Grundlagen der Pharmakoökonomik Teil 1: Theorie Prof. Dr. Steffen Fleßa Lehrstuhl für ABWL und Gesundheitsmanagement Ökonomie • Bezeichnet jemanden, der einen Haushalt führt – oikos = Haus – nomos = Gesetz • Entscheidungsprobleme: – Welche Arbeiten werden von wem getan? – Welche Gebäude, Maschinen oder welcher Boden ist dafür erforderlich? – Wie werden erzeugte Waren verteilt? • Ziele und Restriktionen Grundproblem des Wirtschaftens • Schlaraffenland: keine Knappheit • Knappheit: genereller Nachfrageüberhang • Knappheit bedeutet nicht, dass es keine partielle Marktsättigung geben kann • Knappheit: Nachfrage > Angebot • Beispiele: Energieknappheit, Arbeitsplätze, Armut, Krankheit, Materialfehlbestände, Motivationsmangel… Wirtschaften • Definition: Alle Aktivitäten des Menschen zur Überwindung der Knappheit • Erfahrungsobjekt: die Wirtschaft, d.h. alle Institutionen, die zur Überwindung der Knappheit geschaffen wurden (z. B. Märkte, Unternehmen, Haushalte, Krankenhäuser,.. Wirtschaften • Erkenntnisobjekt: rationales Handeln, d. h. Handeln unter Effizienzgesichtspunkten • Folge: Gesundheitsökonomik ist die Lehre von der Überwindung der Knappheit an Gesundheitsdienstleistungen. Rationalprinzip • Minimalprinzip: Einen gegebenen Output mit • minimalem Input erreichen Maximalprinzip: Mit gegebenem Input einen Output maximieren Output Z Max! Input Rationalität • Ergiebigkeit: ein Input, ein Output • Effizienz: beliebiger Input, beliebiger Output; Gewichtung m w j 1 j n v i 1 i xj Max! yi Rationalität • Wirtschaftlichkeit (im engeren Sinne): Outputs und Inputs monetär bewertet • Auszahlungen: Tatsächliche Reduktion der Geldbestände (Kassenabfluss) • Kosten: Betriebsbedingter Werteverzehr (Vermögensverlust) • Auszahlung ≠ Kosten Rationalität • Wirtschaftlichkeit (im engeren Sinne): Outputs und Inputs monetär bewertet • Nachteil: Lebensqualität und Tod können nicht monetär bewertet werden • N.B.: GESUNDHEITSÖKONOMIK IST DIE LEHRE DER EFFIZIENZ IN DER ÜBERWINDUNG VON KNAPPHEIT; NICHT DIE LEHRE DER WIRTSCHAFTLICHKEIT! Effektivität • Effektivität: Zielerreichungsgrad • Effektivität ≠ Effizienz gem essener Output Z geplanter Output Theoriebildung • Deskriptiv: Was tut der Mensch, um Knappheit zu überwinden? Z. B. Beschreibung der Aufbauorganisation eines Unternehmens • Positiv: Wie funktionieren die Institutionen der Knappheitsüberwindung? Z. B. Wie können Arbeitsplätze geschaffen werden? Theoriebildung • Normativ: Welche Werte und Ziele haben die Knappheitsüberwinder? Z. B. Welche Grundwerte sollte ein System sozialer Fürsorge umsetzen? • Präskriptiv: Wie sollte eine Wirtschaft gestaltet sein, um diese Ziele zu erreichen? Z. B. welche Marktform verwirklicht den Freiheitsgedanken? Normativer Rahmen • Herkunft: Allgemeine Menschenrechte, Grundgesetz, Humanismus, Christentum • Grundlegende Werte: – Freiheit Betätigungsfreiheit – Gerechtigkeit Gleichheit, Startchancen– Solidarität Nächstenliebe, Brüderlichkeit Rahmenbedingungen • Freiheit: Das Prinzip der Freiheit sowie der Chancengleichheit verwirklicht sich in der Demokratie und Marktwirtschaft • Solidarität: Das Prinzip der Solidarität verwirklicht sich in dem Sozialstaatsprinzip • Folge: Zielkonflikt • Versöhnung: Soziale Marktwirtschaft Rahmenbedingung • Alle weiteren Ausführungen beschränken sich auf die Soziale Marktwirtschaft in einer Demokratie • N.B.: Pharmakoökonomik ist als Fach selbstverständlich auch in jeder anderen Sozialform denkbar Knappheit NACHFRAGE ANGEBOT Umgang