Linguistische Berichte Heft 21O Herausgegebenvon Günther Grewendorf und Arnim von Stechow HELMUTBUSKEVERLAG HAMBURG Beiträgeaus Forschungund Anwendung Typologie - e i n F a l lv o n M i r a t i v ei m M a l t e s i s c h e n G r a m m a t i ( k a l i ) s i e r u?n g Utz Maas Abstract Maltese presents a particular construction that should be classified as Mirative, although this has not been noted in Arabic linguistics. In fact, other Neo-Arabic varieties, e.g. the closely related Moroccan Arabic, do not show this category. What is present in all Arabic varieties are forms of syntactic reduplication that are grammaticalized in Maltese as miratives. This is why we need to differentiate belween grammatization, i.e. giving a notional category a grammatical expression in a language, and grammaticalizafion, i.e. changing the (semantic) function of a form into a grammatical function. In the article, the uses of the Maltese mirative are explored in some detail and compared to another better known case, the Albanian (Ad-)Mirative. The fonnal resourcesof the Maltese mirative, the syntactic reduplication of a verbal predicate by a masdaras the reduplicand,is discussedand put in relation to its Old Arabic sources.The paper is presentedas a methodological contribution, demonstratingthe diffrculties of exploring a "covert category"when doing field work. 1 Einleitungl Ausgangspunlctfür diesenBeitrag waren Problemebei Sprachaufrrahmen zum Maltesischen,das mir als Kontrastsprache für eine seit l?ingerembetriebene UntersuchungnJm marokkanischenArabischendient. Analytische Probleme bereitenBeispielewie dasfolgende:z 1 Überarbeitung eines Vortrags an der Universität Hannover atn 25.1.2006. Kritische Anmerkungen zweier anonymer Gutachter habe ich dankbar aufgenommen, insbesondere auch den Hinweis, daß es nicht erforderlich ist, die Grundstrukturen des Arabischen so ausführlich darzustellen wie in dem zunächst vorgelegten Text. Für hilfreiche Anmerkungen zum Manuskript danke ich Thomas Stolz. Für die Mithilfe beim Maltesischen Ray Fabri und Flavia Chetcuti, beim Albanischen Margarita Kolezi. 2 Maltesisch ist eine standardisierteSchriftsprache. Daher gebe ich die Beispiele in maltesischer orthographie, füge allerdings eine Morphemsegmentierung hinzu, um die Formen transparenter zu LinguistischeEerichte21O|2OO7@ Helmut BuskeVerlag,Hamburg Utz Maas 130 (1) MAL kemm j:lqkul ikel t-ghid-x 2.S-sag.IPF-NEG.IPTwieviel3.S.-ess:IPFEssen ,,Du glaubst nicht, wie viel er ißt!" Maltesisch und marokkanisches Arabisch haben sich diachron von einer gleichen Ausgangsposition entwickelt (beides sind neuarabische Varietäten), aber das Maltesische wird seit 800 Jahren außerhalb des muslimischen Kulturraums gesprochen, weist starke Kontakteinflüsse drnch Italienisch (richtiger Sizilianisch), seit 200 Jahren auch durch das Englische auf. Wenn es manchmal auch als ,,Mischsprache" bezeichnet wird, dann ist das vor allem auf das Lexikon gemünzt, nicht aber auf die Grammatik. Der Vergleich zwischen beiden Varietäten bereitet aufgrund der gemeinsamen etymologischen Basis nw in wenigen Fällen Schwierigkeiten, wie sie in diesem Beitrag vorgestellt werden sollen. Diese beginnen schon damit, daß Konstruktionen wie (l) ebenso wie die von mir dafür verwendete Kategorie ,,Mirativ" in den Beschreibungen des Maltesischen fehlen, und zrrar nicht nur in den arabistisch ausgerichteten, auch in solchen mit einer typologischen Zielsetztxrg wie Borg/Azzopardi-Alexander (Lee7). 2 Was sind Mirative? Mirative bilden eine relativ junge grammatische Kategorie in grammatischen Beschreibungen,die ihren Ort in der typologischen Diskussion um Evidenziale haben, also satzmodalen Markierungen.3 In einigen Referenzgrammatiken gehören sie zum festen Inventar, z.B. imAlbanischen, wo sie in den Grammatiken als Admirative verbucht werden (etwa bei Newmark u.a. 1982, BuchholzlFiedler 1987,Hetzerßinger 1991).+ Dort bilden die Admirative eine parallele ModusReihe in der Verbalflexion. z.B. im Kontrast zum Indikativ. Mit diesen Formen werden alle Arten von Distanzierung ausgedrticld,z.B. Unerwartetes.s machen (die malt. Orthographie kennt solche Markierungen nur unter bestimmten Bedingungen). Die Aussprache sollte mehr oder weniger transparent sein, mit Ausnahme von: <x> {iir [], <q> für Fl, <g> für [ds], <ö> für [tJ]; <gh> ist meistens ,,stumm" als grammatische Markierung, repräsentiertz.T. aber in der Verbindung mit dem benachbarten Vokalzeichen eine besondere Vokalisierung (Langvokal, Diphthong). Die Übersetzung der Beispiele ist relativ frei, gerade auch wenn wie bei (1) eine formalere Entsprechung im Deutschen möglich ist, wo ein verneinter Imperativ des Matrixausdrucks zu finden ist, wörtlich also: Sag bloJSnicht, daJJ....; aber das wäre nicht übersetzungsäquivalent. 3 Auf die inzwischen schon umfangreiche Diskussion gehe ich nicht im Detail ein. Ein wichtiger Anstoß kam von Delancey (1997). 4 Der Terminus der albanischen Nationalgrammatik ist habi ,,Erstaunen, Verwunderung". 