Grundpraktikum Physik Teil I (WiSe) Das griechische Alphabet Name Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega Minuskel α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ µ ν ξ o π ρ σ τ υ ϕ χ ψ ω Majuskel A B Γ ∆ E Z H Θ I K Λ M N Ξ O Π P Σ T Y Φ X Ψ Ω Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg Tel.: 0441-798-3395 (Technische Assistenz) / 3153 (Praktikumsleitung) Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de [email protected] Oktober 2016 Abbildungen auf dem Titelblatt: Oben: KARMANsche Wirbelströmung hinter einem Zylinder von ca. 6 mm Durchmesser. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 2,5 cm × 7 cm. ©: AG Angewandte Optik, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Mitte: KARMANsche Wolkenstrasse hinter der JAN MAYEN Insel (Norwegen), hervorgerufen durch den ca. 2,2 km hohen Vulkan BEERENBERG im Zentrum der Insel. Das Foto zeigt eine Fläche von ca. 365 km × 158 km. ©: NASA; http://photojournal.jpl.nasa.gov/tiff/PIA03448.tif Unten: Strömungswirbel in der Atmosphäre des Planeten Jupiter in der Umgebung des Großen Roten Flecks. Vor dem Jupiter sein Mond Io (Durchmesser 3.643 km), der seinen Schatten auf die Oberfläche des Planeten wirft. ©: NASA; http://ppj-web-3.jpl.nasa.gov/jpegMod/PIA02860_modest.jpg 1 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Reihenfolge der Versuche 2 Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen 3 Messung von Kapazitäten - Auf- und Entladungen von Kondensatoren 18 Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität 33 Kraft, Impuls und Kraftstoß 48 Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC 58 Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems 72 Impuls- und Energieerhaltungssatz / Stoßgesetze 81 Trägheitsmoment - Steinerscher Satz 92 Erzwungene mechanische Schwingungen 99 Fourieranalyse 113 Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken 125 Viskosität und Reynoldszahlen 136 2 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Reihenfolge der Versuche Termin KW Referat Thema 1 42 Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik, zur Protokollführung und zum Einsatz des Computers. Übungsaufgaben zu Origin und Matlab (siehe Einführungsskript) 2 43 Oszilloskop und Funktionsgenerator (siehe Einführungsskript) 3 44 4 45 5 46 6 47 Kraft, Impuls und Kraftstoß 7 48 Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC 8 49 Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems 9 50 Impuls- und Energieerhaltungssatz – Stoßgesetze 10 51 Trägheitsmoment - Steinerscher Satz 11 2 Erzwungene mechanische Schwingungen 12 3 Fourieranalyse 13 4 Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken 14 5 Viskosität und Reynoldszahlen Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen Messung von Kapazitäten, Auf- und Entladungen von Kondensatoren (Sonderseminar: Fehlerrechnung I) Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität (Sonderseminar Fehlerrechnung II) Übungsaufgaben zur Fehlerrechnung Die ersten Versuche im Grundpraktikum Physik sind dem Kennenlernen von Messgeräten, Funktionsgeneratoren und Sensoren, der Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC und der Durchführung einführender quantitativer Messungen gewidmet. Die in diesen Versuchen behandelten Themen sind nur zum Teil Gegenstand der Vorlesung. Zu ihrem Verständnis sind solide Physikkenntnisse aus der Schule aber vollkommen ausreichend. Die anschließenden Versuche sind thematisch an den parallel behandelten Vorlesungsstoff gekoppelt. Zu einer am Informationsbrett des Grundpraktikums mitgeteilten Zeit wird ein Open Lab angeboten. Während dieser Zeit sind die Praktikumsräume geöffnet und die Geräte des Praktikums stehen zur Verfügung. Damit soll den Studierenden die Möglichkeit geboten werden, experimentelle Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen und zu verbessern und um ggf. Versuchsteile oder ganze Versuche zu wiederholen. Die Betreuung im Open Lab übernehmen abwechselnd die TutorInnen zusammen mit der Technischen Assistenz. 3 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Messung ohmscher Widerstände, Brückenschaltungen und Innenwiderstände von Spannungsquellen Stichworte: OHMsches Gesetz, KIRCHHOFFsche Gesetze (Knoten- und Maschenregel), Innenwiderstände von Messgeräten, WHEATSTONEsche Messbrücke, Brückenschaltung, Spannungsquelle, Innenwiderstände von Spannungsquellen, Klemmenspannung, Dehnungsmessstreifen. Messprogramm Widerstandsmessung mit verschiedenen Ohmmetern, Widerstandsbestimmung aus Strom/Spannungsmessung, Wheatstonesche Messbrücke, Innenwiderstand eines Funktionsgenerators, Spezifischer Widerstand von Leitungswasser, Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen. Literatur: /1/ SCHENK, W., KREMER, F. (HRSG.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden /2/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart /3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Dieser Versuch soll in seinem ersten Teil einen Einblick in die unterschiedlichen Verfahren zur Messung ohmscher 1 Widerstände geben. Dabei soll insbesondere erkannt werden, inwieweit reale Eigenschaften von Messgeräten das Ergebnis der Messung beeinflussen und welche Messverfahren im Einzelfall das beste Resultat liefern. Im zweiten Teil des Versuches werden die Eigenschaften realer Spannungsquellen untersucht. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie eine wichtige Kenngröße solcher Spannungsquellen, nämlich ihr Innenwiderstand, gemessen werden kann. Darüber hinaus wird der spezifische Widerstand von Leitungswasser gemessen und die Linearität des Zusammenhangs zwischen Widerstands- und Spannungsänderung in einer Brückenschaltung untersucht. 2 Theorie 2.1 Kirchhoffsche Gesetze Eine wichtige Voraussetzung für die Analyse elektrischer Netzwerke (Schaltungen) ist die Kenntnis der KIRCHHOFFschen Gesetze 2 (s. Abb. 1). Das 1. KIRCHHOFFsche Gesetz (Knotenregel) lautet: Die Summe aller Ströme an einem Verzweigungspunkt (Knoten) ist gleich Null. Dabei gilt die Vorzeichenkonvention, dass die hin- und wegfließenden Ströme an einem Verzweigungspunkt mit entgegengesetzten Vorzeichen versehen werden. Ob die hinfließenden Ströme positiv und die wegfließenden negativ gezählt werden oder umgekehrt, spielt keine Rolle. Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Knotenregel an den Knoten A und B: (1) 1 2 = A : I1 − I 2 − I 3 0 Name nach GEORG SIMON OHM (1789 - 1854) GUSTAV ROBERT KIRCHHOFF (1824 – 1887) = B : I 2 + I 3 − I1 0 4 I1 , U1 R1 U + _ A R2 I2 , U2 a R3 I3 , U3 b B Abb. 1: Schaltung mit einer Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U, den Widerständen R1,...,R3 sowie zwei Knoten A und B und zwei Maschen a und b. Das 2. KIRCHHOFFsche Gesetz (Maschenregel) lautet: In einer geschlossenen Schleife (Masche) eines Netzwerkes ist die Summe aller Teilspannungen gleich null. Auch bei der Anwendung dieses Gesetzes muss eine Vorzeichenkonvention getroffen werden. Sie lautet: a) Jeder Spannung wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die vom positiven zum negativen Pol (z.B. der Spannungsquelle) zeigt. b) Jedem Strom wird eine Richtung („Zählpfeil“) zugeordnet, die die Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger kennzeichnet, d.h. der Strom fließt per Definition vom positiven zum negativen Pol. Nach dem ohmschen Gesetz ist die Richtung der Spannung UR über einem Widerstand R gleich der Richtung des Stromes IR, der durch R fließt und den Spannungsabfall UR verursacht. c) Bei der Anwendung der Maschenregel muss ein Umlaufsinn festgelegt werden (im oder gegen den Uhrzeiger). Spannungen, deren Zählpfeile in Richtung des Umlaufsinns zeigen, werden positiv, die übrigen negativ gezählt. Auf die Schaltung in Abb. 1 angewendet lautet die Maschenregel in den Maschen a und b bei einem Umlaufsinn gegen den Uhrzeiger: (2) a := U − U 2 − U1 0 = b : U 2 − U3 0 Mit den beiden KIRCHHOFFschen Gesetzen und den zugehörigen Vorzeichenkonventionen lassen sich alle elektrischen Netzwerke beschreiben, die im Laufe des Grundpraktikums zum Einsatz kommen. Frage 1: - Wie lassen sich aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen die Formeln für die Parallel- und Serienschaltung von ohmschen Widerständen herleiten? Wie lauten die entsprechenden Beziehungen? Es ist nicht immer ganz leicht zu erkennen, ob in einem Netzwerk Widerstände und andere Komponenten parallel oder in Serie geschaltet sind. Bei der Entscheidung können zwei aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen abgeleitete Regeln helfen: Widerstände liegen parallel, wenn an ihnen die gleiche Spannung abfällt. Widerstände liegen in Reihe, wenn sie vom gleichen Strom durchflossen werden. 5 2.2 Messmethoden für ohmsche Widerstände 2.2.1 Bestimmung des Widerstandes durch Ablesen des Aufdrucks Abb. 2 zeigt einige handelsübliche Widerstände, die mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung (Beschriftung bzw. Farbringe) versehen sind. Im einfachsten Fall kann der Wert eines Widerstandes direkt abgelesen werden. Dabei sind Beschriftungen üblich wie z.B. „120R“ für 120 Ω, „4R7“ für 4,7 Ω, „3k3“ für 3,3 kΩ oder „5M6“ für 5,6 MΩ. Abb. 2: Handelsübliche Widerstände mit unterschiedlichen Arten der Kennzeichnung. Oben Lastwiderstände (Leistung einige W), unten Widerstände für kleine Leistungen (< 1 W). Ähnlich einfach ist das Ablesen eines bei den meisten Typen aufgedruckten Farbschlüssels. Dieser Farbschlüssel besteht aus Farbringen, die stets so angeordnet sind, dass der 1. Farbring näher an einem Ende des Widerstandes liegt als der letzte Farbring am anderen Ende. Tabelle 1 gibt an, wie der Wert eines Widerstandes aus der Farbcodierung bestimmt werden kann. 3 - 4 Ringe 5 – 6 Ringe Farbe ↓ Schwarz Braun Rot Orange Gelb Grün Blau Violett Grau Weiß keine Silber Gold *) 1. Ring 1. Ring 1. Ziffer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 2. Ring 2. Ring 2. Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 3. Ring 3. Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 3. Ring 4. Ring Multiplikator / Ω 1 10 102 103 104 105 106 107 10-2*) 10-1*) 10-2 10-1 4. Ring 5. Ring Toleranz / % ±1 ±2 ± 5*) 6. Ring Temp.-Koeff. / 10-6 ΩK-1 ± 250 ± 100 ± 50 ± 15 ± 25 ± 20 ± 10 ±5 ±1 ± 10*) ± 20 ± 10 ±5 wo die Leitfähigkeit von Gold- und Silberlacken stört Tabelle 1: Farbschlüssel für ohmsche Widerstände. Frage 2: - Wie groß ist der Wert eines Widerstandes mit der Farbcodierung Rot (1. Ring) - Violett - Braun - Gold? - Welche Farbcodierung hat ein Widerstand von (3,9 kΩ ± 10 %)? 6 2.2.2 Bestimmung des Widerstandes über eine Strom-/Spannungsmessung Verbindet man die Enden einer idealen Spannungsquelle (s. Kap. 2.3), die die einstellbare Klemmenspannung U liefert, mit den Anschlussdrähten eines Widerstandes R, so fließt durch den Widerstand der Strom I und es gilt das OHMsche Gesetz: (3) R= U I Durch Messung der Spannung U mit einem Voltmeter und des Stromes I mit einem Amperemeter lässt sich demnach R ermitteln. Zur Durchführung einer solchen Messung bieten sich gem. Abb. 3 zwei Schaltungen A und B an. A U IA , UA + R _ IA , UA IR , UR V IV , UV U + _ IR , UR Schaltung A Abb. 3: A R V IV , UV Schaltung B Zwei mögliche Schaltungen zur Messung des Widerstandes R durch eine Strom- und Spannungsmessung. R ist an eine Gleichspannungsquelle mit der Klemmenspannung U angeschlossen. Der Strom wird mit dem Amperemeter A, die Spannung mit dem Voltmeter V gemessen. Stünden ideale Messgeräte zur Verfügung, d.h. ein Amperemeter mit einem verschwindenden Innenwiderstand und ein Voltmeter mit einem unendlich großen Innenwiderstand, so würden beide Schaltungen das gleiche Ergebnis liefern. Tatsächlich jedoch hat ein Amperemeter einen Innenwiderstand RA > 0 und ein Voltmeter einen Innenwiderstand RV < ∞. Das führt dazu, dass mit beiden Schaltungen jeweils ein Wert für den Widerstand R ermittelt wird, der mit einem Fehler ∆R behaftet ist. Wir wollen nun für beide Schaltungen den relativen Fehler ∆R/R ermitteln. Sei IA der Strom durch das Amperemeter, IR der Strom durch den Widerstand und IV der Strom durch das Voltmeter. Sei ferner UA der Spannungsabfall über dem Amperemeter, UR der Spannungsabfall über R und UV der Spannungsabfall über dem Voltmeter. Dann gilt für die Schaltung A nach der Knotenregel: (4) I A − I R − IV = 0 und damit (5) I= I R + IV A Der mit dieser Schaltung ermittelte Messwert für den Widerstand, RM, ist gegeben durch (6) R= M UV UV = I A I R + IV Die Abweichung ∆R vom tatsächlichen Wert R (7) ist also: R= UR IR 7 (8) ∆R = R − RM Setzen wir Gl. (6) in Gl. (8) ein, so erhalten wir nach einigen Umrechnungen und unter Berücksichtigung von UV = UR (Maschenregel) für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung A: (9) ∆R R = R R + RV Für Schaltung B gilt nach der Maschenregel: (10) UV − U A − U R = 0 und damit (11) U= U A +UR V Der gemessene Widerstand RM ist unter Berücksichtigung von IA = IR: (12) R= M UV UV U A + U R = = = RA + R IA IR IA Für den tatsächlichen Widerstand R gilt wieder Gl. (7). Setzen wir Gl. (12) in Gl. (8) ein, so erhalten wir für den relativen Fehler bei Benutzung von Schaltung B: (13) ∆R R = − A R R Frage 3: - Skizzieren Sie in einem Diagramm den Verlauf des relativen Fehlers als Funktion des Widerstandes R für Schaltung A und Schaltung B. Ist eine der Schaltungen grundsätzlich besser als die andere? Wenn nein: wann ist welche Schaltung zu bevorzugen? - Die beiden Schaltungen heißen auch „stromrichtige“ bzw. „spannungsrichtige“ Schaltung. Welche Schaltung heißt wie? Warum? 2.2.3 Widerstandsmessung mit einem Ohmmeter Statt den Widerstand aus einer Strom-/Spannungsmessung zu bestimmen, kann man ihn auch direkt mit einem Ohmmeter messen. Ein Analog-Ohmmeter (Zeigerinstrument) besteht im einfachsten Fall aus einer Spannungsquelle (Batterie), an die der Widerstand R angeschlossen wird, einem zu R in Reihe liegenden, veränderbaren Innenwiderstand Ri und einem Strommesser, mit dem der Strom durch den Widerstand R bestimmt wird. Dieser Strom führt zu einem Zeigerausschlag, der auf einer geeigneten OHM-Skala abgelesen wird. Diese Skala verläuft wegen des Zusammenhangs R = U/I umgekehrt proportional zur Stromskala. Da die Spannungsquelle nicht immer die gleiche Spannung liefert (Alterung der Batterie), muss zu Beginn einer Messung das Ohmmeter durch Veränderung von Ri abgeglichen werden. Dazu werden die Anschlusskontakte kurzgeschlossen und der Zeigerausschlag mittels einer Stellschraube auf 0 Ω gedreht. Moderne Digital-Ohmmeter sind anders aufgebaut. Sie sind in der Regel in Vielfachmessgeräte (Multimeter) integriert. Solche Geräte enthalten komplexe elektronische Schaltungen mit integrierten Mikroprozessoren zur Messung der gewünschten Parameter (Strom, Spannung, Widerstand, Frequenz u.v.m.) und LCD-Elemente zur Messwertanzeige. 8 2.2.4 Widerstandsmessung mit der Wheatstoneschen Messbrücke Mit einer WHEATSTONEschen Messbrücke 3 lässt sich der Wert für einen Widerstand R ermitteln, ohne dass dabei Fehler durch unzulängliche (reale) Messgeräte für Strom, Spannung oder Widerstand entstehen; benötigt wird allerdings ein geeichter Vergleichswiderstand. Wir betrachten eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4. Ein homogener Widerstandsdraht, in der Regel aus Konstantan 4, mit dem spezifischen Widerstand ρ ([ρ] = Ωm), der Gesamtlänge l = l1 + l2 und der Querschnittsfläche A wird mit dem zu messenden Widerstand R und einem geeichten Vergleichswiderstand R3 wie abgebildet zusammengeschaltet. Die Widerstände der beiden Drahtstücke sind: l1 l2 (14) = R1 ρ= R2 ρ und A A An dieses Widerstandsnetzwerk wird die Spannung U angelegt, die einer Gleichspannungsquelle entnommen wird. Mit einem Amperemeter A wird der Strom gemessen, der längs der Verbindung zwischen dem Punkt P und dem verschiebbaren Abgriffpunkt Q am Widerstandsdraht fließt. R3 R P A U Abb. 4: + _ R1 Q l1 R2 l2 Wheatstonesche Messbrücke mit Konstantan-Widerstandsdraht (gelb). R (grün) ist der zu messende Widerstand, R3 der Vergleichswiderstand. Es gibt eine Lage des Abgriffpunktes Q, bei dem zwischen P und Q keine Spannung herrscht und deshalb kein Strom fließt. In diesem Fall sind die Spannungen über R3 und R1 sowie über R und R2 gleich. Man nennt die Messbrücke dann „abgeglichen“ und es gilt: (15) R3 R1 l1 = = R R2 l2 und damit (16) R = R3 l2 l1 Bei abgeglichener Messbrücke lässt sich demnach der gesuchte Widerstand R durch Messung der Längen l1 und l2 und in Kenntnis des geeichten Widerstandes R3 aus Gl. (16) ermitteln; Unzulänglichkeiten elektrischer Messgeräte spielen dann keine Rolle mehr. Das ist der Vorteil dieses Messverfahrens, einer so genannten Kompensationsmethode. Frage 4: - Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Stromverzweigungspunkte der nicht abgeglichenen Messbrücke und die dort fließenden Ströme inkl. Vorzeichen ein. - Zeichnen Sie in Abb. 4 sämtliche Maschen der nicht abgeglichenen Messbrücke und die in den Maschen herrschenden Spannungen inkl. Vorzeichen ein. 3 4 CHARLES WHEATSTONE (1802 – 1875) Konstantan ist eine Legierung aus ca. 60 % Kupfer und ca. 40 % Nickel, deren spezifischer Widerstand über einen weiten Temperaturbereich nahezu konstant ist (ρ ≈ 45 × 10-8 Ωm bei 20 °C). 