PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEME IN AFRIKA Berichte der Friedrich-Ebert-Stiftung MALI POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM IN MALI Klaus-Peter Treydte, FES Mali Abdourhamane Dicko Salabary Doumbia Juli 2005 Warum diese Berichte? Politische Parteien sind unverzichtbare Ak- Aufgrund der jahrzehntelangen Präsenz in teure eines repräsentativen demokratischen vielen Ländern Sub-Sahara-Afrikas und der Systems. Um ihre Funktionen erfüllen zu kontinuierlichen Unterstützung der Demo- können, müssen Parteien in ein funktionie- kratisierungsprozesse in diesen Ländern, rendes sein. verfügen die MitarbeiterInnen der Friedrich- Während zur Arbeit politischer Parteien und Ebert-Stiftung über detaillierte Kenntnisse den konsolidierten der historischen Entstehung von Parteien westlichen Demokratien zahlreiche Studien und Parteiensysteme in den jeweiligen Län- existieren, ist dies für die Länder Sub- dern. Diese werden in den Länderberichten Sahara-Afrikas nicht der Fall. Verlässliche der Reihe „Parteien und Parteiensysteme in Informationen liegen, wenn überhaupt, nur Afrika“ gebündelt präsentiert. Es liegen sehr verstreut vor. Sie sind außerdem meist Berichte zu den folgenden Ländern vor: Parteiensystem eingebettet Parteiensystemen in nicht sehr detailliert, häufig nicht aktuell und beschränken sich zudem üblicherweise • Angola auf das formale Regelwerk, ohne auf die • Äthiopien tatsächlichen Abläufe einzugehen. • Benin • Botswana • Côte d’Ivoire • Ghana • Kamerun • Kenia • Madagaskar • Mali • Mauritius • Mosambik Transiti- • Namibia onsprozessen, deren Ergebnisse noch offen • Nigeria sind. Für ein besseres Verständnis und eine • Sambia präzisere Einschätzung des Verlaufs und des • Senegal gegenwärtigen Transiti- • Simbabwe onsprozesse fehlen oft detaillierte Informa- • Südafrika tionen. Indem die Berichte dieser Reihe die • Tansania historische Entwicklung von Parteien und • Uganda Dabei sind detaillierte Informationen zu den politischen Systemen Sub-Sahara-Afrikas heute notwendiger denn je. Die „dritte Welle der Demokratisierung“ (Samuel P. Huntington 1993) hat seit 1990 auch den afrikanischen Kontinent erreicht. In den meisten Ländern wurden Mehrparteiensysteme geschaffen und demokratische Wahlen abgehalten. Seitdem befinden sich diese Länder in mühsamen politischen Standes dieser Parteiensystemen nachzeichnen sowie die aktuelle Situation in den Ländern SubSahara-Afrikas darstellen, tragen sie dazu bei, diese Informationslücke zu schließen. Aufgrund des thematischen Fokus auf Parteien konnten alternative Akteure der Demokratisierung nur am Rande berücksichtigt werden. POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM IN MALI Inhaltsverzeichnis I. GESCHICHTE UND STRUKTUR DES MEHRPARTEIENSYSTEMS 1. Historische Genese 2. Rechtliche Rahmenbedingungen des Mehrparteiensystems in ihrer aktuellen Form 3. Institutionen des Mehrparteiensystems 4. Richtlinien, Fördereinrichtungen und Sanktionsformen II. DIE PARTEIEN 1. Überblick über die wichtigsten Parteien 2. Die Parteien in der Einzeldarstellung III. DIE PARTEIEN IM PARLAMENT 1. Darstellung des politischen Systems und des Wahlsystems 2. Die Parteien in der Einzeldarstellung IV. ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG DES MEHRPARTEIENSYSTEMS UND DER PARTEIEN 1. Demokratietest 2. Programmatiktest 3. Relevanztest V. AUSBLICK POLITISCHE PARTEIEN UND PARTEIENSYSTEM IN MALI Klaus-Peter Treydte, FES Mali Abdourhamane Dicko Salabary Doumbia Juli 2005 I. GESCHICHTE UND STRUKTUR DES • MEHRPARTEIENSYSTEMS früheren Metropole Paris; 1. Historische Genese • Verzerrte Export- und Importstrukturen; • Defizite im Governance-Bereich: Miss- Wer sich heute im frankophonen Afrika rechts und links umschaut, sieht in den Staaten Elfenbeinküste, Togo, Wirtschaftliche Abhängigkeit von der wirtschaft, Korruption; • Demokratisches Defizit. Guinea- Conakry, Mali, Burkina Faso, Benin, Tschad, Mali wurde am 22. September 1960 unab- Niger, Gabun, Zentralafrikanische Republik hängig, und verfolgte unter der politischen Glanz und Elend einer „hinkenden politi- Führung Modibo Keitas eine „rupturistische schen Transformation“, die sich „Entkoloni- Linie“ in den Beziehungen zu Frankreich: alisierung“ nannte, die aber seit rund einem • halben Jahrhundert nicht recht vom Fleck tären kam. Frankreich gewährte seinen Kolonien in Afrika nach dem 2. Weltkrieg die Unabhängigkeit – aber anders als in Vietnam nauté Française ein: einen Staatenbund, in dem die neuen Staaten formal unabhängig wurden, politisch, wirtschaftlich und sozial hingegen am Tropf der alten Kolonialmacht hingen. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Begleiterscheinungen dieser neuen Unabhängigkeit waren: Erbschaft des präsidentiellen Systems; • Elitenbildung nach dem Muster der Entfremdung (die Füße in Afrika, den Kopf in Paris) „Schwarze Haut, weiße Seele“ (Frantz Fanon); Fester Wechselkurs Kooperation mit • Ausstieg aus der FCFA-Zone und Schaffung einer eigenen Währung: des Franc Malien (1962); • Wirtschaftspolitik à la Sowjetunion mit zentraler Planung, Verstaatlichung und technisch-wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit der UdSSR und Rot-China. Wie kam es dazu? Wer heute das Syndrom Françafrique begreifen will, muss zur „Konferenz in Brazzaville“ 1944 zurückgehen, • • militärischen Frankreich; ohne Befreiungskampf (mit Ausnahme von Algerien) – und band sie in eine Commu- Ablehnung der Fortführung einer priori- auf der Charles de Gaulle die französischen Kolonien dazu brachte, sich für die Befreiung Frankreichs vom deutschen Faschismus einzusetzen und dabei schwarze afrikanische Staatsbürger einzubinden. Als Gegen- FCFA/FF/Euro – zug räumte er den afrikanischen Kolonien – strukturelle Überbewertung; Kolonialherren und Kolonisierten – eine • Jacobinische Grundidee des Staates; größere Teilhabe an