwas Neues äußern. Kinder sind oft
belehrungsresistent.
Es müsse angeborene Prinzipien, die
genetisch vorher angelegt sind, geben Kinder haben mit 4 oder 5 Jahren (bei
normaler Entwicklung) die Grammatik
vollständig erworben. Der Input sei in
vielerlei Hinsicht zu dürftig bzw.
unzuverlässig. Außerdem hört ein Kind nicht
nur korrekte Äußerungen und kann nicht
wissen, was richtig/falsch ist.
Der Einzelne nimmt aus Erfahrung auf und
orientiert sich an der Umwelt.
1
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Die Stimmen gegen den Behaviorismus
waren und sind lauter.
(Wichtiger Vertreter: Skinner)
"Tochter" des Kognitivismus ist der
Nativismus (Vertreter: Noam Chomsky Begründer der generativen Grammatik;
Universalgrammatik; Language Aquisition
Device LAD)
Fanselow/Felix: Sprachtheorie
Pidgin, Kreol
Übergeneralisierungen
Wissen
Der Mensch verfügt über verschiedene Wissenssysteme:




Enzyklopädisches Wissen (z.B. 2+2=4, Hunde haben 4 Beine, 'kauft' ist ein Verb)
Interaktionales Wissen (Zielgerichtetheit von sprachlichem Handeln, z.B. Kind vs. Polizist)
Wissen über globale Textstrukturen (verschiedene Textmuster/-gestaltung)
Sprachliches Wissen (Grammatisch korrekte Sätze können produziert und verstanden
werden, äußert sich auch in Kreativität - kompetente Menschen)
Eine begrenzte Anzahl von Prinzipien und Regeln würde unzählige richtige Sätze
ermöglichen.
2
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Spracherwerb
Erstspracherwerb
Wie wird sprachliches Wissen erworben? -> unterschiedliche Meinungen
Behaviorismus
Menschen besitzen einen allgemeinen
Lernmechanismus, der ausreicht, um alle
komplexen Lernaufgaben zu bewältigen
(auch bezüglich der Sprache)
Nativismus
Geht von einem angeborenen Mechanismus
aus, der speziell für den Spracherwerb
zuständig ist (Modul) - abgekapselt vom
Erwerb anderer kognitiver Funktionen
Es ist sehr viel Input notwendig
Kein großer Input notwendig
Der Spracherwerb ist von Kind zu Kind
verschieden
Der Spracherwerb ist bei allen Kindern gleich
Wahrscheinlich stimmt ein Teil von beiden Ansichten. Was allerdings bestätigt ist, ist, dass
Kinder Sprache in verschiedenen Stadien erwerben. (Unabhängig von sozialen
Gegebenheiten usw.)
 Pränatale Phase (Vor der Geburt, gehört zum Erstspracherwerb)
Der Fötus reagiert auf Umweltgeräusche und die Stimme der Mutter
 Präverbale Phase (1.-3. Woche nach der Geburt)
Lautes Schreien; ab der 2. Woche kann man schon differenzierte Klangmuster
vernehmen (Hunger, Schmerz,...)
 Phase des "Gurrens" (2.-3. Monat nach der Geburt)
Gurrlaute; Vorgesprochene Vokale werden nachgeahmt
 Phase der "Expansion" (3.-6. Monat)
Die produzierten Laute werden immer ähnlicher; Spielen mit der Stimme hauptsächlich Vokale (Potenzial des Stimmapparates)
 Lallan, B(r)abbeln (6.-9. Monat)
Kehlkopf senkt sich ab; erste Konsonanten werden produziert und mit Vokalen
kombiniert; Reduplikation; Sprachmelodien werden nachgeahmt
 Erste Wörter werden gebildet (Zwischen 10. und 14. Monat)
 Wortschatz steigt sprunghaft an, ca. 100 Wörter werden aktiv beherrscht (Mitte des
2. Lebensjahres); danach werden ca. 10 Wörter pro Tag gelernt (bis zum Schulalter)
 Holophrasen = einzelne Wörter stehen für einen ganzen Sinneszusammenhang (12.
bis 18. Monat)
 Zweiwortphase - die ersten Zweiwortswechsel (Ende 2. Jahr, 24. Monat)
 Danach mehr als zwei Wörter, Syntax wird komplexer (Relativsätze usw.) -> bis zum
4. Lebensjahr
3
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
 Grammatik ist vollständig erworben (4./5. Lebensjahr), trotzdem treten
Übergeneralisierungen auf
 Wortschatz wird kontinuierlich erweitert (lebenslang)
 Weitere Komponenten z.B. Erfolgreiche Kommunikation (interaktives Wissen)
Zweitsprach-/Fremdspracherwerb





Kinder lernen Fremdsprachen beinahe mühelos, Erwachsenen fällt es schwerer
Verläuft eigentlich unbewusst (Kinder sind oft belehrungsresistent)
Kritische Phase: Bis zum 10. Lebensjahr erfolgt das Sprachenlernen ohne große
Anstrengung
Verläuft von Sprache zu Sprache verschieden - man lernt leichter, wenn die
Fremdsprache eine ähnliche Struktur wie die Muttersprache hat
Interferenz: Übertragung sprachlicher Regeln der Erstsprache auf die Zweitsprache
Gesteuerter Zweitspracherwerb:

bewusstes Sprachenlernen (Institutionen, Bücher, eigene Anstrengung - formaler
Unterricht)
Ungesteuerter Zweitspracherwerb:





ohne formalen Unterricht (z.B. Gastarbeiter)
keine Korrekturinstanz
ist von verschiedenen Faktoren abhängig, z.B. Art der Erstsprache
heißt nicht, dass man kein Arrangement zeigt
Dauer des Sprachkontaktes ist nicht sehr entscheidend
Gemeinsamkeiten des gesteuerten und ungesteuerten Erwerbs:
Interimsgrammatiken/Lernervarietäten
Sprecher weisen als erste Varietät (Basisvarietät) Grammatik auf (Infinitive usw.)
Fossilisierung: Bei den meisten Lernern bleibt der Zweitspracherwerb auf einer
Zwischenstufe stehen
4
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Sprache im menschlichen Gehirn