9 2.2.5 Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen Brückenschaltungen werden u.a. eingesetzt, um kleine Widerstandsänderungen ∆R in dazu proportionale Spannungen umzusetzen. Sie sind Standard in vielen Bereichen der Sensor-Messtechnik. Wir betrachten als Beispiel eine Brückenschaltung mit Dehnungsmessstreifen (DMS). DMS können zum Aufbau von Kraftsensoren eingesetzt werden. Einen solchen Kraftsensor werden wir im Versuch „Sensoren…“ kennenlernen. Seine theoretischen Grundlagen sollen bereits hier beschrieben werden. Das Prinzip des DMS besteht darin, dass ein dünner elektrischer Leiter durch Einwirkung einer äußeren Kraft F in der Länge l gedehnt wird 5, wodurch sich gleichzeitig sein Querschnitt A verringert (Abb. 5). Dadurch ändert sich sein Widerstand R, der gem. Gl. (14) gegeben ist durch: (17) l A R=ρ F Abb. 5: Schema eines Dehnungsmessstreifens (DMS) auf Metallfolienbasis. Eine dünne Metallfolie (gelb) ist mäanderförmig auf einer Trägerfolie (grau) aufgebracht, um die effektive Länge des Leiters bei kleiner Größe des DMS zu vergrößern. Die Trägerfolie wird auf das zu untersuchende Werkstück geklebt und folgt dessen Verformungen bei Einwirkung einer Kraft F. Für einen Leiter mit kreisförmigem Querschnitt vom Durchmesser d gilt: (18) 4l π d2 R=ρ Durch die Dehnung ändert sich die Länge l des Leiters um ∆l, der Durchmesser d um ∆d und je nach Material möglicherweise auch der spezifische Widerstand ρ um ∆ρ. Die dadurch hervorgerufene Änderung des ohmschen Widerstandes ist durch das totale Differential ∆R gegeben: (19) ∆R= ∂R ∂R ∂R 1 4l 4 4l ∆ρ + ∆l + ∆d= 2 ∆ρ + ρ 2 ∆l − 2 ρ 3 ∆d ∂ρ ∂l ∂d πd d d Die relative Widerstandsänderung ist damit: (20) ∆R ∆ρ ∆l ∆d = + −2 ρ R l d Die relative Längenänderung ∆l/l ist per Definition die Dehnung ε : (21) 5 ε= ∆l l Eine positive Dehnung ist eine Streckung, eine negative eine Stauchung. 10 Die POISSON-Zahl 6 µ ist per Definition der negative Quotient aus der relativen Querschnittsänderung ∆d/d und der relativen Längenänderung ∆l/l, also: (22) ∆d ∆d µ= − d := − d ∆l ε l Wird die Größe ε = ∆l/l in Gl. (20) ausgeklammert und werden Gl. (21) und (22) in Gl. (20) eingesetzt, so folgt: (23) ∆ρ ∆R ρ = + 1 + 2 µ = ε: kε R ε Der Term in Klammern ist der sogenannte k-Faktor eines DMS. k hängt vom verwendeten Material ab, es ist z.B. k ≈ 2 für Konstantan und k ≈ 4 für Platin 7. Je größer k, desto größer die relative Widerstandsänderung bei Dehnung. Mit Hilfe einer Brückenschaltung wird die Widerstandsänderung ∆R in eine Spannung U umgesetzt. Zur quantitativen Beschreibung der Brückenschaltung betrachten wir die Schaltung in Abb. 6, die analog zur WHEATSTONEschen Brücke in Abb. 4 aufgebaut ist. U1 U3 R3 R1 + V R2 U2 Abb. 6: - R4 =U0 U4 Brückenschaltung zur Messung von kleinen Änderungen des Widerstandes R1 (hier DMS). Mit dem Voltmeter V wird die Spannung U in der Brückendiagonalen gemessen. Für den Fall, dass der Innenwiderstand des Voltmeters V gegen unendlich geht, gelten die folgenden Zusammenhänge: U3 R 3 U1 R 1 = = (24) U2 R 2 U4 R 4 U1 + U 2 U 0 (25) = = U3 + U 4 U0 Durch Kombination von Gl. (24) und (25) folgt: 6 7 SIMÉON DENIS POISSON (1781 – 1840) Für monokristallines Silizium (Si) ist k ≈ 100. DMS auf Si-Basis werden z.B. in Drucksensoren eingesetzt, die wir im späteren Versuch „Sensoren…“ kennenlernen werden. 11 R1 R3 U1 U= U3 U0 = (26) 0 R1 + R 2 R3 + R4 Die Spannung U in der Brückendiagonale ist: (27) R1 R3 − U = U1 − U 3 = U 0 R 1 + R 2 R 3 + R 4 Wir betrachten nun den speziellen Fall anfänglich gleicher Widerstände R1,...,R4 von denen einer (R1) anschließend um den kleinen Betrag ∆R verändert wird. Im Falle einer Brückenschaltung mit einem DMS wäre R1 dessen Widerstand und ∆R die durch die mechanische Verformung hervorgerufene Änderung. Es gilt also: (28) R 1= R + ∆R R 2= R 3= R 4 =: R Damit folgt für die Spannung U aus Gl. (27): R + ∆R R + ∆R R 1 U 0 ∆R 1 (29) = U U0 −= = − U0 R + ∆R + R R + R 2 R + ∆R 2 2 R 2 + ∆R R Gl. (29) zeigt, dass der Zusammenhang zwischen U und ∆R nichtlinear ist. Ist jedoch ∆R << R, so gilt: (30) 1 1 ≈ ∆R 2 2+ R und damit: (31) U≈ U 0 ∆R 4 R Die Widerstandsänderung ∆R wird demnach in der Umgebung des sogenannten Arbeitspunktes (∆R << R) annähernd linear in eine Spannung U umgesetzt, deren Höhe durch die Betriebsspannung (Speisespannung) der Brücke, U0, beeinflusst werden kann. In der beschriebenen Anordnung wird einer von vier Widerständen der Brücke durch einen DMS ersetzt. Man spricht in diesem Fall von einer Viertelbrücke. In der Praxis verwendet man in einer Brückenschaltung häufig zwei DMS, deren Widerstände sich durch die Verformung des Messobjektes gegenläufig ändern (Abb. 7). Man spricht in diesem Fall von einer Halbbrücke. Ein Beispiel ist der Einsatz von zwei DMS zur Messung von Kräften mit einem Biegestab (Abb. 8), den wir im Versuch „Sensoren...“ genauer betrachten werden. Die DMS werden so in die Brücke integriert, dass der obere gestreckte DMS den Widerstand R1 und der untere gestauchte den Widerstand R2 ersetzt. Dann gilt: (32) R1= R + ∆R R2= R − ∆R R3= R4= R Durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (27) folgt für die Halbbrücke: (33) U= U 0 ∆R 2 R 12 U1 U3 R3 R1 + V R2 - =U0 R4 U4 U2 Abb. 7: Brückenschaltung mit zwei DMS (Halbbrücke). Diese Gleichung macht die Vorteile der Halbbrücke gegenüber der Viertelbrücke deutlich: Erstens ist der Zusammenhang zwischen U und ∆R nun linear. Zweitens führt die gleiche Widerstandsänderung ∆R zu einer doppelt so hohen Ausgangsspannung U. Die Empfindlichkeit der Halbbrücke ist also doppelt so hoch. F DMS Abb. 8: Biegestab (grün) mit zwei DMS (gelb). Der Stab ist links in einem Block (grau) fixiert. Durch die Kraft F wird der Stab so verformt, dass der obere DMS gestreckt und der untere gestaucht wird. Eine mechanische Begrenzung (rot) verhindert eine zu starke Biegung des Stabes. Bei einer Vollbrücke werden alle vier Widerstände durch DMS ersetzt, die sich paarweise (R1/R4 und R2/R3) gegenläufig ändern. In diesem Fall folgt für die Spannung U: (34) U = U0 ∆R R Es ergibt sich demnach eine nochmals um den Faktor 2 verdoppelte Empfindlichkeit. 2.3 Eigenschaften realer Spannungsquellen 2.3.1 Innenwiderstand realer Spannungsquellen Eine ideale Spannungsquelle liefert unabhängig von ihrer Belastung (dem von ihr gelieferten Strom) an ihren Anschlussklemmen eine konstante Klemmenspannung U, die gleich der konstanten Quellenspannung U0 ist. Solche idealen Spannungsquellen lassen sich technisch nicht realisieren. Vielmehr haben wir es in der Praxis immer mit realen Spannungsquellen wie Batterien, Netzgeräten oder Funktionsgeneratoren zu tun, deren Klemmenspannung mit zunehmender Belastung immer kleiner wird. Um diese Eigenschaft realer Spannungsquellen zu beschreiben, bedienen wir uns eines Modells, bei dem die reale Spannungsquelle durch eine ideale Spannungsquelle G und einen dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri ersetzt wird. Abb. 9 zeigt das entsprechende Ersatzschaltbild. Belasten wir eine solche Spannungsquelle gem. Abb. 10 mit einem externen Lastwiderstand Rl, so fließt der Laststrom I sowohl durch Rl, als auch durch Ri. Dieser Strom bewirkt an Ri einen Spannungsabfall IRi, um den die Klemmenspannung U gegenüber der Quellenspannung U0 vermindert wird. Es gilt also: (35) U = U 0 − IRi 13 I Ri Ri U U =U0 Abb. 9: =U0 G Ersatzschaltbild einer unbelasteten realen Spannungsquelle Rl V G Abb. 10: Ersatzschaltbild einer realen Spannungsquelle mit Lastwiderstand Rl. Soll demnach mit einem idealen Voltmeter V in einer Schaltung gem. Abb. 10 die Quellenspannung U0 gemessen werden, muss der Laststrom I gegen Null gehen. Dies wird durch einen großen Lastwiderstand Rl erreicht. Ersetzen wir in Gl. (35) den Strom I nach dem OHMschen Gesetz durch U/Rl, so erhalten wir für den Zusammenhang zwischen U und Rl: (36) U = U0 Rl Rl + Ri Dieser Gleichung entnehmen wir insbesondere, dass im Falle Rl = Ri die Klemmenspannung auf die Hälfte der Quellenspannung absinkt. Wir haben damit eine Möglichkeit, den Innenwiderstand einer realen Spannungsquelle zu bestimmen. Frage 5: - Skizzieren Sie den Verlauf der Klemmenspannung U als Funktion des Lastwiderstandes Rl. 2.3.2 Anpassung eines Verbrauchers an eine reale Spannungsquelle 2.3.2.1 Leistungsanpassung Beim Anschluss eines elektrischen Verbrauchers an eine Spannungsquelle ist es häufig wünschenswert, den Innenwiderstand des Verbrauchers so zu dimensionieren, dass der Spannungsquelle die maximale Leistung entnommen werden kann (Leistungsanpassung; eingesetzt z.B. bei der Übertragung von Hochfrequenzsignalen 8). Der Innenwiderstand des Verbrauchers ist der Lastwiderstand Rl, mit dem die Spannungsquelle belastet wird. Die Leistung P, die an diesen Widerstand abgegeben wird, ist gegeben durch: (37) P UI = = U2 Rl Einsetzen von Gl. (36) in Gl. (37) liefert: (38) P = U 02 Rl ( Rl + Ri )2 Die maximale Leistungsentnahme findet statt, wenn der Innenwiderstand des Verbrauchers gleich dem Innenwiderstand der Spannungsquelle ist, wenn also gilt: (39) 8 Rl = Ri Die Leistungsanpassung in der Nachrichtentechnik führt gleichzeitig zur Verhinderung von unerwünschten Signalreflexionen, die wir im Versuch „Signalübertragung...“ (SoSe) noch genauer untersuchen werden. 14 Frage 6: - Skizzieren Sie den Verlauf von P als Funktion von Rl. Wie gelangt man von Gl. (38) zur Gl. (39)? Wie groß ist die maximale Leistung, die der Spannungsquelle entnommen werden kann? 2.3.2.2 Spannungsanpassung Bei der u.a. in der Starkstromtechnik und der Tontechnik angewandten Spannungsanpassung ist es das Ziel, der Spannungsquelle eine möglichst große Spannung U zu entnehmen. Dies ist nach Gl. (36) der Fall unter der Bedingung: (40) Rl >> Ri 2.3.2.3 Stromanpassung Bei der Stromanpassung ist es das Ziel, der Spannungsquelle einen möglichst großen Strom I zu entnehmen. Sie wird z.B. beim Laden von Akkumulatoren verwendet. Nach dem OHMschen Gesetz gilt: (41) I= U0 Ri + Rl so dass die Bedingung für einen möglichst großen Strom lautet: (42) Rl << Ri In diesem Fall ist der Strom vom Lastwiderstand nahezu unabhängig. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Netzgerät (PHYWE (0 – 15 / 0 - 30) V)), Funktionsgenerator (TOELLNER 7401), mehrere Digital-Multimeter, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Widerstandsdekade, Schiebewiderstand (Rges ≈ 11,5 Ω), unbekannter Widerstand in Halterung, Box für Brückenschaltung, Kupferplattenpaar in Halterung, Wasserbecken auf höhenverstellbarer Halterung, Metallmaßband, Messschieber, Haushaltstuch-Rolle Achtung: Beim Anschluss von Widerständen an Spannungsquellen muss immer darauf geachtet werden, dass die maximal zulässige Verlustleistung Pmax des Widerstandes nicht überschritten wird (P = UI = U 2/R < Pmax). Angaben über Pmax der Widerstände finden sich entweder auf den zur Verfügung gestellten Komponenten (z.B. Widerstandsdekade) oder müssen bei der technischen Assistenz erfragt werden. Beim Betrieb des Netzgerätes ist darauf zu achten, dass keine ungewollte Strombegrenzung eingestellt ist. Die Multimeter vom Typ FLUKE 112 liefern bei Strommessungen nur eine begrenzte Auflösung. Sie werden deshalb in diesem Versuch nur als Ohmmeter oder Voltmeter eingesetzt, nicht als Amperemeter. Bei den Multimetern vom Typ MONACOR DMT-3010 brennen bei Fehlbedienung leicht die Sicherungen durch. Deshalb besondere Vorsicht bei ihrem Einsatz! 15 3.1 Hinweise zu den verwendeten Messgeräten Die verwendeten Messgeräte verfügen über die Möglichkeit der manuellen und z. T. auch automatischen Messbereichsumschaltung. Eine Messbereichsumschaltung dient dazu, den Messwert auf der Skala bzw. der Ziffernanzeige des Messgerätes mit größtmöglicher Genauigkeit anzeigen zu können. Bei einem Digital-Voltmeter würde eine Spannung von 1,78 V im Messbereich „2 V“ beispielsweise als 1,78 V angezeigt, im Messbereich „200 V“ jedoch als 2 V. Bei der Messbereichsumschaltung eines Amperemeters wird parallel zum Innenwiderstand des Gerätes ein Präzisionswiderstand (Shunt) hinzugeschaltet. Dieser Widerstand ist für die einzelnen Messbereiche jeweils so bemessen, dass der Strom durch das Amperemeter für alle Messbereiche etwa gleich bleibt. Analog wird bei der Messbereichsumschaltung eines Voltmeters ein Präzisionswiderstand zum Innenwiderstand des Gerätes in Serie hinzugeschaltet, der jeweils so bemessen ist, dass an dem Voltmeter für alle Messbereiche etwa die gleiche Spannung abfällt. Zu einigen der im Grundpraktikum verwendeten Messgeräte existieren Angaben über die Innenwiderstände bei Strommessungen (RA) und bei Spannungsmessungen (RV), die vom Messbereich abhängen. Statt eines Innenwiderstandes RA ist oftmals ein Spannungsabfall ∆U angegeben (z.B. 20 mV, 200 mV usw.). In diesem Fall gilt RA = ∆U / Imax, wobei Imax der maximale Strom im eingestellten Messbereich ist. Für andere Messgeräte liegen keine Angaben zu RV und/oder RA vor. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass RV so groß (z.B. 10 MΩ) und RA so klein (z.B. 0,5 Ω) ist, dass ihr Einfluss auf das Messergebnis vernachlässigbar ist. Angaben über den Gesamtmessfehler eines Messgerätes bzw. über die Genauigkeit eines Messwertes finden sich auf den Geräten oder in den Geräte-Handbüchern. Diese Werte setzen sich üblicherweise aus zwei Beiträgen zusammen. Der erste, wesentliche Beitrag wird in Prozent des Messwertes angegeben. Der zweite Beitrag kann z.B. in Prozent des Messbereiches angegeben sein oder in Einheiten der letzten angezeigten Stelle des Messwertes. Dazu folgende Beispiele: 1.) Mit dem Messgerät FLUKE Modell 112 wird eine Gleichspannung von 2,348 V im Messbereich 6,000 V gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch: ± (0,7 % des Messwertes + 0,003) V. Für das genannte Beispiel ergibt sich demnach als Genauigkeit ± (0,007 × 2,348 + 0,003) V = ± 0,019 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen). Dieser Wert ist gleichzeitig der Größtfehler für den Messwert. 2.) Mit dem Messgerät Agilent U1272A wird eine Gleichspannung von 297,34 mV im Messbereich 300,00 mV gemessen. Für diesen Spannungsmessbereich beträgt die Genauigkeit laut Handbuch: „0,05 % + 5“. Die Prozentangabe bezieht sich auf den Messwert, die „5“ auf die letzte angezeigte Stelle (Digit) des Messwertes (hier die 4 für 0,04 mV). Der Größtfehler ist also ± (0,0005 × 297,34 + 0,05) mV = 0,20 V (gerundet auf 2 signifikante Stellen). 3.2 Messung von Widerständen Mit einigen in Kap. 2.2 dargestellten Verfahren soll der Wert eines unbekannten Widerstandes R (in der Größenordnung 1 kΩ) einschließlich Größtfehler ermittelt werden. Folgende Schritte sollen dazu der Reihe nach durchgeführt werden: a) Messung mit verschiedenen Ohmmetern: Der Wert des Widerstandes R soll mit mindestens fünf Ohmmetern gemessen werden. Es können z. T. auch Ohmmeter gleichen Typs eingesetzt werden. Jedem Ohmmeter wird eine Nr. j zugeordnet. Vor der Messung müssen die Messgeräte auf den Messbereich eingestellt werden, der eine möglichst genaue Messung erlaubt. Für jeden Messwert Rj wird der Größtfehler ∆Rj ermittelt. In einer Grafik werden die Rj inkl. Fehlerbalken über j dargestellt. b) Strom-/Spannungsmessung: Exemplarisch wird Schaltung A gem. Abb. 3 aufgebaut. Als Spannungsquelle dient ein Netzgerät, dessen Innenwiderstand für diese Messung vernachlässigt werden kann. Für mindestens 10 verschiedene Spannungen am Netzgerät wird jeweils der Strom mit dem Amperemeter 16 und die Spannung mit dem Voltmeter gemessen. Dabei muss vorher überlegt werden, in welchem Bereich die zu messenden Größen liegen und die Messbereiche entsprechend eingestellt werden. Für jedes Wertepaar (U, I) wird ein Widerstandswert R = U/I ermittelt. Aus diesen Daten wird anschließend der Mittelwert R und seine Standardabweichung σ R bestimmt. Anschließend werden in einer grafischen Darstellung die gemessenen Spannungswerte U über den gemessenen Stromwerten I aufgetragen und die Größtfehler von U und I jeweils in Form von Fehlerbalken eingezeichnet. Die Parameter der Ausgleichsgeraden durch die Messpunkte werden berechnet und die Ausgleichsgerade wird in das Diagramm eingezeichnet 9. Die Steigung R (± σR) der Ausgleichsgeraden ist ein guter Schätzwert für den gesuchten Widerstandswert. Dieser Schätzwert wird mit dem vorher gefundenen Mittelwert R (± σ R ) verglichen und überprüft, ob beide Methoden der Auswertung vergleichbare Ergebnisse liefern. c) WHEATSTONEsche Messbrücke: Es wird eine WHEATSTONEsche Messbrücke gem. Abb. 4 aufgebaut. Als Spannungsquelle dient wieder ein Netzgerät, als Kalibrierwiderstand R3 ein Widerstand einer Widerstandsdekade. Dieser Widerstand wird etwa gleich groß wie der zu messende Widerstand R gewählt. In diesem Fall gilt nämlich bei abgeglichener Messbrücke l1 ≈ l2 und der Fehler bei der Bestimmung von R wird minimal. Als Fehler für den mit Gl. (16) berechneten Wert von R wird der Größtfehler angegeben. Frage 7: - Wie lässt sich anschaulich erklären, dass der Fehler bei der Bestimmung von R im Fall l1 ≈ l2 minimal wird? (Hinweis: Ablesegenauigkeit der Längenskala berücksichtigen!) Nachdem der Widerstand auf die verschiedenen Arten bestimmt wurde, sollen alle Messergebnisse aus Kap. 3.2 in einer Grafik analog zu Kap. 3.2 a) dargestellt und miteinander verglichen werden. 