Datum: 26.02.2012 1 "r 41 SonntagsZeitung 8021 Zürich 044/ 248 40 40 www.sonntagszeitung.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 182'129 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 833.4 Abo-Nr.: 833004 Seite: 41 Fläche: 111'613 mm² «Die Wirtschaft ist am Arsch Und ich zeige wie» Urs Widmer über neuen Stücken, das Kapitalismus und seine A zu Max Frisch «Ein Stück z schreiben, ist ein Spiel. Und ein Spiet it ein Vergnügen»: Schriftsteller Urs Widmer, 73 Lügner? VON DANIEL ARNET (TEXT] UND VERA HARTMANN (FOTO] Ja, Banker sind oft Lügner, aber Zürich im Februar: Es ist kalt in sie sind sich meist nicht bewusst, der Bankenstadt. An der Bahn- dass sie in einem Lügensystem hofstrasse laufen die Menschen in mitarbeiten. Also lügen sie ohne dicken Mänteln rum, und im Schuldgefühle. Schreibatelier von Urs Widmer am Fusse des Zürichbergs streikt die Heizung. Deshalb treffen wir uns bei ihm in der Küche. «Sie sind der erste Journalist, den ich Winner-Typ sein und immer alles haben. Die Lügengeschichten des Barons sind ein Komödienstoff. Sind die aktuellen Wirtschaftsmeldungen für Sie denn auch zum Lachen? Genauso wie der legendäre Baron von Münchhausen? Wenn man nicht lachen könnte, In der Tat sind die Parallelen frap- müsste man weinen. Neben dem pant. Deshalb habe ich dieses Satyrspiel «Münchhausens EnTheaterstück über einen geschei- kel» habe ich denn auch ein tief- terten Banker mit dem Titel schwarzes Stück zur aktuellen zer Schriftsteller und serviert «Münchhausens Enkel» geschrie- Wirtschaftslage geschrieben: «Das hier empfange», sagt der Schweieinen heissen Kaffee. Herr Widmer, sind Banker ben, das am 28. Februar im Zür- Ende vom Geld» hat am 24. März cher Rigiblick zur Uraufführung in Darmstadt Premiere und kommt kommt. Auch der Baron will ein später in St. Gallen zur Schweizer Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 45235566 Ausschnitt Seite: 1/4 Datum: 26.02.2012 1 "r 41 SonntagsZeitung 8021 Zürich 044/ 248 40 40 www.sonntagszeitung.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 182'129 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 833.4 Abo-Nr.: 833004 Seite: 41 Fläche: 111'613 mm² Erstaufführung. Selbst wenn man Frankfurt hat nach Zürich auch Heinrich IV. kleinzuschreiben? systemkritisch denkt, ist das Ende abgelehnt. Man kann darüber Nein, die Wirtschaftsgrössen wernachdenken, weshalb die grossen den von mir nicht runtergeschrievom Geld nichts Lustiges. Bankenstädte, deren Theater ja ben was an ihnen klein ist, das «Das Ende vom Geld» haben nicht ganz fern von diesen Geld- haben sie in der Wirklichkeit Sie ursprünglich für das instituten sind, einen solchen schon selber getan. Zürcher Schauspielhaus Stoff nicht wollen. Aber im neuen Stück geschrieben. «Das Ende vom Geld» ist ein «Münchhausen» beschreiben Aber dieses wusste nichts von seiNachruf auf unsere ZahlungsSie genussvoll den Absturz nem Glück. Es hat das Stück ab- gelehnt, und das ist sein gutes mittel, und in «Münchhausens Enkel» geht es wie bereits in Recht. Ihrem früheren Erfolgsstück Keine Ressentiments? «Top Dogs» um gescheiterte No comment. Nun wird «Das Ende vom Geld» Manager. Ist das die Rache des Kulturmenschen, die in Darmstadt uraufgeführt. Wirtschaftsgrössen kleinWeshalb dort? Ich hätte das Stück gerne in einer zuschreiben? Bankenstadt uraufgeführt, aber War es die Rache Shakespeares, eines Bankers. Ja, dieser Banker geht unter. Es ist ja kein unsympathischer Kerl, aber gleichzeitig ist er ein Kotzbrocken und hat den Untergang verdient. Das werden wir uns mit heiterer Mitleidslosigkeit ansehen. 