politischen Entschei- • Prätoriantertum in der Machtausübung; dungen ein, nicht jedoch gerade heraus die Unabhängigkeit. Die französische Verfas4 sung vom 27. Oktober 1946 (die IV. Repu- keit der einzelnen Territorien plädierten, blik) billigte den afrikanischen Völkern dann darunter Houphouet-Boigny, der Führer tatsächlich gewisse politische Rechte zu: der RDA der Elfenbeinküste, der am politische Grundrechte, Meinungsfreiheit, weitesten entwickelten Region Westaf- Streikrechte und das Recht auf Gründung rikas, der die Elfenbeinküste nicht zur von Gewerkschaften, das Recht auf Grün- „Milchkuh der Region Westfrika“ ver- dung von politischen Parteien und politische kommen lassen wollte. Modibo Keita Aufstiegschancen innerhalb des französi- und Senghor widersetzten sich zu dieser schen Systems der Territorialverwaltungen Zeit der „Balkanisierung“ Westafrikas, und in der Metropole. Das war die Zeit, in wie Senghor sich ausdrückte, und Mo- der die Parteien und Gewerkschaften ent- dibo Keita strebte schon damals die Af- standen und die großen politischen Führer rikanische Einheit an, in Anlehnung an der Unabhängigkeit, wie Modibo Keita, das große mittelalterliche Reich „Gha- Sékou Touré, Ouezzin Coulibally, Mamadou na“ des Kankan Moussa im malischen Konaté, Félix Sudan, das von Mauretanien, Senegal, Houphouet-Boigny, um einige zu nennen, Mali bis hin nach Niger reichte, und das ihren politischen Aufstieg machten. Das von für Kwame Nkrumah dann den verhei- Gaston Deferres eingeleitete „Rahmenge- ßungsvollen Namen für den neu ent- setz“ (Loi-Cadre) von 1956 ermöglichte standenen Staat Goldküste abgab. Léopold Sédar Senghor, diesen Führern politischen Aufstieg innerhalb bestimmter halb-autonomer Formen Das Verfassungsangebot de Gaulles vom der Territorialverwaltung. 28. September 1958 war allerdings dann nüchterner ausgefallen: entweder die Bevöl- Zwei politische Denkmuster entwickelten kerungen sprachen sich für die Communau- sich im westlichen Afrika zu dieser Zeit: té im de Gaulles’schen Sinne aus oder da- • Zum einen ein „evolutiver“ Strang gegen. Verhandlungen waren mit de Gaulle schrittweiser Unabhängigkeit, vertreten nicht zu machen. durch Lamine Gueye (Senegal), Fily Da- Frankreich behielt die Schlüsselrolle in den bo Cissoko (Mali) und einer radikaleren Territorien mit der Hoheit für: Linie, vertreten durch Modibo Keita, • Außenpolitik, Senghor, Sékou Touré, Mamadou Dia • Verteidigung und Sicherheit, und Mamadou Konaté. • Wirtschaftspolitik und Der zweite Denkstrang in dieser Zeit • Währungs- und Finanzpolitik. • drehte sich um die Frage der Einheit des französischsprachigen Territoriums in Die Aspekte der Territorialverwaltung wür- Westafrika. Hier gab es zum einen die den in die Hände der politischen Elite der These der „Föderalisten“, die das Gebiet Afrikaner gegeben. des Afrique Occidentale Française (AOF) als Einheit sahen, das zur Unabhängig- Sékou Touré in Guinea lehnte dieses Ange- keit und zur „afrikanischen Einheit“ ge- bot rundherum ab, die Bevölkerung Guineas führt werden sollte (Modibo Keita, stimmte mit „nein“. Senghor) und die Gruppe der „AntiFöderalisten“, die für die Unabhängig5 Die Malier stimmten zu 97% für das Refe- erklärte sich am 20 September 1960 für rendum. Modibo Keita hatte 3 Gründe, die unabhängig, Mali zwei Tage später. Bevölkerung zur Zustimmung aufzurufen: 1. Er befürchtete im Falle eines „nein“ das Modibo Keita wurde Malis erster Präsident, Eingreifen der französischen Armee, die versuchte eine Integration anderer politi- auf der Seite der Partei PSP (Parti Sou- scher Parteien in die Regierungspartei US- danais du Progrès), einer eher bürgerli- RDA zu einer Art Nationalen Front und e- chen „Händler-Partei“, stand. tabliert so ein Einparteiensystem, das bis 2. Die US/RDA (Union Soudanai- 1967 herrschte. Die theoretisch anspruchs- se/Rassemblement Démocratique Afri- volle Entwicklungspolitik (mit Bildung und cain) war noch schwach in der Organisa- Gesundheit als Prioritäten) mit sozialisti- tion und Modibo Keita wollte kein ris- schen Vorzeichen (Nationalisierung, Verge- kantes politisches Spiel eingehen und nossenschaftlichung des Agrarsektors, kon- die Partei für einen anti-kolonialen sumgenossenschaftliche Kampf mit unsicherem Ausgang opfern. Verteilungssektor, Staatsbetrieb für die Inf- 3. Er glaubte, daß in der Communauté rastruktur, monetär gesteuerte Wachstums- Française eine „afrikanische Einheit“ politik und Verteilungspolitik) konnte sich leichter zu erreichen wäre, weil viele af- makro- und mikroökonomisch nie stabilisie- rikanische Staaten dann gleiche oder ren. Geldentwertung, Versorgungsengpäs- ähnliche Berührungspunkte hätten. se, Nahrungsmittelknappheit, Schwarzmarkt Organisation im auf allen Güter- und Faktormärkten und Es kam dann aber anders. Houphouet– Korruption waren die lehrbuchartig eintre- Boigny ging mit der Elfenbeinküste seinen tenden Folgen. 1967 kehrte Mali unter eigenen Weg der Staatsgründung, Guinea „Diktat-Bedingungen“ in die Franc-Zone schied ganz aus. Ober-Volta und Dahomey zurück. Paris führte im Gegenzug für die entschieden sich nicht und Mauretanien garantierte Währungsstabilität und für den beobachtete die Entwicklung unbeteiligt. Es Kapitalzufluss praktisch wieder das Han- blieben also nur Mali und Senegal übrig, die delsmonopol der alten französischen Han- eine łpìÇ~åÉëáëÅÜÉ=c∏ÇÉê~íáçå=j~äá“ schlos- delsgesellschaften ein. Die Versorgungslage sen, die allerdings sehr kurzlebig war. Keita wurde aber für weite Teile der Bevölkerung wollte bereits eine Einheit Partei/Staat um- nicht besser. Innerhalb der US-RDA ergab setzen und wollte dabei Sékou Touré mit im sich eine Radikalisierung, indem 1967 der „ideologischen“ Boot haben. Senghor und Parteivorstand aufgelöst wurde und ein Na- Dia waren für einen gemäßigteren Weg und tionaler Rat zur Verteidigung der Revolution wollten die Zustimmung