EINZELKAPITEL 1 HAYDN EXPLOSIV 194 2009 195 Schlosshof mit Eingang zur Ausstellung, Schriftzug „Haydn“ von Ponatsch 196 Säulenhalle mit Teppich von Roy Lichtenstein 197 HAYDN EXPLOSIV Eine europäische Karriere am Fürstenhof der Esterházy Explosive Dynamik seiner Karriere – vom Kapellmeister zum Compositeur von Weltruhm In der multimedialen Ausstellung „Haydn Explosiv“ ging es um die erlebnisnahe Charakterisierung Haydns als höfischer Künstler. Als solcher musste Haydn einerseits dem Auftragswunsch „seiner Herrschaft“ gerecht werden, andererseits suchte er als musikgeschichtlich relevantes Genie permanent auch die „Freiheit seines Schaffens“. Als VizeKapellmeister trat er noch unter Fürst Paul Anton II. (1761) in die Dienste des Hauses Esterházy und begleitete Nikolaus I., zu Recht „der Prachtliebende“ genannt, bis zu dessen Tod 1790 – als „Hof-Musikus“ von zunehmend europäischem Rang. Zur „künstlerisch-ideellen Deutungsmacht“ der Dynastie avancierte Haydn unter Nikolaus II., einem weltläufigen Connaisseur mit anglophiler Attitüde und einem Hang zum französischen Revolutionsklassizismus – immerhin beauftragte dieser den klassizistischen Architekten Charles Moreau mit dem Umbau des Schlosses in Eisenstadt. Haydn kehrte nach zweifachem Lebenstriumph in London (1790 und 1792) wieder in die „fürstlichen Dienste“ zurück, obgleich er sich (von Nikolaus II. toleriert) damals zumeist in Wien aufhielt. Nikolaus II. wusste den „Weltruhm“ Haydns als Krönung des jahrzehntelangen Dienstverhältnisses des Komponisten mit seiner Familie wohl zu deuten. So gelang es ihm, Haydns Aufstieg in den „Olymp der 198 199 Gemälde: Nikolaus I., der Prachtliebende; ihm zu Ehren wurden die Säulen vergoldet Nikolaus II. gibt Charles Moreau den Auftrag zum klassizistischen Umbau des Schlosses 200 Gedächtnisses“, das sich in der Tradition des Fürstentums Esterházy manifestierte, als wesentlicher Beitrag zum „überregionalen Bildungsprozess“ der Bevölkerung von Österreich, Ungarn und den anderen umgebenden Ländern zu Osteuropa hin angesehen werden. Am „Début de Siècle, um 1800“ zeigt sich die Aktualität der Haydn-Zeit für uns heute Säulenhalle Nebengang, Blick auf Ölgemälde Joseph II. Musik“ zur „Verklärung“ der eigenen Dynastie zu nutzen. Schließlich gehört Haydn zu den wenigen Komponisten, die schon zu Lebzeiten vor das eigene Denkmal treten konnten – so 1796 in seinem Geburtsort Rohrau. Durch die spätere politische Grenzziehung Österreich/Ungarn kann der kulturelle Anteil „ungarischen Wesens“ am Fürstentum Esterházy zu Haydns Zeit heute oft schwer nachvollzogen werden – diesen „Ungarn-Bezug“ des 18. Jahrhunderts zeitgemäß zu vermitteln und zu aktualisieren, war auch Anliegen der Ausstellung. So waren alle Beschriftungen, Headlines und Raumtexte zweisprachig: deutsch und ungarisch. Für ein künftiges ZentralEuropa darf die Erneuerung des „kulturellen Zwischen Haydns Karriere in einem supranationalen Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts und den absolutistischen Ansprüchen der Fürsten Esterházy an „ihren“ Kapellmeister und Hof-Compositeur spannte sich der facettenreiche Bogen dieser kulturgeschichtlichen Ausstellung. Die Aktualität der Haydn-Zeit für uns heute besteht unter anderem in der „Erfindung“ des modernen Individualismus (wie in der Mozart-Zeit auch) – diese vollzog sich in einer revolutionären Phase