Verbindung zur Medizin/Naturwissenschaft
Es gibt nicht das eine Hirnareal, das für Sprache verantwortlich ist, sondern ein
komplexes Zusammenspiel von Bereichen
Diese Bereiche hat man aufgrund von Schädigungen entdeckt - die Funktion eines
Hirnareals wird deutlich, wenn etwas nicht stimmt
Die meisten Sprachareale befinden sich in der linken Gehirnhälfte, aber auch die
rechte ist beteiligt
Wernicke Areal




Linke Hirnhälfte
benannt nach Carl Wernicke (Neurologe, 19. Jahrhundert)
Verantwortlich für das Sprachverständnis
Beeinträchtigung des Wernicke Areal:
o Eigene Sprachproduktion ist noch erhalten und unauffällig, aber es kommt zu
Verständnisproblemen
o Unverständliche Wörter, grammatikalische Defizite
o Ursache: Schlaganfall
-> sensorische Aphasie
Broca Areal


Grammatik, Wortstellung
Folgen einer Schädigung:
o Wenig Probleme mit dem Sprachverständnis
o Langsames Sprechen, viele Pausen, reduzierte Syntax, Auslassen von
Präpositionen und Artikel
o Patienten versuchen dagegen zu steuern
-> Agrammatismus
Störungen bei anderen Arealen: z.B. Wortfindungsstörungen, Lesestörungen
Sprache und Denken
Inwieweit bestimmt die Sprache das Denken? Auf welche Weise wird die Welt
wahrgenommen?
Sapir-Whorf-Hypothese
Edward Sapir (1848), Benjamin Whorf
5
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Sprache ist nicht nur ein Reproduktionsmittel, sondern determiniert das Denken und die
Wahrnehmung. -> sprachliches Relativitätsprinzip
Sprache teilt sich auf in verschiedene Grammatiken, Bedeutungen und Bewertungen.
Kymrische Farbskala (Kymrisch spricht man in Whales)
Sprache bei Mensch und Tier
Menschen





Sprachfähigkeit ist dem Menschen gegeben
Tiersprachen können wir herausnehmen (z.B. Bienentanz)
Lautliche Zeichensysteme
Begriffliche Verallgemeinerung
Menschliche Sprache zeichnet sich durch zweisprachliche Gliederung aus
o Bedeutungstragende Elemente - Morpheme
o Kombinationen von kleinsten bedeutungsunterscheidenden Elementen Phoneme
Tiere







Versuche mit Primaten: verblüffende Ergebnisse, dennoch ist der Unterschied zu
Menschen sehr deutlich
Tiere wie z.B. Hunde oder Elefanten haben tolle Fähigkeiten entwickelt Sprachverstehen
Tiersprachliche Äußerungen: Reflexe auf Signale
Den Menschen ist ein angeborenes Modul gegeben, aber auch Tiere haben
angeborene Reflexe, die nicht erlernt werden müssen
Einzelne Elemente können nicht neu kombiniert werden - Kombination von
Elementen
Begriffliche Verallgemeinerung ist bei Tieren nicht möglich
Metasprachliche Kompetenz fehlt vollkommen
6
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Sprachverstehen und Sprachproduktion
-> Reihe von Hindernissen möglich
Sprachverstehen





Was sagt mir der Andere? Was hat er gemeint?
Weg verläuft von außen (hören/sehen -> Gebärdensprache) nach innen
Fehlleistungen spielen eine große Rolle - fehlerhaftes Verarbeiten von sprachlichen
Sequenzen (z.B. Internet: Agathe Bauer, Anneliese Braun; Der Mond ist
aufgegangen...Der weiße Neger Wumbaba)
Wahrnehmen von Lautäußerungen: wir können eine menschliche Sprache erkennen
Dekodierung (=Entschlüsselung) von Äußerungen
Sprachproduktion




Fehlleistungen: nicht die Verhörer, sondern die Versprecher spielen eine Rolle ->
Fehler bei der Sprachproduktion
Weg von innen nach außen
Patholinguistik: andere Parameter bei pathologischen Störungen
TOT-Phänomen (Tip of Tongue): Blockade von wenig Frequentem
7
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
2. Sprachtypologie
Wo steht die deutsche Sprache typologisch?
-> Sprachen der Welt werden nach bestimmten Kriterien kategorisiert.
-> Man versucht, bestimmte Typen voneinander abzuheben
-> Suche nach differenzierenden Strukturmerkmalen.
[Nicht verwechseln mit genealogischen Sprachverwandtschaften!]
August Wilhelm Schlegel
Unterscheidung von analytischem und synthetischen Sprachgebrauch
Analytischer Sprachgebrauch
Synthetischer Sprachgebrauch
Arbeitet mithilfe von syntaktischen Mitteln
(=Hilfswörter)
Morphologie
Analytische Strukturen haben sich vermehrt
Latein ist sehr stark synthetisch gebildet (z.B.
synthetisches Passiv: laudatur - er/sie/es
wird gelobt)
Sprachfamilien
Die meisten Sprachen lassen sich Sprachfamilien zuordnen. (z.B. germanisch)
Einige Sprachen scheinen isoliert zu sein. (z.B. Baskisch, Koreanisch)
Universalienforschung
Suche nach Strukturmerkmalen, die allen/den meisten Sprachen gemein sind.
Substantielle Universalien / Universelle Implikationen
Sprachbund, z.B. SAE
40 Sprachen wurden auf gemeinsame Merkmale überprüft (z.B. Passiv, Dativ, Artikel,
obligatorischer Gebrauch von Subjektpronomen - pro-drop z.B. Italienisch, Spanisch)
Formale Charakteristika
Lautebene:



Inventar an Vokalen und Konsonanten sehr unterschiedlich
Lautkombinationen innerhalb von Silben
Intonation (fallend/steigend, z.B. Chinesisch vs. Deutsch)
Kennzeichnung grammatischer Kategorien und Relationen:

