Soziale Arbeit als Mit- Gestalterin gesellschaftlicher

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Soziale Arbeit als MitGestalterin
gesellschaftlicher
Modellierung

Bilanz einer
wechselvollen Debatte
Postmode
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Krise der Ar
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Krise des Sozials
taates
Soziale Arbeit
Soziale Probleme
Soziale Ungleichheit
Auftrag
Handlungskompetenz
Sozialmanagement?
Regula Dällenbach / Winterschool 2011 / 18. Januar 2011
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Kann bzw. muss sie sich als Mit-Gestalterin gesellschaftlicher Modellierung bzw. als Mit-Gestalterin des Sozialen
verstehen?
Der Blick in die theoretische Debatte der Disziplin zeigt
(1) inwiefern Theorien der Sozialen Arbeit die gesellschaftliche
Modellierung als zentrales Element des professionellen
Handlungsrepertoires begründen,
(2) welche Wege aufgezeigt werden, diesen professionellen
Anspruch tatsächlich zu realisieren, und
(3) welche Rolle dabei das Sozialmanagement spielt.
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„Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die
Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen,
und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben
besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift
soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in
Interaktion treten. Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die
Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.“
Gerechtigkeit
(International Federation of Social Workers, 2009)
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Klassiker/innen
Alice Salomon (1872 – 1948)
Alice Salomon, 1929
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Klassiker/innen
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Herman Nohl (1879 – 1960)
„Jugendfürsorge ist heute vor allem damit beschäftigt, Wagen, die aus dem
Gleis gesprungen sind, wieder auf die Schienen zu bringen. Aber das
Schienensystem selbst ist eben heute vollständig zerstört. Wenn der Gefängniserzieher seine entlassenen Jugendgefangenen ins Leben zurückbringen will, dann finden sie nicht nur zuerst keine Arbeit, sondern kommen
auch wieder in ihr verkommenes Milieu zurück. Es gibt keine selbständige
große Einrichtung, die sie in ihrer Freizeit sichernd aufnimmt, ein Schienensystem, auf dem sie relativ gefahrlos weiter fahren können. Alle entscheidende Arbeit unserer Jugendhilfe müsste darauf gerichtet sein, dem Kinde
wieder ein solches Schienensystem, auf dem es relativ gefahrlos vorwärts
kommt, zu schaffen."
Herman Nohl, 1965
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Klassiker/innen
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Gesellschaftskritische/marxistische Theorien (um 1970)
• Bürgerliche Soziale Arbeit als Reproduktions-, Sozialisations-,
Kompensations- oder gar Oppressions- und Disziplinierungsagentur (vgl. Hollstein/Meinhold 1973, S. 205-207).
• Auf der Basis einer allgemeinen Gesellschaftstheorie - in der
Regel des Marxismus - werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sozialer Probleme bestimmt, um so zu deren
effektiven Ursachen vorzudringen.
• Veränderung der Gesellschaft,
Gesellschaft um die negativen Folgen und
Auswüchse von gesellschaftlichen Entwicklungen zu beheben.
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Klassiker/innen
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Alltags- und lebensweltorientierte Soziale Arbeit
Alltagsorientierte bzw. lebensweltorientierte Soziale Arbeit richtet ihren
Blick konsequent auf den gesellschaftlich geprägten Alltag der
Adressat/innen (Lebenswelt und System).
 Rekonstruktion der lebensweltlichen Verhältnisse der Adressat/innen, mit ihren Widersprüchen, Schwierigkeiten und Möglichkeiten.
 Historische und soziale Analyse der formalen Strukturen der erfahrenen Wirklichkeit (Schnittstelle von Objektivem und Subjektivem,
von Strukturen und Handlungsmustern) verbunden mit einer kritischen Gesellschaftsanalyse, so dass die gesellschaftliche Funktion
der Sozialen Arbeit bestimmt werden kann und gesellschaftliche
Ursachen sozialer Probleme sichtbar werden.