der europäischen Gesellschaft zwischen Absolutismus und einer vor allem auch „rebellischen“ Aufklärung. Letztere steht dem siegreichen Verstandes-Denken der „VernunftOrdnung“ einer beginnenden bürgerlichen Welt gegenüber. Dieser Kulturbruch zur Moderne hin kann als „Début de Siècle“ begriffen werden – 100 Jahre vor dem „Fin de Siècle, Wien um 1900“. Beide Turns of the Century sind jeweils Ausdruck einer „produktiven Dekadenz“ ihrer Gesellschaft – stets im Sinne der Erfindung und Entwicklung des modernen Individualismus damals. Haydns „kreative Karriere“ reichte vom barocken Lebensgefühl der Reform-Kaiserin Maria Theresia über den „radikalen Geist“ der josephinischen Aufklärung bis hin zum vielschichtigen Konservativismus unter Franz II./I. Während seiner restaurativen 201 Regentschaft wurde die Kirche nicht mehr vom „Experiment Aufklärung“ attackiert – die radikale Aufklärung wurde marginalisiert und blieb als „subversiver Rest“ und Widerstandskraft einem neuen Individualismus erhalten (Romantik, Biedermeier, Vormärz). Die einstigen Ängste vor der Französischen Revolution waren mittlerweile in der (sehr konkreten) Angst vor dem realpolitischen Gegner Napoleon fokussiert. Ein damit aufkeimender Patriotismus gab unter anderem auch der Sentimentalität einer „frohen Religiosität“ Raum. Bildnis von Charles Moreau, links Monitor, darüber Powerpoint Die Klassik als „Erste Wiener Moderne“ Der „Geist der Aufklärung“ setzte sich in Zirkeln und Salons, in vielfältig verschlungener Weise, dennoch fort und entwickelte sich weiter. Beispielsweise im Kreis um Johann Philipp Graf Stadion, einem einflussreichen österreichischen Staatsmann, der gleichermaßen um Reformen der Schulbildung wie der Verwaltung bemüht war. Die Zeit der Wiener Klassik („Mozarts Geist aus Haydns Händen empfangen“, Graf Waldstein über Beethoven) bildete eine „künstlerische Brücke“ zum 19. Jahrhundert – zur Differenzierung dieser „abgegriffenen“ Epochen-Benennung schlägt der Haydnforscher James Webster den Begriff „Erste Wiener Moderne“ vor. Damit wird der kulturellen Ambiguität des historischen Prozesses Rechnung getragen. Erst vor solch größerem Horizont des Zeitenbruchs „um 1800“ wird beispielsweise die (nicht nur) „kammermusikalische Romantik“ eines Schubert verständlich – und in ihrer Abgründigkeit wie „melancholischen Ekstase“ nachvollziehbar. Die ironischambivalente wie wienerisch-schlagfertige Konversationspraxis der damaligen Gesellschaft 202 Bildnis von Charles Moreau, links Monitor, darüber Tapeten-Still wäre vielleicht ohne die Erfindung des Streichquartetts durch Haydn nicht denkbar gewesen. Sein Oratorium „Die Schöpfung“ repräsentiert (als weiteres innovatives „MusikFormat“ Haydns) durchaus exemplarisch jenes „freudige Lebensgefühl“, mit dem sich ein neu erstandener Katholizismus umgab, nach jener Phase seiner kontroversiellen Infragestellung durch die höchstpersönlich verfügte Aufklärung „von oben“ durch Joseph II. Diese „Lebensfreude“ des konservativen Teils der nach-josephinischen Gesellschaft feierte einen Schöpfer-Gott, der durch die Natur spricht Die Gartenwerkzeuge von Erzherzog Franz, Symbole seiner Handwerkstätigkeit als Gärtner 203 Vier Beamer erzeugen im Hauptraum ein Deckenfresko in Bewegung 204 – der Sündenfall als Dogma ist dabei erfolgreich wie lustvoll verdrängt, was nicht verhinderte, dass die