5 Arbeitet man mit Gewährspersonen,ist eine entsprechendesituative Motivierung erforderlich, wenn man solche Formen elizitieren will. Eine Informantin aus dem Kosovo hat mir albanische Admirativformen geliefert, als ich sie gefragt habe: Maro, wie ist das bei euch: Machen Mönner zuhause den Abwasch? - Ihre Antwort war eindeutig: nein. Daraufhin konnte ich weiterfragen: Also, Maro, wenn du siehst, daf der Mann deiner Nachbarin den Abwasch macht, wie sagst du dann? tndbekam Formen wie (2). * ein Fall von Grammati(kali)sierung? Mirative im Maltesischen (2) ALB l3l Enver-i po la-ka en-ö-t Enver-N aber wasch:-ADM.PRAS.3S Teller-P-DEF " ,,(Donnerwetter,) Enver macht j a den Abwasch ! vgl. damit die indikativische Form in (3): (3) ALB Enver-i la-n en-ö-t Enver-N wasch:-PRAS.3S Teller-P-DEF ,,Enver macht den Abwasch." Dieser Kontrast ltißt sich auch in den verschiedenenZeitstufen durchspielen, in komplexen Sätzenauch in den abhängigenFormen artikulieren u. dgl., vgl. noch im Perfekt:6 (4) ALB pas-ka (dje) a. Enver-i b. Enver-Nhab:-ADM.3S wasch:-PZPgesternTeller-P-DEF " ,,(Dorurerwetter,)Enver hat (gestern)denAbwaschgemacht! (dje) en-ö-t Enver-i ka la-rö la-rö en-ö-t Enver-N hab.ADM.3 S wasch:-PZP gestern Teller-P-DEF ,,Enver hat (gestern) den Abwasch gemacht." Die Beispiele zeigen, daß die albanischenMirative relativ problemlos ins Deutsche übersetzt werden können - allerdings, ohne daß es eine eindeutige Form dafür gäbe: wir müssen von Fall zu Fall eine andere Übersetzung suchen und haben dafür eine ganze Klasse von Paraphrasen als Optionen. Aquivalente Ausdrucksweisenwären hier z.B.: Stell Dir vor, der Enver macht den Abwasch! Unglaublich: der Enver macht den Abwasch! u.a. mehr. Nicht nur gibt es im Deutschen keine standardisierte Ausdrucksweise für einen Mirativ, es gibt erst recht keine Form, die einheitlich das Feld derAdmirative im Albanischen abdeckt, die z.B. auch konditionale Verhältnisse artikulieren können, nicht sichere/nur wahrscheinliche Sachverhalte u.a.. Außerdem kommen die albanischenAdmirative nicht nur im selbständigen Satz vor wie die angeführten dt. Ausdrticke, sondern auch in der Subjunktion: Im Albanischen sind die Mirativez regulär in das Paradigma der Verbalformen als Opposition integriert; sie sind grammatikalisiert. Im Gegensatz daztt gibt es im Deutschen keine grammatische Kategorie Mirativ. Dabei ist die Frage der Grammatisie- 6 Die Bildung der (Ad-)Mirativ-Formen zeigt Suftixe -ka (1.5. -kam, 2.5 -ke usw.\, die homograph mit den Formen des Hilfsverbs sind, das in der Perfekt-Periphrase genutzt wird. Im Gegensatz zu diesem sind sie aber keine freien Formen, die betont (betonbar) sind. Das Hilfsverb hat suppletive Stammbildungen, im (Ad)Mirativ den Stamm pas-. 7 Im Folgenden benutze ich den Terminus Mirativ, ztt laI miror ,,sich (ver)wundem", zu dessen Bedeutungsspektrum auch ,,etwas befremdet mich ...", gehört; admiror ist in der Bedeutung enger, im Defaultfall als ,,bewundem" zu übersetzen,das in den meisten Fällen nicht paßt. t32 Utz Maas nrng zu unterscheiden von der diachronen Frage, welche etymologisch gesehen anders definierten Formen dabei grammatikalßiert werden.s 3 Expressive vs. grammatische Ressourcen: syntaktische Reduplikation In formaler Hinsicht ist Beispiel (1) ein Fall von syntaktischer Reduplikation, wie sie traditionell diskutiert wird. In (1) stehen eine verbale Formi:iekulvnd eine nominale Form ikel n einer Konsürrklion, die in der Rhetorik als Paronomasie bw,t. fi.gura etymologica diskutiert wurde. In dieser Diskussion spielen schon traditionell die arabischenSpracheneine prominente Rolle, s. Pott (1862) und vor allem Reckendorff(1909), auch Maas (2005). In der europäischen Schultradition gilt eine solche Konstruktion als extrem markiert. Sie wird von der normativen Grammatik mißbilligt bzw. ntr als besonders markiertes Stilmittel zugelassen;ein Überblick dazu schon bei H. Paul (1920). Die wirkung der normativen Grammatik läßt sich schön im Lateinischen verfolgen, wo diese Konstruktion sich bei Autoren wie Plautus noch relativ häufig findet, spätere hochsprachlich bemühte Autoren sie aber vermeiden, weil sie eine zunehmend ,,vulgäre" (bzvl archaische) Konnotation hat, wie grammatische Kommentatoren anmerken. Wo die Konstruktion noch benutzt irird, *itd zumindest eine formale Paronomasie vermieden, also ein Term substituiert wie in (5): (5) LAT alt (,,vulgär") pugnam pugnare ,,einenKampf kämpfen" > jiinger proelia Pugnare Nach diesem Modell verfahren seitdem alle europäischen Bildungssprachen: weffi solche inneren Objehe dort vorkommen, dann zeigen sie i' d. R. nur eine semantische, aber keine formale Beziehung zum Verb. Lr dieser Hinsicht f?illt das (europäische)Maltesische aus dem Rahmen: (6) dt. einen grausamen Tod sterben, MAL miet Aewla krudili wörtliah ,,er starb ein grausames Sterben" Wie in (6) ist in solchen Konstruktionen das innere Objekt in den jüngeren westeuropäischen Sprachen in der Regel nur als formeller Träger eines Attributs 8 Terminologisch wird dieser Unterschied in der gegenwärtigen Diskussion meist nicht gemacht. Der Grammatisierungsbegriff geht auf F. Boas zurück, s. Boas (1938). Er ist konstitutiv für die methodische negrUndLrng der strukturalen Sprachbetrachtung, in Abgrenzung von der älteren dia(1912). chron orientierten, für die das Grammatikalisierungskonzept leitend war, s. etwa Meillet gegeniber Gramvon Grammatisierung Unterschied der terminologische läßt sich Etwas formaler matikalisierung wie folgt festhalten: Gr amm atisi erung (KonzePt, Form) Grammatikalisierung (nKonzept,Form]ti, [Konzept*, Form*1,:,,'.,.; ; Bei der Diskussion der maltesischen Strukturen wird diese Unterscheidung wieder aufgenommen. Mirative im Maltesischen - ein Fall von Grammati(kali)sierung? 