16 Jahre nach dem Theaterhit «Top Dogs» knöpft sich der Schweizer Autor Urs Widmer wieder die Wirtschaftsbosse und ihre Fehler vor Mit seinen beiden neuen Stücken «Münchhausens Enkel» und «Das Ende vom Geld» befasst sich der Erfolgsautor Urs Widmer wieder mit einem Thema, das ihn schon lange umtreibt: dem Geld. Schon im pseudobiografischen Roman «Der Geliebte der Mutter» aus dem Jahr 2000, der sich mehr als 100000 Mal verkaufte, umschreibt Widmer die Beziehung seiner Mutter zum schwerreichen Basler Mäzen Paul Sachen Im früher entstandenen Theaterstück «Top Dogs» (1996) präsentierte er den Geltungsverlust von entlassenen Führungskräften: aus den Managern, den Top Dogs, werden Underdogs, die in einem Outplacement-Center die Wirkung ihrer eigenen Methoden zu spüren bekommen. Die Sozialsatire, für das Theater Neumarkt in Zürich geschrieben (Regie: Volker Hesse), erlebte einen globalen Siegeszug, sogar in Afrika kam es zu Inszenierungen. Seine neuen Stücke, die im Theater Rigiblick in Zürich und im Staatstheater Darmstadt uraufgeführt werden, prangern das Versagen der Wirtschaft und ihrer Kapitäne an. Der gebürtige Basler Urs Widmer lebt seit 1984 mit seiner Frau, einer praktizierenden Psychoanalytikerin, in Zürich. Gemeinsam haben sie eine Tochter. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 45235566 Ausschnitt Seite: 2/4 Datum: 26.02.2012 1 "r 41 SonntagsZeitung 8021 Zürich 044/ 248 40 40 www.sonntagszeitung.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 182'129 Erscheinungsweise: wöchentlich den einen oder anderen kennen gelernt: Das sind durchaus oft sympathische Männer, das sind Okay, es heisst ja Schauspiel. Und keine Monster, und als solche ein Stück zu schreiben, ist ein stelle ich sie auch nie dar. Die Spiel. Und ein Spiel ist ein Ver- zeichnen sich alle auch durch eine gnügen. Und das soll auch den grosse, allerdings auch eng beZuschauern Vergnügen bereiten. grenzte Intelligenz aus und oft Was ich mache, ist eine Zustands- durch eine noch engere Emotiobeschreibung: Das Wirtschafts- nalität. Die grossen Player versuEs macht Ihnen also doch Spass, sich literarisch zu rächen. Themen-Nr.: 833.4 Abo-Nr.: 833004 Seite: 41 Fläche: 111'613 mm² fe ich auf eine fortschreitende, deutliche Reform des Systems. Es geht verdammt nochmals nicht an, dass Wenige Milliarden besitzen und Millionen gar nichts. Das bedeutet, dass man die ausbeuterische Macht der Grossfinanz brechen müsste. Kann das funktionieren? Das Problem: Die lassen sich nicht freiwillige brechen. Die sind system ist am Arsch, und ich zei- chen nach wie vor, das System zu nach wie vor da und machen mögverteidigen. Sie spielen auf Zeit. ge, wie. lichst viel Gewinn, auch wenn der Was fasziniert Sie eigentlich am Homo oeconomicus? Glauben Sie, dass der Kapitalismus am Ende ist? Das beunruhigt ja alle, dass das Flurschaden noch so gigantisch ist. Und wir bezahlen die Zeche. Sie sind noch einer der Nichts. Aber er beschäftigt mich. grosse System, das man mal Kawenigen Schweizer pitalismus, mal Marktwirtschaft Der Homo oeconomicus der Schriftsteller, die sich einzelne Teilnehmer von Joe nennt, am Zerbersten ist. Und zu wirtschaftspolitischen niemand weiss, was darauf folgt. Ackermann bis