mit Knappheit • Ökonomie als ethische Disziplin • Sinnvolle Allokation von Ressourcen = wie sind die zur Produktion erforderlichen Ressourcen in einer Gesellschaft zu verteilen, so dass bestmöglicher Ertrag gewährleistet ist? Marktwirtschaft • Wirtschaftswissenschaft – zeigt, wie effizient der Marktmechanismus in vielen Bereichen ist – verdeutlicht aber auch, welche Schwächen der Markt aufweist Entstehung der Nachfrage OBJEKTIVER MANGEL AN GESUNDHEIT NACHFRAGE Entstehung der Nachfrage OBJEKTIVER MANGEL AN GESUNDHEIT Anhand von objektiven Kriterien von einem Arzt feststellbar Am Markt wirksame Kaufkraft NACHFRAGE Entstehung der Nachfrage OBJEKTIVER MANGEL AN GESUNDHEIT BEDÜRFNIS BEDARF NACHFRAGE Subjektives Mangelerlebnis mit Auslöserfunktion Entstehung der Nachfrage OBJEKTIVER MANGEL AN GESUNDHEIT SUBJEKTIVES MANGELERLEBNIS = BEDÜRFNIS BEDARF NACHFRAGE Projektion eines Bedürfnisses auf ein konkretes Gut Gesundheitsökonomische Aspekte der Nachfrage Epidemiologische Modelle und Transitionen Effizienz der Interventionsstrategien Kosten-NutzenAnalyse Nutzwert-Analyse Kosten-NutzwertAnalyse KostenWirksamkeitsAnalyse QALY, DALY, etc. OBJEKTIVER MANGEL AN GESUNDHEIT Gesundheitsökonomische Aspekte der Nachfrage OBJEKTIVER MANGEL Health Education Health Promotion Aufklärung BEDÜRFNIS BEDARF Gesundheitsökonomische Aspekte der Nachfrage Finanzierbarkeit Gesundheitsbudget privater Haushalte Gebührenpolitik Krankenversicherungen Distanzverluste Nutzen Qualität Messung Sicherung BEDARF NACHFRAGE Gesundheitsökonomische Aspekte des Angebots Makroebene Definition der Versorgungsstufen Raumplanung Optimale Ressourcenallokation auf Versorgungsstufen und Regionen Mikroebene Produktionsfaktoren Leistungserstellungsprozess ANGEBOT Gesundheitsökonomische Aspekte des Marktes Gesundheitsmarkt: Bio- und Alternativmedizin Kostenlose und entgeltliche Behandlung Öffentliche und private Versorgung Preiseingriffe des Staates NACHFRAGE Menge Angebot Nachfrage Preis ANGEBOT Kosten (1) • Gesamtkosten = Betrag den Betrieb zahlt, um Produktionsfaktoren zu entlohnen • Kosten eines Unternehmens widerspiegeln den Produktionsprozess • Kostenfunktion zeigt die Kosten einer Unternehmung in Abhängigkeit der produzierten Menge Kostenverlauf: S-förmig Kosten Menge q Kosten (2) • Produktionskosten enthalten alle • Opportunitätskosten der Erzeugung von Waren und Dienstleistungen: Bsp.: Keksfabrik - Kosten für den Einkauf von Mehl - Löhne und Gehälter der Arbeitskräfte - Kapitalkosten (Opportunitätskosten der finanziellen Mittel, per Investition gebunden) - Einkommensverzicht (falls Keksfabrikant Ausbildung als EDV-Spezialist nicht ausnutzt) Kostenverlauf: S-förmig Kosten Fixkosten Menge q Fixe und variable Kosten • Kosten können in fixe und variable Kosten unterteilt werden • Fixe Kosten variieren kurzfristig nicht mit produziertem Output • Variable Kosten variieren mit produziertem Output Kostenverlauf • Bei sehr geringer Ausbringung große Bedeutung der fixen Kosten; • Geringeres Gewicht mit wachsender Ausbringung. • Bei zunehmender Produktionserweiterung resultieren Engpässen (Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, teure Sonderschichten) • Folge: Steigung des Graphen nimmt zunächst mit wachsender Ausbringung ab, erreicht ein Minimum und nimmt dann mit wachsender Ausbringung zu Kostenverlauf: S-förmig Erlöse Kosten Menge q Kostenverlauf: S-förmig Erlöse Kosten q* q_max Menge q Kostenverlauf: S-förmig Erlöse Kosten tan(α)=p α Menge q Kostenverlauf: S-förmig p0 p2 q2 q0 Menge q Kostenverlauf: S-förmig p0 p2 p3 q3 q2 q0 Menge q Kostenverlauf: S-förmig p0 p1 p2 p3 q1 q3 q2 q0 Menge q Angebotskurve Preis p p1 p0 p2 p3 q3 q2 q0 q1 Menge q Angebotskurve • Die Angebotskurve hat eine positive Steigung, d.h. eine Preiserhöhung führt in der Regel zu einer Erhöhung des Angebotes • Diese Aussage gilt für Gewinnmaximierer wie für Nonprofit Organisationen Nachfragekurve • Nutzenmaximierung • Voraussetzung: der private Haushalt verhält sich rational, d. h. er vergeudet nicht freiwillig knappe Ressourcen • Gesetz der Nachfrage • 1. Gossensches Gesetz: Abnehmender Grenznutzen Abnehmender Grenznutzen Nutzen Menge q Grenznutzen • Aussage: Der Grenznutzen gibt die Veränderung des Nutzens an, die entsteht, wenn der Konsument eine kleine Menge eines Gutes mehr bekommt, die Mengen der anderen Güter aber konstant bleiben 2. Gossensches Gesetz • Modell: 2 Güter mit korrespondierenden Preisen; • • • das Einkommen wird vollständig für den Kauf beider Güter eingesetzt Inhalt: Das Verhältnis der Grenznutzen entspricht im Optimum dem Verhältnis der Preise dieser Güter Bedeutung der Veränderung von Einflussgrößen? wichtig: Preiselastizität, Kreuzpreiselastizität, Einkommenselastizität Preiselastizität • Inhalt: Um wie viel Prozent verändert sich die • • • • Nachfrage nach einem Gut, wenn der Preis dieses Gutes um ein Prozent steigt Normale Güter: negativ, d.h. Nachfrage sinkt Preisunelastisch: Preis steigt, Nachfrage konstant, z. B. Benzin, Zigaretten Luxusgüter: positiv, d.h. Nachfrage erhöht sich Begründung: p1 steigt, u1 muss steigen, jedoch nur falls q1 sinkt (1. Gossensches Gesetz) Nachfragekurve p p3 p2 p0 p1 q3 q2 q0 q1 Menge q Kreuzpreiselastizität • Inhalt: Um wie viel Prozent verändert sich die • • Nachfrage nach einem Gut, wenn der Preis eines anderen Gutes um ein Prozent steigt Normale Güter: Nachfrage steigt, da teureres Gut durch billigeres ersetzt wird (Substitutionseffekt) Inferiore Güter: Nachfrage sinkt, da höherer Preis des anderen Produktes einer Einkommensreduktion entspricht (Einkommenseffekt), die den Substitutionseffekt aufwiegt. Einkommenselastizität • Inhalt: Um wie viel Prozent verändert sich die Nachfrage nach einem Gut, wenn das Einkommen um ein Prozent steigt • Normale Güter: Nachfrage steigt, da für alle Güter ein höheres Budget zur Verfügung steht • Ausnahmen: Gesättigte physiologische Grundbedürfnisse (z. B. Kartoffeln) Angebot und Nachfrage p Nachfrage Angebot Menge q Marktgleichgewicht p Nachfrage Angebot p* q* Menge q Markteingriff: Höchstpreis p Nachfrage Angebot p* p1 q* Menge q Markteingriff: Höchstpreis p Nachfrage Angebot p* p1 A1 q* N1 Menge q Markteingriff: Höchstpreis p Nachfrage Angebot p1 Nachfrageüberhang Menge q Markteingriffe • Höchstpreisfestsetzung – Nachfrageüberhang – Entstehung eines Schwarzmarktes • Mindestpreisfestsetzung: – Überproduktion – Grauer Markt • Der Gleichgewichtspreis garantiert die bestmögliche Versorgung Marktformen ein Anbieter wenige Anbieter Viele Anbieter Marktformen ein wenige viele Nachfrager Nachfrager Nachfrager ein Anbieter wenige Anbieter Viele Anbieter Marktformen ein wenige viele Nachfrager Nachfrager Nachfrager ein Anbieter Bilaterales Monopol Beschränkt es Monopol Monopol wenige Anbieter Beschränktes Monopson Bilaterales Oligopol Oligopol Viele Anbieter Monopson Oligopson Polypol Literatur Fleßa, S. (2007): Gesundheitsökonomik, Eine Einführung in das wirtschaftliche Denken für Mediziner, 2. Auflage, Berlin u.a.