Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme Erdgastrassen in Hessen - Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme G1 G3 Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Einleitung N Thüringen al c hw Bayern BadenWürttemberg al Hünfeld Flieden Bayern Rheinland Pfalz BadenWürttemberg Keuper RheinlandPfalz zig K in Thüringen Plutonite (Karbon) R h ei Magmatische Gesteine Holozän Tertiär Pleistozän Trias Pfungstadt Trias Keuper Metamorphe Gesteine Metamorphite Metamorphe Gesteine (OrdoviziumMetamorphite Karbon) (Ordovizium- Seeheim- Keuper Jugenheim Muschelkalk Gernsheim Muschelkalk Alsbach Hähnlein Buntsandstein Vulkanite (Tertiär) Plutonite (Karbon) Karbon) Herchenrode BuntsandsteinVerwerfung Verwerfung Datengrundlage: Geologie vereinfacht nach der Geologischen Übersichtskarte Datengrundlage: Geologie vereinfacht nach der Geologischen Übersichtskarte von Hessen 1:300 000 (GÜK300); 5., überarbeitete, digitale Ausgabe; August s p 2007 r Topographische ATKIS®DLM1000, BKG, 2006 von HessenGrundlage: 1:300 000 (GÜK300);©5., überarbeitete, digitale Ausgabe; August 2007 en Topographische Grundlage: ATKIS®DLM1000, © BKG, 2006 z 2 km 2 km Sannerz Erdgasleitungen MIDAL-Süd-Loop, AL Gernsheim und des in Hessen Abb. 1: Verlauf der Steinau 2012 und 2013 verlegten Straßeder Trasse Sannerz-Rimpar. gelegenena.d.Teils ig Bad SodenSalmümster Sannerz N Rimpar M odau R h ei N n in z r G er Wirtheim Steinau a.d. Straße sp z M odau n Rimpar Bad Orb Vulkanite (Tertiär) 2 km Buntsandstein PleistozänVerwerfung Tertiär N Flieden Holozän BadenMuschelkalk Württemberg Datengrundlage: Geologie vereinfacht nach der Geologischen Übersichtskarte von Hessen 1:300 000 (GÜK300); 5., überarbeitete, digitale Ausgabe; August 2007 Topographische Grundlage: ATKIS®DLM1000, © BKG, 2006 Eichenzell Neuhof Flieden Thüringen Darmstadt Rimpar RP Sannerz Neuhof Pfungstadt SeeheimMetamorphe RheGesteine i Jugenheim Bayern Metamorphite Gernsheim Herchenrode Rheinland DarmPfalz (OrdoviziumAlsbach Badenstadt Trias Quartär Bayern Magmatische Gesteine Hähnlein Württemberg Karbon) Tertiär Eichenzell Bad SodenSalmümster N odau PlutoniteM(Karbon) RP RP Gießen Quartär Fulda Steinau a.d. Straße Württemberg Vulkanite (Tertiär) Pleistozän en Großenlüder Magmatische Gesteine RP Kassel Baden- RP Gießen Holozän Erdmittelalter Erdmittelalter Erdneuzeit Erdneuzeit Fulda Bayern G er Flieden 2 km Erdmittelalter K in zig c hw al Bad Orb Niedersachsen Datengrundlage: Geologie vereinfacht nach der Geologischen Übersichtskarte von Hessen 1:300 000 (GÜK300); 5., überarbeitete, digitale Ausgabe; August 2007 Topographische Grundlage: ATKIS®DLM1000, © BKG, 2006 n Neuhof Wirtheim Hünfeld Erdneuzeit Fu ld a Großenlüder S Eichenzell Niedersachsen RP Kassel Quartär Steinau a.d. Straße Fulda Bad SodenSalmümster m stadt NordrheinWestfalen Rheinland Eiterfeld NordrheinPfalz Sannerz Westfalen Großenlüder Alsfeld Vulkanite (Tertiär) Plutonite (Karbon) Thüringen Branders Hünfeld N Holozän Pleistozän Im gleichen Jahr liefen auch die Bauarbeiten zur ErdTertiär Metamorphe Gesteine gas-Anschlussleitung (AL) Gernsheim. Diese Trasse Eichenzell RP Kassel Metamorphite RP Gießen verbindet auf knapp 16 km Länge Leitungsstationen (OrdoviziumTrias Karbon) Ried bei RP Hähnlein östlich Gernsheim im Hessischen Keuper Darm- RP Gießen und Modautal-Herchenrode