heuchlerische Doppelbödigkeit katholischer Moral erhalten blieb. Dieses Welt- und Naturverständnis findet in den „romantischen Gärten der Aufklärung“ (Géza Hajós) seinen weitläufigen wie „verinnerlichten“ Ausdruck – waren es doch auch Freimaurer, die derartige Gärten anlegten. Was nun eine gewisse Biederkeit des Kaisers anlangte, darf daran erinnert werden, dass nicht von ungefähr Franz II./I. in seiner dynastisch verordneten Ausbildung die Gartenkunst als Handwerk erlernte. Im Gegensatz zu seinen floristischen Ambitionen hatte sein Onkel Joseph II. als Handwerk immerhin den Buchdruck erlernt. Genius und Musikmarkt – eine europäische Karriere dank Notendruck Haydns Genius als Erneuerer musikalischer Formen wie planvoller Vermarkter seines Werks verfolgte eine Karrierestrategie, die an die Verbesserung und rasante Verbreitung des Notendrucks in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebunden war. An dieser technischen Innovation entlang vollzog sich auch die Profilierung des europäischen Musikmarkts, den Haydn vorfand und nachhaltig mitprägte. Haydns „Erfolgsrezept“ auf den Punkt gebracht: Im Dienste der Familie Esterházy stehend, lebte er in Eisenstadt – immer eng mit dem Musikleben der Kaiserlichen Residenzstadt verbunden. Allerdings ließ er seine Kompositionen in Wien, Paris, Amsterdam, Berlin und London drucken – wodurch seine Werke in der europäischen Aufführungspraxis permanent gegenwärtig waren. So konnte er in Paris zum Publikums-Liebling avancieren, ohne je dort gewesen zu sein – Anlass dafür war der Auftrag für die „Pariser Symphonie“ durch die „Loge olympique“. Als er 1790 erstmals nach London fuhr, wurde der 58-Jährige dort wie ein Star empfangen – Haydns erste Reise, die ihn die Grenzen der habsburgerischungarischen Monarchie überschreiten ließ. Zwei Ausstellungs-Schwerpunkte: Quartett und Oper Haydns entscheidende Neuerung für die Musikgattungen war die Erfindung des Streichquartetts – dieses schuf er als KompositionsForm gleichsam intuitiv aus der musikanti schen Alltagspraxis. In der „Wiener Zeit“ (noch vor seinen Esterházy-Diensten) folgte Haydn dem Bedürfnis der „kulturtragenden Aristokratie“ nach Kammermusik; in deren Salons hatte sich das Kulturleben verlagert, nachdem die sparsame Hofhaltung der Kaiserin Maria Theresia dem Luxus überschwänglicher Festkultur und damit der großformatigen Oper den Rücken kehren musste. Im Gegensatz zu Mozart (der als „solistischer Virtuose“ immer auch sein eigener bester Werbeträger sein musste) war Haydn ein „Virtuose des Ensembles“ und ein „Struktur-Avantgardist“ neuer Kompositions-Formate. Strukturbildend revolutionär ist Haydn nicht nur in der Kammermusik, sondern auch für die „Form“ der Symphonie und des Oratoriums. All dies geht in die Kompositionstechnik der Musikwelt des 19. Jahrhunderts ein, ohne dass man deswegen immer gleich plakativ an Haydn denkt. Der kammermusikalische Schwerpunkt der Ausstellung fand in der Installation „Quartett Virtuell“ Ausdruck – musikalische Akteure dafür waren das international reputierte Hagen Quartett. 