3.3 Messung des Innenwiderstandes eines Funktionsgenerators Mit einer Schaltung gem. Abb. 10 soll der Innenwiderstand (auch Ausgangswiderstand genannt) eines Funktionsgenerators (FG) bestimmt werden. Das Ersatzschaltbild des Funktionsgenerators besteht aus einer idealen Spannungsquelle G und dem dazu in Reihe liegenden Innenwiderstand Ri (Größenordnung 50 Ω). Am Funktionsgenerator wird eine sinusförmige Ausgangsspannung eingestellt (Amplitude UFG ≈ 4 V, Frequenz ca. 1 kHz) und zunächst ein Lastwiderstand von Rl = 100 kΩ und damit Rl >> Ri angeschlossen (Widerstandsdekade). Die Spannungsamplitude U über Rl wird mit einem Oszilloskop gemessen, dessen Innenwiderstand von ca. 1 MΩ unberücksichtigt bleiben kann. Für Rl = 100 kΩ gilt mit hinreichender Genauigkeit U0 ≈ UFG. Der Lastwiderstand wird anschließend durch entsprechendes Umschalten der Widerstandsdekade auf Werte zwischen 1 kΩ und etwa 20 Ω erniedrigt. Für jeden Wert von Rl wird die Spannungsamplitude U gemessen und anschließend U über Rl aufgetragen. Durch grafische Interpolation 10 der entstehenden Kurve wird der Wert für Rl gesucht, bei dem U auf die Hälfte von U0 abgesunken ist. Dieser Widerstand entspricht dem gesuchten Innenwiderstand Ri des Funktionsgenerators (s. Kap. 2.3.1). Hinweis: Der maximale Strom, der beim kleinsten Widerstand (20 Ω) fließt, ist Imax = 4 V / 20 Ω = 200 mA. Die maximale momentane Leistung am Widerstand ist demnach P = U I = 0,8 W und damit unter der Belastungsgrenze der Widerstandsdekade von 1 W. 9 10 Die Berechnung der Parameter der Ausgleichsgeraden und ihre grafische Darstellung erfolgen mit Origin. Hinweise dazu werden im Begleitseminar gegeben. Mit „grafischer Interpolation“ ist gemeint: Es wird von Hand eine Ausgleichskurve durch die Messpunkte gezeichnet. Anschließend wird die Gerade U = U0/2 eingezeichnet und ihr Schnittpunkt mit der Ausgleichskurve bestimmt. Der R- Wert des Schnittpunktes wird auf der Abszisse abgelesen. Sein Größtfehler ∆R ergibt sich aus der Ablesegenauigkeit für R. 17 3.4 Spezifischer Widerstand von Leitungswasser Wir betrachten die Anordnung in Abb. 11. Zwei rechteckige Kupferplatten der Breite b sind parallel zueinander im Abstand l montiert. Sie werden mit einer Höhenverstelleinheit in ein Becken mit gewöhnlichem Leitungswasser eingetaucht. Durch Anheben des Beckens lässt sich eine variable Eintauchtiefe d der Platten in das Wasser erreichen. Ist ρw der spezifische Widerstand des Wassers, so ist der ohmsche Widerstand Rw des Wassers zwischen den Platten gegeben durch (vgl. Gl. (14)): (43) Rw = ρ w l 1 b d U~ d l Abb. 11: Anordnung zur Messung des spezifischen Widerstandes von Leitungswasser (Amperemeter und Voltmeter nicht eingezeichnet). Durch Messung des Stromes I (Amperemeter) bei einer angelegten Spannung U (Voltmeter) zwischen den Platten (Schaltung A, s. Abb. 3) wird Rw für möglichst viele Werte der Eintauchtiefe d im Bereich zwischen 50 mm und 20 mm bestimmt Für die einzelnen Werte von U, I und Rw müssen keine Fehler angegeben werden. Anschließend wird Rw über 1/d aufgetragen. In das Diagramm wird die Ausgleichsgerade eingezeichnet und aus ihrer Steigung der spezifische Widerstand ρw des Leitungswassers inkl. Größtfehler berechnet (l und b messen!). Anmerkung: Um Polarisationseffekte im Wasser zu vermeiden, wird nicht eine Gleichspannung, sondern eine sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (DC-Offset am FG ausschalten) an die Kupferplatten gelegt, die einem Funktionsgenerator entnommen wird (Ueff ≈ 2 V bei d ≈ 50 mm, Frequenz ca. 50 Hz). Auch mit dieser Maßnahme verhält sich das Wasser als Ionenleiter nicht genau so, wie wir es von einem metallischen Leiter kennen. Beispielsweise nimmt sein Widerstand mit der Temperatur ab, während er bei metallischen Leitern mit der Temperatur zunimmt. Wir müssen daher davon ausgehen, dass die Messung nur einen Orientierungswert für ρW liefert. Da überdies ρw je nach Beschaffenheit des Leitungswassers erheblich streut, wird auf einen Vergleich des Messwertes mit einem Literaturwert verzichtet. 11 Wegen der Messung mit einer Wechselspannung müssen die Multimeter in den AC-Modus umgeschaltet werden! 3.5 Brückenschaltung zur Messung von Widerstandsänderungen Es wird eine Brückenschaltung gem. Abb. 6 aufgebaut (R1,...,4 ≈ 100 Ω, U0 ≈ 5 V). R2,…4 sind in eine Box eingelötet, R1 wird mit einer Widerstandsdekade eingestellt. Die Spannung U in der Brückendiagonalen wird für etwa 10 Widerstandsänderungen ∆R des Widerstandes R1 im Bereich zwischen ± 1 Ω und ± 10 Ω gemessen, also für R1 im Bereich (90 – 110) Ω. U wird über ∆R aufgetragen und die Linearität des Zusammenhangs gem. Gl. (31) überprüft. 11 Der spezifische Widerstand von Leitungswasser bei 20 °C liegt in der Größenordnung von (10 – 20) Ωm. Zum Vergleich: der spezifische Widerstand von Kupfer bei 20 °C beträgt etwa 1,7 × 10-8 Ωm. 18 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Messung von Kapazitäten, Auf- und Entladungen von Kondensatoren Stichworte: Kondensator, Plattenkondensator, Dielektrikum, RC-Glied, Auf- und Entladekurven von Kondensatoren, Phasenverschiebung, KIRCHHOFFsche Gesetze, Ein- und Ausgangswiderstände und –kapazitäten. Messprogramm Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators, Messung der Kapazität von Koaxialkabeln, Messung der relativen Permittivität von PVC, Bestimmung der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt /3/ KORIES, R., SCHMIDT-WALTER, H.: „Taschenbuch der Elektrotechnik“, Harri Deutsch, Frankfurt 1 Einleitung In diesem Versuch werden Messverfahren vorgestellt, mit deren Hilfe die Kapazitäten von Kondensatoren bestimmt werden können. Zusätzlich wird das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen untersucht. In der Experimentalphysikvorlesung des zweiten Semesters werden diese Themen noch ausführlich behandelt. Einfache Grundlagen, wie sie hier dargestellt werden, müssen jedoch frühzeitig bekannt sein, um das Verhalten von Kondensatoren in elektrischen Schaltungen verstehen zu können, die im Grundpraktikum zum Einsatz kommen. 2 Theorie 2.1 Kapazität eines Kondensators Jede Anordnung von zwei elektrischen Leitern, die sich in einem gewissen Abstand voneinander befinden, bildet einen Kondensator. So stellen z.B. zwei nebeneinander liegende Drähte (z.B. Laborkabel) ebenso einen Kondensator dar, wie zwei zueinander parallele Metallplatten oder ein Draht, der in einem bestimmten Abstand von einem Drahtgeflecht umgeben ist (Koaxialkabel). Ub + _ A + Q0 E d - Q0 Abb. 1: Schema eines Plattenkondensators. Bezeichnungen siehe Text. Betrachten wir exemplarisch einen Kondensator besonders einfacher Bauform, den so genannten Plattenkondensator, bei dem zwei elektrisch leitende Platten mit je der Fläche A im Abstand d parallel zueinander angeordnet sind (Abb. 1). Schließt man einen solchen Kondensator an eine Spannungsquelle mit der Betriebsspannung Ub an (Klemmenspannung im unbelasteten Zustand), so fließt kurzzeitig ein Ladestrom: die Spannungsquelle zieht Elektronen von der einen Platte ab und bringt sie auf die andere Platte, d.h. sie sorgt für die Verlagerung einer Ladung Q von der einen auf die andere Platte. Durch diese Ladungsverlagerung wird ein elektrisches Feld E zwischen den Platten aufgebaut, dessen Betrag durch E = U/d gegeben ist, wobei U die momentane Spannung über dem Kondensator ist. Diese Spannung erreicht nach einer gewissen Zeit ihr Maximum von U = Ub. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aufladung des Kondensators beendet; die eine Platte trägt dann die Ladung +Q0, die andere die Ladung -Q0. 19 Ub und Q0 sind zueinander proportional, die Proportionalitätskonstante (1) C= Q0 Ub heißt Kapazität des Kondensators. Ihre Einheit ist das FARAD F 1: (2) [C ]= F= A ⋅s C = V V (1 C = 1 COULOMB 2) Für einen Plattenkondensator im Vakuum ist die Kapazität ausschließlich durch die Geometrie der Anordnung bestimmt. Sie ist zur Plattenfläche A direkt und zum Plattenabstand d umgekehrt proportional: (3) C A d Frage 1: - Wie lässt sich die Proportionalität C ∼ 1/d veranschaulichen? (Hinweis: betrachte das elektrische Feld E und die Spannung U an einem aufgeladenen Plattenkondensator, der nach dem Aufladen von der Spannungsquelle getrennt und dessen Platten danach auseinander gezogen werden. Beachte, dass die Ladung dabei konstant bleibt.) Mit der Proportionalitätskonstante ε0 gilt dann: (4) C = ε0 A d (im Vakuum) ε0 heißt elektrische Feldkonstante (Permittivität des Vakuums). Sie wird aus zwei international festgelegten Konstanten berechnet, nämlich der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und der magnetischen Feldkonstanten (Permeabilität des Vakuums) µ0, und lässt sich daher mit beliebiger Genauigkeit angeben (siehe hintere Umschlagseite dieses Skriptes). Wir beschränken uns hier auf 4 Stellen: (5) = ε0 : 1 As 8,854 ⋅10−12 = 2 Vm µ0 c Bringt man zwischen die Kondensatorplatten einen elektrischen Isolator (Dielektrikum) ein, so erhöht sich die Kapazität um den Faktor εr ≥ 1: (6) C = ε 0ε r A d (in Materie) εr heißt relative Permittivität (relative Dielektrizitätskonstante), das Produkt ε = ε0εr heißt Permittivität (Dielektrizitätskonstante). εr ist ein vom verwendeten Isolatormaterial abhängiger dimensionsloser Zahlenwert. Er beträgt z.B. für Luft bei 20° C und Normaldruck (101325 Pa): εr ≈ 1,0006, für Wasser bei 20° C: εr ≈ 81, für Gläser (je nach Art): εr ≈ 5 - 16 und für Keramiken (je nach Art): εr ≈ 50 - 1.000. Im Vakuum ist εr = 1. 3 Frage 2: - Wie lässt sich die Erhöhung der Kapazität durch das Dielektrikum anschaulich erklären? (Hinweis: Schwächung des elektrischen Feldes.) 1 2 3 Nach MICHAEL FARADAY (1791 - 1867) CHARLES AUGUSTIN DE COULOMB (1736 - 1806) In einem Wechselstromkreis hängt εr von der Frequenz der angelegten Spannung ab. Die genannten Zahlen sind Näherungswerte für den Fall kleiner Frequenzen im Bereich unterhalb von 1 kHz. 20 Handelsübliche Kondensatoren existieren in einer Vielzahl von Bauarten und Bauformen und mit Kapazitäten, die sich über Größenordnungen unterscheiden. Abb. 2 zeigt einige Beispiele. Abb. 2: 2.2 Handelsübliche Kondensatoren unterschiedlicher Bauart und Bauform. Die Kapazitäten der dargestellten Typen variieren zwischen einigen Picofarad (pF) und einigen Mikrofarad (µF). Auf- und Entladevorgang am Kondensator 2.2.1 Entladevorgang Wir wollen zunächst das Entladen eines Kondensators betrachten. Insbesondere interessiert uns, wie lange der Entladevorgang dauert und wie er zeitlich verläuft. Dazu betrachten wir gemäß Abb. 3 einen aufgeladenen Kondensator der Kapazität C, der über einen Widerstand R entladen wird. Eine solche Anordnung heißt RC-Glied. Zu einer beliebigen Zeit t nach Schließen des Schalters S gilt (vgl. Gl. (1)): (7) Q(t )= C ⋅ U (t ) S C R Abb. 3: Entladung eines Kondensators über einen Widerstand. Dabei ist Q(t) die momentane Ladung am Kondensator und U(t) die momentane Spannung über dem Kondensator. Diese Spannung muss nach der KIRCHHOFFschen Maschenregel gleich der Spannung am Widerstand R sein, so dass mit dem momentanen Strom I(t) gilt: (8) U (t )= R ⋅ I (t ) Der Strom I(t) wird durch die Abnahme (deshalb ein Minuszeichen) der Kondensatorladung mit der Zeit verursacht. Es gilt: (9) I (t ) = − dQ(t ) dt Die Gleichungen (7), (8) und (9) ergeben zusammengefasst die Differentialgleichung der Kondensatorentladung: (10) Q(t ) = − RC ⋅ dQ(t ) dt Die Lösung dieser Differentialgleichung unter der Anfangsbedingung Q(t = 0) = Q0 lautet: (11) Q(t= ) Q0 ⋅ e − t RC 21 Das Produkt RC hat die Einheit [RC] = Ω⋅F = (V/A)⋅(As/V) = s. RC stellt also eine Zeit dar, die so genannte Zeitkonstante τ. Sie hat folgende Bedeutung: zur Zeit t = τ = RC ist die Ladung auf den Wert Q0/e, also etwa auf das 0,368-fache des ursprünglichen Wertes abgesunken: (12) Q0 t= τ= RC → Q(t ) = Q(τ ) =≈ 0,368 ⋅ Q0 e Für die Zeit t = T (Halbwertszeit), innerhalb derer die Ladung auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes abgesunken ist, gilt: (13) Q Q(t =T ) = 0 2 → T =ln 2 ⋅ RC ≈ 0, 693 ⋅ RC Soll ein Entladevorgang experimentell beobachtet werden, ist es einfacher, statt der Abnahme der Ladung (Gl. (11)) die Abnahme der Spannung über dem Kondensator zu betrachten. Mit Gl. (1) und (7) folgt aus Gl. (11): (14) U (t= ) U0 ⋅ e − t RC Die Spannungsabnahme, die z.B. mit dem Oszilloskop sehr einfach zu messen ist, hat also den gleichen zeitlichen Verlauf wie die Ladungsabnahme. Damit ergibt sich aus Gl. (14) eine für die Praxis wichtige Beziehung zur Messung von Kapazitäten. Wird nämlich die Spannung U(t) zu zwei verschiedenen Zeiten t1 und t2 gemessen, so gilt (s. Abb. 4): (15) U ( t1= ) : U=1 U 0 e − U ( t2= ) : U=2 U 0 e t1 RC − t2 RC U U1 U2 t1 Abb. 4: t2 t Entladekurve eines Kondensators. Der natürliche Logarithmus von Gl. (15) liefert 4: t1 RC t ln= (U 2 ) ln (U 0 ) − 2 RC ln = (U1 ) ln (U 0 ) − (16) Daraus folgt: 4 Genau genommen müsste es in Gl. (16) ff. ln({U1}) statt ln(U1) usw. heißen, da der Logarithmus nur von einem Zahlenwert (wie z.B. {U1}), nicht jedoch von einer mit Einheiten behafteten Größe (wie z.B. U1) gebildet werden kann. Zur Vereinfachung der Schreibweise verzichten wir auf die geschweiften Klammern, meinen jedoch in den entsprechenden Gleichungen immer die Zahlenwerte der Größen. 22 (17) U t − t ln (U1 ) − ln (U 2 ) = ln 1 = 2 1 RC U2 und schließlich: (18) C= t2 − t1 U R ln 1 U2 Auf Basis dieser Gleichung werden in diesem Versuch Kapazitäten gemessen.5 2.2.2 Aufladevorgang Wir betrachten nun gemäß Abb. 5 die Aufladung eines Kondensators der Kapazität C mit Hilfe einer realen Spannungsquelle. Die reale Spannungsquelle kann als Reihenschaltung einer idealen Spannungsquelle G mit der Quellenspannung U0 und einem Widerstand R (dem Innenwiderstand der realen Spannungsquelle) betrachtet werden. Nach der Maschenregel gilt zu einem beliebigen Zeitpunkt t nach Schließen des Schalters S (I(t) ist der Ladestrom): (19) U0 = U R (t ) + U C (t ) = R ⋅ I (t ) + dQ(t ) Q(t ) Q(t ) R = + dt C C Daraus folgt mit Q0 = C U 0 : (20) Q(t ) + RC dQ(t ) 0 − Q0 = dt Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet: (21) t − Q (t ) Q0 1 − e RC = S R I C = U0 G Abb. 5: Aufladung eines Kondensators über eine reale Spannungsquelle. Die Zeitkonstante τ = RC gibt hier die Zeit an, innerhalb derer sich der Kondensator auf das (1 - 1/e)-fache seiner maximalen Ladung Q0 aufgeladen hat. Analog wie bei der Kondensatorentladung können wir für den leichter beobachtbaren Spannungsanstieg am Kondensator schreiben: (22) t − RC U (t ) U 0 1 − e = Frage 3: - Stellen Sie mit Matlab den Verlauf von Gl. (14) und (22) im Zeitintervall [0; 5τ] für die Werte R = 1 kΩ, C = 4,7 nF und U0 = 1 V dar. 5 Auf diesem Prinzip beruht auch die Kapazitätsmessung in vielen Multimetern. 23 2.3 Zusammenschaltung mehrerer Kondensatoren Aus den KIRCHHOFFschen Gesetzen (Knoten- und Maschenregel) lässt sich die Gesamtkapazität einer Anordnung aus mehreren Kondensatoren berechnen. Für eine Serienschaltung von n Kondensatoren mit den Kapazitäten Ci gilt (s. Abb. 6 für n = 2): (23) n 1 1 =∑ C i =1 Ci Für eine Parallelschaltung gilt (s. Abb. 7 für n = 2): n (24) C = ∑ Ci i =1 C1 C2 Abb. 6: Serienschaltung von Kondensatoren 2.4 C2 C1 Abb. 7: Parallelschaltung von Kondensatoren. Kosinusförmige Anregung eines RC-Gliedes Wir haben bislang untersucht, wie sich ein Kondensator bei einmaliger Auf- oder Entladung über einen Widerstand verhält. Um das Verhalten von Kondensatoren in Wechselstromkreisen zu verstehen, wollen wir nun untersuchen, wie ein RC-Glied, also eine Anordnung aus Widerstand und Kondensator, auf eine kosinusförmige Anregung reagiert. Dazu betrachten wir eine Anordnung gemäß Abb. 8. Eine ideale Spannungsquelle liefert die mit der Kreisfrequenz ω variierende Wechselspannung UG(t) 6: (25) U G (t ) = U 0 cos(ω t ) R ~ UG(t) C Abb. 8: RC-Glied mit kosinusförmiger Anregung. Analog zu Gl. (19) folgt aus der Maschenregel: (26) U G ( t ) = U 0 cos(ω t ) = U R (t ) + U C (t ) = R dQ(t ) Q(t ) + dt C Daraus folgt: (27) Q(t ) + RC dQ(t ) 0 − CU 0 cos(ωt ) = dt Unser Ziel ist es, den zeitlichen Verlauf von UC(t) zu bestimmen. Dazu reicht es gem. Gl. (7), den zeitlichen Verlauf von Q(t) zu finden. Aus den Überlegungen aus Kap. 2.2 wissen wir, dass der Kondensator nicht unendlich schnell aufgeladen oder entladen werden kann. Das bedeutet, dass der Ladungsverlauf Q(t) dem Spannungsverlauf UG(t) nicht instantan folgen kann, sondern nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Wir erwarten daher eine Phasenverschiebung ϕ von Q(t) gegenüber UG(t). Zur Lösung der Differentialgleichung (27) versuchen wir deshalb den Ansatz: 6 Natürlich würde der Ansatz UG(t) = U0 sin(ω t) ebenso zum Ziel führen; in der Physik hat sich jedoch die Schreibweise mit der cos-Funktion eingebürgert. 24 (28)= Q(t ) Q0 cos(ω t + ϕ ) Durch Einsetzen von Gl. (28) in Gl. (27) müssen wir nun die unbekannten Größen Q0 und ϕ bestimmen. Nach einiger Rechnung (am einfachsten mit komplexen Größen, s. Anhang in Kap. 4) erhalten wir für die maximale Ladung Q0 am Kondensator: (29) Q0 = CU 0 (ω RC )2 + 1 und für die Phasenverschiebung ϕ zwischen Q(t) bzw. UC(t) und UG(t): (30)= ϕ arctan(−ω RC ) (31) bzw. tan ϕ = −ω RC Aus Gl. (30) lässt sich ablesen, dass ϕ immer negativ ist. Die Ladung Q(t) hinkt also immer hinter der Spannung UG(t) her. Für den Grenzfall ω → 0 gilt ϕ ≈ 0° und für den Grenzfall ω → ∞ folgt ϕ = -90°. Mit dem Zusammenhang: 1 = tan 2 ϕ + 1 cos ϕ = (32) 1 (ω RC ) 2 + 1 erhalten wir durch Einsetzen von Gl. (32) in Gl. (29): (33) Q0 = CU 0 cos ϕ Durch Vergleich von Gl. (1) und (33) sehen wir, dass bei kosinusförmiger Anregung die maximale Ladung am Kondensator um den Faktor cos ϕ kleiner ist, als bei Aufladung mit einer Gleichspannung vom Betrag U0. Für den Grenzfall ω → 0 erhalten wir Q0 ≈ CU0 und für den Grenzfall ω → ∞ folgt Q0 = 0. Frage 4: - Wie lassen sich diese Grenzfälle anschaulich verstehen? Wir wollen nun den zeitlichen Verlauf des Stromes I(t) durch die Masche gemäß Abb. 8 berechnen. Es gilt: (34) I (t ) = dQ(t ) dt Einsetzen von Gl. (28) in (34) und Ausführung der Differentiation ergibt: (35) π ω Q0 cos ω t + ϕ + =I 0 cos (ω t + θ ) I (t ) =−ω Q0 sin (ω t + ϕ ) = 2 mit der Stromamplitude I0: I 0 ω= Q0 (36) = U0 R2 + 1 (ω C ) 2 und der Phasenverschiebung θ zwischen dem Strom I(t) und der Spannung UG(t): (37) θ= ϕ + π 2 25 Benutzen wir die Beziehung tan (ϕ + π/2) = -1/tanϕ, so erhalten wir aus Gl. (37) und (31): (38) tan θ = 1 ω RC Wir sehen aus Gl. (38), dass im Falle ω → 0 der Strom I(t) der Spannung UG(t) um 90° vorauseilt (θ ≈ π/2). Im Falle ω → ∞ sind Strom und Spannung dagegen in Phase (θ ≈ 0°). Mit zunehmender Frequenz nimmt daher die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung von 90° auf 0° ab. 2.5 Impedanz Die Impedanz (auch Scheinwiderstand) ist ein wichtiger Parameter zur Beschreibung elektrischer Schaltungen. Sie wird in der Experimentalphysikvorlesung im zweiten Semester noch ausführlich behandelt. Wir werden uns hier deshalb auf wenige Bemerkungen zur Impedanz beschränken. Die Impedanz Z ist definiert als der Gesamtwiderstand 7, den eine elektrische Schaltung einem Wechselstrom bei einer bestimmten Kreisfrequenz ω entgegen setzt. Es gilt also Z = Z(ω). Die Einheit der Impedanz ist Ohm: [Z ] = Ω Eine Impedanz in einem Wechselstromkreis führt i. Allg. dazu, dass Amplitude und Phasenlage des Stromes in einer Schaltung beeinflusst werden. Deshalb ist es praktisch, die Impedanz als komplexe Größe darzustellen: Z Re ( Z ) + i Im ( Z ) (39)= Abb. 9 zeigt Z als Zeiger in der komplexen Ebene. Der Realteil von Z ist der ohmsche Widerstand R der Schaltung, der auch als Wirkwiderstand bezeichnet wird: (40) R = Re ( Z ) Der Imaginärteil von Z wird als Reaktanz X (oder Blindwiderstand) bezeichnet 8: (41) X = Im ( Z ) Damit kann man für Z nach Gl. (39) auch schreiben: Z= R + i X (42) Der Betrag von Z (d.h. die Länge des Zeigers in Abb. 9) ist gegeben durch: (43) = Z R2 + X 2 und die Phase, d.h. die Winkelorientierung des Zeigers zur Re-Achse, durch: (44) X R ϕ = arctan Damit kann Z aus Gl. (39) bzw. (42) in Polarform auch geschrieben werden als: (45) Z = Z eiϕ 7 Der Gesamtwiderstand ist i. Allg. kein reiner ohmscher Widerstand! 