Isolierende (=amorphe) Sprachen haben unveränderbare Wörter. Entscheidend ist
die Syntax.
z.B. Chinesisch, Vietnamesisch
8
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
o Englisch ist stark in der Nähe der isolierenden Sprachen.
Bsp. The dog bites the postman. <-> The postman bites the dog. ?
 Inkorpoorierende Sprachen (einverleibend, polysynthetisch)
Ein ganzer Satzinhalt wird in einem Wort ausgedrückt.
z.B. Tschuktschisch, Grönländisch
 Agglutinierende Sprachen haben unveränderliche Stämme, an die unselbstständige
Morphe (Affixe) treten.
z.B. Türkisch
(Im Deutschen gibt es für -en zahlreiche Möglichkeiten: Plural, Infinitiv, Adjektiv,... bei einer agglutinierenden Sprache wäre das kaum möglich)
 Flektierende Sprachen
o Formveränderungen innerhalb der Wortstämme
o Formveränderungen durch (polyfunktionale) Affixe, die an den Stamm treten
Wurzelflektierende Sprache: z.B. Arabisch
Ablaut: geregelter Vokalwechsel bei wurzelverwandten Wörtern z.B. binden - band gebunden
Umlaut: Wechsel, der auf einen Wandel zurückgeht
Neuer Ansatz der Sprachtypologie
Die Sprachen der Welt können eingeteilt werden in

Silbensprachen:
o Optimierung der Silbenstruktur steht im Vordergrund
o Eine gute Silbenstruktur wird erreicht durch einen regelmäßigen Wechsel von
Vokalen und Konsonanten (K-V-K-V...)
o Silbenstruktur ist mehr oder weniger unabhängig von der Wortposition
o Einheitliches Vokalsystem in allen Silben
o Haben einen schwach ausgeprägten Wortakzent z.B. Japanisch
o Sind für den Sprecher vorteilhaft, aber nicht für den Rezipienten
 Wortsprachen:
o phonologisches Wort steht im Vordergrund
o häufig komplexe Silben
o Unbetonte/betonte Silben
o Haben einen deutlichen Wortakzent z.B. Deutsch
o Sind hörerfreundlicher
Deutsch hat sich von einem Typ zum Anderen gewandelt:
Althochdeutsch (Silbensprache) -> Neuhochdeutsch (Wortsprache)
9
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Bsp. althd. salbota -> mhd. salbete -> nhd. salbte
Bsp. tomo - tomas - toma (Silbensprache - spanisch)
nehme - nimmst -nimmt (Wortsprache)
Epenthese (Einschub)
Sowohl in Silben- als auch in Wortsprachen.
Vokalepenthese: man möchte die Anhäufung von Konsonanten vermeiden
Vermeidung von Hiatus -> Aufeinanderfolgen von Vokalen
mhd. bur - Bauer
pereg - perg
buan - ahd. büwan
[Wortgrenze markieren: Wortakzent, reduzierte Vokale in unbetonten Silben]
Number of Genders
Im Deutschen gibt es 3 Geschlechter, in manchen Sprachen sogar 5 oder mehr (andere
Kategorien werden berücksichtigt z.B. belebt, zählbar).
Silbenstruktur - In Europa sehr komplex.
Wortakzent - Es gibt viele Sprachen, wo es keinen fixen Wortakzent gibt.
Wortstellungstypologie
-> Bekannte Einteilung von Sprachen
-> Wie ist die Abfolge von Subjekt, Verb und Objekt? (6 Möglichkeiten)
Abfolgen der meisten Sprachen:

SVO-Sprachen: Kühe fressen Gras
o Englisch, Finnisch, Chinesisch usw.
 VSO-Sprachen: Fressen Kühe Gras
o Arabisch, Kymrisch usw.
 SOV-Sprachen: Kühe Gras fressen
o Hindi, Türkisch usw.
Objekt vor Subjekt:


VOS: Fressen Gras Kühe
OSV: Gras Kühe fressen
10
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka

OVS: Gras fressen Kühe
Deutsch ist ein Mischtyp.
Urindogermanisch: (S)OV-Sprache
Stark vereinfachte Form: Subjekt weglassen

SVO, VSO -> VO-Sprachen (zentrifugal, emissiv)
o NA: Substantiv vor Adjektiv, z.B. rosa blanca (spanisch)
-> emissiv
o NG: Nomen mit attributivem Genetiv
o Pr: Präpositionen, z.B. im Himmel
 SOV -> OV-Sprachen (zentripetal, rezeptiv)
o AN: Adjektiv vor Substantiv, z.B. weiße Rose
-> rezeptiv
o GN: z.B. laivan lähtö (finnisch: des Dampfers Abfahrt)
o Po: Postpositionen, z.B. svarg men (Hindi: Himmel im)
Charakteristika




Phonetik/Phonologie
Morphologie
Syntax
Variation
Gerundete Vorderzungenvokale: ü, ö
In Europa gibt es ein paar Sprachen mit high and mid.
Vokalische Charakteristika der deutschen Standardsprache

Unterschied zwischen Monophthongen und Diphthongen (ei, eu, au)
o Monophthong: Vokal, bei dem sich während der Dauer der Artikulation nichts tut
o Diphthong: Ausgangspunkt und Endpunkt – dazwischen liegt ein Kontinuum (es
sind nicht nur zwei Vokale!)
 In Dialekten gibt es viele Diphthonge (z.B. „Schui“, „Stean“)
 Phonologisch distinktive Vokallänge (zumindest hinsichtlich Monophthongen) bzw.
gespannte : ungespannte Vokale, z.B. Unterschied Ratte – rate
 Ungerundete : gerundete Palatalvokale (http://wals.info...)
 Tonhöhe nicht phonologisch
o Tonsprachen; Tonverlauf (fallend, steigend usw.), z.B. Chinesisch
Unterschied Vokale – Konsonanten