205 Vier Beamer erzeugen im Hauptraum ein Deckenfresko in Bewegung 206 Vier Beamer erzeugen im Hauptraum ein Deckenfresko in Bewegung 207 Bewegliches Deckenfresko mit Insekt, auf dem Rücken der Grundriss des ehemals französischen Gartens des Schlosses Zum musikalischen „Dienst am Fürsten“ gehörte auch für Haydn die künstlerische Oberaufsicht über das fürstliche Operntheater. Die enorme Bedeutung der Oper als umfassende wie „höchste“ Kunstform an fürstlichen Höfen war denn auch ein weiterer Schwerpunkt von „Haydn Explosiv“. Beispielsweise wird durch die Gegenüberstellung von Glucks Reform-Oper „Armide“ und Haydns „Armida“ dessen Opernschaffen im europäischen Kontext lebendig. Das Spannungsfeld von Opera Seria und Opera Buffa als der „Leitdifferenz“ dieses Genres im Kultur- und Gesellschafts-Kosmos des 18. Jahrhunderts wurde durch historische Bühnenbilder und Video-Einspielungen wichtiger Interpretationen anschaulich wie informativ vermittelt. Immerhin war in der Oper die Loge zugleich ein Balkon zum Repräsentationsraum fürstlicher Herrschaft hin – durch die Loge war man des absolutistischen Kosmos (der dabei symbolisch nicht als 208 „Innenraum“ verstanden wurde) teilhaftig. In der Loge sitzend blickte man in einen „Außenraum“ – ein höchst wichtiger Zugang zur „fürstlichen Welt“ des Hofes. Die Oper war eben nicht bloß ein Ort „persönlichen Kunstgenusses“, eine Art Geschmackslabor „individualistischer Innerlichkeit“, sondern vielmehr eine Schule der Affektmodulation und der kollektiven Einübung neuer „Emotionsformate“ und „Gefühlsfiguren“, die gerade in Mode kamen. In der Oper war der Kosmos „Absolutismus“ symbolisch wie real allgegenwärtig – und wurde durch jede Aufführung gleichsam „rituell“ erneuert. Mit dem Opernleben in Schloss Esterháza in Fertőd griff die Ausstellung eine zentrale Kulturaktivität der Fürsten Esterházy im 18. Jahrhundert auf – ein Hinweis mehr auf die Aktualität der GartenOper einst und jetzt. Sagte doch Maria Theresia sinngemäß, wenn ich eine große Oper hören will, muss ich halt raus nach Esterháza. Wiener Anglomanie – die sogenannte „Britensucht“ Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts strahlte die Modernität Englands auf den Kontinent aus und beflügelte die „Sehnsucht nach Angelsächsischem“ genauso wie den Wunsch der Künstler nach einer Berufsperspektive diesseits absolutistischer Hofhaltung. Das bisher wenig beachtete Phänomen der „Wiener Anglomanie“ war in der Ausstellung ein lebendiges Thema, dem eine bisweilen skurrilösterreichische Note „britischer Prägung“ nicht abzusprechen ist. Zu Haydns, Mozarts und Lorenzo Da Pontes Zeit entfaltete sich in der habsburgischen Residenzstadt jene spezifisch wienerische Anglomanie – auch „Britensucht“ genannt. Dies vollzog sich in der Mode (grobe Überröcke, dunkle Fracks mit hochstehendem Halskragen, runde Hüte etc.), aber Monitore in der Säulengalerie, rechts Bildnisse der Eltern Nikolaus I. 209 Blick auf ein Passstück von Franz West, links „Kosmos“ von Sabine Jelinek auch als „Schotten-Faible“ und „Ossian-Kult“, trat als Verlangen nach Wettrennen zutage, zeigte sich in der Vorliebe für Jockeys und das neue Mode-Getränk Punsch. Herren mit englischen Namen waren als Gentlemen bei den Damen höchst begehrt – verkörperten sie doch mit bisweilen bizarrer Attitüde (Coolness zur Haydn-Zeit) den eleganten Individualismus, der auch bei „kontinentalen Kavalieren“ Schule machte. Nicht zuletzt bei Nikolaus II., der nicht nur vom Lebensstil, sondern auch vom angelsächsischen Fortschritt der Technik fasziniert war – eine englische Dampfmaschine „betrieb“ den Wasserfall in seinem Park. Groß war etwa auch das Interesse