im Bergsträßer Odenstadt Muschelkalk wald. Eine Übersicht aller Trassenverläufe Verwerfungist in Buntsandstein RP Abbildung 1 dargestellt. DarmErdmittelalter Fu ld a Neuhof Fu ld a c hw NordrheinWestfalen RP Kassel Thüringen Eiterfeld sachsen Erdneuzeit NordrheinWestfalen Eiterfeld S Niedersachsen Fulda Branders eld Bad Soden- Rheinland Pfalz Branders Alsfeld RP Kassel 2013 wurde die von der Nordseeküste bis nach RP Gießen Süddeutschland verlaufende Mitte-Deutschland Anbindungs-Leitung (MIDAL) um ein Teilstück – den RP DarmMIDAL-Süd Loop – erweitert. Dieses ca. 90 km lange Hünfeld stadt Segment liegt zwischen Branders bei Eiterfeld im Norden und Wirtheim-Biebergemünd im Süden. Die Trasse führt vorbei an Hünfeld, Fulda, Eichenzell, Neuhof, Flieden, Schlüchtern, Steinau an der Straße, Quartär Bad Soden-Salmünster und Bad Orb.Magmatische Gesteine Nieder- Fu ld a N NordrheinWestfalen Eiterfeld Alsfeld In den vergangenen Jahren wurden in Hessen mehrere Pipelinestränge für Transport und Speicherung von Erdgas verlegt. 2012 war dies die bundeslänm derübergreifende Erdgasleitung zwischen dem hesS sischen Sannerz und dem bayrischen Rimpar. Die als Parallelleitung (Loop Sannerz-Rimpar) zu einer Altleitung konzipierte Trasse verläuft etwa 10 km auf hessischem Gebiet. Großenlüder m Niedersachsen Branders Pfungstadt Seeheim- Jugenheim Pfungstadt M oGernsheim dau Herchenrode 127 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 nienhaften, zusammenhängenden Einblickes in den oberflächennahen Untergrund. Genetische Zusammenhänge und die landschaftsgeschichtliche Entwicklung können so besser verstanden werden. Auf der Grundlage einer möglichst umfassenden Datenerhebung ist es dann möglich, fundierte Aussagen zu Frage­stellungen des oberflächennahen Untergrundes (Planungsgrundlagen für Bauvorhaben, Grundwasser, Land-/ Forstwirtschaft, Gefahrenpotential etc.) zu treffen. Während der Baumaßnahmen fanden daher seitens des HLUG Geländebe­ gehungen mit dem Ziel einer detaillierten bodenkundlichen und geoloAbb. 2: Rohrverlegearbeiten im Übergangsbereich Mittlerer/Oberer Buntsandgischen Landesaufnahme statt. Die stein entlang der Gastrasse Sannerz-Rimpar (am Schneefeld südlich GünBegehungen dienten ebenfalls einer tershof). wasserbaurechtlichen Überwachung. Die Loopleitungen Sannerz-Rimpar (Abbildung 2) und Die Trassengräben wurden zudem vom Landesamt MIDAL-Süd liegen überwiegend in Buntsandsteinfür Denkmalpflege Hessen auf archäologische Funde und Muschelkalkgebieten, der MIDAL-Süd-Loop sowie von verschiedenen Universitäten im Rahmen im Bereich des Landrückens streckenweise auch in von Forschungsvorhaben untersucht. Arealen mit tertiärem Vulkangestein. Dabei sind die im Untergrund anstehenden Festgesteine meist von Die bei den Begehungen vom HLUG gesammelten mehr oder minder mächtigen quartären LockergeDaten fließen in bodenkundliche und geologische steinsdecken überlagert (z. B. von Löss oder LösslehDatenbanken ein, dienen der Kenntniserweiterung men, Fließerden oder Flussablagerungen). über die nicht immer hinreichend bekannte litho­ logische Ausbildung und Abfolge bestimmter LockerDie AL Gernsheim schneidet Flugsande und oder Festgesteinsformationen und werden zur VerSchwemmsedimente innerhalb des Oberrheingrabesserung, Ergänzung und nötigenfalls Korrektur des bens an und führt im