133 lizenziert, vor allem dann, werrn kein entsprechendes Adverb bildbar ist, vgl. (7): (7) * einen Schlag schlagen,aber den Schlag eines Helden schlagen ? heldisch schlagen Die Aquivalenz zu Adverbien ist vermutlich auch der Schlüssel zu dieser distributionellen Differenz. Die semitischen Sprachen sind nicht etwa liberaler in der Zulassung dieser Konstruktion; vielmehr fehlt ihnen fiedenfalls in der historisch greifbaren Grundstnrktur) die Kategorie der Adverbien außerhalb eines eng begrenztenFelds deiktischer Formen (AR huna:,,hier" u.dgl.). Da, wo lexikalische Lücken bei Adverbien bestehen. lizenziercn diese aber die Konstruktion auch in den jüngeren europäischen Sprachen. Auf einer sprachvergleichenden Ebene erscheint so diese Konstnrktion (eine Variante der syntaktischen Reduplikation mit einem inneren Objekt) als eines der grammatischen Mittel des Arabischen, um Übersetzungsäquivalenzen zu den Adverbien der europäischen Sprachen zu artikulieren (ein anders Mittel sind koverbale Modifikationen im komplexenPrädikat,s.u.),s. schonLarcher (1991). Im Deutschen kommen syntaktische Reduplikationen als Stilmittel vor, an der Grenze zu anderen Arten von Iteration als expressiven Mitteln, etwa schnell, schnell ... als Mittel zur Steigerung. Im Gegensatzzu solchen holistischen Wiederholungen vadieren syntaktische Reduplikationen die Form der konstruktionell eingebundenen Formen: sie weisen ein bestimmtes formales Muster mit einer grammatischen Faktorisierung auf. Das ist der Ansatzpunkl für ihre Grammatikalisierung. Obwohl Fragen der Reduplikation derzeit extensiv bearbeitet werden, sind syntaktische Reduplikationen bisher noch sehr wenig im Blick: Moravcsik (1978) führt sie noch auf (sie spricht von reduplicative constructions) - seitdem werden aber unter Reduplikation i.d.R. nicht solche Erscheinungen,sondem mn morphophonologische Musterbildungen diskutiert, s. Hurch (2005). Das ist nun allerdings auch eine Frage des Sprachbaus der vorwiegend analysierten Sprachen. Lrsofern ist es für die weitere Argumentation nötig, den arabischen Sprachbau etwas genauer zu betrachten, der die formalen Voraussetzungenfür Grammatisierungenim Maltesischen bietet. 4 GrammatischeAnmerkungen zum maltesischen (arabischen) Sprachbau Zu den formalen Voraussetzungen im Sprachbau, die die syntaktische Reduplikation im Maltesischen möglich machen, gehört die das Semitische generell charakterisierende Faktorisierung des Lexikons durch sog. Radikale. Diese bilden lexikalische Invarianten, eben die Wurzeln, die ,,präkategorial" sind. Die Festlegung auf Wortarten erfolgt in der Stammbildung, mit der syntaktische Funktionsklassendefiniert werden, also durch Modifikationen der Wurzel. Die Stämmewerden darm weiter durch ihre Flexion modifiziert. Eine solche Modi- t34 Utz Maas fikation kann wurzel- brw. stammintem wie -extern erfolgen. Da die Grundstrukhr inzwischen wohl in allen sprachwissenschaftlichen Einführungsdarstellungen vorgeff.ihrtwird, mag es hier genügen, die Verhältnisse an einem Beispiel zu erläutem. Das übliche Vorzeigebeispiel ist die Wurzel {ktb, von der z.B. Verbformen wie kataba ,,(er) schrieb'., kutiba ,,(er) wurde geschrieben", (?i)ktataba,,er hat sich eingeschrieben" usw., aber auch nominale Formen wie ka:tib ,,Sclueiber", kita:b,,Buch" u.a. gebildet werden. Mit solchen Formvariationen können im Arabischen Sätze gebildet werden - und das gilt dort im Gegensatz zur rhetorischen Tradition der Lateinschule sogar als guter Stil (im Klassischen (: Alt, Arabischen genauso wie in der modernen Schriftsprache), also z.B. (8a), analytisch aufgelöst in (8b): (8) AR a. katab-a lka:tib-u l-kitarb-a schreib:PF-3SM DEF-Schreiber-NS DEF-Buch-AS ,,der Schreiber (Verfasser) schrieb das Buch" b. kataba l-ka:tibu l-kitaba: krb {V-PF.3SM} + krb {N-Ag.NS} + ktb {N-Res.AS} Transparenter lassen sich diese formalen Verhältnisse in einer Partiturnotation darstellen wie in (9), wo drei Ebenen isolied sind: Die Ebene der Wurzeln (W), die der stammintemen Melodien (S) und die der Affrxe, hier nochmals getrennt nach präfigierten (Ap) und suffigierten (As): (9) w S As Ap Partiturdarstellung von (8b) k t a k b a t k b -a t i a: -u b a: -a l- In dieser Darstellung sind die Wortformen durch stärkere Striche abgegrewt. Die Reduplikation operiert nur auf der Ebene (W) mit dem invariablen Element {ktb, während die grammatischen Markierungen der Wortformen die Reduplikanden variieren. Für die weitere Analyse ist ein Stammtyp von besonderem Interesse, der in der arab. Grammatik Masdar genannt wird, der allerdings altarabisch keine einheitliche Bildwrg hat: darb,,(das) Schlagen* (1&b), kitah (-a),,(das) Schreiben" (tldb) u.a. Als Übersetzungsäquivalentdient in den europäischenGrammatiken das Verbalnomen- das allerdings formal kein Aquivalent ist: das Masdar ist kein deverbal gebildetes Nomen, sondern eine in Hinblick auf die syntaktischen Potentiale unterspezifrzierte Form, die sowohl Komplemente zum Prädi kat bilden kann, also nominale Funktionen übemehmen kann, wie selbst Prädikate bilden kann. Mit dem Verbalnomen der ie. Sprachen hat das Masdar allerdings gemeinsam,daß es morphologisch für Kasus markiert wird. Das Masdar partizipiert allerdings an einer morphologischen Modifikation der nominalen Bildungen: es erlaubt die Suffigierung mit -a(t), die in verschiedenen semantischenFeldern unterschiedliche Funktionen erfüllt. u. a. die Bil- Mirative im Maltesischen - ein Fall von Grammati(kali)sierung? 