am Empirismus – einer ganz und gar „englischen“ Philosophie. Adam Smith wurde gelesen und die aus England kommende Musikästhetik 210 Links „Kosmos“ von Sabine Jelinek, rechts Passstück von Franz West Modell des „Hauses der Launen“ vor einem Plastilinbild von Gelatin „Selbstlos im Lavabad“ von Pipilotti Rist, Mini-Videoinstallation im Teppichboden versenkt hat man in Wien freudig rezipiert, sich in vielfacher Hinsicht „wienerisch“ angeeignet und dem Habitus des Genius Loci einverleibt. Nicht zuletzt dadurch wurde der Wiener „Geschmacksintelligenz“ ein ganz anderer Weg gewiesen, als ihn etwa jener „Goût allemand“ einschlägt, der sich mit dem „deutschen Idealismus“ eben erst herauszubilden begann. Für den habsburgisch-ungarischen Kulturraum war dieser „deutsche Hang“ zu Abstraktion und Dämonie, selbst als „Wollust im Genietreiben“ des Sturm und Drangs (Weimar/ Jena), nicht wirklich verständlich, kompatibel 211 oder gar sexy, wie man heute sagen würde. Bezeichnenderweise folgten auf die Publikation der „Leiden des jungen Werther“ keine Selbstmorde, stattdessen wurde das deutsche Pathos durch eine Karikatur des Goethe’schen Textes persifliert, mit dem Titel „Die Leiden der jungen Fanny“. Den Wienern und Wienerinnen war nicht nachvollziehbar, dass man sich wegen einer verflossenen Liebschaft entleibt. Druckerpresse von Erzherzog Joseph als Symbol für seine handwerkliche Tätigkeit im Trattnerhof Tapete aus dem Musikzimmer des Hauses der Launen (stark vergrößert), Deckenmalerei von Otto Zitko 212 Die „wilden“ 1790er-Jahre in London – Haydns Triumph in England Für Musiker und Komponisten aus ganz Europa war London mit seinem florierenden Musikmarkt eine Art Eldorado, ein „musikalisches Hollywood“ des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Das Musikleben der Stadt „funktionierte“ weitgehend unabhängig vom Fürstenhof – die breit angelegten MusikAktivitäten von Bürgertum und Aristokratie konkurrenzierten die königliche „Betriebsamkeit in Sachen Musik“ bisweilen recht offen. Die beginnenden 1790er-Jahre (die Zeit von Haydns zweifachem Triumph in London) brachten, um es salopp zu sagen, das Raffinement der revolutionsflüchtigen französischen Aristokratie („french powder“) mit einer lebenswilden, exzentrisch-sarkastischen „Gentlemen-Society“ („bloody steak“) zusammen. So galt das London der HaydnJahre als einer der „heißesten“ Orte Europas – das Weltreich des 19. Jahrhunderts „startete“ gerade durch. Haydns Genius hat man in Great Britain leidenschaftlich geliebt. Seine künstlerische „Ingenuity“ wurde in durchaus moderner Denkweise von der University of Oxford mit der akademischen Würde eines Doktors der Kompositionswissenschaften bedacht. Diese gleichsam „interdisziplinäre Wertschätzung“ machte ihn geradezu populär, wie der zugkräftige Titel für einen seiner letzten Auftritte in London zu beweisen scheint: „Doctor Haydn’s Night“. „Hermeneutic Wallpaper“ von Herbert Lachmayer und Margit Nobis im Quartettraum mit Monitoren 213 Tapetenausschnitt: Galante Szene in der Opernloge Szenografie und Multimedialität als „Bühne“ performativer Kulturvermittlung Contemporary Art von internationalem Rang, erlesene Kunstwerke des 18. Jahrhunderts und Autografe aus Haydns künstlerischer Produktion und seinem Alltagsleben wurden in der „Ausstellungs-Inszenierung“ zur Einheit eines vielseitig informativen