Philipp Hilde- ist verteufelt austausch- Es gibt ja keine alternativen Mobar. Ein Frankfurter Banker delle an den praktischen Soziaunterscheidet sich nicht grundle- lismus denkt ja, völlig zu Recht, gend von einem Zürcher Berufs- gar niemand mehr: Das war ein so kollegen. Sie sind alle nach dem glorioses Scheitern, dass wir nicht gleichen Modul gearbeitet. Die darauf zurückkommen werden. Und die Chinesen können bei uns Bühne aber mag Individuen. brand Vorgängen äussern. Warum schweigen Ihre Kollegen? Ich bin weder ein Max Frisch noch ein Günter Grass: Ich habe kein Bedürfnis, anderen Leuten eine Moral zu verkündigen. Das ist mir gänzlich fern. Und ich glaube, dass aus den für ihre Zeit Und trotzdem mühen Sie sich in auch nicht richtig liegen. Was wichtigen Kämpfen und Krämpdann? Ich weiss es auch nicht. den letzten Jahrzehnten verfen eines Max Frisch mit der Gibt es keine literarischen mehrt mit der Wirtschaft und Schweiz auch bei den heutigen Antworten? ihren Protagonisten ab. Dramatiker sind, noch mehr als Literatur und die Dramatik im Romanciers, an Vorgängen der Besonderen haben noch nie AntMacht interessiert. Und die Macht worten bereitgestellt. ist heute nicht mehr bei den Kö- Aber die Fantasie der Autoren. nigen wie zu Shakespeares Zei- Klar, utopische Paradiesfantasien ten, sondern bei den Kapitänen gibt es eine ganze Menge, auch in der Wirtschaft. Welches sind Ihre Erkenntnisse? Bis vor kurzem lag die ganze Macht bei den Wirtschaftsleuten die Ökonomie hatte die Deutungshoheit, ihre Sicht war die richtige Sicht. Es war wie ein Naturgesetz. Mittlerweile sind auch die Wirtschaftsleute verunsichert und haben ihre massiven Zweifel. Das sind ja keine dummen Menschen. Kollegen eine gewisse Ernüchterung übrig geblieben ist, und sie sagen sich: «So will ich es nicht auch erleben.» Und trotzdem erinnert die Konstellation «Alt» und «Jung» in Ihrem Zweipersonenstück meinem Herzen. «Münchhausen» an Max Welche Hoffnungen haben Sie? Frischs Alterswerk «Schweiz ohne Armee?». «Das bedeutet, dass man die ausbeuterische Macht der Grossfinanz brechen müsste» Haben Sie den einen oder anderen auch getroffen? Wieso das? Überhaupt nicht. Es gibt auch einen grossen Unterschied: Bei Frisch spricht der Alte, bei Ihnen beinahe nur der Junge. Haben die Alten heute nichts mehr zu sagen? Spielen Sie auf mich und mein Al- ter an? Ja, wie fühlen Sie sich als Doyen Ich war immer ein Reformer und der Schweizer Literatur? kein Revolutionär. Auch jetzt hof- Ich fühle mich nicht ausgeschlosIm Verlaufe der Jahre habe ich Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 45235566 Ausschnitt Seite: 3/4 Datum: 26.02.2012 1 "r 41 SonntagsZeitung 8021 Zürich 044/ 248 40 40 www.sonntagszeitung.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 182'129 Erscheinungsweise: wöchentlich Themen-Nr.: 833.4 Abo-Nr.: 833004 Seite: 41 Fläche: 111'613 mm² sen, weil ich noch in viele Sachen involviert bin. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich aus der Zeit rausfalle. Aber dass die Zeit verrinnt und mein Leben einem Ende zu- geht, ist mir schmerzlichst bewusst. «Münchhausens Enkel», Premiere am 28. Februar im Theater Rigiblick, Zürich. «Das Ende vom Geld», Premiere am 24. März im Staatstheater Darmstadt; Schweizer Erstaufführung in der Saison 2012/2013 im Theater St. Gallen. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 45235566 Ausschnitt Seite: 4/4