8 In einem Wechselstromkreis mit Kondensator C und Spule L hat die Reaktanz X einen von L hervorgerufenen induktiven und einen durch C hervorgerufenen kapazitiven Beitrag. Mehr dazu im zweiten Semester. 26 Im Z X ϕ R Re Abb. 9: Impedanz Z als Zeiger in der komplexen Ebene. In Analogie zum ohmschen Gesetz ist |Z| durch den Quotienten aus Spannungsamplitude U0 und Stromamplitude I0 gegeben. Für das in Kap. 2.4 betrachtete RC-Glied folgt demnach mit I0 nach Gl. (36): (46) Z = U0 = I0 R2 + 1 (ω C ) 2 Aus dem Vergleich von Gl. (46) mit Gl. (43) folgt, dass sich Z aus dem ohmschen Widerstand R und der kapazitiven Reaktanz X = 1/(ω C) zusammensetzt. Im Falle ω → 0 geht 1/(ω C) → ∞, d.h. Z wird vor allem durch den Kondensator bestimmt, der den Stromkreis in diesem Falle „sperrt“. Für ω → ∞ dagegen ist die Situation umgekehrt: in diesem Falle geht 1/(ω C) → 0, d.h. der Kondensator „schaltet durch“ und Z wird vor allem durch den ohmschen Widerstand R bestimmt. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Funktionsgenerator (TOELLNER 7401, Ausgangswiderstand R ≈ 50 Ω), Multimeter (AGILENT 34405A), Netzgerät, Stoppuhr, Widerstandsdekade, Einzelkondensatoren auf Montageplatte (ca. 10 µF, ca. 10 nF), Plattenkondensator (Aluminium; A ≈ 0,20 ⋅ 0,17 m2) mit Dielektrikum (PVC-Platten variabler Dicke, d ≈ (1, 2, 3) mm), 5 Koaxialkabel unterschiedlicher Länge, Schalter, Metallmaßband, Bandmaß, Messschieber. Hinweis: In den folgenden Schaltbildern sind jeweils diejenigen Komponenten rot gezeichnet, deren Größen (Kapazität oder Widerstand) gemessen werden sollen (Abb. 10 - Abb. 12) oder über denen zu messende Signale abgegriffen werden (Abb. 15). Gestrichelt umrahmt sind jeweils die Ersatzschaltbilder von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop, die zur Messung der gesuchten Größen verwendet werden. Neben den Ein- und Ausgangswiderständen und -kondensatoren dieser Geräte ist oftmals noch ein weiterer Kondensator CK im Schaltbild eingezeichnet. CK repräsentiert die Kapazität aller Kabel, die für den Aufbau der Messanordnung erforderlich sind (Kapazität der Verbindungskabel). Zwecks Vereinfachung der Darstellung werden wir häufig von der „Eingangskapazität“ CO, der „Verbindungskabelkapazität“ CK, dem Kondensator C usw. sprechen, wenn wir „Kondensatoren mit den Kapazitäten“ CO, CK oder C usw. meinen. 3.1 Bestimmung des Eingangswiderstandes eines Oszilloskops aus der Entladekurve eines Kondensators Aus der Messung der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität C soll der Eingangswiderstand RO eines Oszilloskops bestimmt werden (Abb. 10). Dazu wird C zunächst über den Innenwiderstand RS einer Spannungsquelle aufgeladen (Netzgerät; Ausgangsspannung ≈ 5 V), anschließend wird C von der Spannungsquelle getrennt (Schalter S öffnen) und die Entladung von C über RO beobachtet. 27 S RS = U0 CK Spannungsquelle C CO RO Oszilloskop Abb. 10: Ersatzschaltbild für Spannungsquelle, Kondensator C, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK) und Oszilloskop mit dem zu messenden Eingangswiderstand RO. Die Eingangskapazität CO des Oszilloskops, die Verbindungskabelkapazität CK und die Kondensatorkapazität C liegen parallel zueinander. Wir wählen C >> CO + CK, so dass wir CO und CK vernachlässigen können (hier C ≈ 10 µF, ausmessen mit Multimeter AGILENT 34405A). Gemäß Gl. (18) wird fünfmal die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 mit der Stoppuhr gemessen, innerhalb derer die Spannung U vom Wert U1 auf den Wert U2 abnimmt (U1 und U2 messen). Aus dem Mittelwert von ∆t wird nach Gl. (18) der Eingangswiderstand des Oszilloskops inkl. Größtfehler bestimmt. Die Werte für U1 und U2 können dabei als fehlerfrei angenommen werden. 3.2 Messung von Kapazitäten 3.2.1 Beschreibung des Messverfahrens Das in Versuch 3.1 benutzte Verfahren zur Messung der Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 ist gut geeignet, wenn die Zeitkonstante τ = RC groß ist. Bei kleinen Zeitkonstanten bietet sich an, den Kondensator periodisch aufzuladen und wieder zu entladen, und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 durch direkte Beobachtung einer Entladekurve mit einem Oszilloskop zu messen. Die periodische Auf- und Entladung lässt sich erreichen, indem man den Kondensator an einen Funktionsgenerator (FG) anschließt, der eine periodische Rechteckspannung UFG mit der Amplitude U0 liefert (z.B. U0 = 4 V). Der FG wirkt dann wie eine Spannungsquelle mit eingebautem „elektronischen Schalter“. Abb. 11 zeigt das zugehörige Ersatzschaltbild. Der Vergleich mit Abb. 10 zeigt zwei Unterschiede: a) Neben der Kapazität der Verbindungskabel (CK), der Eingangskapazität des Oszilloskops (CO) und der zu messenden Kondensatorkapazität C muss die „Ausgangskapazität“ 9 CF des FG berücksichtigt werden. Diese drei Kapazitäten bilden zusammen die Gesamtkapazität CA der Messanordnung: (47) CA = CO + CK + CF b) Der FG als „elektronischer Schalter“ trennt nicht die Spannungsquelle mit dem Innenwiderstand RF (≈ 50 Ω) vom Stromkreis (wie der Schalter S in Abb. 10), sondern sorgt lediglich für eine periodische Umladung der Kondensatoren CA und C. 10 Wegen RF << RO erfolgt diese Umladung über RF. RF bestimmt demnach mit CA und C die Zeitkonstante τ des RC-Gliedes. Gl. (18) lautet in diesem Fall: (48) 9 10 t −t CA + C = 2 1 U RF ln 1 U2 Ein reales Rechtecksignal aus einem FG hat niemals Flanken mit der Steigung ∞. Vielmehr ähnelt z.B. die fallende Flanke der Entladekurve eines Kondensators mit der Kapazität CF. Diese Größe wird hier im Sinne eines Ersatzschaltbildes als Ausgangskapazität bezeichnet. Für die Messung ist es unbedeutend, ob der Kondensator aufgeladen und anschließend entladen wird, oder ob er, wie hier, periodisch umgeladen wird. Auf das Zeitverhalten hat dies keinen Einfluss. 28 RF CF UFG CK CO C FG RO Oszilloskop Abb. 11: Ersatzschaltbild für Funktionsgenerator FG, Verbindungskabel (mit der Kapazität CK), zu messender Kapazität C und Oszilloskop. Weitere Bezeichnungen siehe Text. Gl. (48) bietet die Möglichkeit, durch Messung von ∆t = t2 – t1 sowie von U1 und U2 eine unbekannte Kapazität C zu bestimmen, wenn die Größen RF und CA bekannt sind. Für die im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren ist RF = (50 ± 2) Ω. Damit ergibt sich eine kleine Zeitkonstante τ der Kondensatorentladung, die zu einer kleinen und damit schlecht messbaren Zeitdifferenz ∆t = t2 - t1 führt. Deshalb wird gem. Abb. 12 ein zusätzlicher Widerstand RD ≈ 1 kΩ aus einer Widerstandsdekade zu RF in Reihe geschaltet, um einen Gesamtwiderstand von (49) R= RF + RD G zu erreichen und die Zeitdifferenz ∆t entsprechend zu vergrößern. Aus Gl. (48) wird dann: (50) t −t CA + C = 2 1 U RG ln 1 U2 Daraus folgt für die gesuchte Größe C: (51) = C t2 − t1 − CA U1 RG ln U2 RD RF CF UFG FG CK C CO RO Oszilloskop Abb. 12: Schaltung aus Abb. 11 mit zusätzlich eingefügtem Widerstand RD. Abb. 13: Realer Aufbau der Schaltung aus Abb. 12. Links der Funktionsgenerator, rechts das Oszilloskop. In der Mitte die Widerstandsdekade mit dem Widerstand RD. RD liegt zwischen den beiden schwarzen Anschlussbuchsen der Widerstandsdekade. Die gelbe Buchse ist ein Stützkontakt ohne elektrische Verbindung zu RD. In der Kabelverbindung zwischen Oszilloskop und Widerstandsdekade befindet sich ein BNC-T-Stück, an das der Kondensator mit der zu messenden Kapazität C angeschlossen wird. 29 3.2.2 Vorbereitende Messung Um mit Hilfe von Gl. (51) eine unbekannte Kapazität C bestimmen zu können, muss neben RG auch die Gesamtkapazität CA der Messanordnung bekannt sein. Um diese Größe zu messen, wird die Schaltung nach Abb. 12 mit C = 0 (d.h. ohne die zu messende Kapazität C) aufgebaut. An einem Punkt der Schaltung wird ein BNC-T-Stück eingefügt (Abb. 13), an das für die späteren Versuchsteile die jeweils zu messende Kapazität C angeschlossen werden kann. Anschließend wird CA mit Hilfe von Gl. (50) bestimmt. Dazu wird auf dem Oszilloskop die Entladekurve für CA dargestellt und die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 gemessen, innerhalb derer die Spannung von U1 nach U2 sinkt. Zur Messung dieser Größen kann das Digital-Oszilloskop in der Betriebsart → Erfassung → Mittelwert betrieben werden. In diesem Modus wird der Einfluss des Rauschens auf das Messergebnis minimiert. Zur Berechnung des Größtfehlers von CA können U1 und U2 als fehlerfrei angenommen werden. Für RG kann entsprechend der Genauigkeit der Widerstandsdekade ein Größtfehler von 0,01 × RG verwendet werden. Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung unbekannter Kapazitäten C erfolgen, die zusätzlich in den Aufbau eingebracht werden. Hinweis: Gl. (18) bzw. Gl. (51) gelten für den Fall, dass sich ein aufgeladener Kondensator mit der Anfangsspannung U0 auf die Endspannung 0 V entlädt. Die Spannungswerte U1 und U2 sind in diesem Fall für alle Werte der Zeit t positiv. Wird an den Kondensator jedoch eine Rechteckspannung mit der Amplitude U0 gelegt, so beträgt die Maximalspannung + U0 und die Minimalspannung - U0 (Abb. 14, linke Ordinate). Es ergibt sich demnach eine Umladekurve, in der die Spannung auch negativ werden kann. Dann können die Gl. (18) und (51) nicht angewendet werden, da die Logarithmusfunktion nur für positive Werte ihres Arguments definiert ist. U +U0 2U0 U1 U0 0 U2 -U0 t1 t2 0 t Abb. 14: Umladekurve am Kondensator beim Anlegen einer Rechteckspannung der Amplitude U0 ohne DCOffset (linke Ordinate). Der gleiche zeitliche Verlauf ergibt sich für eine Rechteckspannung mit Amplitude U0 und DC-Offset U0 (rechte Ordinate, blau). Die horizontalen Linien symbolisieren die Skalenstriche am Oszilloskop. Dieses Problem lässt sich lösen, wenn man berücksichtigt, dass der zeitliche Verlauf des Umladevorgangs vom Spannungswert + U0 auf den Spannungswert - U0 identisch ist mit dem zeitlichen Verlauf der Entladung eines Kondensators, dessen Anfangsspannung 2 U0 und dessen Endspannung 0 V beträgt (Abb. 14, rechte Ordinate). Wird demnach zu allen am Oszilloskop abgelesenen Spannungswerten die Amplitude U0 addiert, sind U1 und U2 immer positiv und die Gl. (18) und (51) wieder anwendbar. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass die Rechteckspannung keinen Gleichspannungsanteil enthält (DCOffset am FG auf OFF) und dass ihre Amplitude U0 bekannt ist. U0 muss also einmal gemessen werden. Um das Ablesen der Spannungswerte am Oszilloskop zu erleichtern ist es außerdem empfehlenswert, das Spannungssignal symmetrisch um den mittleren horizontalen Skalenstrich auf dem Bildschirm anzuordnen („0“ in Abb. 14, linke Ordinate). Dann können U1 und U2 mit Hilfe der Skalenstriche am Oszilloskop bestimmt werden und die Messung von ∆t kann mit den Zeitcursorn erfolgen. 3.2.3 Bestimmung der Kapazität von Koaxialkabeln In diesem Versuchsteil soll die Kapazität C von Koaxialkabeln gemessen werden, die neben den bereits vorhandenen (Koaxial-)Kabelverbindungen mit der Gesamt-Kapazität CK zusätzlich in den Aufbau eingebracht werden. Am einfachsten lässt sich dies erreichen, indem die zusätzlichen Kabel an das oben erwähnte BNC-T-Stück (Abb. 13) angeschlossen werden. C liegt dann parallel zu CA. 30 Fünf Koaxialkabel unterschiedlicher Länge L ≥ 1 m (messen!) werden nacheinander an das BNC-T-Stück angeschlossen. Für jedes dieser Kabel werden die Größen U1, U2, t1 und t2 gemessen und die Kapazität C nach Gl. (51) berechnet. Auf eine Fehlerangabe für die einzelnen Werte von C kann verzichtet werden. Als Endergebnis soll der Mittelwert der Koaxialkabel-Kapazität pro Meter inkl. Standardabweichung des Mittelwertes angegeben und mit dem Sollwert für ein Koaxialkabel vom Typ RG 58 C/U (101 pF/m) verglichen werden. 3.2.4 Bestimmung der relativen Permittivität von PVC Nach dem gleichen Verfahren wie unter Kap. 3.2.3 beschrieben soll die Kapazität eines Plattenkondensators gemessen werden, zwischen dessen Platten sich das Dielektrikum PVC befindet. Ziel ist es, aus einer Reihe von Kapazitätsmessungen bei Variation der Dicke d des Dielektrikums die relative Permittivität εr von PVC zu bestimmen. Der Plattenkondensator besteht aus zwei gleich großen Aluminiumplatten der Fläche A, zwischen denen sich eine PVC-Platte gleicher Fläche und der Dicke d befindet. Der Kondensator wird zusätzlich und parallel zu den bereits vorhandenen Verbindungskabeln zwischen Funktionsgenerator und Oszilloskop geschaltet. Der Anschluss des Plattenkondensators an das BNC-T-Stück erfolgt über ein Koaxialkabel, das einseitig mit Laborsteckern versehen ist 11. Eine der Aluminiumplatten wird auf den Labortisch gelegt und mit dem „Minuspol“ des Funktionsgenerators (Außenkontakt der BNC-Buchse) verbunden. Auf diese Platte wird die PVC-Platte und darauf die zweite Aluminiumplatte gelegt, die mit dem anderen Pol des Funktionsgenerators verbunden wird. Die Messung wird für PVC-Plattendicken mit d ≈ (3, 4, 5, 6) mm durchgeführt (d mit dem Messschieber messen, A mit dem Metallmaßband). Für jede Dicke wird C bestimmt (Gl. (51)). Zur weiteren Analyse wird C über 1/d aufgetragen. Aus der Steigung der Ausgleichsgeraden kann εr bestimmt (Gl. (6)) und mit dem Literaturwert verglichen werden. 12 3.3 Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung in einem RC-Glied Mit einer Anordnung gemäß Abb. 15 soll die Phasenverschiebung θ zwischen der kosinusförmigen Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators und dem Auf- und Entladestrom I des Kondensators in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz ω gemessen werden. Für diesen Versuchsteil können die Innenwiderstände und Ein- und Ausgangskapazitäten von Funktionsgenerator und Oszilloskop vernachlässigt werden. C RF V1 R ~ UFG V2 FG Abb. 15: Anordnung zur Messung der Phasenverschiebung θ zwischen UG(t) und I(t) in einem RC-Glied. Die Ausgangsspannung UFG des Funktionsgenerators kann direkt mit dem Oszilloskop gemessen werden (symbolisiert durch das „Voltmeter“ V1 in Abb. 15). Der Strom I wird über einen kleinen Umweg gemessen: I erzeugt an R einen Spannungsabfall UR = RI, der mit I in Phase ist und der ebenfalls mit dem Oszilloskop gemessen werden kann (V2 in Abb. 15). 11 12 Dieses zusätzliche Anschlusskabel erhöht die Kabelkapazität CK des Aufbaus. Deshalb muss vor Anschluss des Plattenkondensators an dieses Kabel die Gesamtkapazität CA der Messanordnung neu bestimmt werden. Literaturwert nach /3/: εr = 3,1 ... 3,5 (ohne Frequenzangabe). 31 Die Messung von θ erfolgt für ein RC-Glied mit R ≈ 1 kΩ und C ≈ 10 nF (beide Größen mit Multimeter AGILENT 34405A ausmessen) bei den Frequenzen f = (1, 5, 10, 20, 30, 40, 50, 100) kHz. Die Amplitude von UFG soll ca. 5 V bei f = 10 kHz betragen. θ wird mit Größtfehler über ω aufgetragen. In das gleiche Diagramm werden auch die theoretisch erwarteten Werte für θ eingetragen und mit den experimentell gefunden Werten verglichen. Praktische Hinweise: - Bei der Versuchsdurchführung ist zu beachten, dass die Reaktanz X = 1/(ωC) des Kondensators eine Funktion von ω ist, die Spannungsamplituden also ebenfalls mit ω variieren. - Die Phasenverschiebung θ lässt sich am besten durch Messung der Zeitdifferenz ∆t der Nulldurchgänge der beiden Spannungen UFG(t) und UR(t) bestimmen (vgl. Versuch „Oszilloskop...“). - Beachten Sie beim Anschluss der Kabel zur Messung von UFG(t) und UR(t), dass die Außenkontakte der BNC-Buchsen des Oszilloskops auf gleichem Potential liegen! Folglich gilt das auch für die Außenkontakte der BNC-Stecker an den Koaxialkabeln! Frage 5: - Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen der Spannung am Kondensator (UC) und dem Strom I? Wie ließe sich diese Phasenverschiebung messen? 4 Anhang Durch Rechnung mit komplexen Größen ist die Herleitung von Gl. (29) und Gl. (30) recht einfach. Der Ansatz in Gl. (25) bzw. (28) lautet in komplexer Schreibweise: (52) U G (t ) = U 0 eiω t (53) i ω t +ϕ) Q ( t ) = Q0 e ( Durch Einsetzen beider Gleichungen in Gl. (26) und Ausführen der Differentiation erhalten wir nach Division durch ei ω t : (54) = U 0 iω RQ0 eiϕ + 1 Q0 eiϕ C Daraus folgt: (55) Q0 ei ϕ = U0 1 + iω R C Die linke Seite von Gl. (55) ist eine übliche Darstellungsform (Polarform) einer komplexen Zahl z mit dem Betrag (Modul) |z| und dem Phasenwinkel (Argument) ϕ: (56) = z : z eiϕ −ϕ = hier: z Q= Q0 0 e , z Der Betrag von z ist gegeben durch: (57) z = z z∗ wobei z* die zu z konjugiert komplexe Zahl ist, die man durch Wechsel des Vorzeichens vor der imaginären Einheit i erhält (i → -i bzw. –i → i). Für den Betrag Q0 ergibt sich demnach: 32 U 02 = 1 2 + (ω R ) 2 C U0 U0 = 1 1 + iω R − iω R C C = Q0 (58) U 0C 1 + (ω RC ) 2 Dies ist das Ergebnis aus Gl. (29). Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir eine zweite übliche Darstellungsform komplexer Zahlen, nämlich (59) z= Re ( z ) + i Im ( z ) := α + iβ wobei α der Realteil (Re) und β der Imaginärteil (Im) von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel ϕ berechnen als (60) β α ϕ = arctan + π − π α < 0 ∧ β ≥ 0 α < 0 ∧ β < 0 ⇔ ⇔ Um Gl. (60) anwenden zu können, müssen wir Gl. (55) in die Form der Gl. (59) bringen, also Real- und Imaginärteil voneinander trennen. Dazu müssen wir i aus dem Nenner beseitigen, wozu wir den Bruch passend erweitern. Aus Gl. (55) wird dann: (61) Q0 ei ϕ 1 U0 U 0 − iω R U0 ω R C C = = −i := α + iβ 1 1 1 1 2 2 2 2 +ω R +ω R + iω R − iω R 2 C2 C C C Aus Gl. (61) können wir α und β ablesen: (62) α= U0 C 1 + ω2 R2 2 C β= − U0 ω R 1 + ω2 R2 2 C Dabei ist zu beachten, dass in der Definitionsgleichung (59) ein Pluszeichen steht. Das negative Vorzeichen vor dem i in Gl. (61) gehört demnach mit zum Imaginärteil β . Setzen wir Gl. (62) in Gl. (60) ein, so erhalten wir: β α (63)= ϕ arctan = arctan ( − ω RC ) Dies ist das Ergebnis aus Gl. (30). 