2 Coverstory Freitag, 9. Oktober 2015 medianet.at „Machen Sie Ihr Produkt geil!“ Die Vorträge, besser: Bühnenshows, von Dietmar Dahmen sind legendär. Nicht selten, dass sich ein Zuseher fühlt wie beim Start einer Rakete. Der Profi über Innovationen – und die „Bootsanalogie“ … ••• Von Helga Krèmer medianet: Ist Ihnen das urösterreichische ‚Des hamma immer scho so g’mocht‘ und ‚Do könnt jo a jeder kommen‘ schon mal unter­ gekommen? Dietmar Dahmen: Obwohl ich seit zehn Jahren in Wien wohne, aber in Österreich relativ wenig mache, nicht. Aber diese Denke gibt es in vielen anderen Ländern auch, es gibt sie in vielen Branchen, bei vielen Menschen. Es liegt einfach daran, dass wir diese Komfort­zone ‚jetzt-wissen-wir-wie-es-geht‘ eben gut finden. Und sobald etwas Neues kommt, das etwas Altes ersetzt, müssen wir nicht nur das Neue lernen, sondern das Alte auch verlernen. Wir haben ein sogenanntes muscle memory für automatische Abläufe und verbrauchen dabei ganz, ganz wenig Energie. Das finden wir gut. Das Blöde ist nur, dass sich die Umwelt ändert und Erneuerung hervorruft. Diese Erneuerung ist immer mit Aufwand verbunden und das Gute an der Erneuerung ist: Man muss sich vom Alten trennen – sonst wird es ja nicht neu. medianet: Wie ist mit dem klassischen Verweigerer umzugehen? Dahmen: Da gibt es die Möglichkeit von Zuckerbrot und Peitsche, wie man so schön sagt. Mit Zuckerbrot fängt man immer an, z.B. indem man den Leuten die Chancen und Vorteile von Neuem aufzeigt. Mit der Peitsche wird gedroht: ‚Wenn ihr das nicht macht, dann ist euer Geschäftsmodell morgen platt, das gibt es dann einfach nicht mehr.‘ © Hynek Glos WIEN. Auf über 20 Jahre Erfahrung in Marketing und Werbung in Hamburg, Los Angeles, München und New York kann das Enfant Terrible der Szene, Dietmar Dahmen, in seinen Vorträgen und Shows über Marketing und SalesKnow-how zurückgreifen. medianet sprach mit dem, laut Eigendefinition, „Bereicherer von Menschen, Marken, User Experience“ über Österreich, Innovationen und Geilheit. Bühnenstar Marketing & Sales-Profi Dietmar Dahmen ist auch am 16. Oktober 2015 wieder zu sehen – leider weit weg bei der DeutschlandPremiere seiner Show in Hamburg. Es gibt da den Spruch ‚Wandel passiert immer – entweder mit dir oder ­gegen dich‘. medianet: Und wenn er sich weiter verweigert? Dahmen: Gerade rockt die Welt in einem Affenzahn mit neuen Technologien, neuen Anforderungen, neuen Ansprüchen – wenn man da nicht mithält, ist man dummerweise ganz schnell überholt. Und wenn man nur mehr adaptiert, was andere machen, dann ist das aber vom ‚Geldlichen‘ her – ich weiß, das ist ein blöder Ausdruck – eine minderwertigere Arbeit. Das heißt, die Leute, die einfach nur erfüllen, verdienen weniger als die, die erfinden und können viel leichter ersetzt werden – durch Computer, Roboter, etc. Es ist immer besser, Change selber voranzutreiben als einfach nur mitzumachen. Es gibt da den Spruch ‚Wandel passiert immer – entweder mit dir oder gegen dich‘. medianet: Was ist denn nun das Problem mit den Innovationen? Dahmen: Ich sage immer: Innovation passiert meistens im Keller, also unbeobachtet, nicht mitten im Raum. Das liegt daran, immer wenn man was ausprobiert – das kennen wir ja mit dem Genie – dann explodiert das Ding plötzlich oder klappt nicht. Das ist bei jeder Innovation so, weil eigentlich jeder, der Innovation macht – das klingt jetzt ein wenig brutal, ist aber so – ist ja für die Innovation, die er macht, völlig unqualifiziert. Er hat die ja noch nie