VII Grundlagen der Musik · Beitrag 18 Wir erfinden ein Lied 1 Wir erfinden ein Lied – Musikalische Formenlehre praktisch von Prof. Dr. Klaus Velten, Homburg Themenaspekte: Liedtexte interpretieren und formal analysieren; Sprechrhythmus auf den Liedrhythmus übertragen; Liedmelodien und Liedbegleitungen erfinden Ziele: Durch die Vertonung des „Detektivlieds“ von Peter Hacks lernen die Schülerinnen und Schüler wesentliche Gestaltungszüge einer wichtigen Form der Vokalmusik kennen und können die Komplexität eines musikalischen Erfindungsvorgangs nachvollziehen. Sie erarbeiten musikalische Gestaltungsmittel und erfahren deren Wirksamkeit. Zudem lernen sie durch Aufführung in der Klassengemeinschaft, gelungene und weniger gelungene musikalische Formen zu beurteilen, und erwerben formenkundliche Kenntnisse durch Musikpraxis. Durch Rhythmisieren, das Erfinden von Begleitungen zu Melodien lernen sie die Liedform in ihrem formalen Aufbau kennen. t h c i s n a r o V Klassenstufe: Kl. 5–7 Zeitbedarf: 5 Schulstunden Hintergrundinformationen Formenkunde sollte in der Schule nicht „theorielastig“ betrieben werden. Ähnlich der elementaren Musiklehre kann man vielmehr auch das Verständnis musikalischer Formen durch musikpraktische Übungen vorbereiten. Denn der Einblick in den Formungsprozess ist wesentlicher als die Kenntnis starrer Formschemata. Diese Unterrichtsreihe stellt daher das „Schülerexperiment“ in den Mittelpunkt: Musikalische Formenkunde wird musikpraktisch vermittelt. Dabei wurde darauf geachtet, dass diejenigen, die keinen Instrumentalunterricht haben, ebenfalls gut mitmachen können, weshalb auch eine Liedform als Beispiel gewählt wurde. Liedformen bilden einen besonderen didaktischen Schwerpunkt im Rahmen der musikalischen Formenkunde. So wirft z. B. eine mehrstrophige Gedichtvorlage die Frage auf, ob man beim Vertonen die Musik für die verschiedenen Strophen beibehalten (strophische Vertonungsweise) oder dem sich verändernden Vorstellungsgehalt der Gedichtstrophen entsprechend von Strophe zu Strophe variieren bzw. wechseln soll (durchkomponierte Vertonungsweise). Die zwischen den Strophen wechselnde Vertonungsweise kann durch die Formungsprinzipien der Abwandlung und des Gegensatzes bestimmt sein. Bei der Gestaltung eines Gegensatzes richtet sich die Aufmerksamkeit auf musikalische Elemente, die einen Kontrast erzeugen. – Basis für die formale Anlage eines Liedes ist die Gestaltung des Wort-Ton-Verhältnisses im Einzelnen: die Übertragung der Textdeklamation in eine rhythmisch-melodisch geprägte Deklamationsweise. Wie wird aus einer Gedichtzeile eine Liedzeile? Wie verbinden sich mehrere Liedzeilen zu einer Liedstrophe? Schließlich klärt die liedbezogene formenkundliche Anleitung auf, wie die Beziehung zwischen der gesungenen Stimme und ihrer instrumentalen Begleitung eingerichtet ist. Ist der Instrumentalsatz lediglich ein Begleitsatz zur Singstimme oder trägt er zur musikalischen Interpretation des Textes bei? 21 RAAbits Realschule Musik Mai 2010 VII Grundlagen der Musik · Beitrag 18 Wir erfinden ein Lied 3 Buchtipps 1. Fachwissenschaftliche Literatur De la Motte, Diether: Melodie. Ein Lese- und Arbeitsbuch. Kassel, Basel, London, New York, Prag: Bärenreiter Verlag 1993. Eine historische Typologie, auch mit Anleitungen zu eigenen Gestaltungsversuchen. Erpf, Hermann: Form und Struktur in der Musik. Mainz: Schott Verlag 1967. Eine Formenkunde mit systematischer und historischer Ausrichtung. 2. Didaktisch-methodische Literatur Heilbut, Peter: Kinder komponieren. In: Üben und Musizieren (Schott Verlag). Heft 1/Februar 1984. S. 32. Anregungen zu Gestaltungsversuchen aus der Sicht eines Instrumentallehrers. Hoch, Peter: Vom musikalischen Tun. Plädoyer für eine schöpferische Schulmusikpraxis. In: Helms, Siegmund/Hopf, Helmuth/Valentin, Erich (Hg.): Handbuch der Schulmusik. Regensburg: Bosse Verlag 1985. S. 179 ff. t h c Der Verfasser entwickelt ein Planungskonzept, das über Improvisieren und Komponieren zum Musikverständnis führen soll. Musikerlebnis wird hierbei ermöglicht durch musikalische Betätigung. i s n Konrad, Rudolf: Rhythmus, Metrum, Form. Definitionen, Übungen, Beispiele. Eine Studie für Musikpädagogen, Bewegungserzieher, Rhythmiklehrer, Tanzpädagogen. Frankfurt/Main, Berlin, München: Diesterweg Verlag 1979 (Schriftenreihe zur Musikpädagogik). Der Gründer des ersten Instituts für Rhythmik