33 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Sensoren für Kraft, Druck, Abstand, Winkel und Lichtintensität Stichworte: Sensor, Messwertaufnehmer, Linearität, Ansprechzeit, Messbereich, Auflösung, Rauschen, Dehnungsmessstreifen, piezoresistiver Effekt, Triangulation, HALL-Effekt, Halbleiter, pn-Übergang. Messprogramm: Kalibrierung eines Kraft- und eines Drucksensors, Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor, Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor, Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode, Messung der Leistung von Laserlicht, Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung. Literatur: /1/ NIEBUHR, J.; LINDNER, G.: „Physikalische Messtechnik mit Sensoren“, Oldenbourg Industrieverlag, München /2/ SCHANZ, G. W.: „Sensoren“, Hüthig-Verlag, Heidelberg /3/ HAUS, J.: „Optical Sensors“, Wiley-VCH, Weinheim 1 Einleitung Als Sensoren bezeichnet man Messwertaufnehmer (auch Messgrößenaufnehmer), mit denen eine physikalische oder chemische Größe quantitativ erfasst werden kann. In den meisten Fällen wird der Wert w der Größe in eine elektrische Spannung U oder einen elektrischen Strom I umgesetzt. Durch eine Kalibrierung wird die Kalibrierfunktion U(w) bzw. I(w) bestimmt, mit der man aus einem gemessenen Spannungs- oder Stromwert auf den zugehörigen Wert der Größe schließen kann. Zur Kalibrierung eines Kraftsensors wird z.B. der Sensor unterschiedlichen, aber bekannten Kräften Fi ausgesetzt und jeweils die zugehörige Spannung Ui gemessen. Anschließend wird Ui über Fi aufgetragen und mit Hilfe eines Fits eine Kalibrierkurve durch die Messdaten gelegt. Wichtige Kenngrößen von Sensoren sind: Linearität: Oftmals besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Wert der Größe w und dem Ausgangssignal des Sensors, z.B. der Spannung U. Dann gilt: = U k w + U0 wobei k der Kalibrierfaktor ist und U0 die Ausgangspannung des Sensors im Falle w = 0. Die Kalibrierkurve ist in diesem Fall eine Gerade, der Sensor arbeitet linear. Ist U0 = 0, so besteht eine Proportionalität zwischen U und w. Dies ist der Idealfall für einen Sensor. Ansprechzeit: Die Ansprechzeit gibt an, innerhalb welcher Zeit eine Änderung der Größe w zu einer entsprechenden Änderung des Ausgangssignals führt. Messbereich: Der Messbereich gibt den Wertebereich der Größe w an, der innerhalb festgelegter Fehlergrenzen zu einer mit der Kalibrierfunktion beschreibbaren Änderung des Ausgangssignals führt. Auflösung: Die Auflösung ist die kleinste Änderung der Größe w, die zu einer eindeutig messbaren Änderung des Ausgangssignals führt. Rauschen: Unter Rauschen versteht man die inhärenten, zufälligen Schwankungen des Ausgangssignals eines Sensors. Eine wesentliche Quelle für das Rauschen vieler Sensoren ist die Elektronik, die zur Erzeugung des Ausgangssignals eingesetzt wird. Seit es möglich ist, Sensoren in kompakter bzw. miniaturisierter Bauform herzustellen, oder gar in IC’s 1 zu integrieren, haben sie in der modernen Messtechnik und in der industriellen Fertigung eine große Verbreitung gefunden. In diesem Versuch werden Sensoren für Kraft, Druck in Gasen, Abstand, Winkel und Lichtleistung bzw. Lichtintensität behandelt. 1 IC: Integrated Circuit. Eine in einem Kunststoffgehäuse eingeschlossene integrierte elektronische Schaltung. 34 2 Theorie 2.1 Kraftsensor auf Basis eines Biegestabes Mit den im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensoren wird eine mechanische Kraft vom Betrag F in ein Spannungssignal U umgesetzt, das sich mit F linear ändert. Als Sensor dient ein Biegestab (s. Abb. 1). DMS Abb. 1: F Links: Prinzip der Kraftmessung mit einem Biegestab (grün), der links in einem Block (grau) fixiert ist. Die Gewichtskraft F = G eines angehängten Gewichtes (blau) verursacht eine Biegung des Stabes, die mit Dehnungsmessstreifen (DMS, gelb) gemessen wird. Die mechanischen Begrenzungen (rot) verhindern eine Überdehnung des Stabes durch zu große Kräfte. Rechts: Blick in das Gehäuse eines im Grundpraktikum eingesetzten Kraftsensors. Die auf den Biegestab aufgeklebten DMS sind so dünn, dass sie kaum erkennbar sind. Die Kabel sind die Anschlussleitungen der DMS. Sie führen zur Anschlussbuchse links oben, an die der Messverstärker angeschlossen wird. DMS R + U - =Ub R DMS Abb. 2: Halbbrücke mit zwei DMS gleichen Typs und zwei gleichen Widerständen R. Ein DMS wird gedehnt, der andere gestaucht. Ub ist die Betriebsspannung der Brücke, U die Ausgangsspannung, die mit einem Messverstärker weiter verstärkt wird. Durch die Kraft F wird der einseitig gehaltene Stab elastisch verformt, es gilt das HOOKEsche Gesetz 2. Oben findet eine Dehnung des Stabes statt, unten eine Stauchung. Dehnung und Stauchung sind proportional zu F = |F|. Sie werden mit Dehnungsmessstreifen (DMS) in zu F proportionale Änderungen des elektrischen Widerstandes der DMS umgesetzt. Die DMS sind zu einer Halbbrücke (Abb. 2) zusammen geschaltet 3. An eine Brückendiagonale wird die Betriebsspannung Ub angelegt, über der anderen Diagonalen wird die Ausgangsspannung U gemessen. Da diese Spannung sehr klein ist (mV-Bereich), wird sie mit einem Messverstärker verstärkt, der gleichzeitig auch die Betriebsspannung Ub liefert. Die Ausgangsspannung des Messverstärkers, UM, ändert sich linear mit F. 2.2 Drucksensor auf Basis des piezoresistiven Effektes Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs SENSORTECHNICS HCLA12X5DB zur Verfügung. Es handelt sich dabei um einen Halbleiterdrucksensor, der auf dem piezoresistiven Effekt basiert. Darunter versteht man die Änderung des elektrischen Widerstandes eines Materials 2 3 ROBERT HOOKE (1635 – 1703) Vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“. 35 (hier p-Silizium, p-Si; zur Bezeichnung vgl. Kap. 2.5.1) unter dem Einfluss mechanischer Spannungen. Abb. 3 (links) zeigt den schematischen Aufbau eines solchen Sensors. In der Mitte einer gasdichten Kammer befindet sich eine Si-Membran von einigen Mikrometern Dicke, die die Kammer gasdicht in zwei Hälften teilt. Die obere Hälfte der Kammer wird über einen Schlauchanschluss mit einem Gasvolumen vom Druck p1 verbunden, die untere mit einem Gasvolumen vom Druck p2. Bei einer Druckdifferenz ∆p = p2 – p1 wölbt sich die Membran in Richtung der Kammer mit dem niedrigeren Druck. Am Rande der Membran sind piezoresistive Si-Elemente angebracht, auf die infolge der Membranwölbung Kräfte ausgeübt werden. Diese führen zur Dehnung und damit zu einer Widerstandsänderung des Materials 4, die mit Hilfe einer in dem Sensor integrierten Brückenschaltung in ein Spannungssignal gewandelt wird. Mit einer ebenfalls bereits im Sensor enthaltenen integrierten Schaltung wird dieses Signal weiter verstärkt. Am Ausgang des Drucksensors steht schließlich eine Spannung U zur Verfügung, die sich linear mit der Druckdifferenz ∆p ändert. 5 p1 Anschlusskontakt ("Bonding Pad") Si-Membran p2 Abb. 3: 2.3 Piezoresistives Si-Element Links: Schematische Darstellung eines piezoresistiven Drucksensors zur Messung eines Differenzdruckes ∆p = p2 – p1. Rechts: Blick in das Gehäuse des im Grundpraktikum eingesetzten Drucksensors. Innen rechts befindet sich auf einer kleinen Platine der in einen IC integrierte Sensor. Rechts außen sind die Schlauchanschlüsse zu erkennen (p1 = p-, p2 = p+). Abstandssensor auf Basis der Triangulation Zur Abstandsmessung wird ein Laserdistanzsensor eingesetzt (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35), der nach dem Prinzip der Triangulation arbeitet (s. Abb. 4 links). Aus einer Laserdiode gelangt ein kollimierter, dünner Laserstrahl auf die Oberfläche eines Objektes O, deren Abstand zur Bezugsebene E im Sensor gemessen werden soll. In einem bekannten seitlichen Abstand d vom Austritt des Laserstrahls befindet sich der Mittelpunkt eines Objektivs L. Mit diesem Objektiv wird das vom Punkt C auf dem Objekt gestreute Licht auf eine CCD-Zeile abgebildet 6. Es entsteht ein Bildpunkt A, der vom rechten Rand der CCD-Zeile um die Strecke q entfernt ist. Der Abstand q variiert mit der Entfernung s zwischen E und O. Für das Dreieck ABC (daher der Name Triangulation) gilt: (1) tan α = d +q s Außerdem gilt mit der Entfernung p zwischen der Mittenebene der Linse und der Frontseite der CCD-Zeile (Ebene E): (2) 4 5 6 tan α = q p Der Effekt ist der Widerstandsänderung eines metallischen DMS bei Dehnung vergleichbar. Die mit einer bestimmten Dehnung einhergehende Widerstandsänderung ist jedoch bei einem piezoresistiven Material erheblich größer als bei einem metallischen DMS. Für Metalle ist k = 2 – 4, für Si ist k ≈ 100 (vgl. Versuch „Messung ohmscher Widerstände…“). Die elektrische Verbindung (engl. Bond) zwischen der integrierten Schaltung und den piezoresistiven Elementen erfolgt über dünne Bonddrähte, die an den Bonding Pads angeschlossen sind. CCD: Charged Coupled Device. Eine CCD-Zeile besteht aus einer zeilenförmigen Anordnung von z.B. 128 oder 512 (oder mehr) kleinen Fotodetektoren (Pixeln), die jeweils eine Breite von wenigen Mikrometern haben. 36 d CCD q p B E A LD L s α O Abb. 4: C Links: Funktionsprinzip eines nach dem Prinzip der Triangulation arbeitenden Laserdistanzsensors (schematisch). Tatsächlich können Objektiv L und CCD-Zeile gegenüber der Horizontalen verkippt sein, um innerhalb des Messbereiches des Sensors Verzerrungen bei der Abbildung des Objektpunktes C zu minimieren. Rechts: Foto des im Grundpraktikum eingesetzten Laserdistanzsensors. Rechts unten befindet sich das Anschlusskabel, über das die Betriebsspannung zugeführt und das Ausgangssignal abgeleitet wird. Daraus folgt: d +q q = s p (3) → s= (d + q) p q In Kenntnis der Geräteparameter d und p lässt sich somit durch Messung der Größe q die Entfernung s bestimmen. Das Signal der CCD-Zeile wird von einem Mikroprozessor ausgelesen, der daraus die Größe q bestimmt und mit den bekannten geometrischen Daten d und p in ein Spannungssignal ULDS umrechnet, das sich mit s linear ändert. Dieses Signal steht am Ausgang des Laserdistanzsensors zur Verfügung. 2.4 Winkelsensor auf Basis des HALL-Effektes Für die Messung des Drehwinkels einer Achse wird ein Winkelsensor (Typ TWK-ELEKTRONIK PBA 12) eingesetzt, der auf dem HALL 7-Effekt basiert. Wir werden seine Funktion hier nur schematisch beschreiben. Eine detaillierte Behandlung des Hall-Effektes ist Vorlesungen späterer Semester vorbehalten. Wir betrachten gem. Abb. 5 einen Quader aus einem geeigneten Halbleitermaterial (grau), der in vertikaler Richtung von einem Magnetfeld B (blau) durchsetzt ist und in horizontaler Richtung von einem Strom I durchflossen wird. Im mikroskopischen Bild wird der Strom durch den Transport positiver und negativer Ladungsträger mit der Ladung ± q verursacht, die sich mit den Driftgeschwindigkeiten ± v bewegen. Aus der Schule ist bekannt, dass auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld die LORENTZkraft 8 F wirkt, die gegeben ist durch: (4) = F q v×B B I Abb. 5: 7 8 UH Zur schematischen Darstellung des Hall-Effektes. Bezeichnungen siehe Text. EDWIN H. HALL (1855 – 1938) HENDRIK A. LORENTZ (1853 – 1928) 37 Die Lorentzkraft bewirkt, dass sich in einer Anordnung gem. Abb. 5 die positiven Ladungsträger nach oben und die negativen Ladungsträger nach unten bewegen. In Folge dessen entsteht zwischen den Kontakten (schwarz) eine Hall-Spannung UH, für die gilt: UH ~ B (5) Aus Gl. (4) ist ersichtlich, dass der Betrag der Kraft F von dem Winkel α zwischen v und B abhängt. Es gilt: (6) = F q= v B sin α q v B⊥ wobei Β⊥ die Komponente von B ist, die senkrecht auf v steht. Mit einer Änderung der Kraft F geht eine proportionale Änderung der Hall-Spannung einher. Es gilt: U H ~ B⊥ (7) Gl. (7) bildet die Basis für den im Versuch eingesetzten Winkelsensor, dessen Funktionsprinzip schematisch in Abb. 6 dargestellt ist. Auf der Achse, deren Winkelstellung α gemessen werden soll, ist ein kleiner Permanentmagnet (rot/grün) montiert. Bei Drehung der Achse dreht sich das von ihm erzeugte Magnetfeld B um den gleichen Winkel. Dieses Feld durchsetzt zwei 9 Hall-Sonden H1 und H2. Je nach Orientierung von B liefern H1 und H2 unterschiedliche Hall-Spannungen, aus denen mit einem ASIC 10 die Ausgangspannung U des Winkelsensors erzeugt wird, die proportional zum Winkel α ist. H2 α H1 SN Abb. 6: 2.5 ASIC U Schematischer Aufbau des im Versuch eingesetzten Winkelsensors. Bezeichnungen siehe Text. Fotodetektoren Fotodetektoren dienen zur Detektion von Licht. Messbare Größen sind die Lichtleistung PL mit der Einheit W (Watt) bzw. die Lichtintensität IL mit der Einheit W/m2. Aus der Vielzahl verschiedener Fotodetektoren wollen wir uns hier auf die Fotodiode beschränken. Sie wandelt die Größen PL bzw. IL in einen elektrischen Strom I um, der sich linear mit PL bzw. IL ändert. Bei Bedarf kann ein Strom-Spannungswandler den Strom I in eine dazu proportionale elektrische Spannung U konvertieren. Für ein detailliertes Verständnis der Funktion einer Fotodiode sind Kenntnisse aus dem Bereich der Festkörperphysik und Halbleiterphysik erforderlich, die erst in späteren Semestern erarbeitet werden. Deshalb beschränken wir uns hier auf eine kurze Beschreibung der Grundlagen ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise. 2.5.1 Si-Halbleiter und pn-Übergang Fotodioden werden überwiegend aus kristallinem Silizium (Si), einem Halbleiter, hergestellt. In reinem (intrinsischem) Si ist jedes vierwertige Si-Atom von vier gleichen Nachbarn umgeben und mit diesen in kovalenter Bindung verbunden (Abb. 7). Alle vier äußeren Elektronen des Si sind damit räumlich fixiert. 9 10 Zwei Hall-Sonden sind erforderlich, um das Vorzeichen einer Winkeländerung eindeutig bestimmen zu können. Ein ASIC ist eine anwenderspezifische integrierte Schaltung (Application Specific Integrated Circuit). 38 Abb. 7: Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si Kristallstruktur von reinem Si. Die blauen Kreise stellen schematisch die an der kovalenten Bindung beteiligten Elektronen dar. Durch Dotierung von reinem Si mit fünfwertigen Atomen (Donatoren) entsteht n-Silizium (Abb. 8 links), ein n-Halbleiter 11. Für die kovalente Bindung des Donatoratoms mit den vier Si-Nachbarn werden nur vier Elektronen benötigt, das fünfte Elektron (negativer n-Ladungsträger) ist deshalb nur sehr schwach an den Rumpf des Donatoratoms gebunden. Es ist daher im Material nahezu frei beweglich. Durch Dotierung von reinem Si mit dreiwertigen Atomen (Akzeptoren) entsteht p-Silizium (Abb. 8 rechts), ein p-Halbleiter. In der kovalenten Bindung des Akzeptoratoms mit den vier Si-Nachbarn fehlt ein Elektron. Dadurch entsteht ein Loch, das sich wie ein positiver Ladungsträger verhält (p-Ladungsträger). Dieses Loch kann ein Elektron aus seiner Umgebung einfangen. Das eingefangene Elektron hinterlässt ein neues Loch, das wiederum ein Umgebungselektron einfangen kann usw. Auf diese Weise kann das Loch durch das Material wandern, es ist beweglich. Si Si Si Si Si Si Si Si Si Si As Si Si Si B Si p n Si Abb. 8: Si Si Si Si Si Si Si Links: Kristallstruktur von n-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch fünfwertige Atome ersetzt sind, hier Arsen (As). Das fünfte Valenzelektron des As bildet einen beweglichen n-Ladungsträger. Rechts: Kristallstruktur von p-Si, in dem einige vierwertige Si-Atome durch dreiwertige Atome ersetzt sind, hier Bor (B). Das fehlende Valenzelektron des B, ein sogenanntes Loch, bildet einen beweglichen pLadungsträger. Bringt man einen p- und einen n-Halbleiter zusammen, so entsteht ein pn-Übergang (Abb. 9). In der Kontaktregion gibt es große Konzentrationsunterschiede der n- und p-Ladungsträger. Deshalb diffundieren Löcher aus dem p-Si in das n-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Elektronen. Ebenso diffundieren Elektronen aus dem n-Si in das p-Si und rekombinieren dort mit den im Überschuss vorhandenen Löchern. Dadurch entsteht eine von beweglichen Ladungsträgern entleerte Zone (depletion zone), die sogenannte Sperrschicht S. In dieser Schicht lassen die diffundierten Elektronen positiv ionisierte Donatoren zurück, die diffundierten Löcher negativ ionisierte Akzeptoren (Abb. 10). Diese Ionen heißen Raumladungen, sie erzeugen in der Sperrschicht (Raumladungszone) ein elektrisches Feld E (built-in-Feld). 11 Die typische Dotierungskonzentration in Silizium, das für den Bau von Fotodioden verwendet wird, liegt in der Größenordnung von 1015 - 1017 Fremdatomen/cm3. Reines Si enthält ca. 0,5 × 1023 Si-Atome/cm3. 