135 drmg von zählbaren Substantiven erlaubt, wie in (10). Lexikalisierungen der verschiedenenBildungs-Spielarten machen das Bild etwas diffi.rser (s. 10b), die Grundstnrktur ist aber stabil: (10) AR Markierung zählbarer Substantive: {-at) nomen unitatis (EINH) a. Grundstr"uktur Wwzel Masdar VdrbSCHLAG- darb-un ,,(das) Schlasen-N.S.IND" Substantiv darb-at-un,,(ein) Schlag-EINH.S N.IND" darb-art-un,,Schlag-EINH.PN.II{D" b. Lexikalisieruneen Wurzel {xbz BACK- Masdar *xabz-un, *xibz-un Substantiv *xubz-un, xubz-un,,Brot <GENER.>-N.IND" xabirz-un,,(das) Backen-N.S.IND" xubz-at-un,,(ein) Brot-EINH.S N.IND" :,,ein Brotlaib" xubz-af-un,,Brot-EINH.P-N.IND" :..Brotlaibe" Diese grammatische Grundstruktur ist in den neuarabischen Varietäten bewahrt, einschließlich der Masdarbildungen. Allerdings werden die grammatischen Strukturen überall erheblich abgespeckt zugunsten transparenter paradigmatischer Stmkturens. Aufschlußreich für die historische Dynamik sind die bewahrten älteren Sprachschichten,die Verhältnisse repräsentierten,als noch kein modemes Schulsystem ausgebaut war, das die Menschen zum Respekt der strukturellen Differettz zu den,,Fremdsprachen" anhält; die in der älteren Zeit entlehnten Lexeme werden durchgehend nach den gleichen grammatischen Mustern behandelt:spanischeund französische Wörter im marokk. Arabischen genauso wie italienisch-sizilianische Wörter im Maltesischen. Ein besondere Nutzung des Masdars findet sich nun in der slmtaktischen Reduplikation - eben als inneres Objekt, oder wie es die arabische Grammatik nennt: eine ,,freie Prädikatsergänzung" (mudaq), die insbesondere auch bei intransitiven Verben stehen kann (also im engeren Sinne nicht als ,,Objekt" zu bezeichnenist). Die syntaktischen Randbedingungen dieser Konstruktion sind schonangesprochenworden: in den semitischen Sprachen ist eine Wortart Adverb nicht definiert, so daß die Übersetzungsäquivalentezu unseren Adverbien dort ryntaktisch anders artikuliert werden, insbes. mit solchen syntaktischen Reduplikationen,also freien, paronomastischenErgänzungen. Sie finden sich in neuarabischenVarietäten ebensowie im Altarabischen, vgl. (11): 9 In der einschlägigen Literatur wird das meist auf dem Konto von Substraten verbucht - was ein dubiosesArgument ist; es handelt sich wohl in erster Linie um einen Reflex der Tatsache, daß fast überall in der Welt Arabisch als ,,Zweitsprache" gelemt wurde, was einen formalen Filter für die Lemergrammatik (und daraus extrapolierbar: für den Sprachbau) definiert. t36 Utz Maas (11) AR a. darab-a-hu schlag:PF.AKT-3SM-3SM.OBJ ,,er hat ihn geschlagen" AR darb-an b. darab-a-hu schlag:PF.AKT-3SM-3 SM. OB J schlag:MSD-A. S.IND ,,er hat ihn heftig geschlagen" MAR c. ka-i-dersb-u tlefb-a HAB-3SM-schlag:IPF-3SM.OBJ schlag:MSD-EINH.SG ,,er schlägt ihn (dauernd) heftig" Diese Masdarkonstruktionen haben einen semantischen Nenner in einer Art Intensivierung der Semantik des Verbalausdrucks.Als solche sind sie relativ fest - andere Übersetzungsäquivalente zu unseren adverbialen Modifikationen werden anders artikuliert: durch Präpositionalphrasen und vor allem auch durch koverbale Modifikationen im Prädikat. Im gesprochenen Arabischen kommen sie heute allerdings nur relativ eingeschränLctvor: es gibt eine Reihe von Restiktionen, z.T. an die Lexeme gebunden, z.T. an die Verbform (Aspektdifferenzen), z.T. auch situativ und an semantische Felder, die noch genauer zu untersuchen sind. Vor allem aber gelten sie eher als archaisch, literarisch ambitioniert, so daß sie sich in spontanen Gesprächsaufzeichnungen kaum finden. 10 5 Mirative im Maltesischen Im Maltesischen lassen sich grundsätzlich die gleichen Verhältnisse wie im marokkanischen Arabischen erwarten, da die formalen Ressourcen der Konstruktion, insbesondere auch die Masdarbildungen hier ebenfalls bewahrt sind. Sie sind auch in der Literatur belegt wie z.B. (12)11 (12) MAL mq ir-rid-x ikel mo ir-rid-x n-iekol ... rqad EssenNEG lS-woll:- 1.S-ess: Schlafen NEG 1S-woll:-NEG* NEG* IPF no-rqod 1.S-schlaf:IPF ,,Ich will überhaupt nicht essen... ich will überhaupt nicht schlafen" Das Verb für ESSEN, dasja auch schon in Beispiel (1) vorkam, hat einige morojo erscheint nur phologische Unregelmäßigkeiten: Der erste ablautendeRadikal 10Das gilt nicht nur für meine eigenen Aufrrahmen aus Marokko sondem auch für das östliche Arabische, s. Rosenhouse(2004). 