gemacht. Ich bin jetzt als Edison für die Erfindung der Glühbirne völlig unqualifiziert, hab noch nie eine erfunden, weiß auch gar nicht, wie das geht und mach einfach nur weiter. Deshalb klappen die Dinger auch dauernd nicht, und wenn da einer immer daneben steht und sagt ‚Klappt schon wieder nicht, klappt schon wieder nicht‘, dann ist das furchtbar und nimmt uns alle Kraft. Aber da gibt es einen Trick in puncto Innovation. medianet: Und der wäre? Dahmen: Wenn man dann endlich ein funktionierendes Ding Vier Semester Bereits zum dritten Mal findet die Dietmar Dahmen Show im Gartenbaukino in Wien statt. Nach vier „Semestern“ der Dietmar Dahmen University – Marketing & Sales Class winkt den Besuchern das begehrte Diplom. 4 hat, dann würde ich das machen, was ich persönlich immer die Bootsanalogie nenne: Im Hafen gibt es wirklich große Schiffe, das sind die Unternehmen. Die können im Hafen nicht fahren, die sind viel zu groß. Also brauchen die einen Schlepper, ein kleines Schiff. Das kleine Schiff fährt vorn und hat ein Seil zum großen Schiff, also die Connectivity. Und wenn alles okay ist, kann das kleine Schiff das große Schiff um die Ecke ziehen und in die neue Richtung bringen. Und so kann man das mit Innovation auch machen: zuerst unbeobachtet im Keller, dann in der kleinen Unit in einem kleinen Bereich, wo man das mal ausprobiert, Fehler macht, lernt. Wenn die kleine Unit dann weiß, das Wasser, in dem sie fährt, ist sicher, jetzt kann nix mehr passieren, dann kann sie, wenn sie zum großen Schiff durch das Seil gut verbunden ist, und der Kapitän auch davon weiß, das Großunternehmen – mit der Innovation – ­herumziehen. medianet: Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass Innovationen, die man erklären müsse, nicht funktionieren. Warum? Dahmen: Früher hat man sich weniger gekauft, das dafür länger behalten und mehr gepflegt. Die ‚Gebrauchsanweisung‘ war ein Erlebnis und gehörte dazu. Das wollen wir aber nicht mehr. Die ganzen Dinge, die es heute gibt, erklären sich von allein. Das Handy, das Auto, das Navi, die Waschmaschine, alles muss selbsterklärend sein. Eine Innovation, die man erklären muss, ist komplizierter statt einfacher und dann gewinnt die nicht. Sie sollte als Produkt vielmehr ein Service sein. medianet: Wenn ich jetzt keine ­Innovation habe, wie kann ich mein ‚altes‘ Produkt interessanter machen? Dahmen: Machen Sie Ihr Produkt nicht interessant, machen Sie es geil. Geil heißt in diesem Zusammenhang nicht logisch, nicht vernünftig. Ein geiles Produkt und eine geile Marke, das wollen wir haben. Eine Tasche vom Discounter ist vernünftig, eine Tasche von Louis Vuitton ist geil. Das Produkt kann teuer und unvernünftig sein wie es will, es ist leichter, das, was wir geil finden, zu begründen, als etwas, das vernünftig ist, geil oder nur gut zu finden. Lieber verreisen wir fast ohne Gepäck mit einem Porsche 911er. Oder tragen High Heels anstelle von Turnschuhen. Wir haben es lieber unbequem als ungeil. Um ein Produkt interessant zu machen, müssen Sie – ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen blöd – vom normalen Denken weggehen und mit dem Unterleib denken. Dann wird das Produkt spannend, sexy und erfolgreich. Apple hat das perfekt gemacht… medianet: Sie verausgaben sich ja auf der Bühne für Ihr Publikum – wie laden Sie Ihre Batterien auf? Dahmen: Schwimmen, eine Stunde lang. Als eine meditative Wiederholung eines Bewegungsablaufs für Kopf und Körper ideal. Schwimmen ist mein Entschleunigungsritual.