Vokale sind stimmhaft (Stimmbänder sind angenähert und erzeugen periodische
Schwingungen, ein Stimmton entsteht)
11
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
o Unterschiedliche Vokalqualitäten -> unterschiedliche Ausformung der
Resonanzräume
 Konsonanten: Luftstrom tritt auf ein Hindernis; es gibt stimmhafte und stimmlose
Konsonantensystem der deutschen Standardsprache






Frikative: Engebildung
Plosive: Vollverschluss, Überdruck entsteht, wird explosionsartig gelöst
Affrikaten: Verschluss wird in den Reibelaut hinein gelöst, z.B. pf
Nasale: Vollverschluss, Nasenraum wird miteinbezogen, Gaumensegel (Velum)
geschlossen, Luft kann durch die Nase entweichen, stimmhaft
Laterale: Seitenlaut, stimmhaft, Luft kann seitlich vorbei, Teilverschluss, „l“
Vibranten: r, R; vorderes r: Zungenspitze vibriert, hinteres r: Gaumenzäpfchen
vibriert gegen den hinteren Teil der Zunge
Konsonantische Charakteristika der deutschen Sprache




Relativ wenig Nasale
Recht viele Obstruenten: Plosive, Frikative, Affrikaten, Glottisverschluss
Fortes (stark) und (phonologisch distinktive) Lenes (weich – d,b,g): s. Tier : dir, Pein :
Bein, Krippe : Grippe
Auslautverhärtung: Stimmtonverlust am Ende des Wortes, ab dem
Mittelhochdeutschen, Bsp.: ahd. tag -> mhd. tac, im Englischen gibt es keine
Auslautverhärtung
Homophonie: z.B. Rad wird gleich ausgesprochen wie Rat
Silbenstrukturelle Charakteristika des Neuhochdeutschen



Relativ komplexe Silbenstrukturen (Nhd. = „Wortsprache“),
z.B. strolchst (K), (K), (K) V (K), (K), (K), (K)
Reduzierter Nebensilbenvokalismus: z.B. Lateinisch, Althochdeutsch,…
Keine Vokalharmonie (Assimilation von Vokalen in Abhängigkeit von
Nachbarvokalen): s. aber ahd. „i-Umlaut“
Die vokalische Distanz wird verringert
Prosodisch-intonatorische Charakteristika des Deutschen



Wortakzent auf Stammsilbe
(Akzentzählung: Konstante Abstände zwischen betonten Silben)
Satzmelodie ist funktional gesteuert: s. etwa Deklarativ-, Imperativ- und Fragesatz
Drei Möglichkeiten einer Satzintonation im Deutschen

Fallend (terminal): z.B. „Ich habe heute noch kein Mittagessen gehabt.“
12
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka


Steigend (interrogativ): z.B. „Gehst du mit mir ins Kino“ –> Entscheidungsfrage; aber
nicht „Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?“ –> Ergänzungsfrage -> fallend
intoniert
Weiterführend (progredient): Bei Übergängen von Sätzen, z.B. „Die Wurst, die du mir
gebracht hast, ist schlecht.“ (endet fallend)
Satzmelodien haben bestimmte Funktionen.
Morphologie



Am Wort verändert sich etwas
Flexion: Bedeutungskonstanz, z.B. ich spiele, du spielst
Wortbildung: Bildung von komplexen Wörtern aus dem vorhandenen sprachlichen
Inventar - es entsteht etwas Neues, z.B. Spieler, Spiel, spielsüchtig
Konstruktionsbezogene Aspekte des Deutschen
Wortbildungsarten des Deutschen
Das Deutsche ist sehr produktiv bezüglich Wortbildungsarten.
Wortbildung = Bildung von neuen Wörtern auf Basis von vorhandenem sprachlichen
Material







Komposition: Zusammensetzung aus mehreren verschiedenen Wörtern, z.B. Lehrbuch (engere Kategorie als Buch), Kant-studien
o Produkt: Kompositum, Pl. Komposita
o Zwei Bestandteile: Grundwort und Bestimmungswort -> können auch komplex
sein - Simplex/Komplex, z.B. Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän)
o Determinativkomposita: Bestimmungswort (Erstglied), Grundwort
o Kopulativkomposita: Additive Aneinanderfügung von zwei Einheiten (könnte auch
umgedreht werden), z.B. Dichterkomponist, nasskalt
Kontamination: Verschmelzung aus verschiedenen Wörtern, eher spielerischer
Charakter, z.B. Kurlaub (Kur, Urlaub)
Derivation: Ableitung eines Wortes durch wortarttypische Suffixe, z.B. Frech-heit,
herz-lich
Präfixbildung: Wortbildung durch vorangestellte Affixe, z.B. Un-sinn, ver-legen
Konversion: Wortartenwechsel ohne Stammänderung, z.B. Fisch, fisch-en
Akronymenbildung: Abkürzungswörter, z.B. EDV
Kurzwortbildung: z.B. Uni statt Universität, Bus anstelle von Omnibus, Cello statt
Violoncello
13
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Inventar an grammatischen Kategorien des Deutschen
1.
2.
3.
4.
Person
Numerus: Singular, Plural, Dual (ausgestorben)
Genus Verbi (Pl. Genera): aktiv (synthetisch), passiv (analytisch)
Tempus: synthetisch: Präsens, Präteritum; analytisch: Perfekt, Futur I&II,
Plusquamperfekt
5. Modus (Pl. Modi): Indikativ, Konjunktiv (kann analytisch und synthetisch sein),
Imperativ
Grammatische Kategorien, die durch Flexion zum Ausdruck gebracht werden können:

Verben
o Modi in anderen Sprachen: z.B. Optativ, Involuntativ, Energikus
 Substantiv/Nomen
o Genus: Maskulinum, Femininum, Neutrum
o Weitere Numeri: Dualis, Trialis, Paucalis
o Kasus im Deutschen: Nominativ (neutral), Genitiv (Attribut, Objekt, Adverbiale), Dativ
(indirektes Objekt), Akkusativ (direktes Objekt, Adverbiale)
o Kasus in anderen Sprachen: Ablativ, Lokativ, Instrumental, Vokativ
 Adjektiv: Komparation (manchmal nicht möglich, z.B. bei "tot")
14
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
3. Variationslinguistik
Allgemeines:













Varietäten sind Ausprägungen von Sprachen.
Bestimmte Sprachform, die durch spezifische außersprachliche Kriterien definiert wird
Regionales (der Raum), Alter, Geschlecht, Soziales usw. spielen eine Rolle -> sehr
vielfältig
Lekt: Oberbegriff für verschiedene Varietäten
Heutzutage gibt es ein Anstreben dialektferner Aussprache (möglichst standardnah)
Raum: Dialekte, Regiolekte, regionale Umgangssprachen usw.
Soziolekte -> haben mit sozialen Parametern zu tun; Zusammenhang SpracheGesellschaft
Art der medialen Manifestation (schriftlich vs. Mündlich)
Idiolekte: Sprache einzelner Individuen
o Bloch 1948
o Gesamtheit möglicher Äußerungen, individueller Sprachgebrauch des Einzelnen
o Wissenschaftlich relevant? Unterschiede sind Realität.
o Schnittmenge verschiedener Idiolekte: Varietäten
Geschlecht: konkurrierende Termini Sexlekt, Sexolekt (beides überholt) und Genderlekt
o Sexlekt/Sexolekt: vieldiskutiert und in Frage gestellt
o Genderlekt trifft eher das, worum es geht (soziale Rolle)
o Interaktion zwischen den Geschlechtern
o Vorurteile
o Feministische Sprachwissenschaft
Situolekte: Sprache in verschiedenen Situationen, verschiedenen außersprachlichen
Einbettungen
o Wer spricht mit wem in welchem Umfeld was?
Funktiolekte: Alltagssprache, Literatursprache, Pressesprache usw.
Mediolekte: mündlich vs. Schriftlich; mediale Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit;
Konzeption
o Schriftlich konzipiert, mündlich realisiert: z.B. Predigt, Vortrag
o Konzeptionell mündlich, medial schriftlich: z.B. Grußkarte, soziale Netzwerke
o Konzeptionell und medial schriftlich: z.B. Gesetzestext
o Konzeptionell und medial mündlich: z.B. Gespräch mit Freunden
Räumliche Varietäten (Sprache im Raum)

Standardsprache, Umgangssprache, Verkehrsdialekt, Basisdialekt -> Kontinuum, keine
genaue Einteilung möglich
o Basisdialekt: Ältere Menschen, die kaum ihren Heimatort verlassen haben.
15
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
o Verkehrsdialekt: Jüngere Menschen, die sich sprachlich auf ein nicht allzu weit
entferntes Zentrum ausrichten, z.B. Wien.
o Umgangssprache: schwieriger Begriff in der Sprachwissenschaft
o Standardsprache: überregional?
 Mündliche Verwendung
 Im gesamten Sprachraum unbegrenzte Reichweite
 Ergebnis eines komplizierten historischen Ausgleichprozesses
 Deutsche Standardsprache: mündliche Realisierung der Schriftsprache
 Orts- und regionsgebundene Varietäten
 Überregionalität erst später
 Maximale kommunikative Reichweite der Standardsprache
 Dialekte haben im Vergleich eine minimale kommunikative Reichweite
Schriftsprache




Spaltung im deutschsprachigen Raum: Reformation, Gegenreformation, Rekatholisierung
Unterschiede zwischen Schreibsprachgebrauch
Unterschiede verschwinden in der Schriftsprache
Unterschiede in der Lexik: z.B. Karfiol-Blumenkohl, Quark-Topfen, Möhre-Karotte
Räumlich definierte Varietäten






Standardsprache: Prinzipiell überregional
Regiolekte Umgangssprache: landschaftsgebundene Varietäten „unterhalb“ des
Standards
Dialekte: das „untere“ Ende des Varietätenspektrums
Bußmann: Sprachsystem -> regional gebunden, keine kodifizierte Schriftlichkeit
Wiesinger: verschiedene Kriterien einer Definition; Protosystem: früheres System
Löffler: Hochsprache und Dialekt
Hochsprache-Dialekt
Prototypische Zuweisungen nach Löffler
a) Kriterium er Sprachbenutzer
 Hochsprache: Mittel- und Oberschicht
 Dialekt: Unterschicht
b) Kriterium des Verwendungsbereiches
 Hochsprache: öffentlicher (überörtlicher) Bereich, mündliche und schriftliche Rede
 Dialekt: familiär-intimer Bereich (örtlich), mündlicher Sprachgebrauch
c) Kriterium der räumlichen Erstreckung
 Hochsprache: überörtlich, räumlich nicht begrenzt, nicht landschaftsspezifisch
 Dialekt: orts- und raumgebunden, landschaftsspezifisch
d) Kriterium der kommunikativen Reichweite
16
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka

Hochsprache: unbegrenzte, optimale kommunikative Reichweite, größter
Verständigungsradius
 Dialekt: begrenzte, minimale kommunikative Reichweite, geringster
Verständigungsradius
e) Kriterium der sprachgeschichtlichen Entstehung
 Einziges Protosystem; Deutsch -> komplexe Materie, lässt sich nicht linear auf einen
Dialekt zurückführen
 Dialekte: Weiterentwicklung eines Protosystems, geschichtlich „linearer“
beschreibbar als die deutsche Schrift- bzw. Standardsprache
f) Linguistische Kriterien
 Zwei Möglichkeiten:
o Defizithypothese
o These von Jan Goossens
Defizit vs. Differenz


Hochsprache: optimale Besetzung aller grammatischen Ebenen, reicher Wortschatz
Dialekt: dürftige Besetzung aller grammatischen Ebenen
Elaborierter Code: differenziert
Restringierter Code
Dialektsprecher -> restringierte kommunikative Möglichkeiten
Dialekt -> defektives Sprachsystem (gilt heute als überholt)
Differenzhypothese



Unterschiede wertfrei beschreiben
Es gibt Unterschiede, aber Dialekt ist nicht ganz schlecht und Hochsprache nicht ganz gut
Breites Spektrum an Varietäten ist gut
These von Jan Goossens (1977)
Zwischen den einzelnen Varietäten von Hochsprache bis Dialekt liegen Regeln.
Dialekt ist jenes sprachliche System, das von der Hochsprache durch eine maximale Anzahl
von Regeln getrennt ist.