wie erlebnisfrohen Wissensraums verbunden – gleichermaßen attraktiv für ein junges Publikum, für Oma und Enkerl, die „ganze Familie“ also, aber auch für ExpertInnen mit „transdisziplinärer Inspiration“. Den Kindern war eine eigene Medienschiene „Haydn for Youngsters“ gewidmet – in kindgerechter Sichthöhe, versteht sich. Der farbenfrohe Teppich nach dem Entwurf des amerikanischen Pop-Art-Künstlers 214 Roy Lichtenstein erstreckte sich flächende ckend und war asymmetrisch verlegt. Das „Hermeneutic Wallpaper“ überraschte mit den Porträts der beiden Fürsten Nikolaus (I. und II.), dem Haydns und dem von Franz I. als österreichischer Kaiser, schon beim Betreten des klassizistischen Säulengangs der Sala Terrena. Zwei „güldene“ Säulen ließen das „absolutistische Flair“ von Fürst Nikolaus I., dem „Prachtliebenden“, ahnen. Zeitgenössische Kunst von Günter Brus („Stillstand der Dynamik“), Franz West („Paukenschlag“), Pipilotti Rist („Selbstlos im Lavabad“) und Gelatin (aus der Serie „Guernica“) mischte sich mit erlesenen Stücken der hauseigenen Sammlung der „Fürstlichen Stiftung Esterházy“. Erstmalig wurden großflächige Monitore plan/bündig in die Wände eingelassen; sie „referierten“ Aufprojektion des Wandvideos „Praterlust“ im Wiener Salon (Daniel Dobler) Rückprojektion von Haydns Oper „Der Apotheker“ im Opernraum (Daniel Dobler) 215 Opernraum mit Videobespielung von Kai Matthiesen 216 den kultur- und sozialgeschichtlichen Kontext und bereicherten die Fülle der repräsentativen Exponate um die „Erzählform“ einer ausstellungsintegrierten Medienpräsenz, die über einen „intelligenten“ Zentralserver 2 verwaltet wurde. Eine fast 90-m -Videoprojektion auf den Plafond des zentralen Raums der Sala Terrena zeigte im Loop das explodierende Deckenfresko der Akademie der Wissenschaften, in der Haydn zum letzten Mal sein Oratorium „Die Schöpfung“ hörte, und diverse Morphs, wobei sich die Noten in Pflanzen verwandelten und die Grundrisse des englischen und des französischen Gartens des Schlosses auf den Keninpanzer eines riesengroßen Käfers abzeichneten. „Hermeneutic Wallpaper“ von Herbert Lachmayer und Margit Nobis als Vorhang 217 Barocke Fassade des Schlosses Esterházy Klassizistische Fassade von Charles Moreau 218 Schriftzug „Haydn“ von Ponatsch Kurator: Herbert Lachmayer Co-KuratorInnen: Daniel Brandenburg, Agnes Hannes Wissenschaftliches Team: István Barkóczi, Daniel Brandenburg, Brigitte Felderer, Gernot Gruber, Christine Hahn, Klaus Heinrich, Richard Heinrich, Teresa Hrdlicka, Markus Kristan, Rocio Paz Ausstellungsarchitektur: Herbert Lachmayer Gestaltung/Aufbau: Alfred Weidinger, Team Schloss Esterházy Organisation: Agnes Hannes, Andrea Traxler Grafik: Kai Matthiesen Digital Media: Daniel Dobler, Wolfgang Dorninger, Sabine Jelinek, Clemens Kogler, Silke Pfeifer Hermeneutic Wallpapers: Herbert Lachmayer, Margit Nobis KünstlerInnen: Walter Bohatsch, Barbara Mungenast, Margit Nobis, Rudolf Polanszky, Otto Zitko Ort und Institution: Schloss Esterházy, Eisenstadt Dauer: Geplant 10. April 2009 – 31. Dezember 2011; aus einer ursprünglich zeitlich limitierten Jubiläumsausstellung wurde eine Dauerausstellung Produktion (Auftraggeber): Esterházy Privatstiftung, Dr. Stefan Ottrubay Kooperationen: Kunstuniversität Linz, Da Ponte Research Center, Interactive Media Services 219 220 221 Schriftzug „Haydn“ von Ponatsch