11Aus der populären Ballade Glrarusa tal Mosta ,,Die Braut aus Mosta" (s. dazu Pullicino (19S7-SS)). Dort wird ein junges Mädchen von Berber-Piraten entführt. In der Gefangenschaft verweigert sie sich allen offerten ihrer Kidnapper wie in der hier angeführten Stelle. - ein Fall von Grammati(kali)sierung? Mirative im Maltesischen r37 im Imperfektiv (hier in der abgelautetenForm [ie]), ansonstenist das Muster der Reduplikationen in ( I 2) offensichtlich: (13) syntaktischeReduplikation in (12) verbal (finit) Masdar ./jm nSSn-iekol ikel {rqd SCHLAF- no-rqod rqad Wurzel Allerdings macht es Schwierigkeiten, maltesischeEntsprechungennrBeispielen des mar. Arabischen vom Typ derh derba zu finden bzw. von den Gewährleuten lü erhalten. Geht man von den oben in Abschnitt 2 angedeuteten sprachkulturellen Prämissen aus, bietet sich eine Erklärung an: Anders als das marokk. Arabische ist das Maltesische ja in den westeuropäischenKulturraum integriert, ftir den die oben erwähnte schulsprachliche Mißbilligrmg von Paronomasien charakteristischist. Da die Gewährsleute in Malta, mit denen ich diese Untersuchung durchgeführt habe, alle erfolgreich die Schule absolviert hatten, war also anzunehmen, daß hier offensichtlich die europäische Sprachzensur operativ geworden war. Daß sich noch Beispiele finden wie das aus der Ballade der Gltarusa tal Mosta, bestätigt in gewisser Weise dieses Bild: Diese Ballade ist offensichtlich fix über mehrere Jahrhunderte tradiert worden (die Anspielungen auf die seeräubemden Piraten machen die Herkunft deutlich); sie gehört damit in einen kulturellen Kontext, in dem der Schulbesuch noch nicht vorgesehen war. Bleibt man bei seiner Forschung auf solche relativ ftirmlichen Kontakte mit den Gewährsleuten beschränkt, muß man sich meist auch mit solchen Annahmen begnügen (und nicht wenige Untersuchungsergebnisse dürften einem solchen Muster als Ergebnis eines sehr eingeschränkten Zugangs zur Sprache geschuldet sein). Daß ich mich damit nicht begnügen mußte, lag an den informellen Kontakten bei einem Gastaufenthalt an der Universität Malta, wo ich die Kollegen der Abteilung auch (vergeblich) mit Fragen nach Masdarkonstruktionen traktiert hatte. Eines Morgens kam einer von ihnen lachend in die Abteilung und berichtete, daß er morgens selbst die offensichtlich gesuchteKonstnrktion benutzt habe. Er hatte einen damals dreijährigen Sohn, bei dem die hygienische Erziehung an der Tagesordmrng war, und damit auch der Umgang mit körperlichen Ausscheidungsprozessen.An diesem Morgen hatte er zu seiner Frau gesagt,nachdem er mit seinem Sohn im Badezimmer gewesenwar: (14) MAL t-ghid-x kemm hara ltarja 2.S-sag:IPF-NEG:IPTwievielscheiß:PF-3SM scheiß:MSD ,,Du glaubst nicht, was er geschissenhaf' : was flir einen Haufen er gemacht hat Offensichtlich waren solche Bildungen in einem bestimmten semantischenFeld problemlos - aber das war ein semantischesFeld, das man in formellen Untersuchungssituationennicht (insbesonderenicht wie in meinem Fall mit Frauen als Gewährspersonen)bearbeiten kann. Die (männlichen) Kollegen an der Abteilung fanden allerdings ihr Vergnügen an dem neuen Untersuchungsgegen- Utz Maas 138 stand und lieferten mir bald eine ganze Sammlung solcher Konstnrktionen, deren angemessene Übersetzung ich offenlasse (es bedarf hier eines Zusatzes: ,,unglaublichviel, heftig, laut ..." o.ä.): (15) MaltesischeMasdar-Konstruktionen bass bassa (MSD) ,,er fiJrzte", tftwwaq tifwiqa (MSD) ,,er rülpste", biel bewla (MSD) ,,er pißte" u. dgl. Zur Besonderheit dieser Konstruktionen gehört, daß es sich hier um sonst nur intransitiv zu gebrauchende Verben handelt. Abgesehen von diesem semantischen(pragmatischen)Problem gibt es allerdings noch weitere Beschr?inkungen, die erklären, warum sich diese Konstnrktionen nicht in den verfügbaren narrativen Aufzeichnungen finden (und sie auch in so fundierten grammatischen Darstellungen des Maltesischen nicht vorkommen). Dazu gehört insbesonderedie Prosodie, für die meine (vorläufige) Untersuchnng ergab:\2 * die Masdar-Konstnrktionen wurden offensichtlich nie mit einer fallenden (terminalen) Intonation geäußert, sondern zeigten eine Plateau-Kontur, die sie auch von einer Frage-Intonation unterschied, - diese Intonation wurde nie gemt , wenn ein (transitives) Verb durch ein referenzielles Objekt spezifrziefiwurde; in solchen Fällen modifizierten die Gewährsleute immer die Intonation. meist artikulierten sie die terminale Intonation. Die Semantik der Konstnrktion erklärt auchowarum Gewährsleute in der Regel derartige Ausdrücke nicht in einem Elizitationskontext produzieren, wenn sie aufgefordert werden, solche Bildungen ohne Kontext zu bilden. Und sie erklZirt auch, warum solche Konstmktionen in narrativen Texten fehlen (und erst recht im formalen Register), die aber die gewöhnliche Grundlage für sprachwissenschaftliche Corpora abgeben. Mit dieser Konstnrktion ist offensichtlich ein expressives Moment verbunden, das ein lebhaftes mündliches Register voraussetzt. Wenn solche Formen in schriftlichen Texten vorkommen, dann als Zitate direkter Rede, aus einem sehr emotional gefütrten Gespräch wie z.B. in der Ballade der Gharusa tal Mosta.t3 Allerdings sind diese Konsbuktionen nicht auf lexikalische Felder wie in (14) bzw. (15) eingeschränkt.Aber aus (14) läßt sich ein diagnostischerRahmen (16) herausfiltem, mit dem die Konskuktion mit beliebigen lexikalischen Elementen zu prüfen war, wie es eben auch schon bei Beispiel (1) der Fall war: 12 Inzwischen ist es ja mit den Gewährsleuten zu book). 