Frankreichs einho- (CNDR) eingeführt wurde, der nach dem len. Als Senghor und Dia merkten, dass ih- Muster der chinesischen Kulturrevolution nen die politische Basis im Senegal durch politische, wirtschaftliche und soziale Ver- die Radikalität Keitas wegbrechen könnte, änderungen herbeiführen wollte: Milizen, stellten sie schlicht und ergreifend die mali- Gesinnungspolizei, Schwarze Listen – ein schen Führer in der Nacht vom 19. auf den Arsenal totalitärer Instrumente entwickelte 20. September 1960 anlässlich einer politi- sich kurzzeitig und Präsident Modibo Keita schen Abstimmungssitzung in Dakar unter war bereits nicht mehr in der Lage, die Ent- Hausarrest und bewerkstelligten damit ei- wicklung zu steuern. Im November 1968 nen unblutigen Staatsstreich. Der Senegal 6 stürzte eine Gruppe Offiziere um Moussa der anlässlich Treffens der afrikanischen Traoré das Regime Keita. Staatschefs in Baule im Juni 1990 Demokratiefortschritte im frankophonen Nach einer 6-jährigen Übergangsphase Afrika einforderte und französische Hilfe wurde 1974 in einem Verfassungsreferen- von Demokratisierungserfolgen abhän- dum eine II. Republik unter Moussa Traoré gig machte; und eingeführt, die zwar wirtschaftspolitisch • Durch den Zusammenbruch des Sowjet- nicht sozialistisch war, aber ebenfalls das reiches, den Fall der Berliner Mauer und Einparteien-/Staatparteien-Modell der damit den Wegfall politischer Renten Form der UDPM (Union Démocratique du durch ideologisches Wechselwählertum Peuple Malien) weiterführte. Wirtschaftspo- im internationalen Konzert. in litisch bereinigte das Regime Moussa Traoré einige sozialistische Extreme, blieb aber im Konsequenterweise kritisierte Moussa Trao- Wesentlichen bei einem „staatskapitalisti- ré Mitterrands Demarche als unafrikanisch schen System“ großer unproduktiver Unter- und als Einmischung in innere Angelegen- nehmungen und Bürokratien. Gleichzeitig heiten. Es war aber schon zu spät. Arbeiter baute das Militär als „korporatistische Ein- und Staatsfunktionäre demonstrierten für heit“ den Staat zu einem „Selbstbedie- die Auszahlung ausstehender Löhne und nungsladen“ für Offiziere um: Gehälter, Studenten und Rechtsanwälte für • Korruption, Pfründenwirtschaft, Land- die Einhaltung der Menschenrechte, Frauen und Villenakkumulation für die militäri- für Ernährung und Gesundheit. Das Regime sche „In-Group“ – im Volksmund: „cjf= reagiert mit Militäraktionen im Januar und Ó=c~ãáääÉ=jçìëë~=Éí=fåíáãÉë“; März 1991, bei denen auf nicht bewaffnete über Monate ausbleibende Löhne und Demonstranten geschossen wurde. Vom 25. Gehälter für die Arbeiter und Angestell- auf den 26. März 1991 kam es zu einem ten, Hunger und Elend in den gleichzei- Massaker mit mehr als 100 Toten in der tig Innenstadt Bamakos; am Abend wurde • • von den großen Sahel- Trockenheitsperioden betroffenen länd- Moussa Traoré durch den Lieutenant- lichen Bevölkerungskreisen. Colonel Amadou Toumani Touré abgesetzt. Wirtschaftlich und sozial ging es in Mali Ein Übergangskomitee für das Wohl des auch unter Moussa Traoré abwärts. Volkes (CTSP – Comité de Transition pour le Salut du Peuple) konstituierte sich, regelte Die politische Abwärtsbewegung Malis und den Übergang und berief eine Nationale das wirtschafts- und entwicklungspolitische Konferenz ein, die eine neue Verfassung für Scheitern des Regimes Moussa Traoré wur- eine „III. Republik“ ausarbeiten sollte. Die de durch drei von außen kommende Ele- Nationale Konferenz tagte vom 29. Juli bis mente verstärkt und beschleunigt: zum 12. August 1991 und legte tatsächlich • Durch die Strukturanpassungsprogram- die Basis für ein modernes demokratisches me der Weltbank und des IWF, die ab pluralistisches Mali: 1988 dem Militärregime eine Sparpolitik • • Entwurf einer Verfassung, verabschiedet verordneten. am 12. Februar 1992 mit allen Elemen- Durch die Umorientierung der französi- ten einer modernen Gewaltenteilung in schen Außenpolitik unter Mitterrand, Legislative, Exekutive und Rechtspre7 • • chung einschließlich eines Verfassungs- Das Innenministerium (Ministerium für die gerichtshofs und einer Versammlung Territorialverwaltung und Gemeinden) ist von Gemeinden und Regionen; mit der Registrierung der politischen Partei- Erarbeitung eines neuen Wahlgesetzes en beauftragt. Der Antrag einer Partei wird und Aufsichts- geprüft, dem zuständigen Präfekten zur /Durchführungsbehörde für transparen- Adressenprüfung zugeschickt und, wenn te Wahlen; alles in Ordnung ist, bekommt die Partei Charta der politischen Parteien, Erarbei- innerhalb von 2 Wochen eine Bescheini- tung eines Oppositionsstatuts und öf- gung fentliche Finanzierung politischer Partei- Innenministerium ist auch im weiteren Sinne en. für die gesamte technische und inhaltliche einer (récépissé) der Anerkennung. Das Abwicklung von Wahlen zuständig (Erstel2. Rechtliche Rahmenbedingungen des lung der Wählerlisten, Abhaltung von Mehrparteiensystems in ihrer aktu- Volksbefragungen oder Referenden, Ein- ellen Form sammlung und datentechnische Aufberei- Bei der Erarbeitung der malischen Verfas- tung der Ergebnisse von Wahlen, Verkün- sung stand die Vorerfahrung Benins Pate. dung des vorläufigen Ergebnisse von Wah- Auch wenn weite Teile des Präsidentialismus len und Zustellung der Abstimmungsunter- an die V. Republik Frankreichs angelehnt lagen aus den Wahlbüros an den Verfas- sind, so enthält die neue malische Verfas- sungsgerichtshof und zentrale Archivierung sung einige innovative Aspekte: aller Wahlunterlagen). • Ein Verfassungsgerichtshof wacht über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung und die Durchführung durch die Exekutive. • Ein Hoher Rat der Gemeinden und Regionen wird eingerichtet, der nicht nur dekorativ sondern der beratend/exekutiv die Dezentralisierung in Staat und Gesellschaft begleiten soll. • Die Einrichtung eines Obersten Gerichtshofs stärkt die Unabhängigkeit