39 - p-Si n-Si + + + + E Abb. 9: Entstehung eines pn-Übergangs durch Kontakt zwischen zwei Schichten aus p-Si und n-Si. In der Übergangszone kommt es zur Diffusion von n-Ladungsträgern (blau) in das p-Si und von pLadungsträgern (rot) in das n-Si. Abb. 10: Nach Diffusion der p- und n-Ladungsträger bleiben in der n-Schicht positiv ionisierte Donatoren ⊕ zurück, in der p-Schicht negativ ionisierte Akzeptoren (-). Es entsteht eine Sperrschicht S (gelb), in der die Raumladungen ein elektrisches Feld E erzeugen. Die realen Breitenverhältnisse der p-, n- und Sperrschicht weichen von diesem Prinzipbild erheblich ab. 2.5.2 Funktionsprinzip einer Fotodiode Wir betrachten eine Fotodiode auf Basis eines pn-Übergangs gem. Abb. 10. Die Bestrahlung der Fotodiode mit Licht führt zur Absorption von Photonen. Deren Energie reicht aus, um im Silizium Elektron-LochPaare durch inneren Fotoeffekt zu erzeugen. Dabei werden Elektronen aus dem Valenz- ins Leitungsband gehoben und hinterlassen im Valenzband ein Loch. Die Zahl der erzeugten Elektron-Loch-Paare ist proportional zur Zahl der absorbierten Photonen und damit zur Leistung PL bzw. Intensität IL des einfallenden Lichtes. Die Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren findet im p-Bereich, im n-Bereich und in der Sperrschicht der Fotodiode statt. Die in der Sperrschicht erzeugten Ladungsträger können durch das dort herrschende elektrische Feld E direkt räumlich getrennt und beschleunigt werden (Abb. 11). Ladungsträger, die in der p- und n-Schicht erzeugt wurden, müssen vor ihrer Rekombination durch Diffusion in die Sperrschicht gelangen, bevor sie dort beschleunigt werden können. Photon p n S E Abb. 11: Erzeugung eines Elektron-Loch-Paares, hier durch Absorption eines Photons in der Sperrschicht S einer Fotodiode. Durch das elektrische Feld E werden die Ladungsträger (Elektron und Loch) getrennt und beschleunigt. Verbindet man die Anschlusskontakte der p- und n-Schicht miteinander (Abb. 12 links und Mitte), so fließt ein Fotostrom I, der sich aus einem Driftstrom (Photonenabsorption in der Sperrschicht) und einem Diffusionsstrom (Photonenabsorption außerhalb der Sperrschicht) zusammensetzt und der sich linear mit der Leistung PL bzw. Intensität IL des einfallenden Lichtes ändert. Dies ist die einfachste Betriebsart einer Fotodiode 12. Häufig werden Fotodioden mit einer von außen angelegten Sperrspannung US zwischen Anode und Kathode betrieben, die im Bereich einiger Volt liegt (Abb. 12 rechts). Dadurch wird die Sperrschicht S verbreitert. Dies führt zu einer Verringerung ihrer Kapazität C (Analogie zum → Plattenkondensator). Außerdem wird durch US die elektrische Feldstärke E in der Sperrschicht vergrößert, wodurch die Ladungsträger stärker beschleunigt werden. Beide Effekte führen zu einer Verringerung der Zeitkonstante τ = RC 13 des Ausgangssignals der Fotodiode bis hinunter in den 10 ns-Bereich. Damit lassen sich auch schnelle Änderungen von Lichtleistungen bzw. Lichtintensitäten registrieren. 12 13 Bei dieser Betriebsart wird oft auch von einem Fotoelement statt von einer Fotodiode gesprochen. R ist der für das Zeitverhalten maßgebliche Widerstand in der äußeren Beschaltung der Fotodiode. 40 A K p S n I I - + Us I Abb. 12: Links: schematische Darstellung einer pn-Fotodiode, deren Bestrahlung mit Licht zu einem Fotostrom I führt. Schwarz: Anschlusskontakte der p-Schicht (Anode A) und der n-Schicht (Kathode K). Mitte: zugehöriges Schaltbild. Der senkrechte Strich des Diodensymbols symbolisiert die Kathode K. Rechts: Schaltbild einer Fotodiode mit Sperrspannung US. 2.5.3 Technische Realisierung einer Fotodiode Zur Herstellung einer Fotodiode startet man gem. Abb. 13 (links) mit einem Stück n-Typ-Si (bulk-Material), das einige (10 – 100) µm dick ist. Auf das Material bringt man eine Maske aus SiO2 auf. Die Maske begrenzt die lichtempfindliche Fläche der Fotodiode auf den Bereich, der frei von SiO2 ist. Anschließend lässt man von oben durch Diffusion oder Ionen-Implantation dreiwertige Atome in das bulk-Material eindringen, bis sich durch diese Dotierung in einer dünnen Schicht (Dicke im Bereich 1 µm), der p-Schicht, ein Überschuss an p-Ladungsträgern gebildet hat. Zwischen dieser p-Schicht und dem n-Material bildet sich eine ebenfalls dünne Sperrschicht S aus (Dicke ebenfalls im µm-Bereich). Schließlich werden die pund n-Schicht mit metallischen Anschlusskontakten versehen (Abb. 13 links und rechts) und die Frontseite der Fotodiode bei Bedarf mit einer Antireflexschicht (AR) überzogen. Den Abschluss nach außen bildet in der Regel ein Schutzglas (G). AR SiO2 A G p S n K Abb. 13: Links: Schematische Darstellung einer Si-Fotodiode im Querschnitt. Die Antireflexschicht (AR) ist grün gezeichnet, die metallischen Anschlusskontakte schwarz. G ist ein Schutzglas. Mitte: Foto einer Fotodiode (SIEMENS BPW 34) mit nach außen gebogenen Lötkontakten. Auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich unten rechts der Anschlusskontakt der Anode A, der mit dem rechten Lötkontakt verbunden ist. Die „Fahne“ am linken Lötkontakt markiert diesen als Anschlusskontakt der Kathode K. Rechts: Vergrößerter Ausschnitt der Frontseite der Fotodiode unter dem Mikroskop. Unten rechts auf der schwarzen lichtempfindlichen Fläche befindet sich der Anoden-Kontakt von ca. 0,25 × 0,25 mm2 Größe mit einem Gold-Anschlussdraht (Bond-Draht) von ca. 25 µm Durchmesser. Der Draht ist rechts mit dem nach außen geführten Anoden-Lötkontakt verbunden. Der äußere Rand und Teile des Golddrahtes erscheinen unscharf, da auf die Ebene des Anoden-Kontaktes scharf gestellt wurde. 105 100 104 80 10 Srel / % α / cm-1 3 102 101 100 0.4 60 40 20 0.5 0.6 0.7 0.8 λ / µm 0.9 1.0 1.1 0 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 1.1 λ / µm Abb. 14: Links: Absorptionskoeffizient α von Silizium als Funktion der Wellenlänge λ (Datenquelle: A. M. GREEN, Solar Energy Materials & Solar Cells 92 (2008) 1305–1310). Rechts: Relative spektrale Empfindlichkeit Srel der Fotodiode SIEMENS BPW 34 als Funktion der Wellenlänge λ. (Datenquelle: SIEMENS-Datenblatt.) 41 Als spektrale Empfindlichkeit Sλ einer Fotodiode bei der Wellenlänge λ ist der Quotient aus Fotostrom I und eingestrahlter Lichtleistung PL definiert: Sλ (8) I mit [ Sλ ] A/W = PL Je größer die Wellenlänge λ des Lichtes ist, mit dem die Fotodiode beleuchtet wird, desto kleiner ist der Absorptionskoeffizient α (Abb. 14 links) und desto größer demnach die Eindringtiefe der Photonen. Kurzwelliges Licht wird zum großen Teil bereits im Schutzglas, der äußeren Antireflexschicht oder in der pSchicht absorbiert, langwelliges zum großen Teil erst in der n-Schicht. Je weiter entfernt von der Sperrschicht die Photonenabsorption stattfindet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ladungsträger in die Sperrschicht diffundieren können, bevor sie rekombinieren. Solche Photonen können deshalb nur zu einem geringeren Teil zum Fotostrom beitragen. Insgesamt ergibt sich damit eine von λ abhängige spektrale Empfindlichkeit der Fotodiode, die nach oben durch die Bandlücke des Halbleitermaterials begrenzt ist (ca. 1,1 µm für Si). Abb. 14 (rechts) zeigt als Beispiel die relative spektrale Empfindlichkeit Srel(λ) der im Praktikum eingesetzten Fotodiode. 3 Versuchsdurchführung Achtung: Beim Umgang mit Laserlicht muss darauf geachtet werden, dass weder der Laserstrahl direkt, noch reflektierte Strahlen in die Augen gelangen. Es besteht die Gefahr der Netzhautzerstörung durch lokal extrem hohe Intensitäten! Der Laserstrahl muss daher immer in einer Höhe unter ca. 1,2 m gehalten werden! Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter (AGILENT U1251B und FLUKE 112), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Kraftsensor (U-OL) mit Messverstärker (U-OL), Gewichtssatz, Aluminium-Ring, Laborwaage, Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Feder mit Stange und Kugel an Stativ, Becherglas mit Glycerin/Wasser-Gemisch (190 ml Wasser auf 1000 ml Glycerin), Grundplatte mit Winkelsensor (TWK-ELEKTRONIK PBA 12) und Handrad, Fotodiode SIEMENS BPW 34, Lochrasterplatine (8 × 5 cm2) zur Montage der Fotodiode mit Zubehör (50 ΩWiderstand, Kabel, Isolierband, Lötzinn), Lötstation, Abisolierzange, Abgreifklemmen, Helium-NeonLaser auf Dreieckschiene, Polarisationsfilter in THORLABS-Drehhalterung, U-Halter für Fotodiode, Reiter. Hinweis: Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren finden sich in Tab. 1 im Anhang (Kap. 4). 3.1 Kalibrierung eines Kraftsensors Der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor soll mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert werden. Zunächst wird der Kraftsensor mit dem Messverstärker verbunden, mit dem die Brückenspannung U auf die Spannung UM verstärkt wird. Der Messverstärker wird über ein Netzgerät mit Betriebsspannung versorgt, die Dämpfung wird eingeschaltet. Für mindestens 5 Gewichte G im Bereich (0 - 100) mN wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers mit einem Voltmeter gemessen. Zur Berechnung von G = mg aus den Massen m der Gewichte wird für die Erdbeschleunigung g der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenso wie m als fehlerfrei angenommen wird 14. Anschließend wird UM über G aufgetragen und die Kalibrierkurve ermittelt. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden. 14 Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. 42 Schließlich wird ein Aluminiumring, der in einem späteren Versuch zur Messung der Oberflächenspannung eingesetzt wird, an den Kraftsensor gehängt und die zugehörige Ausgangsspannung UM des Messverstärkers gemessen. Mit Hilfe der Kalibrierkurve wird daraus die Gewichtskraft G und die Masse m des Rings bestimmt. Der Größtfehler von m ergibt sich aus dem Größtfehler von UM, die Fehler der Parameter der Ausgleichsgeraden können vernachlässigt werden. Die Masse m wird zusätzlich mit einer Laborwaage ermittelt (Fehler vernachlässigbar). Beide Messwerte werden miteinander verglichen. 3.2 Kalibrierung eines Drucksensors Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen seinen beiden Schlauchanschlüssen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird. Der Schlauchanschluss mit der Kennzeichnung „-“ bleibt offen. Er steht dadurch in direktem Kontakt mit der Umgebungsluft. Der Anschluss mit der Kennzeichnung „+“ wird mit dem Gasvolumen verbunden, dessen Überdruck ∆p im Vergleich zum Umgebungsdruck gemessen werden soll. Für einen linearen Betrieb des Sensors muss bei dieser Betriebsart ∆p ≥ 0 sein, d.h. der Druck am „+“-Eingang muss immer größer sein als der Druck am „-“-Eingang. Die maximal zulässige Druckdifferenz beträgt ∆p = + 1,25 × 103 Pa, die bei einer Versorgungsspannung des Sensors von + 5 V (Netzgerät) in ein Spannungssignal von U = U0 + 2 V umgesetzt wird (U0 = 2,25 V) 15. Die Druckdifferenz ∆p = 0 Pa erzeugt eine Spannung von U = U0 + 0 V = U0. Für Druckdifferenzen zwischen 0 Pa und 1,25 × 103 Pa ergeben sich Ausgangspannungen im Bereich U0 ≤ U ≤ U0 + 2 V 16. Die für die Kalibrierung des Sensors benötigten Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem. Abb. 15 einstellen. Das Luftvolumen in einem luftdicht verschlossenen ERLENMEYER-Kolben E ist über ein Leitungs- und Schlauchsystem mit dem Drucksensor D und einem U-Rohr-Manometer M verbunden (Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Der Druck p in diesem Volumen kann durch Variation des Wasserstandes in E verändert werden. Diese Variation erfolgt durch Heben oder Senken eines mit Wasser gefüllten Vorratsgefäßes V mit Hilfe eines Scherentisches S. V und E sind über einen beidseitig in das Wasser eintauchenden Schlauch miteinander verbunden. Die Differenz zwischen dem Druck p in E und dem Umgebungsluftdruck pL, ∆p = p − pL (9) kann mit Hilfe des U-Rohr-Manometers gemessen werden. Sie ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch: (10) ∆p =ρ m hm g wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist (g wie in Kap. 3.1). Für die Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein als fehlerfrei angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden. Frage 1: Wie groß darf hm höchstens sein, damit die maximale Druckdifferenz des Sensors nicht überschritten wird? Für mindestens 5 verschiedene Druckdifferenzen (zugehörige Höhen hm ausmessen) wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors D mit einem Voltmeter gemessen. U wird über ∆p (Gl. (10)) aufgetragen. Für ∆p werden Fehlerbalken eingezeichnet, die sich aus dem Größtfehler der Höhen hm ergeben. Schließlich wird die Kalibrierkurve ermittelt und eingezeichnet. Da der Sensor linear arbeitet, ist die Kalibrierkurve eine Gerade, deren Parameter mit Hilfe der linearen Regression bestimmt werden. 15 16 Man könnte den Sensor auch so betreiben, dass der Anschluss „+“ in Kontakt mit der Umgebungsluft steht und am Anschluss „-“ ein Unterdruck herrscht. Die maximale Druckdifferenz wäre in diesem Fall ∆p = - 1,25 × 103 Pa, die in ein Spannungssignal von U = U0 - 2 V umgesetzt wird. U0 und U variieren mit der Betriebsspannung (nominell 5 V). Eine einmal eingestellte Spannung darf deshalb während der Messung nicht verändert werden. 43 Hinweis zum Rauschen: Das elektronische Rauschen des Drucksensors (s. Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)) führt zu Schwankungen der Ausgangsspannung U, die sich mit Hilfe der Kalibrierkurve in ein Rauschen des Drucksignals umrechnen lassen. Dieses Rauschen liegt unterhalb der Fluktuationen in den Druckwerten nach Gl.(10), die sich aus der beschränkten Ablesegenauigkeit der Höhendifferenz hm ergeben. Es kann deshalb bei den durchzuführenden Messungen vernachlässigt werden. M hm H1 Wasser pL H2 -+ D Luft, Druck p V E Wasser S Abb. 15: Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck pL. Einzelheiten siehe Text. 3.3 Abstandsmessung mit einem Laser-Distanzsensor Mit einem Laser-Distanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35) soll das zeitliche Verhalten einer gedämpften harmonischen Schwingung untersucht werden. Gesucht sind die Kreisfrequenz ω der Schwingung und die Dämpfungskonstante α. Zur Messung beider Größen wird wie folgt vorgegangen. An einer Feder ist gem. Abb. 16 über eine Stange S eine Kugel K befestigt, die zur Dämpfung ihrer Bewegung in ein Becherglas B mit einem Glycerin-Wasser-Gemisch eintaucht. Die Stange S wird um einige Zentimeter nach unten ausgelenkt und dann losgelassen (Messbereich des Sensors beachten, s. Tab. 1 im Anhang (Kap. 4)). Kugel und Stange führen danach eine gedämpfte harmonische Oszillation aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x, lässt sich als Funktion der Zeit t durch folgende Gleichung beschreiben: (11) x ( t ) = x0 e −α t cos (ω t ) Darin ist x0 die Anfangsamplitude (d.h. die anfängliche Auslenkung der Kugel), ω die Kreisfrequenz der Schwingung und α die Dämpfungskonstante. Zum Zeitpunkt des Loslassens der Stange sei t = 0. LDS Feder s R S K B Abb. 16: Messung des Verlaufs einer gedämpften harmonischen Schwingung mit einem Laserdistanzsensor LDS. 44 Die Auslenkung x(t) wird mit dem Laserdistanzsensor in ein Spannungssignal U(t) umgesetzt. Dazu ist an der Stange S eine Reflektorscheibe R angebracht, auf die der Laserstrahl des Sensors gerichtet wird. Die Ausgangsspannung des Sensors ist gegeben durch: U ( t ) U 0 e −α t cos (ω t ) + U DC = (12) Dabei ist UDC ein Gleichspannungsanteil, der vom Abstand zwischen dem Laserdistanzsensor LDS und der Reflektorscheibe R in der Ruhelage der Kugel abhängt (s. Abb. 17). 7.0 6.5 U1 6.0 U2 U/ V 5.5 5.0 4.5 4.0 3.5 3.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 t/s Abb. 17: Exemplarische Darstellung des Ausgangssignals des Laserdistanzsensors gem. Gl. (12). In diesem Beispiel ist U0 = 2 V und UDC = 5 V. Die Spannungen Ui werden zu den Zeitpunkten ti gemessen (hier t0 = 0 s, t1 = 0,2 s, t2 = 0,4 s,…). U(t) wird mit einem Digital-Oszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus aufgezeichnet. Aus der aufgezeichneten Kurve wird mit Hilfe der Zeit-Cursor die Frequenz f der gedämpften Schwingung ermittelt und daraus ω berechnet. Zur Bestimmung der Dämpfungskonstante α werden die Amplituden Ui der Teilschwingungen zu den Zeiten ti (i = 0, 1, 2, …) mit Hilfe der Spannungs-Cursor gemessen (Abb. 17). Für Ui und ti müssen keine Fehler angegeben werden. Ui wird über ti in einem halblogarithmischen Diagramm dargestellt (Ui auf logarithmischer Achse). Wird für die Skalierung der Ordinate der natürliche Logarithmus verwendet, entspricht α der Steigung der Ausgleichsgeraden durch die Messwerte 17. Durch Kalibrierung des Sensors ist es möglich, den Spannungsverlauf U(t) in die Größe x(t) umzurechnen. Frage 2: Wie müsste man vorgehen, um eine Kalibrierkurve zu erstellen? Wegen des linearen Zusammenhangs zwischen U(t) und x(t) ergäbe sich für x(t) ein zu U(t) analoger Funktionsverlauf. Deshalb soll hier auf die Kalibrierung und Umrechnung verzichtet werden. Frage 3: Wie ließe sich aus dem Verlauf von x(t) die Geschwindigkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) gewinnen? 3.4 Messung eines Übersetzungsverhältnisses mit einem Winkelsensor Auf einer Grundplatte sind gem. Abb. 18 ein Handrad H und ein Winkelsensor W befestigt. Auf der Drehachse des Winkelsensors ist eine Scheibe mit einem O-Ring montiert, der gegen den Rand des Handrades drückt. Die Ausgangsspannung U des Winkelsensors ändert sich bei einer vollständigen Umdrehung der Achse des Winkelsensors linear zwischen Umin (ca. 0 V) und Umax (ca. 5 V). Das Handrad wird einmal von β = 0° auf β = 360° (also um 2π) gedreht. Dadurch dreht sich W um den Winkel α > 2π. Durch Messung von Umin, Umax, Uβ = 0°, Uβ = 360° mit einem Voltmeter sowie der Zahl n der während der Änderung von β stattfindenden Spannungssprünge von Umax nach Umin wird das Übersetzungsverhältnis V = α/2π zwischen der Drehung des Handrades und der Drehung von W bestimmt. Eine Fehlerangabe für V ist nicht nötig. 17 Hinweise zur linearen Regression in (halb)-logarithmischen Diagrammen im Kap. „Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik“ beachten („scheinbarer Fit“ bzw. „Apparent Fit“). 45 α W H β O-Ring Abb. 18: Winkelsensor W mit O-Ring, der an den Rand eines Handrades H drückt. Bei Drehung des Handrades um den Winkel β dreht sich der O-Ring und damit die Achse von W um den Winkel α. U Umax Uβ = 360° Uβ = 0° Umin 0° 360° β Abb. 19: Ausgangsspannung U des Winkelsensors bei Drehung des Handrades aus Abb. 18 um β = 360° (exemplarisch!). In der Handrad-Stellung β = 0° steht die Achse des Winkelsensors an beliebiger Winkelposition, bei der der Winkelsensor die Spannung Uβ = 0° ausgibt. 