13 Thomas Stolz weist finden ist - was letztlich in möglich, auch solche prosodischen Fragen direkt im Feld in der Arbeit kontrollieren (2.B. mithilfe von Paul Boersmas PRAAT auf dem Notemich darauf hin, daß diese Konsbrrktion auch in der Kinderliteratur zu die gleiche Richtung weist. Mirative im Maltesischen - ein Fall von Grammati(kali)sierung? (16) t-ghid-x kemm....Ij-iekul 139 ikel] 2.S-sag.IPF-NEG:IPT wieviel 3.S.-ess:IPFEssen ,,Du glaubst nicht, wie viel ... fder i/it]!" Dieser Rahmen erlaubt auch die Abgrenzung zu konstruktionell ähnlich aussehendenreferenziellen Objekten wie z.B. in (l7b) - im Gegensatz zu (17a): (17) MAL a. hasl-et hasla wasch:PF-3.S.Fwasch:MSD ,,siewusch viel" b.ltasl-et hwejje! ta-t-tfal wasch:PF-3.S.F Sache.P von-DEF-Kind.P ,,sie wusch die Wäsche der Kinder" Daß es sich nicht einfach nw um ,,innere Objekte" handelt, zeigt sich an der Verteilung im Vorkommen der verschiedenen Masdarbildungen. Obwohl die Gewährsleute öfters unsicher waren, und auch nicht alle Formen akzeptierten, gab es folgendes Bild: (18) {hrg Masdar-KonstruktionenimMaltesischen(Fortsetzung) jo-hrog hrug harga llnareg 3.S.M.ausgeh:MSD llausgeh:PF.3.S.M ausgeh:MSD ausgeh:IPF ,,er geht enorm viel aus" ll ,,er ,machte einen Spaziergang" {nst ta-hsel hsil 3.S.Fwasch:MSD wasch:IPF ,,siewäschtviel'o ./nut ja-hbat hbit 3.S.M-stoß:IPFstoß:MSD hasla llnast-et wasch:MSD llwasch:PFll3.S.F ll,,siewuschviel" habta stoß:MSD ,,erbauteineMengeUnftille" (18) zeigt, daß zvrei verschiedene Masdarbildungen genutzt werden: die einfache, unaugmentierte Form (linke Spalte) und die augmentierte Form (mit dem Suffix --c: rechte Spalte). Diese Formen verteilen sich, wie sich zeigt, komplementär in Hinblick auf die aspektuelle Markierung der Verbformen, die daher kvrz ztr erläutem sind. Das Verbalsystem des Maltesischen ist auch in dieser Hinsicht ,,regulär" arabisch,zeigt also das gleiche Paradigma wie auch die anderen neuarabischenVarietäten. 140 (19) Utz Maas Das(synthetische) Verbalsystem desMaltesischen: Formal:Art der Affigierung vs. semantische Interpretation:Aspektopposition -\Formal\- präfigiert suffigiert Semantisch Imperfektiv Perfektiv lKtb SCHREIBni-kteb ,,ich schreibe" (l-schreib:IPF). ./itt pssn-iekol ,,ich esse" (l-ess:IPF) ktib-t ,,ich schrieb'o kil-t ,,ich aß" (schreib:PF-lS). (ess:PF1.S) Anders als z.B. die slawischen sind die arabischen sprachen Aspektsprachen. Tempusdifferenzierungen können nur zusätzlich mit periphrastischen Mitteln gemacht werden, vor allem mit dem Koverb r/tlvn SBt(20) MAL periphrastischeTempusmarkierungen(Koverb "kwn. SEI-) a. kon-t ni-kteb sei:PF-1S I S-schreib:IpF ,,ich war am schreiben.. b. kon-t hib-t sei:PF-lS schreib:PF-lS,,ich hatte geschrieben,, Die Masdar-Bildung partizipiert also an der Aspektunterscheidung: - die imperfekrive Form (Präfixkonjugation: jiekol)nimmt das nackte Masdar (ikel), entsprechenddessenunspezifischer / generischerBedeutung (s. auch oben ( l0) zum KlassischenArabisch en):jiekol ikel ,,er ißt viel,' (in einem habituellen Sinn, als Disposition); - die perfektive Form (suffrxkonjugation: kiel) nimmt das augmentierteMasdar (ikla ), entsprechenddem konkreten, ereignis-individuierten Sinne eben auch im konkreten Sinne einer (zählbaren) Handlung: kiet ikta,,er hat eine große Mahlzeit zu sich genommen... Diese Beschrzinkungist grammatisch - andere Kombinationen werden zurückgewiesen, insbesondere kiel ikel, wo die generische Bedeutung des nackten Masdar (ikel) mit der perfektiven Form des verbs unverträglich ist.r+ Ailerdings ist die augmentierte Form des Masdar nicht in der gleichen weise eindeutig eingeschränkt;in vielen Fällen hat sie neben der Funktion als verbalnomen eine lexikalisierte Bedeutung: ikla wie das dt. ,,Essen" als Aktivität und auch als Mahlzeit. Die Formen mit einer konkreten Interpretation verbinden sich ohne weiteres auch mit imperfektiven Formen - was ein Test-problem schafft. In einigen Fällen ist ohnehin die Lexikalisierung schon fest, z.B. bei xarba (21\: la A. Borg (p.c.) zieht eine ,,weichere" Formulierung vor: in einem entsprechenden Kontext können solche Kombinationen vorkommen, würden aber ,,gezwungen.. wirken. Daneben gibt es idiomatische Ausdrücke wie ikel tas-sema,,eine Himmelsmahlzeit,, die unabhängig von derAspektform des Verbs sind, also auch kiel ikel tas-sema. - ein Fall von Grammati(kali)sierung? Mirative im Maltesischen (2I) t4l LexikalisierungenvonMasdarbildungen Wurzel "'lxrb : xarb,,das Trinken", aberxerba nur ,,ein Getränk": xorob xarba,,er trank ein Getränk", xorob xarba wiski,,er trank einen Whiskey". und auchTl-xrob xarba wiski ,,er trinkt (immer ..) einen Whiskey". Abgesehen von solchen Lexikalisierungsproblemen zeigt sich die MasdarKonstmktion also als grammatische Einheit, deren Elemente in der Aspektmarkierung