der • abhängige Wahlkommission“ CENI (Gesetz Nr.97/008 vom 14. Januar 1997; ergänzt und modifizierte durch Gesetz Nr. 02/007 vom 12. Februar 2002 und durch Gesetz Nr. 04-012 vom 30. Januar 2004) zur Sicherstellung der Transparenz von Wahlen. Sie überprüft: • Die Korrektur der Wählerlisten vor den Wahlen; • Herstellung der Wählerlisten; • Erstellung und Druck der Wahlausweise; tritt öffentlich seine persönliche Vermö- • Organisation der Wahlunterlagen; genssituation darzulegen. • Kontrolle der Wahlkampagnen (Code of Rechtsprechung. • Seit 1997 gibt es noch zusätzlich eine „Un- Der Präsident ist gehalten, vor Amtsan- Conduct, Fairness etc.); Laizität des Staates, Mehrparteiensystem und republikanische Staatsform können • Ad-hoc Vollmachten für Stimmabgabe; nicht durch Verfassungsänderung abge- • Kontrolle der Stimmabgabe; schafft werden. • Auswertung der Stimmen im Wahllokal, Datenerfassung, Zentralisierung und Be- 3. Institutionen des Mehrparteiensys- kanntgabe der Ergebnisse. tems 8 Die Erfahrungen mit der unabhängigen tungen finanzieren und dass sie für ihre Wahlkommission CENI anläßlich der Wahlen Einnahmen und Ausgaben geordnete Buch- 1997 waren aber enttäuschend; tatsächlich haltungsregeln, Prozeduren und Kontrollen führte die CENI mehr zu Chaos als zu grö- einhalten. Sie sind auch gehalten, zum 31. ßerer Transparenz. Die CENI-Wahlergebnisse März eines jeden Jahres ihre Bücher der wurden angezweifelt und daraus entwickel- Abteilung Kontenprüfung des obersten Ge- te sich eine lange innenpolitische Blockade- richtshofes vorzulegen. Tatsächlich werden situation, die die zweite Amtszeit Konarés aber nur fiktive Tabellen von Einnahmen belastete. Daraus wurden die Konsequen- und Ausgaben vorgelegt ohne Belege. Der zen für die Wahlen 2002 gezogen: zuständige Beamte im Innenministerium • Dem Innenministerium wurde wieder urteilt: „Nach der Umsetzung der gesetzli- die administrative und technische Ober- chen Vorschriften durch die Parteien zu ur- hoheit für die Durchführung der Wahlen teilen, dürfte keiner der malischen Parteien gegeben; auch nur eine Centîme zustehen.“ Die am die CENI wurde in ihrem Aufgabenbe- wenigsten umstrittene öffentliche Finanzie- reich zurückgeschraubt und hat nur rung der Parteien ist auch in Mali die Kos- noch die Aufgabe, die Wahlen in Ab- tenübernahme für die Stimmzettel der poli- lauf, Neutralität und Transparenz zu tischen Parteien und deren Transport in die kontrollieren; Wahllokale. • • eine neue Generaldirektion für Wahlen sorgt für zuverlässige Wählerlisten, fäl- Nicht nur die Transparenz der Finanzen der schungssichere Wahlausweise und fi- Parteien ist defizitär, auch die innerparteili- nanziert in begrenztem Umfang die Be- che Demokratie selbst. teiligung politischer Parteien an den Artikel 34 des Gesetzes Nr. 00-045 vom 7. Wahlen. Juli 2000, das die öffentliche Finanzierung durch die Generaldirektion für Wahlen zum 4. Richtlinien, Fördereinrichtungen und Sanktionsformen Inhalt hat, ist explizit und eindeutig: • Regelmäßiger Nachweis von Wahlen in Die Generaldelegation für Wahlen ist auch der Partei zur Erneuerung der Legitimi- mit einer gewissen Grundfinanzierung der tät; Parteien beauftragt. Zum ersten Mal in der • die Partei muss einen neutralen Sitz ha- Geschichte Malis wurden 50 Parteien im ben, der nicht die Wohnung eines Mit- Jahre 2002 rund 1 Million Euro zur Verfü- glieds ist; gung gestellt. Diese Finanzierung hat in der • bei einer malischen Bank haben; Bevölkerung einen bitteren Beigeschmack gebracht. Man hat den Eindruck, dass sich • Parteien konstituieren, um an Mittel zu kommen, aber nicht um Politik transparenter zu machen. die Partei muß eine ordentliches Konto ein jährliches Inventarverzeichnis und eine jährliche Bilanz vorweisen; • und die Herkunft der Mittel effizient nachweisen. Titel 4, Artikel 22 und 23 der Parteiencharta Kurz: die Vorschriften sind relativ klar und fordern, dass sich die Parteien aus Mit- einfach – aber niemand hält sich daran. gliedsbeiträgen, Vermögen und Veranstal9 Bei einer empirischen Untersuchung von Dazu kommt das Phänomen der politischen April bis Juli 2004 des Projekts zur Förde- Transhumance: ein Abgeordneter findet rung der politischen Parteien, finanziert vom wenig Widerstand bei sich und bei anderen, „Niederländischen Mehrparteien-Institut“, während einer Legislaturperiode die Fronten kam eine ernüchternde Bilanz heraus: Von oder Parteien zu wechseln. Entsprechend den 94 offiziell registrierten Parteien konn- wechselhaft ist auch das Wählerverhalten. ten nur 63 tatsächlich ausgemacht werden; 11 konnten räumlich verortet, aber nicht II. DIE PARTEIEN identifiziert werden. 20 wurden überhaupt nicht aufgefunden. Die politischen Parteien 1. Überblick über die wichtigsten Par- haben auch keine Vorstellung ihrer Mitglie- teien der. Die alte Partei PSP gibt unumwunden Bei der relativ einfachen und unkomplizier- zu, dass es unmöglich ist, die Anzahl der ten Registrierung und bei der geringen Kon- Mitglieder der Partei zu bestimmen, weil es troll- einfach keine Listen in den Ortsvereinen Willigkeit der zuständigen Behörden ist es gibt. leicht verständlich, weshalb es nach dem oder Monitoring-Möglichkeit oder Sturz Moussa Traorés eine Explosion in der Innerparteiliche Demokratie ist in der tradi- Parteienlandschaft gab. Nach rund 30 Jah- tionellen Umgebung der malischen Gesell- ren Einparteienherrschaft unterschiedlicher schaft schwierig umzusetzen. Der junge Prägung war es mehr als verständlich, seine Mann gibt dem Patriarchen keine Wider- politische Überzeugung ungefiltert zum worte, die Frau spricht nicht in der Öffent- Ausdruck bringen zu wollen. Die Parteien- lichkeit, der Älteste hat das letzte Wort. gründungen waren spontan, elementar und Malische Parteien sind das Produkt von Pat- Ausdruck eines existenziellen Bedürfnisses. riarchen, die eine Klientel von Gleichgesinn- Die