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Neuere Theoriemodelle
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Alltags- bzw. lebensweltorientierte Soziale Arbeit versteht sich
kritisch gegenüber gesellschaftlichen Verhältnissen und setzt
sich zum Ziel, Akteurin bei der "Neugestaltung des Sozialen"
im Zeichen von Gerechtigkeit, Gleichheit, Toleranz und
Solidarität zu sein (vgl. Thiersch 2002a).
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Neuere Theoriemodelle
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Systemische Theoriemodelle
• Systemisch orientierte Theorien Sozialer Arbeit versuchen die
gestiegene Komplexität unserer heutigen Gesellschaften und
unserer Lebenswelten abzubilden und Soziale Arbeit als
gesellschaftliches Subsystem neu zu positionieren.
• Breite der facettenreichen Theoriediskussion zur systemisch
orientierten Sozialen Arbeit.
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Neuere Theoriemodelle
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Soziale Arbeit als Inklusionshilfe, Exklusionsvermeidung und
Exklusionsverwaltung
• Soziale Arbeit ist organisierte Hilfe in der modernen, funktional
differenzierten Gesellschaft.
 "sozialstaatliche Zweitsicherung" für Mängellagen, Konflikte, Krisen und Katastrophen
 "Koordinatorin von Normalitätsvorstellungen
• Der Zusammenhang der lebenspraktischen Probleme mit
Strukturproblemen der Gesellschaft wird als komplexes
Geschehen beschrieben - Soziale Probleme werden jedoch
personalisiert und pädagogisiert.
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Neuere Theoriemodelle
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Soziale Arbeit als reflexive und tätige Antwort auf soziale Probleme (prozessual-systemischer Ansatz der Zürcher Schule)
"Es geht also darum, Menschen zu befähigen, ihre Bedürfnisse so weit wie
möglich aus eigener Kraft, d. h. dank geförderten und geforderten Lernprozessen zu befriedigen. Und es geht darum, darauf hinzuarbeiten, dass
menschenverachtende soziale Regeln und Werte von sozialen Systemen
in menschengerechte Regeln und Werte - kurz, dass behindernde Machtstrukturen in begrenzende Machtstrukturen transformiert werden (…). Als
wissenschaftsbasierte Profession hat Soziale Arbeit die zusätzliche Aufgabe, ihr Wissen über Soziale Probleme für die öffentlichen Entscheidungsträger zugänglich zu machen und sich in die (sozial)politischen
Entscheidungsprozesse über mögliche Problemlösungen einzumischen."
Silvia Staub-Bernasconi, 2002
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Neuere Theoriemodelle
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Soziale Arbeit als Dienstleistung
• Soziale Arbeit ist Teil der Dienstleistungsgesellschaft.
• Drei theoretische Argumentationsstränge:
1. Die aktuellen sozialstaatlichen Entwicklungen werden deskriptiv und kritisch diskutiert (z.B. Kessl/Otto 2009).
2. Konzepte, die die Soziale Arbeit im Rahmen einer eigenständigen sozialarbeiterischen/sozialpädagogischen Fachdebatte
als Dienstleitung positionieren (z.B. Olk/Otto 2003).
3. Betriebswirtschaftliche Konzepte und Tools (u.a. das Sozialmanagement) werden als Instrumente der Soziale Arbeit
eingeführt und weiterentwickelt.
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Neuere Theoriemodelle
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Soziale Arbeit als "personenbezogene Dienstleistungsarbeit“
• Die Grundlage - Gesellschaftstheoretische Analyse: Soziale
Dienstleistungen werden in ihrem gesellschaftlichen Kontext
untersucht. So werden Konfliktstrukturen, Krisenprozesse,
Brüche und Diskontinuitäten kapitalistischer Entwicklung sowie
ihre gesellschaftlichen und sozialen Folgen rekonstruierbar (vgl.
Schaarschuch, 1994).
