Station 8: Die Musik der Romantik A) Allgemein: Kulturträger ist neben Adel und Kirche nun auch das arrivierte Bürgertum, das Mäzenatentum geht immer mehr auf öffentliche Institutionen (Staat/Gemeinde) und private Körperschaften (Gesellschaften/Vereine) über. Im privaten Musikleben dominiert die Pflege der Hausmusik (Streichquartett, Klaviermusik 2- und 4händig, kleine Vokalensembles), „Prototyp“ ist die in Gesang und Klavier gebildete „Tochter aus besserem Hause“. Das öffentliche Konzertleben ist Ausdruck einer gehobenen gesellschaftlichen Stellung des Bürgertums, es kommt zur Gründung von Konzertgesellschaften und Berufsorchestern (1842 gründet Otto Nicolai die Wiener Philharmoniker), Singvereinen und Liedertafeln. Der Komponist wirkt als „freischaffender Künstler“ ohne feste Anstellung und Bindung, schafft nach einem Interesse, frei, nur einem „inneren Zwang" folgend, nicht mehr dienend (l`art pour l`art). Da er jetzt mit seiner Kunst überleben muss, kommt es zu einer zunehmenden Spezialisierung auf kompositorisches Schaffen in bestimmten Bereichen nach den persönlichen Stärken = Wagner/Oper, Bruckner/Symphonie Viel privates, bürgerliches Musizieren verlangt nach geeigneten Lehrern, eine Aufgabe, die früher bei Hofe berühmte Komponisten übernommen haben. Es kommt zur Gründung von Konservatorien und Akademien, in denen Berufsmusiker ausgebildet werden. Im Zuge des allgemein in der Romantik erstarkenden Nationalbewusstseins entstehen auch in der Musik die so genannten „Nationalen Schulen" in europäischen Ländern, die bisher stark unter dem Einfluss italienischer oder deutscher Komponisten und Stilrichtungen standen = Besinnung auf die eigene Nationalität, B) Das Lied bei Franz Schubert (Vokalmusik) Schuberts Leistung auf diesem Gebiet - er schrieb mehr als 600 Lieder und gilt als der Schöpfer des romantischen Liedes schlechthin - ist so groß, dass sie lange Zeit sein instrumentales Schaffen in den Schatten stellte und fast ausschließlich seine künstlerische Wertung bestimmte. Hatte das Lied bisher eher den Charakter Ruf einer leichtgewichtigen Miniatur ohne besonderen musikalischen Tiefgang, so rückt es durch Schubert als vollwertiges Kunstgebilde in den Mittelpunkt der romantischen Musik. Was ist nun das Besondere an diesen „neuen“ Liedern? Vor Schubert galt der unbedingte Vorrang der Singstimme, der das Klavier nur die unentbehrliche harmonische Stütze gab, die Selbstbeschneidung der Musiker, die dem Dichterwort mit schlichten Melodien und kargen Klaviersätzen zu dienen hatten. Jetzt wird das Klavier, das sich längst vom Begleitinstrument zum virtuosen Soloinstrument entwickelt hat, zum gleichberechtigten Partner des Sängers und verlangt nach einer intensiven, ausdrucksstarken Liedmelodie, die den Text mit allen Mitteln des sängerischen Ausdrucks trägt und deutet, ohne sich ihm unterzuordnen. Eine Praxis, die von den Mitgliedern des Goethe-Kreises nicht geschätzt wurde. So schickte Goethe eine Anzahl bedeutender Schubert-Lieder (Schubert vertonte insgesamt 57 Goethe-Gedichte) mit dem Angebot der Widmung an den Dichter ohne ein Begleitwort zurück und nahm auch später von Schubert nie Notiz. Wir unterscheiden im Wesentlichen drei Strophenformen beim Lied: 1. das Strophenlied = alle Strophen sind durchnummeriert und haben dieselbe Melodie; das Volkslied/volkstümliche Lied verwendet diese Strophenform 2. das variierte Strophenlied = die Strophen sind durchnummeriert, aber die eine oder andere Strophe bekommt zur besseren Textausdeutung eine eigene Melodie; zu finden im Kunstlied 3. das durchkomponierte Lied = die Strophen des Textes sind als solche nicht mehr zu erkennen, sie sind auch nicht mehr durchnummeriert, der Text wird durch die Melodie völlig ausgedeutet; ausschließlich im Kunstlied zu finden. C) Programm-Musik (Instrumentalmusik) Im Gegensatz zur „absoluten Musik“, die ihren Gehalt aus Harmonie, Melodik, Rhythmik und Form bezieht, versteht man unter PM Instrumentalmusik mit außermusikalischem Inhalt, der durch einen Titel oder ein Programm mitgeteilt wird. Der Inhalt besteht vorzugsweise aus einer Folge von Handlungen, Situationen, Bildern oder Gedanken. Er regt die Phantasie des Komponisten an und lenkt die des Hörers in eine bestimmte Richtung. Außermusikalische Programme können sein: 1. dichterische Vorlage: z.B. „Der Zauberlehrling“ (Goethe/Paul Dukas) 2. philosophische Idee: z.B. „Also sprach Zarathustra“ (Nietzsche/Richard Strauss) 3. Malerei: z.B. „Bilder einer Ausstellung“ (Hartmann/Modest Mussorgsky, bzw. Ravel) 4. Naturschilderung: z.B. „Die Moldau“ (Friedrich Smetana), „Finlandia“ (Jean Sibelius) 5. ein Handlungsablauf: z.B. „Kinderspiele“ (Camille Saint-Saens) Im 19. Jhdt. erfährt die PM eine besondere Aktualisierung, Das Außermusikalische, vor allem das Poetische, kommt dem literarisch gebildeten Zeitalter entgegen. Die um 1830 einsetzende französische Romantik verlangt noch deutlicher ganzheitliches Erleben und dazu sinnliche Empfindung von der Musik. Der eigentliche Begründer der PM ist der Franzose Hector Berlioz, die PM somit eine Neuschöpfung der Romantik. H. Berlioz ist auch der Schöpfer des modernen Klangfarbenorchesters, er verwendet kühne, neuartige Instrumentierungen mit viel Schlagwerk. Angeregt durch Berlioz schuf Franz Liszt dann die so genannte Symphonische Dichtung, eine musikalische Gattung ganz ähnlich der PM, jedoch immer einsätzig, formal frei und phantasieartig angelegt, vom Aufbau her an die Symphonie angelehnt (Name!), ansonsten mit allen Merkmalen der PM.