Odenwald durch kristallines geo­logischen Kartenwerkes und der BodenflächenGrundgebirge. daten genutzt. Im Rahmen der bodenkundlichen Landesaufnahme konnten darüber hinaus wichtige Üblicherweise rührt die Kenntnis über die Böden Daten zur Validierung von Standortbewertungsverund das Gestein im Untergrund aus punktuell verfahren hinsichtlich einer Einstufung der Grabbarkeit teilten, also voneinander getrennten Informationsin den obersten Erdschichten erhoben werden. Das quellen, wie etwa Steinbrüchen, Baugruben oder Spek­trum der gewonnenen Daten und Erkenntnisse Bohrungen. Die entlang der Erdgastrassen bis zu soll anhand der folgenden Beispiele vorgestellt werden. 4 m Tiefe ausgehobenen Gräben bieten dagegen die seltene Gelegenheit eines über weite Distanzen li- 128 Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme Datenerhebung im Rahmen der bodenkundlichen Landes­ aufnahme Ein Ziel der baubegleitenden Begehungen war der Erwerb von Kenntnissen über die Substratbeschaffenheit des zweiten Meters unter Grund. Der oberflächennahe Untergrund im ers­ten Meter ist aufgrund der leichten Zugänglichkeit sehr gut beschrieben. In Hessen gilt das insbesondere für die flächen­deckenden Bodendaten im Maßstab 1 : 50 000 (BFD50). Dagegen liegen über die Textur, den Verwitterungszustand und die Ausprägung quartärer Sedimente zwischen dem ersten Meter und dem unverwitterten Untergrundgestein nur für wenige Gebiete ausreichend Daten vor. Mit einer systematischen Aufnahme und bodenkundlichen Beschreibung von Profilen entlang der Rohrgräben wurden weitreichende Kenntnisse über das sonst unzugänglich tief liegende Substrat in den durchquerten Landschaften gewonnen. Die Fein- und Grobbodenart, der Grobbodenanteil, die Mächtigkeiten der verschiedenen Schichten, der Verwitterungszustand von Gesteinen und weitere Eigenschaften wurden entlang der linienhaften Aufschlüsse möglichst in Abständen von max. 200 m oder bei einem deutlichen Substratwechsel beschrieben und mit einem Foto dokumentiert. Die Daten wurden in eine speziell für die Fragestellung ent­wickelte Datenbank eingepflegt, aus der standardisierte Dokumentationsbögen zu den jeweiligen Punktbeschrieben ausgegeben werden (Abbildung 3). Es erfolgte bereits eine erste kartographische Aufbereitung der gewonnen Daten. Bei der Datenerhebung entlang der AL Gernsheim war neben dem HLUG auch das Institut für Physische Geographie der GoetheUniversität Frankfurt beteiligt. Die ersten Auswertungen zeigen, dass die Beschaffenheit des Untergrundes in den durchquerten Landschaften z. T. kleinräumig stark variiert. Dabei lassen weder die Oberflächenmorphologie noch die Substratbeschaffenheit des ersten Meters regelhafte Rückschlüsse auf das tiefere Substrat zu. Deshalb können die engräumigen Unterschiede in mittelmaßstäbigen Kartenwerken nur mit großer Unsicherheit erhoben und dargestellt werden. Die Beschaffenheit des tieferen Substrats ist vielmehr abhängig vom Untergrundgestein und dem Paläorelief, welches häufig von jüngeren quartären Sedimenten verdeckt und ausgeglichen wird (Abbildung 4). Abb. 3: Dokumentationsbogen zur bodenkundlichen Landes- aufnahme entlang der Trassen. Abb. 4: Durch quartäre Sedimente ausgeglichenes Paläorelief bei Steinau a. d. Straße. Die Linie markiert die Grenzfläche. 