4. AKAD Forum – 17. November 2012 – WHL-Campus Lahr Vorträge und Workshops Der homo oeconomicus ist krank Prof. Dr. Rainer Berkemer, AKAD Hochschule Stuttgart Die Annahmen der Mainstream-Ökonomie haben ihre Überzeugungskraft eingebüsst. Ist die Annahme eines vollständig rational handelnden Individuums noch haltbar? Im Workshop werden dazu neuere Erkenntnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung vorgestellt. Die derzeit dominierende ökonomische Standardliteratur basiert auf der Annahme eines homo oeconomicus der vollständig rational sämtliche Vor- und Nachteile seiner Handlungen abwägt. Dabei ist jedem ernst zunehmendem Wirtschaftswissenschaftler in Wirklichkeit klar, dass es sich beim homo oeconomicus um ein fiktives Gedankenkonstrukt handelt. Milton Friedman hat bereits in den 1950er Jahren argumentiert, dass es auf den Realitätsgehalt der Annahme gar nicht ankomme. Es sei ausreichend, wenn die Wirtschaftstheorie auf der Grundlage entsprechender Modelle brauchbare Erklärungen und Prognosen liefern könne. Die Mehrzahl der Ökonomen ist dieser Denkweise gefolgt und in der Tat gibt es auch typische Entscheidungssituationen, bei denen sich Menschen in der Realität so verhalten „als ob“ sie vollständig rational wären – bei idealtypischen Marktsituationen sind insbesondere Produzenten häufig gezwungen ihr Verhalten so anzupassen, dass sie nicht von der Konkurrenz ausgebootet werden können. Im Workshop wird gezeigt, dass es aber auch andere ebenso wichtige Entscheidungssituationen gibt, bei denen dieser „als ob“-Ansatz notwendigerweise in die Irre führt. Dabei handelt es sich meist um Kollektiventscheidungen und es kann theoretisch gezeigt werden, dass es dann womöglich gerade umgekehrt ist: eine Minderheit von intuitiv handelnden „Bauchmenschen“ kann selbst eine rational denkende Mehrheit zu einer Anpassung an ihr Verhaltensmuster zwingen. Neuere Erkenntnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung bestätigen diesen Sachverhalt. Im Workshop können bei Interesse der Seminarteilnehmer einige Experimente auch interaktiv durchgeführt werden. Frauen in Führung! Führungspositionen und Führungsverhalten von Frauen Prof. Dr. Uta Kirschten, AKAD Hochschule Leipzig Frauen sind in leitenden Positionen unterrepräsentiert. Es liege am Führungsverhalten, am Verhandlungsgeschick... Existieren diese Unterschiede wirklich? Der Workshop stellt das Führungsverhalten von Frauen vor und diskutiert ihre Situation in Führungspositionen. Frauen sind in Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert. Das gilt insbesondere für das Top-Management großer Unternehmen. Das Spektrum vermuteter und tatsächlicher Gründe hierfür ist breit. Einer dieser Gründe betrifft auch das (vermeintliche) Führungsverhalten von Frauen. Fakt ist, dass Unternehmen sich in Zeiten des demografischen Wandels und steigender Wettbewerbsintensität mit der Vernachlässigung von Frauen in Führungspositionen wertvolle, hoch qualifizierte und engagierte Führungskräfte und Kompetenzen entgehen lassen, die - nachweislich - den wirtschaftlichen Erfolg vieler Unternehmen steigern. Im Rahmen des Beitrags wird die aktuelle Situation von Frauen in Führungspositionen sowie das Führungsverhalten von Frauen vorgestellt, Gründe für die Situation diskutiert sowie Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Strategien für Bildungsanbieter in Zeiten von Social Media Prof. Dr. Michael Klebl, WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr Social Media eröffnen Kommunikationsräume, die nicht einfach zu kontrollieren sind. Wie verändert sich das Lernen, wenn es sich ins Internet verlagert? Der Workshop stellt Social-Media-Lernwelten vor und diskutiert didaktische und strategische Einsatzmöglichkeiten. Sollte eine Bildungseinrichtung ihre Dozenten ermutigen zu twittern, oder ist es gar notwendig ist, sie dazu zu verpflichten? Oder ist es doch sinnvoller, Wikipedia, Youtube, Facebook oder Twitter beim Lernen zu verbieten? Diese Fragen sind alles andere als trivial: Denn Social Media eröffnen einen Kommunikationsraum, in dem gelehrt und gelernt wird (neben vielem