Parteiengründungen fanden aber nicht ten um sich scharen. Häufig gibt es nur eine in einem amorphen Raum statt. Führungspersönlichkeit und die Partei ist eine kleine Gruppe von Eingeschworen um Es war oben gezeigt worden, dass sich seit einen Mann oder eine Idee. Die Theorie hat den 50er Jahren politische Parteien in Mali das Bild der Taxi- oder Telefonkabinen-Partei gebildet hatten. formuliert: alle Mitglieder der Partei gehen • in eine Taxi oder in eine Telefonkabine. Innerparteiliche Demokratie kann ohne eine Sie waren mehr bürgerlich und händlerorientiert wie die PSP. • Oder sie zielten auf eine radikale Unab- gewisse Breiten- oder Massenbasis nicht hängigkeit mit neuen ideologischen Ho- praktiziert werden. Unterschiedliche Auffas- rizonten: US-RDA. sungen führen zu einer Spaltung. Führte der äußere Druck unter dem Militärregime In den 80er Jahren kamen durch den Kon- Moussa Traorés die Kritiker und Andersden- takt mit Europa, USA, Kanada, Polen etc. kenden, die Innovatoren und Ideologen neue Vorstellungen dazu. Wer heute in Mali zusammen, so setzte mit der Demokratie in der politischen Führung ist, ist deshalb auch ein fast natürlicher Zerfallsprozeß der fast zwangsläufig durch sämtliche Formen großen politischen Blöcke ein: bei der A- gegangen. Entsprechend komplex ist das DEMA, beim CNID, bei der US-RDA und bei politische Profil eines jeden Spitzenpolitikers. der UDPM (siehe Charakterisierung unten). 10 Konaré kommt aus einer US-RDA Familie, berücksichtigt als andere. Die Anordnung ist war zum Studium in Polen, war eine Zeit- nach dem Datum der Zulassung in der III. lang Jugendminister in einem Kabinett Republik: Siegel, Zulassungsdatum, Bedeu- Moussa Traorés, gründete eine Kulturko- tung/Kommentar. operative und wurde Parteiführer einer sozialdemokratischen Partei. Moussa Balla Cou- Union pour la Démocratie et le Déve- libaly war Planungskommissar unter Modibo loppement (UDD; seit 24.04.1991) Keita und Unternehmer bei Moussa Traoré, Die Union pour la Démocratie et le Déve- Parteiführer der UDD – einer Nachfolgerin loppement ist eine Auffangpartei des poli- der aufgelösten UDPM – und ist heute Prä- tischen Erbes Moussa Traorés. Der jetzige sident des Wirtschafts- und Sozialrats. Vorsitzende Me Hassan Barry war einer der beiden Jugendsekretäre der Einheitspartei Wenn man heute das Parteienspektrum UDPM Moussa Traorés. Eine ideologisch- grob fassen wollte, könnte man 6 Strömun- politische Zuordnung ist schwierig, aber gen ausmachen: man geht nicht fehl, wenn man die UDD a) Reste der alten PSP, wobei es schwierig den „Wirtschaftsflügel“ der alten Einheits- ist, sie in ihrer Dimension zu erfassen; partei nennen würde. Maitre Hassan Barry b) Restgrößen der US-RDA, wobei nach wurde in der 2. Amtszeit Konarés Minister dem Zerfall der Referenzmarke Moskau für die politischen Parteien und für die Be- die ideologische Größe eher unbestimmt ziehungen zu den Institutionen der Verfas- ist. Möglicherweise ist die US-RDA nur sung und leistete (in Zusammenarbeit mit noch eine afrikanische Traditionspartei. der Friedrich-Ebert-Stiftung) einen wichtigen c) Parteien der entstanden Mittelklasse, Bildung, Auslandserfahrung, Bürger- rechte (CNID); d) Sozialdemokratische Strömung ADEMA in Spaltung und möglicherweise Fusion Beitrag zum Abbau der innenpolitischen Blockadesituation durch die radikale Opposition COPPO und trug dadurch schließlich zur Ermöglichung transparenter Kommunalwahlen 98/99 bei. wieder begriffen: ADEMA, RPM, URD, Parena; e) Reste des Moussa Traoré Erbes: UDD f) Union Soudanaise du Rassemblement Démocratique Africain (US-RDA; seit und MPR (Choguel Maiga); 27.04.1991) Und schließlich ein „unpolitisches“ Po- Die Union Soudanaise du Rassemblement tential der Bevölkerung, das den „zivil- Démocratique Africain ist die alte Unabhän- gesellschaftlichen“ Präsidenten Amadou gigkeitspartei im frankophonen Afrika. In Toumani Touré gegen das Spektrum der Mali unter Modibo Keita entwickelte sie sich politischen Parteien an die Macht ge- in die radikal-sozialistische Richtung (in der wählt hat. Elfenbeinküste unter Houpouet-Boigny in eine post-koloniale, liberale Richtung). Eh- 2. Die Parteien in der Einzeldarstellung renmitglied dieser Partei ist auch heute noch Im Folgenden werden die 13 wichtigsten Mariam Travelé-Keita, die Witwe Modibo politischen Parteien Malis aus einer Grund- Keitas. Die Partei hat einen gewissen Stel- gesamtheit von 63 Parteien in Stichworten lenwert im kommunalpolitischen Bereich, dargestellt. Manche, im Rampenlicht ste- auf Landesebene verfügt sie aber nur über henden Parteien werden dabei etwas stärker einen Abgeordneten. Nach 1997 war die 11 US-RDA Teil der radikalen Oppositionsallianz Alliance pour la Démocratie – Parti Afri- COPPO gegen Konaré. cain pour la Solidarité et la Justice (ADEMA/PASJ; seit 06.06.1991) Parti pour la Solidarité et le Progrès Die Alliance pour la Démocratie – Parti Afri- (PSP; seit 18.05.1991) cain pour la Solidarité et la Justice ist ein Die Parti pour la Solidarité et le Progrès war breites Sammelbecken politischer Meinun- in der Phase der Unabhängigkeitswerdung gen und Multiplikatoren bereits vor dem die „rechte“ Gegenspielerin zur US-RDA. Sturz Moussa Traorés gewesen. Da Parteien Die Händler und bürgerlichen Kreise Malis verboten waren, gründete sich die Partei blieben auf der Seite der Franzosen. In der zunächst nach dem Vereinsrecht als Associa- ersten Zeit Modibo Keitas beteiligt sich die tion/Allianz. Drei Wurzeln oder Strömungen PSP auch an der Organisation der Kapital- kamen zusammen: man unterschied Kona- flucht. In der III. Republik etablierte sich die risten (Flügel der verbotenen Parti Malien du Partei unter ihrem Vorsitzenden Oumar Travail), den „IBK“-Klan aus der US-RDA Hammadoun Dicko zunächst zu einer de- gespeist und den CMDT-Flügel, die soge- mokratischen Partei, schwenkte nach den