Es gibt eine ganze Reihe von Zwischenstufen
Vom „tiefsten“ Dialekt bis hin zur Hochsprache
Unterschiede sind erfassbar und durch Regeln beschreibbar
In der Praxis sind diese Regeln schwer vollständig
Zwischen Hochsprache und Dialekt gibt es keine scharfen Angrenzungen ->
Varietätenkontinuum
17
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Deutsche Dialekte – ein knapper Rundblick
Zweiteilung:


Nördlicher Teil: Niederdeutsch
Südlicher Teil: Hochdeutsch
Niederdeutsch vs. Hochdeutsch
Zweite (Hochdeutsche) Lautverschiebung
Wandlung um 500 n.Chr.
Plosive
„Benrather“ Linie



maken-machen-Linie
nördlichste Ausdehnung
Benrath liegt am Rhein -> Lautverschiebungsgrenzen werden danach benannt, wo die
Orte den Rhein überqueren
Merkmale des Niederdeutschen




Nasalschwund vor Frikativen: fīf, gōs (hd fünf, Gans)
Das maskuline Personalpronomen lautet im Nd. hē (hd. er)
Das Fragewort wie lautet im Nd. Wō
Einheitsplural im Singular der Verben: wir/ihr/sie gebet bzw. geben (hd. geben – gebt –
geben(t))
... und anderes mehr
Hochdeutsch: Mitteldeutsch und Oberdeutsch
Mitteldeutsch: Westmitteldeutsch und Ostmitteldeutsch

Mitteldeutsch:
o Nördlich begrenzt von der maken-machen-Linie
o Südlich begrenzt von der Appel-Apfel-Linie
Appel-Appel-Linie: Verschiebung im Mitteldeutschen nicht, im Oberdeutschen schon.
Das Oberdeutsche im Süden des deutschen Sprachraums umfasst drei große
Dialektgruppen:



Ostfränkisch
Alemannisch
Bairisch (nicht Stadt, sondern Sprache gemeint!)
18
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Unterscheidungsmerkmale zwischen Mitteldeutsch und Oberdeutsch:

Mitteldeutsche Dialekte weisen Monophthongierung der mhd. Diphthonge ie-ü-uo auf
(Merkspruch: liebe guote brüeder), im Oberdeutschen nach wie vor diphthongische
Lautungen.
o ie > i
o üe > ü
o uo > u
 Im Oberdeutschen stirbt in den Dialekten bald nach 1500 das Präteritum aus (z.B. ich
ging -> ich bin gegangen); im Mitteldeutschen kann es sich auch mündlich behaupten.
 Diminutivsuffixe (Verkleinerungsform): im Mitteldeutschen ist –chen die heimische
Form, im Oberdeutschen sind es Formen, die auf –lin zurückgehen.
Korrelation


Langvokal + Lenes (schwacher Konsonant) z.B. weder
Kurzvokal + Fortis (starker Konsonant)
Mittelbairisch: Vokalisierung von r und l




r
r + K (Konsonant)
l
l+K
Beispiele: ‚wer‘ und ‚folgen‘ werden vokalisiert; voll -> vui, viel -> vü
Südbairisch


kennt diese Vokalisierung nicht
Eigenentwicklungen/Neuerungen:
o mhd. e-oe-o > er-or
o -gt > -k
o -bt > k
Das Oberdeutsche ist bei der Lautverschiebung konsequent.
Funktiolekte

Funktion: kommunikativer Zweck von sprachlichen Zeichen
Einteilung funktionaler Varietäten:
man nimmt an, es gibt Texte aller Art: (± binäres System)
1) ± „ungezwungen-locker“ (+ Alltagssprache, - der Rest)
2) ± literarisch geformt (+ Literatursprache)
19
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
3) ± theoretisch abstrakt (+ Wissensch.-/Fachsprache)
4) ± bürokratisch formalisiert (+ Behördensprache)
5) ± ohne bürokratische Formalisierung; journalistisch geformt vs. anpreisend-persuasiv (+
Presse-; Werbesprache)
Fachsprachen/Wissenschaftssprachen
DF: Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren
Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung der dort tätigen
Fachleute zu gewährleisten.
- Hoffmann
Es gibt nicht nur eine Fachsprache -> hat nur im Plural Berechtigung (Fachsprachen)
Abgrenzung von Fächern


horizontale Gliederung: welche Fachsprachen gibt es eigentlich und wie lassen sie sich
abgrenzen? (Chemie, Mathematik usw.)
vertikale Gliederung: eine hierarchische Gliederung innerhalb eines bestimmten
Fachbereichs (z.B. Krankenschwester – Arzt)
Berufssprache ist ein ungenauer Begriff!
Es geht nicht nur um den Fachwortschatz, sondern um eine Charakterisierung auf allen
sprachlichen Ebenen.
Lexik
In jeder Fachsprache gibt es spezifische Wortschatz-Elemente. (z.B. Aktant in der
Sprachwissenschaft)
„Gütemerkmale“





Exaktheit
Eineindeutigkeit (1:1 Verhältnis zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite)
Selbstdeutigkeit
Knappheit: je kürzer, desto besser (z.B. EKG) – Sechsdeutigkeit geht verloren
Neutralität: Fachwörter sollen nicht grob sein
1:1 Verhältnis: Fachwörter sind z.B. in Operationssälen wichtig, man sollte aber
differenzieren.