3.5 Messungen mit einer Fotodiode 3.5.1 Linearität des Ausgangssignals einer Fotodiode Ziel der Messung ist die Überprüfung des linearen Zusammenhangs zwischen dem Fotostrom einer Fotodiode und der einfallenden Lichtintensität. Die Fotodiode vom Typ Siemens BPW 34 18 (Abb. 13) wird auf das obere Ende einer Lochrasterplatine gelötet. Für die Anode und die Kathode werden Anschlusskabel hergestellt, an den Enden verzinnt und angelötet. An den freien Kabelenden werden Abgreifklemmen angeschlossen, über die der Anschluss der Fotodiode an ein Amperemeter (AGILENT U1251B) mit Hilfe von Laborkabeln erfolgt. Das untere Ende der Platine wird mit Isolierband umwickelt und in einem U-Halter befestigt. Zur Überprüfung der Linearität der Fotodiode muss sie mit Licht unterschiedlicher Intensität IL beleuchtet werden. Unterschiedliche Lichtintensitäten sind mit einem Laser und einem idealen Polarisationsfilter (kurz: Polfilter) einfach herzustellen. Wir verwenden einen Helium-Neon-Laser (λ ≈ 633 nm), der linear polarisiertes Licht emittiert, d.h. das elektrische Feld E der Lichtwelle schwingt nur in einer Richtung. Dieses Licht wird durch einen drehbaren Polfilter geschickt, der die Eigenschaft hat, nur eine Richtung des E-Feldes einer Lichtwelle durchzulassen. Ist P die Durchlassrichtung des Polfilters, E die Richtung des elektrischen Feldes der auf den Filter einfallenden Lichtwelle und α der Winkel zwischen E und P, so wird nur die Komponenten Et von E durchgelassen, die parallel zu P liegt. Diese Komponente ist nach Abb. 20: (13) Et = E cos α Die Intensität einer Lichtwelle ist bis auf einen Proportionalitätsfaktor k durch das Quadrat ihrer Amplitude E = |E| gegeben. Ist IL die Intensität des Laserlichtes, so folgt demnach für die vom Polfilter durchgelassene Intensität IP gem. Gl. (13) das Gesetz von MALUS 19: (14) = I P k= Et2 k E 2 cos 2 = (α ) I L cos 2 (α ) Durch Drehung des Polfilters um den Winkel α lassen sich demnach hinter dem Polfilter unterschiedliche Lichtintensitäten IP einstellen. 18 19 BPW 34 ist eine PIN-Fotodiode, die etwas anders aufgebaut ist als eine in dieser Anleitung beschriebene pn-Fotodiode. Auf die Einzelheiten des Unterschieds beider Typen soll hier nicht weiter eingegangen werden, da er für die hier durchzuführenden Versuche nicht relevant ist. ETIENNE LOUIS MALUS (1775–1812). Die Absorption des Polfilters, die für E || P gemessen werden kann, wird hier nicht berücksichtigt. 46 P E α Et Abb. 20: Durchgang einer linear polarisierten Lichtwelle mit dem elektrischen Feldvektor E durch einen Polfilter mit der Durchlassrichtung P. Hinter den auf einer Dreieckschiene stehenden Laser wird der Polfilter P und dahinter die Fotodiode FD montiert. Die Fotodiode wird so ausgerichtet, dass der Laserstrahl sie mittig trifft. Zunächst muss die Orientierung von E der vom Laser emittierten Lichtwelle gefunden werden. Dazu wird der Strom I der Fotodiode bei Änderung der Winkelstellung P des Polfilters gemessen. I ist minimal, wenn E und P orthogonal zueinander stehen. In dieser Stellung ist α = 90°. Auf der Winkelskala des Polfilters wird dann ein Wert β angezeigt. Da die Orientierung des Lasers in seiner Halterung beliebig sein kann, ist i. A. β ≠ α. Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID der Fotodiode gemessen. Danach wird der Verschluss wieder geöffnet und der Fotostrom I für verschiedene Winkel α gemessen (α = (0, 10, 20,…,90)°), die sich mit Hilfe der Winkelskala am Polfilter einstellen lassen. Die Stromdifferenz (15) Iα= I − I D ist proportional zur Lichtintensität IP. Iα wird über cos2(α) aufgetragen und mit Hilfe der linearen Regression eine Ausgleichsgerade eingezeichnet. Anhand der Verteilung der Messpunkte um die Ausgleichsgerade lässt sich die Linearität der Fotodiode beurteilen. Zufällige Streuungen der Messpunkte um die Ausgleichsgerade sind auf die realen Eigenschaften des Polfilters zurückzuführen, systematische Abweichungen würden auf ein nichtlineares Verhalten der Fotodiode hindeuten. 3.5.2 Messung der Leistung von Laserlicht Für die verwendete Fotodiode BPW 34 kann die spektrale Empfindlichkeit Sλ bei der Wellenlänge λ = 850 nm aus dem Datenblatt entnommen werden. Es ist S850 nm = 0,62 A/W (ohne Fehlerangabe). In Kenntnis der relativen spektralen Empfindlichkeit Srel für λ = 633 nm (Abb. 14 rechts) kann daraus die spektrale Empfindlichkeit Sλ für die Wellenlänge des Laserlichtes (λ ≈ 633 nm) bestimmt werden: (16) S633 nm = S850 nm S rel ( 633 nm ) 100 S rel in % Zur Messung der Leistung PL des Laserlichtes wird der Polfilter aus dem Versuchsaufbau entfernt, die Fotodiode direkt mit dem Licht des Lasers bestrahlt und der Fotostrom I633 nm gemessen. Anschließend wird der Verschluss des Lasers geschlossen und der Dunkelstrom ID gemessen. Die Differenz I = I633 nm - ID ist der Nettostrom, der für die Bestimmung von PL nach Gl. (8) benötigt wird. Für die Berechnung des Fehlers von PL ist nur der Ablesefehler für Srel zu berücksichtigen. Zusätzlich zum Messwert wird die Nummer des verwendeten Lasers angegeben. 3.5.3 Messung der Geschwindigkeit einer Fingerbewegung Im folgenden Experiment soll gemessen werden, wie schnell ein waagerecht ausgestreckter Finger um ca. (30 – 40)° nach unten bewegt werden kann – einem Klaviervirtuosen gelingt das sicher deutlich schneller als anderen Menschen. Dazu wird die Fingerspitze über den Laserstrahl gehalten und der Finger (nicht die Hand) dann schnellstmöglich nach unten bewegt. Dabei unterbricht die Fingerspitze den Laserstrahl. Die 47 Zeitdauer der Unterbrechung wird mit der Fotodiode gemessen und soll als Maß für die Schnelligkeit dienen. Der Einfluss der Fingerdicke bleibt unberücksichtigt. Die Messung soll mit einem Digitaloszilloskop im SINGLE-SEQ-Modus erfolgen. Dazu muss zum einen der Fotostrom I in eine Spannung U umgeformt werden. Dies lässt sich im einfachsten Fall dadurch realisieren, dass I durch einen Widerstand R fließt, über dem die Spannung U = RI abgegriffen werden kann 20. Zum anderen muss die Fotodiode mit einer Sperrspannung US betrieben werden, damit die Zeitkonstante reduziert wird (vgl. Kap. 2.5.2). Dies ist Voraussetzung für die Messung schneller Änderungen der Lichtintensität. Abb. 21 zeigt das zugehörige Schaltbild. Zum Aufbau der Schaltung nach Abb. 21 wird der Widerstand R ≈ 50 Ω mit auf die Lochrasterplatine gelötet und mit einem Anschlusskabel versehen. Die Sperrspannung soll Us = 10 V betragen. Anschließend erfolgt die beschriebene Messung für den Zeigefinger und den Ringfinger der rechten und linken Hand. Frage 4: Ergeben sich signifikante Unterschiede? R - + Us U Abb. 21: Beschaltung einer Fotodiode zur Messung schneller Änderungen der Lichtintensität IL als Funktion der Zeit t. Der zeitliche Verlauf der Spannung, U(t) ~ IL(t), kann mit einem Digital-Oszilloskop aufgezeichnet werden. 4 Anhang Tab. 1: Ausgewählte Kenndaten der eingesetzten Sensoren soweit verfügbar bzw. angebbar. Größe Typ Messbereich Kraft U-OL 227/10 Auflösung Ansprechzeit Rauschen (0 – 100) mN < 0,5 ms ± 0,7 mV (0 – 1250) Pa 0,5 ms ± 4 mV 21 < 0,9 ms < ± 5 mV 0,35° < 0,4 ms < 0,5° SENSORTECHNICS Druck HCLA 12X5DB BAUMER Abstand Winkel Lichtleistung 20 21 22 23 OADM 12U6460/S35 TWKELEKTRONIK PBA 12 SIEMENS BPW 34 (16 – 120) mm (0 – 360)° (0,002 – 0,12) mm 20 ns 22 NEP 23 4,1 × 10-14 W/Hz-1/2 In der fortgeschrittenen Messtechnik wird für die Strom/Spannungswandlung üblicherweise ein sogenannter Transimpedanzverstärker auf Basis eines Operationsverstärkers eingesetzt. Entsprechende Komponenten werden in Teil II des Grundpraktikums behandelt. Je kleiner der Abstand zwischen LDS und Messobjekt, desto besser die Auflösung. Abhängig von der Beschaltung. NEP: noise equivalent power = rauschäquivalente Strahlungsleistung. 48 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Kraft, Impuls und Kraftstoß Stichworte: Kraft, Federkraft, HOOKEsches Gesetz, NEWTONsche Axiome, Impuls, Kraftstoß, harmonische Schwingung, Abstandsgesetz für Kräfte Messprogramm: Kalibrierung eines Kraftsensors, Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung, Anziehungskraft zwischen zwei Magneten, Kraftstoß und Impulsänderung bei einem elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ MESCHEDE, D. [Hrsg.]: "Gerthsen Physik", Springer, Berlin 1 Einleitung Dieser Versuch ist vor allem der quantitativen Messung von Kräften gewidmet. Im ersten Teil wird der Zusammenhang zwischen Kraft und Auslenkung bei einer mechanischen, harmonischen Schwingung untersucht. Der zweite Teil widmet sich dem Abstandsgesetz bei der Kraftwirkung zwischen zwei Magneten. Im dritten und letzten Teil geht es um den Zusammenhang zwischen Kraft und Impuls bzw. Kraftstoß. 2 Theorie 2.1 Harmonische Schwingung: Kraft und Auslenkung Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, wie wir sie in ähnlicher Form bereits im Versuch „Sensoren für Kraft…“ kennen gelernt haben. An einem Kraftsensor S hängt eine Feder FE. Am unteren Ende der Feder ist über eine Stange ST eine Kugel K befestigt. Zusätzlich ist an der Stange eine Reflektorscheibe R montiert. LDS S FE R ST K F0 Abb. 1: 0 x0 x Anordnung zur Messung der Kraft und der Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung. Bezeichnungen siehe Text. In der Ruhelage der Kugel sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft von ST, K und R und die nach oben gerichtete Federkraft im Gleichgewicht. Der Mittelpunkt der Kugel befindet sich dann in der Ruhelage bei x = 0. Durch eine zusätzliche senkrecht nach unten gerichtete Kraft F0 wird die Kugel um die Strecke x0 nach unten ausgelenkt 1. Zur Zeit t = 0 wird die Kugel losgelassen und durch die Zugkraft F der Feder nach oben beschleunigt. Für F gilt nach dem HOOKEschen Gesetz mit der Federkonstanten D: 1 Da F0 und alle weiteren betrachteten Kräfte nur in x-Richtung wirken, reicht eine Beschreibung mit skalaren Größen. 49 F = − D x0 (1) Anschließend führt die Kugel eine harmonische Schwingung in x-Richtung aus. Die Auslenkung aus der Ruhelage, x(t), die mit einem Laser-Distanzsensor LDS gemessen werden kann, wird unter Vernachlässigung von Reibungseffekten durch folgende Gleichung beschrieben 2: x ( t ) = x0 cos (ω t ) (2) Darin ist ω die Kreisfrequenz der Schwingung, die gegeben ist durch: ω= (3) D m m ist die für die Schwingung maßgebliche Masse, für die gilt: m = mK + mST + mR + (4) 1 mFE 3 mK, mST, mR und mFE sind die Massen der Kugel, der Stange, der Reflektorscheibe und der Feder 3. Die Geschwindigkeit v(t) der Kugel erhält man durch Differentiation von x(t) nach der Zeit: v ( t ) = − x0 ω sin (ω t ) (5) Die Beschleunigung a(t) erhält man durch Differentiation der Geschwindigkeit nach der Zeit: a ( t ) = − x0 ω 2 cos (ω t ) (6) Damit folgt für die Kraft F(t), die die Feder auf m ausübt: − m x0 ω 2 cos (ω t ) = − F0 cos (ω t ) F (t ) = m a (t ) = (7) mit F0 = m x0 ω 2 (8) Frage 1: - Die Kraft F(t) hat je nach Lage x(t) der Kugel ein positives oder negatives Vorzeichen. In welchem Bereich wirkt die Feder als Zugfeder bzw. als Druckfeder? In der Ruhelage der Kugel misst der Kraftsensor S die Gewichtskraft G von FE, ST, R und K. Wird die Kugel aus der Ruhelage mit der Kraft F0 nach unten gezogen, misst S nach dem 3. NEWTONschen Axiom4 actio = reactio die Kraft FS =G + F0 =G − F ( t =0 ) (9) mit F(t) nach Gl. (7). Nach dem Loslassen der Kugel misst S die Kraft (10) FS ( t= ) G − F (t ) Nach Abzug von G liefert S also F(t) nach Gl. (7) mit umgekehrtem Vorzeichen. 2 3 4 Eine detaillierte mathematische Beschreibung der Schwingung erfolgt im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“. Der Zusammenhang nach Gl. (4) wird im späteren Versuch „Erzwungene mechanische Schwingungen“ erläutert. ISAAC NEWTON (1643 – 1727) 50 2.2 Abstandsgesetz für magnetische Kraft Die Gravitationskraft FG zwischen zwei Massen m1 und m2 im Abstand r ist bekanntlich durch das NEWTONsche Gravitationsgesetz gegeben: (11) FG = G m1 m2 rˆ r2 Dabei ist G die Gravitationskonstante und r̂ der Einheitsvektor in Richtung der Verbindungslinie der Mittelpunkte beider Massen 5. Da die Kraft mit dem Quadrat des Abstandes r abnimmt, spricht man von einem 1/r2-Gesetz. Auch das COULOMB-Gesetz, das die Kraft FE zwischen zwei elektrischen Ladungen q1 und q2 im Vakuum beschreibt, ist ein 1/r2-Gesetz. Es lautet: (12) FE = 1 q1 q2 rˆ 4πε 0 r 2 wobei ε0 die elektrische Feldkonstante ist und r und r̂ analog zum Gravitationsgesetz definiert sind. Für Ladungen mit ungleichen Vorzeichen ergibt sich eine anziehende Kraft, für Ladungen mit gleichen Vorzeichen eine abstoßende Kraft. Auch für die Kraft zwischen zwei Magneten gilt unter bestimmten Bedingungen ein 1/r2 Gesetz. Wir betrachten dazu gem. Abb. 2 zwei Stabmagneten, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. Die „Stärke“ solcher Magnete kann man unter dieser Voraussetzung durch Polstärken P beschreiben, die mit unterschiedlichen Vorzeichen am Nord- und Südpol des jeweiligen Magneten herrschen und als punktförmig angenommen werden können 6. Die Kraft zwischen zwei Magneten wird dann durch folgendes Gesetz beschrieben, das auch als COULOMBgesetz für Magnete bezeichnet wird: (13) FM = µ0 P1 P2 rˆ 4π r 2 µ0 ist die magnetische Feldkonstante und r und r̂ sind wiederum analog zum Gravitationsgesetz definiert. Bei ungleichnamigen Polen ist die Kraft anziehend, bei gleichnamigen abstoßend. P1 P2 r Abb. 2: 2.3 Zum Abstandsgesetz für magnetische Kräfte. P1 und P2 sind die Polstärken der Magnete, deren Längen groß gegenüber ihren Durchmessern sind. r ist der Abstand beider Magnete, der zwischen den Polen gemessen wird. Impuls und Kraftstoß Der Bewegungszustand eines Körpers der Masse m, der sich geradlinig mit gleichförmiger Geschwindigkeit v bewegt, wird mit dem Impuls (14) p = mv beschrieben. Nach dem 1. NEWTONschen Axiom ist eine Änderung des Impulses nur möglich, wenn eine Kraft F auf den Körper einwirkt. Die durch F bewirkte zeitliche Änderung des Impulses ist nach dem 2. NEWTONschen Axiom gegeben durch 5 6 Streng genommen gilt Gl. (11) nur für punktförmige Massen im Abstand r. Bei annähernd kugelförmigen Massen mit symmetrischer Massenverteilung um den Mittelpunkt (z.B. beim System Erde und Mond) ergibt sich jedoch der gleiche Zusammenhang. r beschreibt dann den Abstand beider Mittelpunkte. Die magnetische Polstärke P wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hier ist die Größe mit der Einheit [P] = A m gemeint. 51 (15) F= dp dt Gl. (15) kann man auch in der Form (16) dp = F dt schreiben. Sie besagt, dass eine Kraft F, die während der Zeit dt auf einen Körper einwirkt, eine Impulsänderung dp verursacht. Das Produkt F dt wird auch als Kraftstoß bezeichnet. E gilt also: Kraftstoß = Impulsänderung K2 v1' α K1 Abb. 3: v1 Zum elastischen Stoß zweier Körper K1 und K2. Wir betrachten nun gem. Abb. 3 den elastischen Stoß eines Körpers K1 der Masse m1 mit einem ruhenden Körper K2, dessen Masse m2 sehr viel größer als m1 ist. K1 möge sich anfänglich geradlinig mit der Geschwindigkeit v1 auf K2 zu bewegen (v2 = 0) und unter dem Winkel α auf K2 auftreffen. Nach dem Stoß ' bewegt sich K1 mit der Geschwindigkeit v1 von K2 fort, wobei der Strich (‘) hier und i. F. Größen nach ' dem Stoß kennzeichnet. Im Fall m2 → ∞, der hier betrachtet werden soll, gilt v 2 → 0 . Der Impuls von K1 vor und nach dem Stoß ist demnach: (17) p1 = m1 v1 p1' = m1 v1' mit v1 ≈ v1' . Die kinetische Energie von K1 ist also vor und nach dem Stoß nahezu gleich: (18) 2 1 1 2 m1 v1 ≈ m1 v1' 2 2 Auf K2 wird unter den genannten Voraussetzungen praktisch keine kinetische Energie übertragen. Die Impulsänderung, die K1 durch den Stoß erfährt, ist (19) ∆p = p1' − p1 = m1 ( v1' − v1 ) Sie muss gleich dem Impuls sein, den K2 aufnimmt: (20) ∆p = p '2 = m2 v '2 Gl. (20) ist nicht im Widerspruch zur Tatsache, dass K2 bei dem Stoß wegen v2' → 0 praktisch keine kinetische Energie aufnimmt. Dies erkennt man gut aus dem Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und Impuls: (21) = Ekin,2 p '2 2 1 = m2 v '2 2 2 2 m2 52 Für m2 → ∞ geht die kinetische Energie demnach auch bei endlichem Impuls p '2 gegen Null. Die Impulsänderung ∆p von K1 muss dem gesamten (integralen) Kraftstoß entsprechen, den K2 beim Stoßprozess auf K1 ausübt. Dieser Kraftstoß ist nach Gl. (16) gegeben durch: τ (22) ∆p = ∫ F ( t ) dt 0 Hierbei ist F(t) die während der Dauer τ des Stoßes wirkende Kraft. Sie sorgt zunächst für die Abbremsung von K1 von der Geschwindigkeit v1 auf die Geschwindigkeit 0 und anschließend zu seiner Beschleunigung ' auf die Geschwindigkeit v1 . Zum anschaulichen Verständnis des Stoßvorgangs kann man sich K2 als Feder vorstellen, die zunächst von K1 zusammengedrückt wird, bis seine Geschwindigkeit 0 ist, und die sich ' anschließend wieder entspannt und dabei K1 auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Kraftsensor auf DMS-Prinzip (Messbereich (0 – 5) N), Messverstärker für Kraftsensor, Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, 2 Netzgeräte (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Feder mit Kugel, Stange und Reflektorscheibe, Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), Stabmagnete in Al-Halterungen mit Haltestangen, PVC-Abstandsstück, Führung für Stabmagnet, Verschiebetisch, Luftkissenbahn, Schlitten für Luftkissenbahn mit Blende und Al-Würfeln, Gabellichtschranke (BETA-SENSORIK GLS-30BP/R), Haken für Kraftsensor, Stativ auf Grundplatte, Stativstangen, Stativsäule, Kreuzverbinder, Messschieber. 3.1 Kalibrierung des Kraftsensors Der in den folgenden Versuchen eingesetzte Kraftsensor arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie der Sensor, der im Versuch „Sensoren für Kraft…“ eingesetzt wurde. Beide Sensoren unterscheiden sich lediglich in ihrem Messbereich (hier: 5 N, vormals 100 mN) 7. Die Kalibrierung des Sensors erfolgt mit mindestens fünf Massestücken im Bereich m ≈ (50 – 500) g. Die Ausgangsspannung U des Kraftsensors 8 wird mit dem Oszilloskop 9 gemessen. U wird über G = mg aufgetragen, wobei für die Erdbeschleunigung g der Wert von g = 9,8133 m/s2 verwendet wird, der als fehlerfrei angenommen werden kann. Durch die Daten wird eine Ausgleichsgerade gelegt, deren Parameter für die spätere Umrechnung von Spannung in Kraft verwendet werden. 3.2 Kraft und Auslenkung bei einer harmonischen Schwingung Mit einer Anordnung gem. Abb. 1 sollen die Kraft F(t) und die Auslenkung x(t) bei einer harmonischen Schwingung gemessen werden. Zunächst werden die Massen der Feder und des Systems Stange/Reflektorscheibe/Kugel durch Wiegen bestimmt. Anschließend werden alle Komponenten wie in Abb. 1 an den Kraftsensor S gehängt, der an ein Stativ montiert wird. Am selben Stativ ist auch der LaserDistanzsensor LDS befestigt. Seine Höhe wird so justiert, dass die Reflektorscheibe bei der zu messenden Schwingung innerhalb seines Messbereiches bleibt. Anschließend wird die Kugel mit der Hand etwa 20 mm möglichst senkrecht nach unten ausgelenkt und losgelassen. 