• Soziale Arbeit als "moderne Dienstleistung" ist die Vermittlungsinstanz zwischen Individuum und Gesellschaft. Sie muss das
Erbringungsverhältnis (die Nutzer/innen als Produzent/innen der
Dienstleistung), den Erbringungskontext (Markt und Staat) sowie
die gesellschaftlichen Bedingungen (Ausgestaltung des Sozialstaates) sozialer Dienstleistungen zu berücksichtigen.
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Neuere Theoriemodelle
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• Das Konzept der Sozialen Arbeit als "moderne Dienstleistung"
geht kritisch mit der Dienstleistungsperspektive und der
Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit um.
• Der Dienstleistungsbegriff bleibt jedoch ein Begriff mit ökonomisch geprägten Implikationen und der damit verbundenen
Gefahr einer Reduktion der Dienstleistung auf ein marktförmiges Produkt.
• Die Mit-Gestaltung gesellschaftlicher Modellierung wird in
diesen Theoriemodellen auf die Gestaltung der Angebote
sozialer Dienste beschränkt.
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Neuere Theoriemodelle
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Betriebswirtschaftliche Konzepte und Tools als Instrumente der
Soziale Arbeit
Es handelt sich bei betriebswirtschaftlichen Konzepten und
Tools gewöhnlich nicht um Modelle sozialarbeiterischer/sozialpädagogischer Professionalität, sondern um Instrumente der
Output-Steigerung und der Regulation des Angebotes. Die
Rezeption dieser Konzepte verändert Zielsetzungen, Aufgaben
und Verfahren der Sozialen Arbeit.
 Soziale Arbeit entfernt sich von ihrer eigenen, historisch
gewachsenen Professionalität und Handlungskompetenz
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Neuere Theoriemodelle
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Dennoch finden die fachfremden Konzepte und Tool Anklang:
• bei den Geldgebern, die damit Rationalisierung und Effizienzsteigerung einfordern;
• bei den Praktiker/innen, die sich davon erhoffen, ihre
Technologiedefizite zu überwinden.
"«Gemanagte» Soziale Arbeit hat sich zur Aufgabe gesetzt, ökonomisch,
d.h. schonend, mit gegebenen, also vorgegebenen (aber von wem zu
welchen Zwecken vorgegebenen?) Mitteln umzugehen, die vorhandenen
Ressourcen optimal zu nutzen und darüber jederzeit gegenüber den
Geldgebern Rechenschaft abzulegen." (Roer 2008, S. 7)
Roer, 2008
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Neuere Theoriemodelle
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Fazit 1:
Soziale Arbeit ist Gestalterin gesellschaftlicher Modellierung
• Soziale Arbeit als Profession kann und muss sich als MitGestalterin gesellschaftlicher Modellierung verstehen.
• Sie kann diesen Auftrag als Profession theoretisch gut
begründen.
• Aber: Soziale Arbeit hat bis heute unzureichend geklärt, was
genau mit “Gestaltung des Sozialen“ gemeint ist bzw. wie die
Mit-Gestaltung gesellschaftlicher Modellierung als Element
professioneller Praxis konkretisiert werden soll
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Fazit
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Zentrale, zu bearbeitende Grundlagen
1. Gesellschaftstheoretische und gesellschaftspolitische
Bedingungsanalysen als Grundlage der Theoriebildung, den
Handlungsfeld- und Organisationsanalysen sowie der
Methodenentwicklung.
2. Klärung und Explikation dessen, was unter Mit-Gestaltung
gesellschaftlicher Modellierung verstanden wird.
3. Entwicklung entsprechender Handlungskompetenz.
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Fazit
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Fazit 2: Gesellschaftliche Modellierung als professionelle Praxis
Soziale Arbeit richtet ihr professionelles Handeln auf die Aufrechterhaltung und Gewährleistung von leiblicher und psycho-sozialer
Integrität, als auch auf die Aufrechterhaltung und Gewährleistung
einer kollektiven Praxis von Recht und Gerechtigkeit.