Sechsdeutigkeit: z.B. Schnecke -> etwas Spiraliges; Knie -> etwas Gebogenes
Kontextautonomie: wenn ein bestimmtes Fachwort ohne Kontext festbesteht
Morphologie

Flexion
20
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
o besondere Plurale/Singulare (z.B. das Elter)
o anderes Genus
o Verbflexion
 Wortbildung
o Komposition (z.B. –itis)
o Derivation
o Konversion
o Abkürzungen etc.
Syntax
Typische Muster syntaktischer Gestaltung:



Syntaktische Strategien zur Anonymisierung
„explizite Spezifizierung“
Kondensierung
Text
Fachsprachliche Texte vs. nicht-fachsprachliche Texte


Fachprachliche Texte: logisch gegliederte Abschnitte, Fußnoten, Zusammenfassung usw.
In Gesetzestexten eher stereotype Satzanfänge usw.
Graphematik, Orthographie: z.B. ph- statt f-Schreibung
Lautebene: z.B. langes o bei ‚Ost‘ (wegen Verwechslungsgefahr)
21
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Herkunft des Fachwortschatzes
Verschiedene Verfahren:
a) mithilfe von Wortbildungselementen
 Wortbildung = Bildung neuer Wörter auf Basis des bereits vorhandenen Inventar
(Morphologie; Flexion = neue Wortformen)
 Präfigierung (z.B. verfüllen), Suffigierung (z.B. –itis), Komposition (z.B.
Trapezgewindeschleifmaschine – verstößt aber gegen Gütekriterium Knappheit),
Wortkürzung (z.B. MPBetreibV)
 Determinativkomposita (z.B. Trapezgewindeschleifmaschine), Kopulativkomposita
(z.B. nasskalt, Dichterkomponist)
b) Entlehnung, Lehnübersetzung
 Übernahmen aus dem Griechischen und Lateinischen, heute auch aus anderen
Sprachen (vor allem Englisch)
 Entlehnung: z.B. Diagnose, Ventrikel, Software, Langue/Parole
 Lehnübersetzung: z.B. herunterladen (aus engl. downloaden)
c) Transposition von Eigennamen
 z.B. Gauß, Hertz, Parkinson, Vernersches Gesetz
d) Metaphorisierung
 basierend auf Ähnlichkeitsrelationen in Bezug auf Form oder Funktion
 z.B. Muschel, Frosch, Auge, Zahn, Knie, Schnecke (weist auf etwas Spiraliges hin),…
e) Terminologisierung
 Wörter gibt es auch in der Gemeinsprache, sie haben dort aber einen Haken
 z.B. wird „Wärme“ in der Physik für jeden Temperaturzustand gebraucht ->
Gemeinsprachliches Merkmal (fühlbar nicht kalt) ist neutralisiert
 z.B. Kurve: optisch erkennbar gekrümmt – in der Geometrie ist aber auch eine
Gerade eine Kurve (Radius unendlich)
f) (Absolute Neubildungen)
22
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
4. Soziolinguistik
Allgemein






relativ junge Disziplin, Ursprünge 50er Jahre USA
wissenschaftlich etabliert seit den 60er Jahren
beschäftigt sich mit Sprache und Gesellschaft
Sprache und Sprechen (als Handeln) in der Gesellschaft
alles was nicht zur Systemlinguistik gehört
Wer spricht was wie wann mit wem unter welchen (sozialen) Umständen mit welchen
Absichten/Konsequenzen?
Basil Bernstein (1924-2000)
Defizithypothese (60er Jahre)



Angehörige der Arbeiterschicht haben im Vergleich zur Oberschicht unterschiedliche
Sprachverhältnisse
Die Unterschicht (charakterisiert durch schulische Ausbildung usw.) kommuniziert in
Form eines restringierten Codes (eingeschränkt)
Mittel- und Oberschicht kommunizieren in Form eines elaborierten Codes (stärker
ausgebaut, sorgfältiger ausgearbeitet)
Kriterien



Frage der grammatischen Korrektheit sprachlicher Äußerungen
Logische Strukturierung
Umfang des Vokabulars
Fazit








Sprache der Unterschicht ist defizitär (schlechtere Qualität)
Elaborierter Code: größere Varianz bei der Wortwahl usw., kognitive Entwicklung
gefördert
Bernstein hat sich nur auf Ergebnisse in England bezogen
Ergebnisse unabhängig von Intelligenz
Bernstein wollte bildungspolitische Maßnahmen setzen und Förderprogramme
ermöglichen -> Weg zu höherem Sprachniveau (elaborierter Code) -> beruflicher
Werdegang erleichtern
Sprachbarrierendiskussion lange vorhanden (teilweise bis heute)
Trotz bildungspolitischer Unterrichtsideen/-maßnahmen keine positiven Ergebnisse
Heftige Kritik trotz edlem Ziel
23
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
William LABOV (1927)


Kritik an der Defizithypothese
Schwarze Bevölkerung in Amerika: Sprachliche Unterschiede, aber Sprache nicht defizitär
-> kaum qualitative Unterschiede
Differenzhypothese

Unterschiede im Sprachgebrauch, aber keine Unterschiede in Bezug auf die
Ausdrucksfähigkeit
Defizithypothese: restr.C.: Wirklichkeit kann nicht konkret abgebildet werden
Differenzhypothese: restr.C.: man kann ebenso viel ausdrücken, nur mit anderen Mitteln
Verbindung Dialekt mit restringiertem Code: Dialekte keine Defizite, bloß Differenzen
Soziolekte


Gruppenspezifische Varietäten (im weitesten Sinn)
Eigentliche Soziolekte: transitorisch, temporär, habituell
Transitorische Soziolekte (vorübergehend)
Sprachformen, Durchgangsstatus – Ablaufdatum, Lebensaltersprachen
Lebensaltersprachen: vier Stadien




„Kindersprache“: vom ersten Sprechen bis zum Beginn der Schulzeit -> Vorschulalter,
Erstspracherwerb nicht gemeint
„Schüler- und Jugendsprache“: bis zum Ende der beruflichen Ausbildung
„Erwachsenensprache“: während der Zeit der Berufsausübung, auch Zeit der
Kindererziehung
„Alterssprache“/“Seniorensprache“: Zeit nach der Berufsausübung
Jugendsprache