nannten Associanisten, die Reformen in der Wahlen 1997 ins radikalo Coppo-Lager ab alten Moussa Traoré-Staatsverwaltung ein- und verspielte viel politisches Kapital. Sie bringen wollten. Unumstritten war der Vor- stellt heute einige Bürgermeister und ist im sitz Konarés in der Partei bis zu seiner Wahl Parlament mit 2 Abgeordneten vertreten. zum Staatspräsidenten 1992 und Wiederwahl 1997. Die 2. Führungsgruppe kämpfte Congrès National d’Initiative Dèmocra- um Hegemonien und da innerparteiliche tique – Faso Yiriwa Ton (CNID-FYT; seit Wahlprozesse 06.06.1991)= drohte jeden Tag die Spaltung und musste Der Congrès National d’Initiative Démocra- jede Woche auf unterschiedlichen Ebenen tique (CNID-Faso Yiriwa Ton) ist einer der Aussöhnungsveranstaltungen beiden konstitutiven Sammlungspunkte der werden (Fraktion der Nationalversammlung, Demokratie- und Bürgerbewegungen gegen Partei etc.). Auf dem ordentlichen Parteitag Moussa Traoré gewesen unter dem damals 1999 trug der IBK-Klan den Führungssieg jungen Anwalt Mountaga Tall. Die Friedrich- davon und IBK betrachtete sich als der na- Ebert-Stiftung unterstützte eine Zeit lang die türliche Nachfolgekandidat Konarés auf die Arbeit dieser Initiative, die Rechtsanwälte, Präsidentschaft 2002. Seitdem soll Konaré Menschenrechtler und andere Multiplikato- an der Demontage IBKs gearbeitet haben. ren politisch zusammenbrachte. Aus dieser Tatsächlich ist die ADEMA/PASJ über die Initiative löste sich dann 1995 eine Gruppe Präsidentschaftskandidaturen 2002 ausei- und gründete die PARENA, die zweite sozi- nandergefallen: IBK bildete den RPM, Sou- aldemokratische Partei Malis. Der CNID malia Cissé gründete die URD und die A- konnte sich in den Parlamentswahlen 1997 DEMA unter Dioncounda Traoré unterstütz- nicht durchsetzen und schwenkte ins radika- te schließlich ATT. Ob die Gruppen wieder le Coppo-Lager. Heute ist Me Mountaga zu einer Allianz zusammenfinden, ist offen. Tall erster Vizepräsident der Nationalver- Die ADEMA/PASJ ist Vollmitglied der Sozia- sammlung. Der CNID hat 13 Abgeordnete. listischen Internationale. nie transparent abliefen, organisiert 12 Bloc pour la Démocratie et l’Intégration Mouvement pour l’Indépendence, la Africaine – Faso Jigi (BDIA-Faso Jigi; seit Renaissance et l’Intégration Africaine 01.04.1993) (MIRIA; seit 16.12.1994) Der Bloc pour la Démocratie et l’Intégration Das Mouvement pour l’Indépendence, la Africaine – Faso Jigi ist eine Abspaltung aus Renaissance et l’Intégration Africaine ist eine der US-RDA. Der Block schloß sich 1997 der Abspaltung der ADEMA, die auf die Unver- radikalen COPPO-Allianz an. 2002 unter- einbarkeit des Temperaments von Prof. Mo- stütze diese Partei ATT. Sie ist mit 3 Abge- hammed Lamine Traoré nach der Wahl Ko- ordneten im Parlament vertreten und ver- nerés zum Präsidenten mit der nachrücken- fügt insgesamt über 187 Stadtratsmandate den Gruppe zurückzuführen ist. Der MIRIA im ganzen Land. schlug sich nach 1997 auf die Seite der COPPO und beteiligt sich erst wieder an den Parti pour la Renaissance Nationale (PA- Wahlen 2002, bekam aber keinen Parla- RENA; 13.10.1993)= mentssitz. Prof. Traoré unterstütze 2002 Die Parti pour la Renaissance Nationale ist den Präsidentschaftskandidaten ATT und ist eine Abspaltung aus dem CNID/FYT über die heute Erziehungsminister in der Regierung. Frage der Radikalität der Opposition zur Teile des MIRIA wanderten wieder in die Präsidentschaft Konarés. CNID wollte sich ADEMA zurück. von Konaré distanzieren, die „sozialdemokratischeren“ Politiker im CNID sahen dafür Mouvement Patriotique pour le Renou- keine Voraussetzung und gründeten eine veau (MPR; seit 16.01.1995) zweite sozialdemokratische Partei in der Das Mouvement Patriotique pour le Renou- Form der PARENA. Die PARENA koalierte veau ist das zweite politische Auffangbe- und bildete gemeinsame Kandidatenlisten cken der UDPM. Sein Vorsitzender Choguel mit der ADEMA und kam somit ins Parla- Maiga ment 1997. Im 2. Kabinett Konaré stellte sie Kristallisationspunkt nach der Parlaments- den Justizminister in der Person von Me wahl 97. Der MPR hat 4 Abgeordnete in der Hamidou Diabaté. Die PARENA arbeitet seit laufenden Legislaturperiode und Choguel Jahren mit der Stiftung im gesellschafts- und Maiga selbst ist Industrieminister im aktuel- dezentralisierungspolitischen len Kabinett. Bereich zu- spielte eine Rolle als Coppo- sammen. Mit 1000 kommunalen Mandatsträgern 1997/98 und rund 600 Mandatsträ- Convention Démocrate Sociale (CDS; gern 2004 ist sie eine „Dezentralisierungs- seit 26.01.1996) partei“. Auf nationalen Niveau ist ihre Posi- Die Convention Démocrate Sociale ist eine tion nicht so stark: sie hat nur 2 Abgeordne- liberale Partei unter der Führung von Ma- te. Ihr Vorsitzender ist der frühere Studen- madou B. Sangaré, dit Blaise. Der Parteifüh- tenführer Tiebelé Dramé, der im Über- rer war wegen Unterschlagung von Mitteln gangskabinett von ATT 1991 eine Zeitlang der Ausßenminister Malis war und später im worden, kann aber seine politischen Funkti- ersten Kabinett Konaré Minister für die onen wieder wahrnehmen. Die Partei hat in Wüsten- und Steppengebiete Malis. Die der laufenden Legislaturperiode 4 Abgeord- PARENA sieht sich als zur SI zugehörig (Be- nete und hat ihre Gefolgschaft hauptsäch- obachterstatus). lich in der Region Bougouni. Rentenkasse rechtskräftig verurteilt 13 neralsekretär der Regionalintegration UE- Bloc des Alternatives pour le Renouveau MOA ist, kann er nicht gleichzeitig Partei- Africain (BARA; seit 08.12.1999) vorsitzender einer nationalen Partei sein. Der Bloc des Alternatives pour le Renouveau Aus diesem Grunde fungiert der frühere Africain ist eine Abspaltung des Professors Premierminister Younoussi Touré als Vorsit- Yoro Diakité aus der Parena. Prof. Diakité zender der Partei und der Parteivorsitzende behauptet von sich, die einzige glaubhafte Cissé erscheint nirgends in den Führungs- Alternative zum Regime von ATT zu sein. gremien. 