• Einmischung in politische Prozesse und Diskussionen und diese
aktiv zu gestalten (Makroebene);
• Modellierung der sozialen Infrastruktur, also ihrer Angebote und
Organisationsformen (Mesoebene);
• Gestaltung der Lebensräume ihrer Adressat/innen (Meso- und
Mikroebene).
 Innovationsförderliche Handlungskonzepte & -kompetenzen.
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Fazit
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Fazit 3:
Professionelle Handlungskompetenz für soziale Innovationen
1. Die Gestaltung des Sozialen durch Beteiligung an gesellschaftlichen Diskussionen und durch (sozial-)politische
Einflussnahme.
2. Die Gestaltung des Sozialen durch Innovation von Angeboten
und Organisationsformen.
3. Innovation von Instrumenten und darauf bezogener
Verfahren.
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Fazit
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Fazit 4: Die Rolle des Sozialmanagement
Sozialmanagement ≠ Sozialmanagement
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Fazit
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Winter School 2011, Einleitung, S. 7
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Fazit
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Systematische Analyse des sozialen
Problems
Bedarfsermittlung
Innovation
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Konzeptentwicklung und
Umsetzungsplanung
Fazit
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Literaturhinweise
Caritas Schweiz (2010) (Hg.). Sozialalmanach 2010. Schwerpunkt: Armut verhindern. Das Caritas-Jahrbuch zur
sozialen Lage der Schweiz. Trends, Analysen, Zahlen. Luzern: Caritas Schweiz (Eigenverlag).
Hollstein, Walter/Meinhold, Marianne (1973). Sozialarbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen. Frankfurt
a. M.: Fischer-Taschenbuch-Verlag.
Kessl, Fabian/Otto, Hans-Uwe (2009). Soziale Arbeit. In: Albrecht, Günther/Groenemeyer, Axel (Hg.). Handbuch
Soziale Probleme. 2., überarbeitete Aufl. Wiesbaden VS Verlag für Sozialwissenschaf-ten. (URL: http://www.unibielefeld.de/paedagogik/agn/ag8/soziale_arbeit_(groenemeyer-albrecht_2007).pdf)
Luhmann, Niklas (2004). Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Nohl, Herman (1965). Aufgaben und Wege der Sozialpädagogik. Vorträge und Aufsätze von Herman Nohl.
Weinheim Beltz.
Olk, Thomas/Otto, Hans-Uwe (2003) (Hg.). Soziale Arbeit als Dienstleistung. Grundlegungen, Entwürfe und Modelle. München: Luchterhand
Roer, Dorothee (2008). Soziale Arbeit als Akteur der Sozialpolitik? Ohne die Politisierung ihrer theoretischen
Grundlegungen nicht zu haben! Vortrag DGSA. Jena
Salomon, Alice (1929): Wohlfahrtsschulen und soziale Frauenschulen. In: Handbuch für das Berufs- und
Fachschulwesen. Im Auftrage des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht in Berlin, hrsg. von A. Kühne, 2.
erweiterte Aufl. Leipzig, S. 444-457
Schaarschuch, Andreas (1994). Soziale Dienstleistungen im Regulationszusammenhang. In: Widersprüche. Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich. Heft 52: Dienstleistung: Befreiung
aus feudaler Entmündigung. Jg. (URL: http://www.widersprueche-zeitschrift.de/article1153.html?font=large)
Statistik BFS (siehe: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/01/ nip_detail.html?gnpID=2010-611)
Thiersch, Hans (2002a). Positionsbestimmungen der Sozialen Arbeit. Gesellschaftspolitik, Theorie und Ausbildung.
Weinheim/München: Juventa.
Thiersch, Hans (2002b). Der Beitrag der Sozialen Arbeit für die Gestaltung des Sozialen. Ein Resümee. In: Lange ,
Dietrich/Fritz, Karsten (Hg.). Soziale Fragen - soziale Antworten: die Verantwortung der sozialen Arbeit für die Gestaltung des Sozialen. Verhandlungen des 3. Bundeskongresses Soziale Arbeit. Neuwied: Luchterhand. S. 12-21.
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