kongruieren. So analysiert denn auch A. Borg (1983) das Masdar als Teil des maltesischen Verbalsystems und nennt das nackte Masdar das ,,nom imperfett* und das augmentierte Masdar (mit dem Sufüx -a) das ,,nom perfett".l5 Dafür spricht auch, daß das augmentierte Masdar (aber nur dieses) noch weiter augmentierbar ist, durch eine Reduplikation mit einem augmentativ suffigierten weiteren Masdar mit dem Graduierungssuftix a76a, s. (22): (22) MAL a. il-bierah Pawlu kiel ikl-a ikl-un gestem Paul ess:PF.3SMess:MD-a ess:MD-un ,,gestemverputzte Paul eine wirklich riesige Mahlzeit" b. kull meta ji-Ci , Pawlu jie-kol ikl-a alles wenn 3SM-komm:IPFPaul 3SM-ess:IPF ess:MD-a ikl-un ess:MD-un ,jedes Mal, wenn er kommt, verputzt Paul eine wirklich riesige Mahlzeit" c. habat habta habtun stoß:PF.3.S.M stoß:MSD-a stoß:MSD-un ,,erhatteeinenfürchterlichenUnfall" kisra kisrun brech:PF.3. S.M-1S.O brech:MSD-a brech:MSD-un ,,erhat mich fürchterlichverprügelt" d. kisir-ni 6 Grammati(kali)sierung des Mirativsim Maltesischen? Insoweitist die BeschreibungdieserMasdar-Konstruktionen des Maltesischen wohl eindeutig:formal als syntaktischeReduplikationlVerb+ Masdarl,wobei 15A. Borg (p.c.) stimmt auch der von mir hier vorgenommenen sgrtaktischen Verallgemeinerung auf die Masdar-Konstruktionen zu. Die offensichtlichen Fälle von Neutralisierungen sowie Beschränkungen(nicht alle Lexeme lizenzieren kontrastive Bildungen) bedürfen noch einer genaueren Überprüfung. 16Manwel Mifsud (p.c.) hat mich auf diese Fälle hingewiesen. Etymologisch handelt es sich bei dem Suffrx um italien. -one. Das ist einer der seltenen Fälle einer hybriden semitisch-romanischen Bildung, die hier offentichtlich die Expressivität der Bildung steigert. Sie findet sich auch in anderen Verbindungen wie z.B. ghandu dar darun ,,er hat ein riesiges Haus". Utz Maas beide Konstituenten aspektuell kongruieren; semantisch durch ihre Funktion als Mirativ. Diese Konstruklion ist als Muster identifiziert und insofern zu trennen von ihrem häufigem Vorkommen in idiomatisierten Ausdräcken wie in (l). Auch das hat eine Parallele im Albanischen, wo Mirative ebenfalls häufig in äquivalenten Kontexten zu finden sind: (23) pas-kamfietur shumö A Was HAB:-ADM. 1S schlaf:PZPviel ,,Washabe ich lange geschlafen!" Insofem bleibt noch zu klären, ob diese Konstruktion grammatikalisiert ist: ob also der Mirativ im Maltesischen eine grammatisierte Kategorie ist. Für eine grammatische Kategorie muß gelten, daß sie universal über dem einschlägigen Bereich des Lexikons operiert. Nun sind die Masdar-Konstruktionen zwar produktiv - aber mit Einschränkungen, die mir nicht ganzklar sind. Offensichtlich sind sie beschränkt auf den semitischen Teil des Lexikons. Eine solche Differenzierung des Lexikons ist nun aber ohnehin charakteristisch für das Maltesische (wie wohl die meisten ,,Mischsprachen"): Lehnverben aus dem Italienischen oder Englischen sind - zumindest in der älteren Schicht des Lexikons, s.o. - in bemerkenswerter Weise ausgeflagg als Fremdverben: z.B. durch die Verdopplung desAnfangskonsonanten,vgl. (24): (24) ,,Ausflaggen" von Lehnverben im Maltesischen a. Gemination des Anfangskonsonanten: (i)ttratta ,,to treaf' < it. trattareo b. Stammaugmentierung mit -j-: dajuja ,,to dive" < engl. dive etc. Ansonsten partizipieren sie aber regulär an der Formenbildung (u.a. auch mit ablautender Stammbildung). So bilden sie meist auch ein Masdaräquivalent, üblicherweise mit dem Suffix -ar (< it. -are !) - aber dieses wird nicht für eine Masdar-Konstn"rktion genuIrt, s. (25), weshalb es hier wohl auch sinnvoller ist, von einem Verbalnomenund nicht von einem Masdar zu sprechen: (25) Verbalnomina bei Lehnverben im Maltesischen llendj a,,landen" (< engl. to land), Verbalnomen llendj ar,,Landung"; keine Masdarkonstnrktion: *ji-llendja llendjar ,,er landete sehr gut, sehrhäufig ...o.ä.," Aber auch bei einigen arabischen Erbwörtern ist diese Konstnrktion blockiert, so offensichtlich bei allen denominalen Verben - selbst wenn diese nach arabischem Muster ein Masdar bilden können. wie bei der Ableituns zs xemx --Sonne", s. (26). - ein Fall von Grammati(kali)sierung? Mirative im Maltesischen (26) 143 denominale Verben (Neubildungen) im Maltesischen xemmex rrsonnen,der Sonne aussetzen"I xemx,,Sonne"; dazu auch tixmix17 ,,(das) Sonnen", xemmiex,,Sonnenbadef', xemxata ,,Sonnenstich"; aber * xemmex tixmix(-a) ,,???". Hier sind noch genauereUntersuchungen nötig, die ggf. auch die Konstellationen bei den einzelnen Verben fallweise analysieren müssen, um die Gründe dafür zu finden, daß hier die Masdar-Konstnrktion bzw. die syntaktische Reduplikation blockiert wird. In Fällen wie in (25) und (26) handelt es sich jedenfalls um Faktoren, die auch in der Form verankert sind - und insofern für die Sprecher direkt zugänglich sind. Ein gravierenderer Einwand ergibt sich aus kontextuellen Beschränkungen: Diese Konstruktion bzw. ihre Nutzung als Mirativ ist auf bewertende Sprechakte, auf nicht-narrative Register beschränkt - sie kommt gerade in den als grundlegend angesehen,,Darstellungsformen" (Bühler) nicht vor; insbesonderegehört sie nicht zu den ,,schriftsprachlichen" Normalformen (wie sich auch der albanische Admirativ geschrieben vor allem in direkter Rede, in ,,volkstümlichen" Texten und dergl. findet). Aber ist das wirklich ein Einwand gegen eine Grammatisierung? Schließlich sind auch Imperative in ähnlicher Weise eingeschränkt: Sie kennen noch nicht einmal eine Variation in der Person und im Tempus. Das begrändet ja auch die Diskussion darüber, ob sie zu den finiten Formen des Verbs gerechnet werden sollen - aber daß sie zum grammatischen Verbalparadigma gehören, steht wohl außer Frage. Die gleiche Argumentation muß aber auch für die maltesischen Mirative gelten: Sie artikulieren eindeutig eine modale Opposition auf der konzeptuellen Seite - und sie tun es durch eine eindeutige Form, in Opposition zu den anderen Formen des Paradigmas. Und was mindestens ebenso wichtig ist: Sie zeigen eine Formvariation (perfektiv/imperfektiv), die sie fest im Verbalsystem verankert. Das Muster der Konstruktion ist also: PF lVerb + Masdarlpp wobei die aspektuellenMarkierungen distributiv vorgenommen werden: PF PFlr..t' lVerbpp + Masdarrr. Daß im Verbalparadigma analytische Ausdrücke integriert sind, ist im Maltesischen nicht weiter auff?illig - und zwar nicht mr multifinite Ausdrücke wie die oben schon erw?ihntenkoverbalen Modifikationen im komplexen Prädikat (s. (20)), sondern auch solche mit nicht-verbalen (invariablen) Modifikatorenr8, etwa die aspekhrelle(durative) Periphrase in(27): 17Masdarbildung zu dem ,,zweiten Stamm" des Verbs mit einer medialen Geminate. Reguläres Muster in der Grammatik des Klassischen Arabischen. xemxata ist eine der (wenigen) hybriden Bildungen (das Sufüx ist eine romanische Entlehnung). 18Formal betrachtet sind die mirativen Masdarkonstruktionen spiegelverkehrt zu den Konstruktionen mit ,,leichten Verben" und einem Verbalnomen, mit denen in vielen Sprachen die Dimensionen des Verbalsystems erweitert werden, vgl. die aspektuelle und kausative Erweiterung im Deut- 144 (27) MAL 7 Utz Maas qed j-iekol kien sei:PF.3SMDUR 3SM-ess:IPF ,,er war dabei zu essen" Fazit Im Maltesischen bilden die Mirqtive eine grammatische Kategorie. Sie sind eindeutig in der Form definiert (als Masdar-Konstruktion), und sie sind eindeutig in der (modalen) Bedeutung definiert; sie sind also konzeptuell und auch formal in das Verbalsystem integriert - wobei für das letzterc noch ausführlicheq als ich es hier konnte, das erweiterte Verbalsystemmit seinen analytischen Konstruktionen zugrundegelegt werden muß. Daß die Mirative bisher in der maltesischen Grammatik nicht aufgeführt werden, ist kein Gegenargument: Auch die (Ad)Mirative des Albanischen sind bis vor nicht allzu langer Zeit nicht in dessen Grammatiken aufgefrihrt worden: dort hatte man nur das registriert, was sich als Übersetzungsäquivalentzu den gewohnten paradigmatischen Kontrasten der Schulgrammatik anbot. In arealtypologischer Betrachtung erklärt die Grammatisierung des Mirativs eine auffiillige Besonderheit des Maltesischen im Horizont der neuarabischen Varietäten: Sie positioniert das Maltesische in einem östlichen mediterranen Areal, zu dem insbesondere die Balkansprachen gehören (s.o. zum Albanischen). Das führt dazu, daß ausgerechnethier, wo als Ausnahme in der arabischen Welt die gesprocheneUmgangssprachedie Grundlage der Schriftsprache bildet und die sprachlichen Verhältnisse nicht wie anderswo durch das mit dem Islam verbundene Klassische Arabische überlagert sind, eine syntaktische Ressource des Arabischen grammatisch genutzt wird, die anderswo nicht mehr zum sprechsprachlichenRegister zu rechnen ist. Es ist eben die Grqmmatikalßierung der syntaktischen Reduplikation in der Masdar-Konstruktion als Ausdruck von Mirativen, die hier ihr Vorkommenlizenziert.In anderenVarietäten, die wie z.B. das marokkanische Arabische diese Kategorie nicht kennen, ist das entsprechend auch nicht der Fall. Literatur DC: UnitedStates ArmedForcesInstitute. Boas,Franz(1938).Language. Washington, Borg,Albert(1981).I studyof aspectin Maltese.AnnArbor:Karoma. Sajjied:Selbstverlag. Borg,Albert(1988).Ilsienna.Studjugrammatikali,Has (1997).Maltese.London:Routledge. Borg,Albert&Marie Azzoperdi-Alexander Enzyklopädie. Grammatik,Leipztg: Buchholz,Oda& WilfriedFiedler(1987).Albanische schen von zur Auffihrung kommen, zur Auffihrung bringen l. dgl. (gegenüber auffi)hren). Die Masdarkonstruktion erfolgt so gesehen mit einem ,,leichten Nomen" (die Semantik des Szenarios wird hier ja vom Verb bestimmt) im Gegensatz zu den ,,1ight-verb'lKonstruktionen, in denen das (Verbal-) Nomen semantisch bestimmend ist. Mirative im Maltesischen - ein Fall von Grammati(kali)sierung? 145 Del-ancey,Scott (1997). Mirativity: The grammaticalmarking of unexpectedinformation. In: Linguistic Typologt I : 33-52. Hetzer,Armin&ZuzannaFinger(1991). LehrbuchdervereinheitlichtenalbanischenSchriftsprache.Hamburg:Buske.Neuauflage. Hurch, Bemhard (Hg.) (2005). Studiesin reduplication.Berlin: Mouton. Larcher,Piene (1991). D'une grammaireä l'autre: catdgoried'adverbeet catdgoriede maf At mu(laq.ln: Bulletin d' ötudesorientales43 : 139-159. Maas, Utz (2001). 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