129 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 Bewertung der Grabbarkeit auf Grundlage bodenkund­licher Daten Erfahrungen wurde ein Vorschlag für die Bewertung der Grabbarkeit aus bodenkundlichen Profilaufnahmen auf Basis der VKR 1.35 der Ad-hoc-AG Boden erstellt (Friedrich & Jedmowski 2013). Die Bewertung der Grabbarkeit der Substrate bis in zwei Meter Tiefe ist eine Anwendung, für die Kenntnisse zum oberflächennahen Untergrund benötigt werden. Karten der Grabbarkeit können z.B. zur Planung weiterer Leitungstrassen oder der Bewertung der Standorteignung für Friedhöfe, Erdwärmekollektoren etc. eingesetzt werden. Neben der Kenntnislücke zum tiefen oberflächennahen Untergrund liegt zur Beurteilung der Grabbarkeit auch noch kein ausreichend ausgearbeitetes Bewertungssystem auf Grundlage bodenkundlicher Beschreibungen nach KA5 (Ad-hoc-AG Boden 2005) vor. Die Trassenbegehungen wurden daher auch genutzt, um vorhandene Bewertungssysteme (DIN 18300 und die Verknüpfungsregel 1.35 der Methodendokumentation Boden, Ad- hoc-AG Boden 2011) zu testen und ihre bodenkundliche Anwendbarkeit zu verbessern. Aus den Die Grabbarkeit eines Substrats wird davon beeinflusst, ob der Feinboden eher grob und sandig ist (leicht grabbar) oder eher schwer und tonreich (schwerer grabbar). Außerdem spielt der Anteil des Grobbodens und dessen Größe eine Rolle: Gruse und Kiese (> 2 mm) erschweren das Graben weniger als Schutt und Gerölle (> 6,3 cm) sowie Blöcke (> 20 cm) und Großblöcke (> 63 cm). Auch zu beachten ist, dass im Quartär umgelagerte Substrate und sonstige Lockergesteine, wie auch stark verwitterte Ausgangsgesteine, eine wesentlich leichtere Grabbarkeit zeigen als unverwittertes Festgestein. Den engräumigen Wechsel der Beschaffenheit der Lockersedimente und der Verwitterungsmächtig- B C A A B Abb. 5: Kartographische Darstellung der ermittelten Grabbarkeit nach Ad-hoc-AG Boden 2011, Ausschnitt südlich des Kinzig-Stau- sees. Die Beschaffenheit des Untergrundes und damit die Grabbarkeit variieren auf kurzer Strecke erheblich. 130 C Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme keiten illustrieren die Karte und die Beispiele aus Abbildung 5. Beispiel A zeigt eine ca. 60 cm mächtige quartäre Sedimentdecke über grob geklüftetem Sandstein, der nicht oder sehr schwer grabbar ist. Beispiel B hat eine mächtige quartäre Decke über tiefgründig verwittertem Sandstein. Der oberflächennahe Untergrund ist mittelschwer grabbar. Auch Beispiel C zeigt mächtige quartäre Sedimente, deren Grabbarkeit aber durch das Vorkommen von Blöcken eingeschränkt ist (schwer grabbar). Datenerhebung im Rahmen der geologischen Landesaufnahme Aktualisierung der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 (GK 25) Der MIDAL-Süd Loop quert westlich Bad Orb das Flusstal der Orb, ca. 1 km vor deren Einmündung in die Kinzig. In dem entsprechenden Gebiet sind auf der geologischen Karte quartärzeitliche Terrassensedimente ausgewiesen. Diese Kies- und Gerölllagen erstrecken sich von der Talmündung, entlang der südlichen Talseite, bis etwa zum „Hof Löwelsberg“. In östlicher Fortsetzung ist Eck´scher Geröllsandstein, eine Gesteinseinheit des Unteren Buntsandsteins, in der geologischen Karte eingetragen. Die geologische Landesaufnahme entlang des Rohrgrabens, der hier zwischen 1,8-3,5 Meter tief ausgehoben war, hat nun ergeben, dass in diesem Bereich kein Sandstein