anderen), und der im Gegensatz zu Klassenraum und Lernplattform pädagogisch nicht einfach zu kontrollieren ist. Wie definieren sich aber Bildungsanbieter, wenn Lernen sich von Bildungseinrichtungen auf die informellen Welten der Internetplattformen verlagert? Im Workshop werden an ausgewählten Beispielen Social-MediaLernwelten vorgestellt. Neben Fragen nach didaktischen Einsatzmöglichkeiten stellen sich - aus Perspektive des Bildungsmanagements- vor allem Fragen nach der strategischen Ausrichtung, nach Betriebs- und Geschäftsmodellen und nach der Qualifizierung des pädagogischen Personals. Hyperlocality - willkommen in der neuen Wirklichkeit! Prof. Dr. Ulrich Kreutle, AKAD Hochschule Stuttgart Smartphones, QR-Code, RFID..., Innovationen, die die Verhaltensweisen von Konsumenten immer unberechenbarer machen. Gleichzeitig ergeben sich daraus neue Kontroll- und Auswertungsmöglichkeiten. Der Workshop gibt Impulse, wie das Marketing diese "Schaukelbewegung" nutzen kann. Im Wettrennen zwischen dem Hasen (Marketing) und dem Igel (Kunden) ist der Igel stets schon da und sogar ein Stück weiter wie der Hase. Haben wir als Marketingtreibende vor kurzem noch gedacht, die Kunden mit Lebensstilmodellen wunderbar kategorisieren und deren Kaufverhalten gestalten zu können, so ruft der Igel heute: „bin schon da!“ und ist ein Stück weiter. „Neuro-Marketing wird´s schon richten“, denkt der Hase, doch der Igel ist schon wieder da – und ein Stück weiter. Social Media- und Mobile Marketing sind gerade noch auf der Rennstrecke, da steuert der Igel schon Hyperlocality an. Die Trends in Richtung Hyperlocality sind bekannt: Computer werden kleiner, billiger und gleichzeitig leistungsfähiger. Sie durchdringen den Alltag immer stärker und befinden sich nicht nur in Smartphones oder Tablet PC´s, sondern auch in Autos, Zahnbürsten, Fahrkartenautomaten usw. Gleichzeitig enthalten mehr und mehr Produkte RFID-Chips, die per Funksignale ihr Wissen weitergeben können. GPS-Systeme ermöglichen es, Menschen und Dinge präzise weltweit zu orten. Und das Handy wird zum ständigen Begleiter. Technisch gesehen ist es nun kein wirkliches Problem, diese mobilen Computer sowie die Produkte miteinander zu vernetzen und sie zu lokalisieren: Das Kleid einer Passantin gefällt mir? Ein Klick im Handy und ich erhalte Auskunft über Marke, Preis und lieferbare Farben des Kleides. Ein weiterer Klick und es ist bestellt. Entrepreneurial Spirit - Was macht einen Unternehmer aus? Prof. Dr. Daniel Markgraf, AKAD Hochschule Leipzig Gründerpersönlichkeit lässt sich auf 5 Faktoren zurückführen, die je nach Branche unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Workshop lernen Sie das psychologische Modell "Big Five der Persönlichkeit" und damit Ihr unternehmerisches Profil kennen. Auch wenn jeder Mensch individuell und einzigartig ist, so gibt es doch grundlegende Wesenzüge die die Persönlichkeit eines Menschen in ihrer Basis definieren. Im Rahmen der fünffaktoriellen Persönlichkeitstheorie von Costa und McCrae (1994) bilden sie den Ausgangspunkt, das Rohmaterial, für die Persönlichkeit. Als wichtigste, wenn auch nicht einzige Wesenszüge, sind dabei Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Emotionale Stabilität und Intellect & Vorstellungskraft identifiziert worden. Diese Grundlagen wurden auf verschiedenen Wegen identifiziert und vielfach bestätigt. Insofern bilden Sie eine ideale Ausgangsbasis für die Untersuchung dessen, was einen Unternehmer ausmacht. Eine erste Analyse wurde von Markgraf (2008) durchgeführt und bestätigte die Eignung des Modells für den Einsatz im Rahmen des Gründungsprozesses. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl weiterer Datensätze erhoben, so dass zum aktuellen Stand der Untersuchung nicht nur Unterschiede im Rahmen des Gründungsprozesses aufgezeigt werden können sondern auch branchenspezifische Unterschiede. Mit dem vorliegenden Fragebogen kann somit eine erste Selbsteinschätzung des Entrepreneurial Spirit einer Person vorgenommen werden. Die Bedeutung des Entrepreneurial Spirit geht dabei über die Gründung eines Unternehmens hinaus und erfasst die unternehmerische Orientierung nicht nur im eigenen Unternehmen sondern in täglichen Arbeits- und Lebensumfeld. Strategische Unternehmensplanung oder 'Management by Bauchgefühl' - Was bringt Unternehmen in unsicheren Zeiten weiter? Prof. Dr. Martin Reckenfelderbäumer, WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr Strategische Unternehmensplanung funktioniert in unsicheren Zeiten nicht mehr nach herkömmlichen Mustern. Wie erfolgreich ist es, wenn unternehmerische Entscheidungen von Erfahrungen und subjektiven Einschätzungen geprägt sind? Zunehmende Umweltdynamik, Verhaltensänderungen der Verbraucher, eine Intensivierung des Wettbewerbs und unvorhergesehene Ereignisse unterschiedlichster Art haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass eine langfristige strategische Unternehmensplanung immer schwieriger geworden ist. Manche Stimmen behaupten sogar, sie sei unmöglich geworden. Viel wichtiger sei es, auf das unternehmerische Bauchgefühl zu vertrauen, um das Unternehmen in unsicheren Zeiten zu steuern. Schnelles Reagieren auf Veränderungen, egal ob diese Chancen oder Risiken mit sich bringen, sei wichtiger als eine formalisierte strategische Planung. Hinzu kommt, dass gerade viele kleine und mittelständische Unternehmen gar nicht mit dem verfügbaren Planungsinstrumentarium vertraut sind. Vor diesem Hintergrund geht der Workshop der Frage nach, wie das Verhältnis von strategischer Planung und Bauchgefühl zu sehen ist bzw. wie es ausgestaltet werden kann, um eine Unternehmung in unsicheren Zeiten auf Kurs zu halten. Wir sind netter als wir denken Prof. Dr. Bernd Remmele, WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr Schon Kleinkinder können faires und unfaires Verhalten unterscheiden. Funktioniert der Markt etwa nur deshalb, weil er auf einem solchen moralischen Grundstock aufsetzt? Der Workshop gibt darauf auch aus Sicht der evolutionären Anthropologie Antworten. Der Versuch soziales Verhalten auf das individualistische Kalkül eines homo oeconomic zu reduzieren folgt einer langen Tradition modernen Denkens. Diese Tradition hat versucht soziales Verstehen auf eine in sich geschlossene Subjektivität zurückzuführen, die sich ebenso in die soziale Welt wie die Objektwelt hinein entfaltet. Es gibt aber zunehmend Belege dafür, dass der menschliche Geist von vorneherein auch auf Intersubjektivität angelegt ist. Somit ist von einer Art Dualität individualistisch und intersubjektiv geprägter Denk- und Verhaltensmuster auszugehen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass zwar im Rahmen der modernen Denktradition Tauschhandlungen auf dem 'Markt' von moralischen Anforderungen (z.B. 'gerechter Preis') entlastet werden, dass aber der Markt von der Reproduktion normativer geprägter Situationen abhängig bleibt. Ohne insbesondere ein grundlegendes Verständnis fairen Umgangs und auch einer entsprechenden - gerade nicht in jedem Fall eigennutzorientierten - Umsetzungsbereitschaft würden überhaupt nicht genug wirtschaftliche Interaktionen stattfinden, um den Marktprozess in Gang zu halten. Warum machen Menschen Fehler? Erklärungsansätze für das Eintreten von Schadensereignissen Prof. Dr. Stephan Schöning, WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr Unfälle aufgrund menschlicher Fehler werden oft auf das Versagen eines Individuums zurückgeführt. Meist sind jedoch mehrere Fehlerquellen dafür verantwortlich, die mit dem Modell der "Dirty Dozen" differenziert betrachtet werden können. Im Rahmen der Beschäftigung mit operationellen Risiken in Unternehmen spielen Schäden, die durch Fehler von Mitarbeitern sowie beim Zusammenwirken von Menschen und Maschinen verursacht werden, eine große Rolle. Ein aktiver Umgang mit dieser Risikokategorie setzt voraus, sich mit der Entstehung und den Ursachen menschlicher Fehler vertieft auseinanderzusetzen. Im Workshop wird zunächst aufgezeigt, wann aus latent vorhandenen Fehlerquellen Schäden werden. Anschließend werden Erklärungsansätze für das Auftreten von Fehlern differenziert betrachtet, wobei auf das Modell der "Dirty Dozen" zurückgegriffen wird.