Keine eigene Varietät
Wer definiert Jugend?
Scheuch: „Die Jugend gibt es nicht“
Es gibt mindestens sechs Möglichkeiten, Jugend zu bezeichnen
1. Jugend als biologische Altersphase: Pubertät/Adoleszenz
2. Jugend als sozial definierte Alltagsphase: z.B. Strafmündigkeit (Jugend endet wenn
Strafmündigkeit beginnt), Konfirmation, Firmung usw.
3. Jugend als soziale Altersgruppe; Subkultur, Jugend als Problemgruppen
24
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka



Schlobinski "Jugendsprache" -> Mythos von der Jugendsprache
Jugendsprache ist ein komplexes Varietätenbündel
Punktuelle Feststellungen
Kindersprache

Pädagogisches Engagement sehr stark (nicht deskriptiv wissenschaftlich)
Erwachsenensprache






wurde als wenig lohnender Forschungsgegenstand gesehen
erscheinen weniger als Gruppe -> einzelne Individuen
berufsbedingte Mobilität
größere Bandbreite von Varietäten
Situationsangepasste Register
Potentielle Kommunikationsfähigkeit
Alterssprache


große Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen
Man muss altersbedingte Prozesse/Abbauprozesse berücksichtigen
Dialektologie, Dialektsoziologie


geographisch, berufsbedingt und sprachlich mobile Menschen -> tendenziell monolektale
Sprechweise (kommunizieren stärker in einer Varietät)
Sprachbiografien/Kommunikationsbiografien - sehr unterschiedlich
Temporäre Soziolekte


Sprache, die Menschen zu einer bestimmten Zeit gebrauchen
Bsp. Soldatensprache, Sportvereine, Hobbygesellschaften
Habituelle Soziolekte



Bewusstsein, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern herrschen
Frauensprache - Männersprache
Sex(o)lekte, Genderlekte (soziale Rolle)
Otto Jespersen




20er Jahre (20. Jh.)
Unterschiede/Divergenzen in Wortschatz, Stil, Syntax, in der sich sprachlich
auswirkender Gedankenführung
Frauen: feinere, verhüllte Ausdrücke; schrecken vor groben Ausdrücken zurück
Wortschatz geringer als der von Männern
25
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka




Wortgebrauch von Männern mehr an Öffentlichkeit orientiert (Hypotaxe), Wortgebrauch
von Frauen mehr an Familie (Parataxe)
Frauen lassen laut Jespersen Sätze unvollendet und denken nicht zu Ende konservativere Sprache
Voreingenommenheit von Jespersen führte erst ab den 70er Jahren zu heftigen
Reaktionen (Sexismus usw.)
deskriptiv: wertfrei beschreiben; sprachkritisch orientiert -> sprachkritischer Zweig
präsenter
Sondersprachen


Varietäten von Außenseitergruppen, z.B. Gaunersprache (grenzen sich ab)
Bsp. Jiddisch: Europäische Juden, Gemenge aus deutschem Grundwortschatz, viele
hebräische Wörter, viele Dialektismen je nach Region, heutzutage kaum noch vorhanden
Drei Themenblöcke:
Gesprächslinguistik, Konversationsmaximen, Sprechakttheorie
Gespräch




Gesprochene sprachliche Interaktionsform, an der mindestens zwei Partner beteiligt sind
zeitlich und räumlich unmittelbarer Kontakt (heute Ausnahme: Telefongespräch)
Einmal Sprecher, einmal Hörer -> Wechselrede
Gesprächsthema vorhanden (mehrere können aufeinandertreffen)
Sprecherwechsel


Fremdwahl: jemandem das Wort erteilen
Selbstwahl: Rederecht selbst nehmen
Zeitpunkte (Sprecherwechsel)
a) Sprecherwechsel ohne Pause (oder kurz) zwischen den turns
turn: einzelner Redebeitrag ("ja" ist kein turn, sondern Feedback)
b) Sprecherwechsel mit Überlappung
c) Unterbrechung


Unterschiede soziale Rollen/Hierarchien: z.B. Professor darf unterbrechen
Unterbrechung kann unangenehm sein oder toleriert werden
d) Sprecherwechsel mit längerer Pause


verschiedene Faktoren
unüblich lang: Unbehagen?
26
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Rolle des Sprechers



Rederecht
wie lange
Signale, dass man das Rederecht behalten will: Intonationsmuster, Blickkontakt usw.
Rolle des Hörers

es werden bestimmte Signale erwartet
o aufmerksamkeitsbezeugende Signale: bestätigend, eigene Aufmerksamkeit
demonstrieren
o kommentierende Signale
(auch nonverbal: Nicken, Lächeln, Applaus usw.)
Phasen des Gesprächs
Immer drei Phasen:


Eröffnungsphase: nonverbale/verbale Vorbereitung - Umfang unterschiedlich
Kernphase
o Thema ist festgelegt, z.B. Sitzung einer Kommission (ritualisierte Handlungen bei z.B.
Geschäftsgespräch)
o Thema ergibt sich noch
 Beendigungsphase
o verbale Signale
o nonverbale Signale
-> obligatorisch: Grußfloskeln
Konversationsmaximen
-> Maximen, die die Kommunikation steuern
Sg. die Maxime, Pl. die Maximen
Paul Grice
Kooperationsprinzip (allgemeines Prinzip)

Quantität

Qualität

Relation

Modalität
27
VO Schnittstellen
SS 16, Franz Patocka
Bemerkungen zur Sprechakttheorie



Sprechen als Tätigkeit/Handeln
Urvater: John Austin, Searle
verschiedene Teilhandlungen (Austin):
o lokutiv
o illokutiv
o perlokutiv
 Searle unterteilt noch in Äußerungsakt und Propositionaler Akt
o Propositionaler Akt: Bsp. Rauchen ist ungesund. Peter raucht nicht mehr. (Rauchen =
Proposition, gemeinsamer Kern/neutraler gemeinsamer Nenner)
28
Herunterladen