Institut für Öffentliches Recht Universität Augsburg Wintersemester 20010/2011 Fallbesprechungen zum Grundkurs Öffentliches Recht I (Staatsorganisationsrecht) Fall 3: Parteienrecht Teil 1: Die sozial ausgerichtete Oppositionspartei S will die Zersplitterung der Parteienlandschaft am linken Rand des politischen Spektrums verhindern. Sie ist der Meinung, es sei auch im Interesse einer zügigen Meinungsbildung in der Öffentlichkeit und stabiler Koalitionsbildung in den Parlamenten, wenn der Parteienstatus nicht schon kleinsten Gruppierungen zugestanden wird. Die Ernsthaftigkeit der Gruppierung zeige sich erst ab einer bestimmten Größe. Die Fraktion der S-Partei im Bundestag bringt daher folgendes Änderungsgesetz ein: Art. 1 Änderung des Parteiengesetzes „In § 2 Abs. 1 Parteiengesetz werden in Satz 1 die Worte „nach der Zahl ihrer Mitglieder“ gestrichen. Als neuer Satz 2 wird folgender Satz eingefügt: „Parteien sind nur Vereinigungen mit mehr als 20.000 Mitgliedern.“ Art. 2 Inkrafttreten […] Zur Freude der S-Partei beschließt der Bundestag die Änderung an einem Freitagabend nach zwei Lesungen. Von den 40 an der zweiten Lesung teilnehmenden Abgeordneten stimmen 30 dem Entwurf zu, acht lehnen ihn ab und zwei enthalten sich der Stimme. Nach der Beschlussfassung wird das Gesetz dem Bundesrat zugeleitet, der keinen Einspruch erhebt. Die vor wenigen Monaten gegründete L-Partei hat erst knapp 18.000 Mitglieder, verzeichnet in einigen Wahlumfragen aber bereits beachtliche Erfolge. Sie ist der Meinung das Gesetz sei sowohl formell als auch materiell verfassungswidrig. Es könne nicht angehen, dass 40 Abgeordnete der großen Volksparteien über ihren Status als Partei entscheiden. Das Gesetz hindere neue politische Strömungen daran in den Genuss der Vergünstigungen zu kommen, die der Status als Partei mit sich bringt, und sich so weiterzuentwickeln. Die Partei wendet sich daher an die Bundesregierung. Nach Prüfung des Sachverhaltes hat auch sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Außerdem findet sie es unerhört, dass die SPartei mit Hilfe solcher Methoden ihre zukünftigen Wahlerfolge absichern und mögliche Konkurrenz auf Abstand halten will. Bearbeitervermerk Hat ein gerichtliches Vorgehen der Bundesregierung Aussicht auf Erfolg? Teil 2: Dem Abgeordneten M, der zugleich Bundesinnenminister ist, sind die am rechten Rand befindlichen, radikalen Parteien ein Dorn im Auge. Er nutzt daher eine Grundsatzdebatte im Bundestag, um klarzustellen, dass es sein Ziel sei, die Entwicklung von rechtsradikalen und verfassungswidrigen Parteien entschieden zu bekämpfen. Insbesondere müsse man sich unter diesem Aspekt der R-Partei annehmen. In der Mitgliederzeitschrift der Partei werde die Abschaffung aller politischen Parteien und die Schaffung einer basisdemokratischen Einheitsliste gefordert. Auch an zahlreichen anderen Stellen würden Tendenzen zur Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ersichtlich. Sie sei daher Beispiel für die angesprochenen besorgniserregenden Entwicklungen. Die R-Partei will sich das nicht bieten lassen. Sie weist daraufhin, dass niemand sie als verfassungswidrig bezeichnen darf, solange die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt sei. Auch dürfe der Herr Minister, der als Staatsorgan der Verfassungsrechtslage besonders verpflichtet sei, die Partei beim Wähler nicht so diskreditieren. Fall 5 (Parteienrecht) Bearbeitervermerk Wie ist die verfassungsrechtliche Lage? Seite 2 von 2