vorhanden ist. Vielmehr befinden sich hier quartäre Flussgerölle unter einer Bedeckung aus abgeschwemmtem und umgelagertem Hangmaterial. Die geologische Karte muss an dieser Stelle insofern aktualisiert werden, dass sich die Flussterrasse der Orb weiter nach Osten erstreckt als dies bisher angenommen wurde. N Kinzig Erdgastrasse Abschwemmmassen Orb Eck‘scher Geröllsandstein Flussterrasse Flussgerölle Hof Löwelsberg Abb. 6: Ausschnitt aus der GK25 Blatt 5721 Gelnhausen. Der als Eck´scher Geröllsandstein ausgewiesene Bereich entlang der süd­ lichen Flanke des Orbtals muss neu interpretiert werden: Es stehen quartäre Flussterrassenschotter an. 131 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 Sedimentations- und Bodenbildungsprozesse Die AL Gernsheim quert in ihrem Verlauf ein Gebiet mit Flugsanddünen aus der letzten Kaltzeit (Abbildung 7). Bei den Trassenbegehungen konnte die interne Struktur dieser Ablagerungen studiert werden. Eingebettete Kiese zeigen, dass neben äolischen (windgetriebenen) auch aquatische (wassergetriebene) Ablagerungsprozesse bei der Sedimentation der Sandkörper eine Rolle gespielt haben müssen. Die klimatischen Verhältnisse waren also zumindest zeitweise mild genug, um Regen zuzulassen. In den kalkhaltigen Flugsanden ließ sich außerdem die Bildung sogenannter „Taschenböden“ (Abbildung 8) nachvollziehen. Die Sande wurden hier in unregelmäßigen, taschenförmigen Zonen entkalkt, wodurch die bodenbildenden Prozesse der Verbraunung und Tonverlagerung einsetzen konnten. Störungen im Gesteinsverband Abb. 7: Im Verlauf der AL Gernsheim angeschnittene Sanddü- nen aus der letzen Kaltzeit bei Seeheim-Jugenheim. Die unterschiedlich einfallenden Schichtungen lassen verschiedene Dünengenerationen erkennen. Aus den geologischen Karten ist bekannt, dass die Erdgastrassen streckenweise durch Gebiete mit Störungen (Abbildung 9 und 10), also über gegeneinander versetze Gesteinsschollen führen. Die Lage dieser Störungen konnte an einigen Stellen präzisiert, teils konnten bisher unbekannte Störungen nachgewiesen werden. Zudem wurden Daten über Versatzhöhe und Alter der Störungen ermittelt. Die Kenntnis von Störungen ist eine wichtige Voraussetzung, um die Lagerungsverhältnisse der Gesteinsschichten im Untergrund verstehen zu können. Störungen und Störungszonen sind zudem von hydrogeologischem Interesse, da Grundwasser an ihnen ab- oder aufsteigen kann. Abb. 9: Bis zur Erdoberfläche führende Störung in Gesteinen Abb. 8: „Taschenboden“ in den kalkhaltigen Flugsanden ent- lang der AL Gernsheim (Seeheim-Jugenheim) (braune Farben in den entkalkten Sedimenten). 132 des Oberen Buntsandsteins (Gastrasse Sannerz-Rimpar, nördlich Weiperz). Die linke Scholle hat sich gegenüber der rechten um mindestens einen Meter abgesenkt. Dabei wurde die graue Gesteinsschicht gekappt und an der Störungsnaht nach unten verschleppt. Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme weithin angenommen. Im Verbund mit den umgebenden Gesteinsschichten lassen sich zudem Rückschlüsse auf die damalige Umwelt der Spurenerzeuger ziehen. Vergleichbare Spuren sind bisher aus dem Mittleren und Oberen Buntsandstein bekannt. Ihre Verursacher werden aufgrund der entsprechenden Ähnlichkeit der Abdrücke pauschalisierend als „Handtiere“ respektive Chirotherien zusammengefasst. Sie zählen zu den Reptilien und gelten als eine Ahnengruppe der Dinosaurier. Abb. 10:Aufschiebung innerhalb der Roten Tonsteinschichten der Röt-Formation (Oberer Buntsandstein) bei Bernhards (MIDAL-Süd-Loop). Die rechte Scholle hat sich entlang der Störung auf die linke Scholle geschoben. Oberflächliche Lockergesteinsbedeckungen an den Beispielen Fließerde und Löss Durch die Grabungsarbeiten wurden an einigen Stellen Fossilien freigelegt. Neben quartärzeitlichen Funden (Hölzer, Muscheln, Schnecken) und Überresten im Muschelkalk (z. B. Ammoniten) waren dies Trittspuren im ansonsten extrem fossilarmen Buntsandstein (Abbildung 11). Die Fährten belegen, dass die Buntsandsteinzeit nicht so lebensfeindlich war, wie Während der letzten Kaltzeit unterlag der oberflächennahe Untergrund wiederholten Gefrier- und Auftauprozessen. Dabei wurde das anstehende Gestein mechanisch zerkleinert. Bei geeigneter Hangneigung kamen diese Massen im aufgetauten und dabei wassergesättigten Zustand in Bewegung. Die resultierenden Fließerden (Abbildung 12) sind in ihrer Ausbildung stark abhängig vom Ausgangsgestein. Oft zeichnen sie sich durch eine schluffig-tonige, teils aber auch sandige Matrix mit darin schwimmenden Gesteinsbruchstücken aus. Quantität und Größe der Klasten können dabei sehr unterschiedlich sein. Eine völlig andere, aber gleichfalls im Laufe der letz- Abb. 11:Chirotherien-Trittsiegel auf der Unterseite einer Abb. 12:Beispiel einer Fließerde mit sehr feinkörniger Matrix Lebensspuren im Gestein Sandsteinplatte (Chirotheriensandstein, MIDAL-Süd Loop, nahe Pilgerzell). Die Abdrücke entstanden auf einer tonigen Schicht - als grünlichgraue Überreste noch erkennbar - die später mit Sand bedeckt wurde. Links neben den Trittspuren sind sandverfüllte Tonrisse zu sehen. und zur Basis extrem großen Gesteinsbruchstücken über Sandsteinen der Solling-Formation (Mittlerer Buntsandstein) (MIDAL-Süd Loop südlich Pilgerzell). 133 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 Abb. 13:Beispiel einer mächtigen Lössbedeckung (MIDAL-Süd Loop, ebenfalls nahe Pilgerzell). lang von Gleitflächen oder Bewegungsbahnen. Dabei kommt es zu Verbiegungen und Verschleppungen, oft auch zur Faltung ganzer Schichten (Abbildung 14). An Talhängen können Gesteinslagen im Zuge gravitativer Massenbewegungen in Richtung der Hangneigung verbogen werden, man spricht dann von Hakenschlagen (Abbildung 15 und 16). Derartige Strukturen sind nur im Profilschnitt, nicht aber an der Oberfläche zu erkennen. Schichtdeformationen liefern wichtige Erkenntnisse zu den Lagerungsverhältnissen im Untergrund und tragen damit zum besseren Verständnis der Landschaftsgenese bei. Insbesondere für Fragestellungen zur Hangstabilität oder aber zur Rutschungsanfälligkeit von Gesteinsschichten sind die hier erhobenen Daten wichtige Grundlagen. ten Kaltzeit gebildete Sedimentbedeckung ist der Löss (Abbildung 13). Dabei handelt es sich um vom Wind angeblasenen Staub mit geringem Sandanteil. Entlang der Gastrassen konnten Verbreitung, Mächtigkeit und Ausbildung solcher kaltzeitlichen Bildungen erfasst werden. Als oberflächliche Einheiten bestimmen sie unter anderem die landwirtschaftliche Nutzbarkeit eines Gebietes. Bewegungsvorgänge im Untergrund Entlang der Trassen wurden an mehreren Stellen Faltungen von Gesteinsschichten gefunden. Sie dokumentieren Bewegungen des Untergrundes ent- Abb. 15:Hakenschlagen in Tonsteinen des Oberen Buntsand- Abb. 14:Gleitfaltung in Einheiten des Mittleren Buntsand- Abb. 16:Auch spröde Gesteine können Hakenschlagen zeigen. steins auf Blatt 5722 Salmünster (Trassenabschnitt südlich der Kinzigtalsperre). Neben tonig-schluffigen Gesteinspartien (rot) sind hier auch mürbe Sandsteine (grau) gefaltet und verschleppt worden. 