in der Bundesrepublik stellt dar, wie musikalische Form auch aus sprachrhythmischen Strukturen entstehen kann. a r o Krämer, Rudolf-Dieter: Spielerische Formen rhythmisch-musikalischer Übungen. In: Musik und Unterricht (Friedrich Verlag). Heft 25/März 1994. S. 16–24. V Der Verfasser präsentiert u. a. Modelle der rhythmisch-musikalischen Erfahrung über die Sprache und das Sprechen. Materialübersicht Zeitbedarf (in Min.) M M M M 1 2 3 4 M5 M6 M7 Peter Hacks: „Detektivlied“ „Der Herr im steifen Hut“ (aus: „Emil und die Detektive“) Bestimmung von Versmaß (Takt) und Rhythmus Notation von Liedrhythmen Lösungsblatt (M 4) Liedmelodien aufschreiben (1. und 3. Strophe) Lösungsvorschlag (M 5) Liedmelodien aufschreiben (2. und 4. Strophe) Lösungsblatt (M 6) Liedbegleitungen Erläuterungen (20) (25) (25) (10) (—) (35) (—) (35) (—) (45) Seite 4 5 6 8 9 10 11 12 13 14 15 21 RAAbits Realschule Musik Mai 2010 4 M1 Wir erfinden ein Lied Grundlagen der Musik · Beitrag 18 VII Peter Hacks: „Detektivlied“ Wenn der schlau ist, sind wir schlauer, Und wir geben mächtig acht, Und wir liegen auf der Lauer, Auf der Lauer In der Nacht. t h c Wer Schelme fangen will, muß früh aufstehn, Daß er nicht alles glaubt. Nur wer gelernt hat, durch die Nacht zu spähn, Entdeckt, was unerlaubt. Und wir merken voller Trauer: Mancher Mensch ist bös gemacht. Und wir liegen auf der Lauer, Auf der Lauer In der Nacht. Zeichnung: Oliver Ch. Wetterauer, Stuttgart Wer Schelme fangen will, muß früh aufstehn, Darf schlafen nicht zu lang. Gar oft ist einer dran, ein Ding zu drehn Vor Mondenuntergang. i s n a r o V Aus: Peter Hacks: Der Flohmarkt. Gedichte für Kinder. Berlin: Eulenspiegel Verlag 2001. Gemäß dem Wunsch der Rechteinhaber in alter „Rechtschreibung“. Aufgaben Um ein Lied erfinden zu können, brauchen wir einen Text. Das Gedicht „Detektivlied“ von dem Berliner Dichter Peter Hacks (1928–2003) ist geeignet für unseren Gestaltungsversuch, weil der Dichter selbst seinen Text als „Lied“ bezeichnet. 1. Wozu fordert der Dichter die Kinder auf? 2. Welche Form hat das Gedicht? (Strophen – Zeilengliederung der Strophen – Reimordnung) 3. Begründet, warum der Dichter in den Strophen 2 und 4 fünf Zeilen (statt nur vier) aufeinanderfolgen lässt. 4. Lernt das Gedicht auswendig. 21 RAAbits Realschule Musik Mai 2010 VII Grundlagen der Musik · Beitrag 18 M2 Wir erfinden ein Lied 5 „Der Herr im steifen Hut“ (aus: „Emil und die Detektive“) t h c i s n a r o „Grundeis“. Zeichnung: Walter Trier. V „Niemand kennt ihn. Nun heißt es zwar, man solle von jedem Menschen, ehe er das Gegenteil bewiesen hat, das Beste annehmen. Aber ich möchte euch doch recht herzlich bitten, in dieser Beziehung etwas vorsichtig zu sein. Denn Vorsicht ist, wie es so schön heißt, die Mutter der Porzellankiste. Der Mensch ist gut, hat man gesagt. Nun, vielleicht ist das richtig. Doch man darf es ihm nicht zu leicht machen, dem guten Menschen. Sonst kann es plötzlich passieren, dass er schlecht wird.“ Text und Illustration aus: Erich Kästner: Emil und die Detektive. Illustrationen von Walter Trier. Zürich: Atrium Verlag 2004. S. 22. Der 1928 erschienene Roman „Emil und die Detektive“ handelt von dem zwölfjährigen Jungen Emil Tischbein, der während einer Reise zu Berliner Verwandten in der Eisenbahn bestohlen wird. Emil verfolgt den Dieb, Herrn Grundeis, quer durch Berlin, um sein Geld zurückzubekommen. Dabei kommen ihm andere Kinder zu Hilfe. Gemeinsam erwischen sie schließlich den Dieb, und Emil erhält eine Belohnung, da sie einen Verbrecher gestellt haben, der nicht nur ein Dieb, sondern auch ein gesuchter Bankräuber ist. Aufgabe Stellt einen Bezug her zwischen dem Gedicht „Detektivlied“ und diesem Textausschnitt aus der Einleitung zu Erich Kästners Kinderroman „Emil und die Detektive“. 21 RAAbits Realschule Musik Mai 2010 10 M5 Wir erfinden ein Lied Grundlagen der Musik · Beitrag 18 VII Liedmelodien aufschreiben (1. und 3. Strophe) Vorübungen 1. Strophe & 44 œ Wer & & & & & & œ. Schel - me a r o will, muss früh will, muss früh - me darf schla - j œ fan - gen fen nicht zu lang. darf schla - fen nicht zu lang. œ œ œ. œ. t h c i s n fan - gen Schel Wer V & j œ auf - stehn, auf - stehn, Gar oft ist ei - ner dran, ein Ding zu drehn Gar œ oft ist ei - ner dran, ein Ding zu drehn vor Mon - den - un - ter - gang. vor Mon - den - un - ter - gang. œ. 21 RAAbits Realschule Musik Mai 2010