1500 kommunale Mandatsträger hat die Partei. Sie ist auch im Parlament Rassemblement pour le Mali (RPM; seit vertreten. 19.04.2001) Als die unterschiedlichen Strömungen in der III. DIE PARTEIEN IM PARLAMENT ADEMA den Weg Ibrahim Boubacar Keitas zu reellen Chancen, eine Präsidentschafts- 1. Darstellung des politischen Systems und des Wahlsystems wahl zu gewinnen, verbauten, trennte sich der Vorsitzende und ehemalige Premiermi- Die Verfassung Malis sieht ein stark präsi- nister von seiner Partei und gründete das dentielles System nach dem Vorbild der sozialdemokratische Rassemblement pour le französischen V. Republik vor. Die National- Mali. Tatsächlich ist der RPM die stärkste versammlung spielt im Machtgefüge Malis zusammenhängende politische Kraft Malis. deutlich eine sekundäre Rolle. Zwar steht in Der RPM zählt in der aktuellen Legislaturpe- der Verfassung, dass das Parlament die Re- riode 46 Abgeordnete und 1590 kommuna- gierung zu kontrollieren habe, doch die le Mandatsträger in den Wahlen 2004. Ib- Realität sieht anders aus: rahim Boubacar Keita ist Präsident der Nati- • Das Parlament ist ein Zustimmungsor- onalversammlung und ein Vizepräsident der gan einer von der Regierung gesteuer- Sozialistischen Internationalen. Er ist der ten oder initiierten Gesetzesarbeit oder politische Kandidat für die nächste Präsi- –maschinerie; dentschaftswahl gegenüber dem „apolitischen“ Präsidenten/Kandidaten • Amadou Das Recht der Budgethoheit ist nur begrenzt umsetzbar, da das Budget der Toumani Touré. Regierung zu weiten Teilen aus internationalen Budgethilfen und sonstigen Union pour la République et le Déve- Transfers zusammengesetzt ist, die Teil loppement (URD; seit 25.06.2003) internationaler Die Union pour la République et le Dévelop- sind und wenig diskretionäre Interventi- pement ist die zweite Abspaltung der Kona- on des Parlaments zulassen; ré-Hinterlassenschaft ADEMA/PASJ. Der • langfristiger Verträge Relativ kurze Sitzungsperioden mit lan- ehemalige Finanzminister Konarés Soumalia gen Pauseninterwallen in der Parla- Cissé wollte ebenfalls für die Präsidentschaft mentsarbeit bringt Diskontinuität und kandidieren, und kam auf den 2. Platz. Die Ineffizienz mit sich; ADEMA gab ihre Stimme statt Cissé an ATT, • Die Ausschüsse sind nicht professionell worauf Cissé die URD gründete. Die Partei besetzt und ihnen ist kein wissenschaft- ist insofern interessant, als sie gewisserma- licher Dienst oder Beratungsapparat se- ßen Stellvertreterfunktion hat: Da Cissé Ge- kundiert. 14 • • • Die Regierung wird vom Präsidenten Das Mehrparteiensystem in Mali, das sich bestellt, und das Parlament hat kein po- seit 1991 in der 3. Republik etabliert hat, ist litisch wirksames Mißtrauensrecht. Mi- sicherlich ein demokratiepolitischer Fort- nister sind dem Parlament nicht rechen- schritt aber es sollte zugleich nicht mehr schaftspflichtig. hinein interpretiert werden, als was es bis Die Abgeordneten sind im Wesentlichen jetzt geleistet hat: der politischen pluralisti- „Wahlkreis-Abgeordnete“, die kaum für schen Artikulation einen öffentlichen Raum globale, sektorbezogene oder grund- zu schaffen. Mit lediglich etwas mehr als sätzliche einer Dekade Existenz kann man noch nicht Fragen interessiert werden können. von einer gefestigten Parteiendemokratie Die Funktion des Abgeordneten wir sprechen. Selbst wenn einige Parteien auf mehr als Honoratioren-Posten, denn als eine gewisse Geschichte zurückblicken kön- Herausforderung gesellschaftspolitischer nen (PSP, US-RDA), sind die meisten Partei- Aufbauarbeit aufgefasst. en vorläufig noch ephemer, fragil und insgesamt noch nicht Ausdruck einer politi- Die Wahlergebnisse im Parlament können schen Willensbildung in der Bevölkerung. gewissermaßen in drei Phasen interpretiert Abspaltungen, Neugründungen und Wie- werden. der-Fusionen sind Ausdruck dieser Wechsel- 1. Phase: 1992 bis 1997 – Parlament als haftigkeit. Ausdruck eines breiten pluralistischen Parteienspektrums. 2. Phase: 1997 bis 2002 – Parlamentszu- 2. Programmatiktest Nach dem Zerfall der sozialistisch- sammensetzung im Wesentlichen nicht kommunistischen Ideologie ist die Pro- Ausdruck von Wahlergebnissen, son- grammorientierung aller Parteien ins Wan- dern Ausdruck von Selbstblockaden von ken gekommen. Kohärente, durchdachte politischen Parteien und Boykottumset- Partei- oder Wahlprogramme gibt es nicht. zungen. Selbst der ADEMA als sozialdemokratischer 3. Phase: 2002 – neue Pluralität um 3 gro- Partei gebricht es eines qualifizierten Pro- ße Fraktionen: ^äíÉêå~åÅÉ= Éí= `Ü~åÖÉJ gramms. Was an Texten vorhanden ist, sind ãÉåí= ^``, bestehend aus PARENA, Bruch- und Versatzstücke von politischen, BDIA, RND US-RDA; bëéçáê=OMMO, beste- wirtschaftlichen und sozialen Vorstellungen, hend aus RPM, MPR und CNID; Fraktion die mehr Pamphlet- als Programmcharakter ^ääá~åÅÉ= éçìê= ä~= o¨éìÄäáèìÉ= Éí= ä~= haben. Darüber hinaus ist der internationale a¨ãçÅê~íáÉ= ^oa, bestehend aus ADE- Entwicklungsdialog so dominierend, dass MA und 3 kleinen Fraktionen: URD/LJS alle Parteien mehr oder weniger die Thesen (ex-SADI) Unabhängige; CDS/PDJ. von Weltbank, UNDP oder Europäischer Union als ihr Programm wiedergeben: Ar- IV. ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG mutsbekämpfung, Good Governance, Bil- DES MEHRPARTEIENSYSTEMS UND dung, Gesundheit, Globalisierung. Aber DER PARTEIEN 1. Demokratietest auch in der Programmatik sollte man die jungen Parteien nicht über Gebühr strapazieren und von ihnen mehr verlangen, als was die großen Entwicklungsapparate mit 15 ihren Stäben und Think Tanks auch nicht mit einer „apolitischen“ Bürgerbewegung leisten. wieder durchsetzen oder gelingt es den politischen Parteien und ihren Kandidaten, 3. Relevanztest ein „schärferes Demokratiebild“ herüberzu- Unbestritten haben die politischen Parteien bringen. Eines steht fest: ATT wird wieder auch in Mali eine Relevanz für die Demokra- kandidieren; er baut dabei zunehmend auf tiegestaltung im weiteren Sinne des Wortes. eine Remilitarisierung der Verwaltung und Demokratie nur mit zivilgesellschaftlichen der Gesellschaft. Er hat bereits weite Teile Initiativen, Kooperation, der Territorialverwaltung in Militärhände staatlichen und nicht-staatlichen Funktions- gegeben. Die Militärs heute erscheinen in trägern, oder mit den Medien zu organisie- Zivil und man sieht einem Minister oder ren, erscheint weiterhin bruchstückhaft, Gouverneur nicht an, dass er Militär ist. ATT wenn nicht unmöglich. Eine Gesellschaft gewann seine Wahl 2002 mit dem Stich- braucht kontradiktorische Artikulationsfor- wort des „Appaisement“, des „Herunter- men, und die Parteien sind ein wichtiges hängens von Gegensätzen“. Dafür ist die Instrument in dieser Funktion. Sicherlich sind malische Gesellschaft sehr empfänglich. die aktuellen malischen Parteien noch weit Tatsächlich aber brauchen Mali und Afrika von dem klassischen politologischen Funkti- insgesamt mehr Widerstreit der Ideen und onsmodell entfernt: Interessenartikulation, Konzepte, mehr „Streitkultur“, mehr Wett- Bildung von Meinungsaggregaten und - bewerb, mehr „Arbeit der Zuspitzung“ in integration, Mobilisierung und Elitenbildung Exekutive und Legislative, um das Entwick- für Management und Leadership in einem lungsdefizit aufzuholen. Effizienz, Korrupti- Staat. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist als onsbekämpfung, politische Stiftung besonders beauftragt, an durch Aktion und Gegenaktion, durch Rede diesem spezifischen Aufgabenstrang der und Gegenrede, durch Erziehung zur politi- insgesamt breit angelegten allgemeinen schen Verantwortlichkeit zu erzielen, nicht Entwicklungspolitik mitzuarbeiten. durch Konsensduselei. Die internationaler Partnerparteien der Entwicklung sind nur Friedrich-Ebert- Stiftung in Mali vom CNID über ADEMA, RPM, URD bis zu PARENA und ihren Fraktionen im Parlament sind dazu nur allzu gern bereit. V. AUSBLICK Mali steht nach 3 Legislaturperioden in Parlament und 3 Präsidialperioden in der Exekutive erst am Anfang der Demokratieentwicklung. Die nächsten Wahlen 2006/2007 für Parlament und Präsidialamt werden „NEPAD- oder Schicksals- Demokratiewahlen“ sein. Wird sich der amtierende Präsident Amadou Toumani Touré 16 Dokumentarischer Anhang Anhang A: Ergebnisse zu den Parlamentswahlen 1992 Wahlbeteiligung 21,3% ADEMA 48,4%; US-RDA 17,6%; CNID 5,6%; PDP 5,1%; RDP 4,4%; UDD 4,4%; RDT 3,8%; PMD 2,7%; PSP 1,7%; UFDP 1,6%; UMDD 0,4 % 1997 Wahlbeteiligung 21,6% ADEMA 75,3% ; Sonstige 24,7% 2002 Sitzverteilung RPM 46 Sitze; CNID 13 Sitze; MPR 4 Sitze; ADEMA 45 Sitze; SADI 6 Sitze; Unabhängige 6 Sitze; Auslandsmalier 13 Sitze Quelle: Elections in Africa; www.electionworld.org Anhang B: Wahlergebnisse zu den Präsidentschaftswahlen 1992 1. Wahlgang Wahlbeteiligung 23,6% Alpha Oumar Konaré (ADEMA) 45,0%; Tiéoulé M. Konaté (US-RDA) 14,5%; Mountaga Tall (CNID) 11,4%; Almamy Sylla (RDP) 9,4%; Baba A. Haidara (US-RDA) 7,0%; Idrisa Traoré (PDP) 7,1%; Amadou A. Niangadou (RDT) 4,0%; Mamadou Diaby (PUDP) 2,2%; Bamba M. Diallo 2,0% 2. Wahlgang Wahlbeteiliung 20,9% Alpha Oumar Konaré 69,0%; Tiéoulé M. Konaté 31,0% 1997 1. Wahlgang Wahlbeteiligung 29,0% Alpha Oumar Konaré 84,4%; Mamadou M. Diaby (PUDP) 3,6%; Mountaga Tall (CNID) 1,8%; Soumana Sacko (CPP) 1,8%; Choguel Maiga (MPR) 1,8%; Seydou B Kouyaté (US-RDA) 1,6% ... Kein 2. Wahlgang 2002 1. Wahlgang Wahlbeteiligung 36,8% Amadou Toumani Touré 28,0%; Soumalia Cissé (ADEMA) 22,7%; Ibrahim Boubacar Keita (RPM) 20,7%: 4 weitere Kandidaten 28,6% 2. Wahlgang Wahlbeteiligung 30,2% Amadou Toumani Touré 64,4%; Soumalia Cissé 35,6% Quelle: Elections in Africa; www.electionworld.org 18 Die Friedrich-Ebert-Stiftung Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wurde 1925 gegründet und ist die älteste politische Stiftung Deutschlands. Sie ist eine private und gemeinnützige Institution und den Ideen der Sozialen Demokratie verpflichtet. Die Stiftung trägt den Namen des ersten demokratisch gewählten deutschen Staatspräsidenten, Friedrich Ebert, und führt sein Vermächtnis der politischen Gestaltung von Freiheit, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit fort. Diesem Auftrag entspricht sie im In- und Ausland mit ihren Programmen zur Politischen Bildung, Internationalen Zusammenarbeit sowie Studienförderung und Forschung. Die Internationale Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung Die Abteilung Internationale Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung fördert nachhaltige Entwicklung und Demokratie in Afrika, Asien, Lateinamerika sowie dem Nahen Osten. Zusammen mit ihren Partnern, gesellschaftspolitischen Akteuren in über 100 Ländern, trägt sie dazu bei, dass in Zukunft: • Demokratische Strukturen unter Einbeziehung möglichst aller gesellschaftlicher Gruppen gesichert, • Reformprozesse und Mechanismen eines friedlichen Interessenausgleichs gefördert sowie • Globale Zukunftsstrategien gemeinsam gestaltet werden. Gegenwärtig unterhält das Afrika-Referat der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Ländern südlich der Sahara 19 Büros mit 23 deutschen Mitarbeitern und ca. 180 Ortskräften. Darüber hinaus werden Projekte in 4 weiteren Ländern (Kapverden, Togo, Mauritius, DR Kongo) durchgeführt, die jeweils von einem angrenzenden Büro oder der Zentrale mitbetreut werden. Für diese Arbeit standen im Jahre 2005 ca. 12 Mio. € zur Verfügung. Weitere Informationen sowie FES-Publikationen zu Afrika finden Sie auf unserer Homepage unter: http://www.fes.de/international/afrika. Friedrich-Ebert-Stiftung Referat Afrika Abteilung Internationale Entwicklungszusammenarbeit Leiter: Dr. Werner Puschra Godesberger Allee 149 53175 Bonn Tel.: +49 228 883-576 Fax: +49 228 883-623 19