134 stein bei Bernhards (MIDAL-Süd Loop). In diesem Beispiel wurden Kalksteinschichten des Muschelkalks von der Bewegung der auflagernden Fließ­ erde erfasst (Gastrasse Sannerz-Rimpar bei Mottgers). Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme Wurzelhorizonte Georisiko Subrosionsschlote Oft findet man in braunrot oder rotbraun gefärbten Sedimentschichten „blitzförmig“ verlaufende, teils miteinander vernetzte, hellgraue verfärbte Zonen (Abbildung 17). In einigen Grabenabschnitten war zu erkennen, dass es sich dabei um Bleichungsbereiche rund um Baumwurzeln handelt. Die Entfärbungen sind also biogenen und nicht geogenen Ursprunges. Diese Beo­bachtung liefert zugleich eine Einschätzung über die zur Entfärbung notwendige Zeitspanne, nämlich weniger als das Lebensalter der Bäume. Unter entsprechenden Bedingungen reichen also einige Jahre bis Jahrzehnte, um Rotsedimente zu entfärben. Der Trassenverlauf MIDAL-Süd Loop kreuzt südlich von Sargenzell einen bereits bekannten, in der GK 25 Blatt 5324 Hünfeld eingetragenen Subrosionsschlot. Im Trassenprofil ist diese Struktur deutlich zu erkennen (Abbildung 18). Der steilstehende Rand des Einbruchschlotes begrenzt auf der einen Seite die strukturlosen, massigen Tonsteine der Röt-Formation (Braunroter Ton­steinhorizont) und auf der anderen Seite mit scharfem Schnitt (Farbwechsel) die Schlotfüllung, bestehend aus Versturzmassen mergeliger, gelber bis graublauer Kalksteine des Unteren Muschelkalks (Unterer Wellenkalk). Innerhalb der Hünfelder Senke ist eine Vielzahl ähnlicher Subrosionsphänomene bekannt. Eine möglichst umfassende Kenntnis der Art und Verbreitung von Subrosionserscheinungen sind im Hinblick auf mögliche Geogefahren hilfreich. Diese werden in den Georisikokarten des HLUG verzeichnet und helfen den Planungsbehörden bei der Raum- und Landesplanung. Abb. 17:Sedimentbleichung um Baumwurzeln (Gastrasse Sannerz-Rimpar zwi- schen Mottgers und Zeitlofs). Im vergrößerten Bildausschnitt ist noch eine Wurzel zu erkennen. Abb. 18:Steilstehender Rand eines Subrosionsschlotes. Hier grenzen rote Tonsteine der Röt-Formation an gelbliche Kalksteine des Unteren Muschelkalks (Versturzmassen der Schlotfüllung). 135 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 Altersbestimmung quartärer Ablagerungen Die AL Gernsheim schneidet nördlich von Hähnlein den Landgraben. An diesem Trassenpunkt lieferte ein 3,8 m tiefer Einschnitt Einblick in die jüngere Erdgeschichte des nördlichen Oberrheingrabens. Geprägt wird die Abfolge hier von fluviatilen, kalkhaltigen Sanden und Lehmen aus dem Jungquartär. Lagenweise treten massenhaft Mollusken in diesem Sediment auf (Abbildung 19). Eine Fossilbestimmung durch das HLUG war möglich und erlaubt nun die ökologischen Bedingungen zur Zeit der Sedimentablagerung zu beschreiben. Die spätweichselzeitlichen bis holozänen Molluskenarten sprechen für eine feuchte Auenlandschaft mit offenem Gelände in der Nähe eines Waldrandes. Um das Ablagerungsalter der Sedimente genauer einstufen zu können, wurden in der Aufgrabung aus verschiedenen Tiefen Molluskenschalen zur Datierung mit der 14C-Methode genommen. Bei der 14C-Methode wird das natürliche, radioaktive 14C (Radiokohlenstoff) gemessen, das zu Lebzeiten in die Schalen der Mollusken eingebaut worden ist und sich seitdem wieder kontinuierlich abbaut. Die Messungen ergaben Alter von rund 14 000 Jahren vor heute, die dafür sprechen, dass die Sedimente in einer wärmeren Phase (Interstadial) der Weichsel-Kaltzeit abgelagert worden sind. Die Datierungen können somit das Alter der Ablagerungszeit der fluviatilen Sedimente präzisieren. Ein weiterer Abschnitt der AL Gernsheim wurde im Elsbachtal rund 2 km östlich von Seeheim detaillierter untersucht. Das Elsbachtal liegt im Odenwald und hat sich rund 100 m tief in den kristallinen Untergrund eingeschnitten. Im Leitungsgraben wurde an mehreren Stellen jeweils ein rund 1,5 m mächtiges Profil beschrieben. Das Profil besteht, unterhalb einer künstlichen Aufschüttung, aus feinkörnigen Bachlablagerungen des Elsbachs, in die zwei Torf­ lagen eingeschaltet sind (Abbildung 20). Auch das organische Sediment Torf eignet sich zur Datierung mit der 14C-Methode. Das Bildungsalter des älteren Torfs, 1,3 m unterhalb der Geländeoberfläche, liegt bei 450 Jahren vor heute. Der jüngere Torf bei 1,1 m unter der Geländeoberkante weist ein Bildungsalter von 250 Jahren vor heute auf. Aus erdgeschichtlicher Sicht sind die Torfe also sehr jung. 136 Abb. 19:Auenlehme, rund 3,3 m unterhalb der Geländeober- kante, mit vielen Mollusken, die vor rund 14 000 Jahren in einem Interstadial der letzten Kaltzeit lebten (AL Gernsheim, nördlich Hähnlein). Abb. 20:Feinkörnige, stark humose Auensedimente mit zwei 250 bzw. 450 Jahre alten Torflagen, aus dem Elsbachtal (AL Gernsheim). Markus Diehl, Lena Jedmowski, Anne Kött & Christian Hoselmann Erdgastrassen in Hessen – Großbaustellen als Chancen der geologischen und bodenkundlichen Landesaufnahme Ausblick Die dargestellten Beispiele zeigen nur eine Auswahl der bei den Trassenbegehungen dokumentierten Profilaufschlüsse. Die Aufarbeitung aller erhobenen Daten wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. In Planung ist im Speziellen eine Auswertung in Be- zug zu Beschaffenheit, Mächtigkeit und Verbreitung quartärer Sedimente in Hessen sowie ein Dokumentationsband, in dem verschiedene fachliche Aspekte behandelt und dokumentiert werden. Literatur Ad-hoc-AG Boden (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung. 5. Auflage. – Hannover. Ad-hoc-AG Boden (2011): Ableitung der Grabbarkeit und ihrer flächenhaften Darstellung aus Boden und Gesteinsinformationen bodenkundlicher Flächendaten bis 2 m Tiefe unter Berücksichtigung des Bodenwassers. – Methodendokumentation Bodenkunde, Verknüpfungsregel 1.35.Hannover. Deutsches Institut für Normung (1996): Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bau­ leis­tungen (ATV) "Erdarbeiten". DIN 18300. - Berlin (Beuth). Friedrich, K. & Jedmowski, L. (2013): Einstufung der Grabbarkeit auf Grundlage der DIN 18300 und Verknüpfungsregel 1.35 der Methodendokumentation Bodenkunde. In: Jahrestagung der DBG, 7.–12. September 2013, Rostock. http:// eprints.dbges.de/922/ 137 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie – Jahresbericht 2014 138