7 8 9 Aus diesem Grund muss hier die Dämpfung ausgeschaltet sein. Der Einfachheit halber wird hier und i. F. der Begriff „Ausgangsspannung des Kraftsensors“ verwendet, wenn die Ausgangsspannung des mit dem eigentlichen Kraftsensor verbundenen Messverstärkers gemeint ist. Da bei den folgenden Messungen die Spannung U jeweils mit dem Oszilloskop gemessen wird, erfolgt auch hier die Messung von U mit dem Oszilloskop statt mit einem Multimeter, um Differenzen in den Messwerten durch unterschiedliche Kalibrierungen von Oszilloskop und Multimeter zu vermeiden. 53 Die Ausgangsspannung des LDS, ULDS(t), und die Ausgangsspannung des Kraftsensors, US(t), werden mit einem Speicheroszilloskop aufgezeichnet, das auf ULDS getriggert wird. Die Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass 5 – 10 Perioden der Schwingung auf dem Bildschirm sichtbar sind. Nach dem Einschwingen wird im single-sequence-Modus ein typischer Schwingungsvorgang gespeichert und als Bildschirmfoto dem Protokoll beigefügt. Mit Hilfe der Zeitcursor wird die Periodendauer der Schwingung bestimmt und daraus die Kreisfrequenz ω berechnet. Die Amplituden (Index 0) von ULDS(t) und US(t) einer ausgewählten Teilschwingung werden mit Hilfe der Spannungscursor gemessen: (23) U LDS,0 = (U LDSmax − U LDS,min ) / 2 U S ,0 = (U S,max − U S,min ) / 2 Mit dem als fehlerfrei angenommenen Kalibrierfaktor k des LDS für Spannungsdifferenzen, k = 0, 0962 V/mm kann die Schwingungsamplitude x0, und mit Hilfe von Gl. (8) daraus die Kraft F0, bestimmt werden. Dabei ist die Masse m mit Hilfe von Gl. (4) zu berechnen und ω wird mit Hilfe des Oszilloskops bestimmt. Analog dazu kann aus Us,0 und den Daten der Kalibrierfunktion des Kraftsensors ebenfalls die Kraft F0 bestimmt werden. Beide Ergebnisse sollen miteinander verglichen werden . Frage 2: - Was können Gründe für eine mögliche Abweichung beider Größen sein? 3.3 Anziehungskraft zwischen zwei Magneten Mit einer Anordnung gem. Abb. 4 soll die Gültigkeit des Abstandsgesetzes für die Anziehungskraft zwischen zwei Magneten nach Gl. (13) überprüft werden. Beide Magnete sind in Al-Hülsen gefasst, die auf Stangen geschraubt werden. Zunächst wird nur der obere Magnet mit der Polstärke P1 zusammen mit der Stange an einen Kraftsensor S gehängt. Eine reibungsarme Führung A beschränkt seine Bewegung auf die senkrechte Richtung. Die Ausgangsspannung US,0 des Kraftsensors wird gemessen. Sie entspricht der Spannung für den Fall r → ∞, wird also ausschließlich durch die Gewichtskraft G von Stange und Magnet verursacht. Aus US,0 wird mit den Daten der Kalibrierfunktion G berechnet, die später von allen anderen gemessenen Kräften subtrahiert werden muss. ST S A V Abb. 4: P1 P2 r Anordnung zur Messung der Anziehungskraft zwischen zwei Magneten mit den Polstärken P1 und P2. Alle Komponenten sind an einem gemeinsamen Stativ ST befestigt, das eine exakt senkrechte Montage erlaubt. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Anschließend wird der untere Magnet mit der Polstärke P2 mit einer Stange auf einem Verschiebetisch V montiert, mit dem er in senkrechter Richtung bewegt werden kann. Zunächst wird er so justiert, dass die Längsachsen beider Magnete exakt übereinander liegen. Danach wird mit einem PVC-Abstandsstück (Länge l ≈ 20 mm, messen) ein definierter Abstand l zwischen beiden Magneten eingestellt. Die zugehörige 54 Skalenposition des Verschiebetisches wird notiert und als s = l definiert. Anschließend wird der Verschiebetisch in die Skalenposition s = 10 mm gebracht und US(s) bestimmt 10. Danach wird s in Schritten von ca. 0,5 mm Länge bis auf etwa s = 2 mm verringert und dabei jeweils wieder US(s) gemessen. Die Werte von US(s) werden mit den Daten der Kalibrierfunktion in Kräfte F(s) umgerechnet. Nach Subtraktion von G erhält man daraus die Kräfte FM(s), die durch die magnetische Anziehung verursacht werden: (24) FM= (s) F (s) − G Jede Kraft F, die auf den Biegebalken im Kraftsensor wirkt, führt gem. Abb. 5 am Angriffspunkt Q von F zu einer kleinen Auslenkung d des Balkens in Richtung von F. d(F) lässt sich in guter Näherung durch ein Polynom 2. Ordnung beschreiben: (25) d (= F ) a1 F + a2 F 2 Die Parameter a1 und a2 sind den Unterlagen am Arbeitsplatz zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der Auslenkung d gilt für den tatsächlichen Abstand r zwischen den beiden Magneten bei einer Position s am Verschiebetisch: (26) r= s − d FM (s) wird doppelt-logarithmisch über r aufgetragen (Origin). In das Diagramm wird eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten für r > 5 mm mit der festen Steigung -2 eingezeichnet (Daten für r < 5 mm maskieren). Bei Gültigkeit des nach Gl. (13) erwarteten 1/r2-Gesetzes müssten alle Messwerte auf dieser Geraden liegen. Für kleine Abstände r wird sich jedoch eine deutliche Abweichung der Messwerte von der Ausgleichsgeraden ergeben. Der Grund dafür ist, dass bei kleinen r die Annahme punktförmiger Polstärken P nicht mehr gerechtfertigt ist. Frage 3: - Ab welchem Abstand r ist in guter Näherung eine 1/r2-Abhängigkeit gegeben? Q d F Abb. 5: 3.4 Verformung des Biegebalkens im Kraftsensor bei Einwirkung einer Kraft F, die am Punkt Q angreift. Q wird durch F um die Strecke d ausgelenkt. Elastischer Stoß auf einer Luftkissenbahn Auf einer Luftkissenbahn LK (Abb. 6), auf der sich ein aufgesetzter Schlitten nahezu reibungsfrei bewegen kann, soll der Zusammenhang Kraftstoß = Impulsänderung bei einem elastischen Stoß quantitativ untersucht werden. Da alle Bewegungen längs der Achse der Luftkissenbahn ablaufen, ist gem. Abb. 3 α = 0° und es reicht eine Betrachtung der skalaren Größen Geschwindigkeit (v) und Impuls (p). Der Schlitten K1 mit der Masse m1 wird mit der Hand auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt. Er bewegt sich anschließend auf den Kraftsensor S zu, der über eine starre Halterung H mit dem massiven StahlträgerUnterbau T von LK verbunden ist. Durch diesen Aufbau sind die in Kap. 2.3 definierten Bedingungen für ' den Stoßpartner K2 (bestehend aus S, H und T), nämlich m2 → ∞ und damit v2 → 0, gewährleistet. Die während des Stoßes zwischen K1 und K2 wirkende Kraft F(t) wird mit dem Kraftsensor S gemessen und mit Hilfe eines Speicheroszilloskops aufgezeichnet. 10 Beispiel: Es sei l = 20,1 mm. Bei diesem Abstand zwischen P1 und P2 werde am Verschiebetisch V die Skalenposition 74,5 mm abgelesen. Dieser Wert wird als s = l = 20,1 mm definiert. Anschließend soll V in die Position s = 10 mm gebracht werden. An seiner Skala muss demnach ein Wert von (74,5 – 10,1) mm = 64,4 mm eingestellt werden. 55 Auf dem Schlitten ist mittig eine Blende B der Breite d angebracht, die beim Durchlaufen einer Gabellichtschranke LS diese für die Dauer tLS unterbricht. Durch Messung von d (Messschieber), tLS (Speicheroszilloskop) und m1 (Laborwaage) lassen sich somit die Geschwindigkeiten und Impulse von K1 vor und nach dem Stoß bestimmen. LS B T Abb. 6: K2 AW K1 LK S P H L A Anordnung zur Messung von Impuls und Kraftstoß beim elastischen Stoß auf einer Luftkissenbahn LK. K1: Schlitten mit Blende B und zwei Al-Würfeln AW. S: Kraftsensor mit Spitze P an Halterung H. T: Stahlträger-Unterbau für LK mit Stellfuß A. L: Länge des Messbereiches. LS: Gabellichtschranke. Hinweise zur Durchführung: - Um eine präzise Messung von F(t) zu ermöglichen, ist der Kraftsensor mit einer Spitze P versehen, die einen annähernd punktförmigen Kontakt mit einem am Schlitten montierten Aluminiumwürfel AW ermöglicht 11. Vor Beginn der Messung muss der Sensor so ausgerichtet werden, dass der Würfel von der Spitze mittig getroffen wird. - Um zu verhindern, dass der Schlitten nach dem Anstoßen auf der Bahn weiter beschleunigt oder gebremst wird, ist eine exakt waagerechte Ausrichtung der Bahn erforderlich. Diese lässt sich nicht über ihre gesamte Länge erreichen, wohl aber über eine Strecke von L ≈ (10 – 15) cm Länge zwischen LS und S, die für die Durchführung der Messung ausreichend ist. Die Ausrichtung der Bahn erfolgt ausschließlich über das Verstellen des drehbaren Fußes A am Stahlträger. Bei eingeschalteter Luftzufuhr muss A so justiert werden, dass der aufgesetzte Schlitten im Bereich L nicht beschleunigt wird. - Der Schlitten K1 darf nur so stark beschleunigt werden, dass F(t) immer kleiner als 5 N bleibt, da andernfalls der Messbereich des Kraftsensors verlassen wird. Die Geschwindigkeit v1 des Schlittens darf also nicht zu groß und damit tLS nicht zu klein werden. tLS > 120 ms ist ein guter Orientierungswert. Abb. 7: 11 Oszilloskopbild der Signale der Gabellichtschranke LS (CH1, oben) und des Kraftsensors S (CH2, unten). Der Schlitten muss beidseitig mit gleichen Al-Würfeln versehen werden, um eine symmetrische Massenverteilung zu gewährleisten. 56 Abb. 7 zeigt ein typisches Oszilloskopbild nach einem Stoßvorgang. An CH1, auf den getriggert wird, wurden die Signale ULS der Gabellichtschranke beim Hin- und Rücklauf des Schlittens erfasst, an CH2 das Signal US des Kraftsensors. Ein Bildschirmfoto des Oszilloskopbildes wird dem Protokoll beigefügt. Zur Auswertung der Signale werden sie zunächst auf einer Compact-Flash-Karte oder einem USB-Stick (je nach Gerätetyp) gespeichert und anschließend in das ASCII-Format konvertiert. Einzelheiten dazu siehe Anhang (Kap. 0). Anschließend können diese Dateien in Origin importiert und dort weiter ausgewertet werden. Die Impulsbreiten tLS der Signale der Gabellichtschranke für den hin- und rücklaufenden Schlitten werden entweder mit Hilfe der Zeitcursor am Oszilloskops bestimmt oder in Origin mit Hilfe des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ermittelt. Die gesamte Impulsänderung des Schlittens gem. Gl. (19) kann dann wie folgt berechnet werden: (27) ∆ p= 1 1 p1 + p1' = m1 d + ' tLS tLS Für die Berechnung des Größtfehlers der Impulsänderung können m1 und d als fehlerfrei angenommen werden. Zur Messung des Kraftstoßes wird das Integral in Gl. (22) durch eine Summe ersetzt: (28) = ∆p ∑ F ( t ) ∆t i i Dabei sind F(ti) die diskreten Messwerte des Kraftsensors zu den Zeitpunkten ti (Abtastpunkte des Oszilloskops), die sich mit Hilfe der Kalibrierfunktion aus den aufgezeichneten Spannungswerten US(ti) berechnen lassen. Die Summe über die F(ti) lässt sich mit dem Origin-Tool Spaltenstatistik einfach ermitteln 12. ∆t ist der konstante Zeitabstand zwischen zwei aufeinander folgenden Messwerten zu den Zeiten ti und ti+1, der sich aus der eingestellten Zeitablenkung am Oszilloskop (x SEC/DIV) und der Zahl der aufgezeichneten Messwerte (2.500) ergibt: ∆t 10 DIV × ( x SEC/DIV ) / 2500 (29) = Es ist schwierig, Beginn und Ende des Kraftstoßes und damit seine Dauer τ exakt zu bestimmen. Deshalb wird die Summe nach Gl. (28) nicht über τ, sondern über das gesamte aufgezeichnete Zeitintervall gebildet, d. h. über alle mit dem Oszilloskop aufgezeichneten 2.500 Messwerte. Dabei ist folgendes beachten: Außerhalb des Zeitintervalls τ sollte F(ti) = 0 sein. Tatsächlich kann dort jedoch durch einen kleinen Offset im Kraftsignal und durch elektronisches Rauschen F(ti) ≠ 0 sein und somit bei Summation über viele ti einen erheblichen Fehler verursachen. Deshalb wird zunächst der Mittelwert F0 des Kraftsignals über das Zeitintervall gebildet werden, das sicher vor Beginn des Stoßes liegt 13. Anschließend wird dieser Wert F0 von allen Messwerten F(ti) subtrahiert und erst danach die Summe nach Gl. (28) gebildet. Um die Berechnung des Größtfehlers des Kraftstoßes nicht zu aufwändig zu machen, kann für jeden einzelnen Kraftwert F(ti) ein Größtfehler von 5 mN angenommen und der Größtfehler von ∆t vernachlässigt werden. Abschließend wird überprüft, ob die Impulsänderung nach Gl. (27) dem Kraftstoß nach Gl. (28) entspricht. Die Ursachen möglicher Abweichungen beider Größen werden diskutiert. 12 13 Rechter Mausklick bei entsprechend markierter Spalte ausführen, dann Menü Spaltenstatistik wählen und dort unter Eigenschaften Haken bei Summe setzen. Zellen in der Spalte mit den Werten für F(ti) markieren, für die ti vor dem Beginn des Stoßes liegt. Dann → Spaltenstatistik wählen, und dort unter Eigenschaften Haken bei Mittelwert setzen. 57 4 Anhang Zur Speicherung von Daten des Oszilloskops auf USB-Stick oder Compact-Flash-Karte und anschließende Konvertierung in ASCII-Daten sind folgende Schritte erforderlich: Am Oszilloskop werden zu Beginn einmalig folgende Tasten gedrückt: Grundeinstellungen: SAVE/RECALL Taste DRUCKEN Verzeichnis wählen → Aktion → Alle speichern → Speichert alles → GPRnn auswählen → Verzeichnis wechseln → Zurück Speichern: SAVE / PRINT Nach Betätigung der SAVE / PRINT–Taste werden vier Dateien im Unterverzeichnis ALLnnnn gespeichert, wobei nnnn eine fortlaufende Nummer ist (beginnend bei 0000), die bei jeder Betätigung der Taste SAVE / PRINT um 1 erhöht wird. Die vier Dateien sind: FnnnnTEK.SET FnnnnTEK.TIF FnnnnCH1.CSV FnnnnCH2.CSV ASCII-Datei mit Betriebsparametern des Oszilloskops Bilddatei mit Bildschirmfoto Daten von CH1 (u.a. Spannung U1 als Funktion der Zeit t) Daten von CH2 (u.a. Spannung U2 als Funktion der Zeit t) Für die quantitative Auswertung sind nur die beiden letzten Dateien von Bedeutung, die im CSV-Format vorliegen. 14 Mithilfe des zur Verfügung gestellten Matlab-Skriptes 15 GPRTools.m, dort Option Tektronix CSV to ASCII, werden aus diesen Dateien die Signalverläufe U1(t) für CH1 und U2(t) für CH2 extrahiert, in das ASCII-Format umgewandelt 16 und anschließend im Verzeichnis ALLnnnn unter folgenden Namen gespeichert: FnnnnCH1_all.txt FnnnnCH2_all.txt Spalte 1: t, Spalte 2: U1(t) für CH1 Spalte 1: t, Spalte 2: U2(t) für CH2 Diese Daten können über Datei → Import → … in Origin importiert werden. 14 CSV ist die Abkürzung für character separated values. Dies bedeutet, dass einzelne Einträge in der Datei (Zahlenwerte, Zeichenketten,…) durch ein definiertes Zeichen (englisch: character) voneinander getrennt sind. Hier ist das Komma das Trennzeichen. 15 Die entsprechenden Matlab-Skripte stehen nach dem Anmelden an einem PC im Grundpraktikum im Arbeitsverzeichnis (Q:) zur Verfügung unter Q: MatlabSkripte$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de). 16 Neuere Origin Versionen können CSV-Formate auch direkt einlesen. 58 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC Stichworte: Kontinuierliche und diskrete Signale, Abtastung, Abtastrate, Abtastfrequenz, Auflösung, Analog/Digital-Wandlung, Wägeverfahren, Multiplexing, Dualzahlen, Bit, Digit. Messprogramm: Erstellung eines MATLAB-Skriptes zur Datenerfassung mit einer AD-Karte, Bestimmung der Auflösung einer AD-Karte, Messung von Wechselspannungen, Kalibrierung eines Drucksensors, Messung von zeitlichen Druckänderungen. Literatur: /1/ Kose, V. [Hrsg.]; Wagner, S. [Hrsg.]: "Kohlrausch - Praktische Physik Bd. 3", Teubner, Stuttgart, 1996 1 Einleitung Bei vielen physikalischen Experimenten muss die Änderung des Wertes einer physikalischen Größe G als Funktion der Zeit t erfasst werden. Solche Größen können z.B. sein: Druck p, Temperatur T, Strahlungsintensität I, Kraft F, Beschleunigung a u.v.m. Zur Erfassung von G(t) dienen Sensoren, die den Wert von G(t) z.B. in ein Spannungssignal U(t) umsetzen (vgl. Versuch „Sensoren...“). Für die Aufzeichnung von U(t) kamen früher so genannte XT-Schreiber zum Einsatz, die den zeitlichen Verlauf von U(t) auf Papier festhielten. Heute werden stattdessen PCs mit Messwerterfassungskarten 1 (i.F. MEK) eingesetzt, mit denen der Verlauf von U(t) digital registriert wird. In diesem Versuch sollen die wichtigsten Eigenschaften solcher Messwerterfassungskarten und eine zu ihrer Steuerung benötigte Software (hier exemplarisch Matlab mit der Data Acquisition Toolbox) kennengelernt werden. 2 Grundlagen der Messwerterfassung 2.1 Kontinuierliche und diskrete Signale Mit einer Messwerterfassungskarte wird ein analoges Spannungssignal U(t) in eine Zeitreihe von Zahlenwerten N(i), i ∈ ℕ, überführt, die mit dem PC weiter verarbeitet werden können. Das Signal U(t) ist gem. Abb. 1 (oben) im Allgemeinen weder auf bestimmte Spannungswerte, noch auf bestimmte Zeitwerte beschränkt. Man spricht deshalb von einem zeit- und wertkontinuierlichen Signal. Auch mit sehr schnellen (und damit teuren) elektronischen Komponenten einer Messwerterfassungskarte ist die Erfassung (Abtastung) von Spannungswerten U(t) nur zu diskreten Zeitpunkten ti im Abstand (1) Δt = ti – ti-1 i ∈ ℕ \ {0} möglich. Die Größe ∆t heißt Abtastintervall, ihr Reziprokwert (2) = R 1 1 = [ R ] s −1 ∆t Eine Messwerterfassungskarte ist eine Einsteckkarte für einen PC, die sämtliche für ihre Funktion erforderlichen elektronischen Komponenten enthält und über den Systembus (die Gesamtheit der Daten-, Adress- und Steuerleitungen) mit der übrigen Hardware im PC kommunizieren kann. 59 heißt Abtastrate oder Abtastfrequenz und wird in Samples 2/s oder nur in 1/s angegeben. Je größer R, desto besser ist die zeitliche Auflösung der Signalerfassung. In der Praxis wird oftmals mit beschränkter Abtastrate gearbeitet, um die zu speichernde Datenmenge zu reduzieren. Die Frage, wie groß R gewählt werden muss, um einen Signalverlauf korrekt erfassen zu können, wird im späteren Versuch „Fourieranalyse“ noch detailliert untersucht werden. Aufgrund der Beschränkung ∆t > 0 und damit R < ∞ entsteht durch die Abtastung von U(t) ein zeitdiskretes Signal U(ti), wie es in Abb. 1 (Mitte) dargestellt ist. Statt Datenpunkten werden in dem Diagramm zum Zweck der besseren Sichtbarkeit vertikale Striche gezeichnet, deren Längen dem jeweiligen Spannungswert U(ti) entsprechen. U (t) t U (ti) ∆t N (i) ti ∆U ti Abb. 1: Wandlung eines wert- und zeitkontinuierlichen Spannungssignals U(t) (oben) in ein zeitdiskretes Signal U(ti) (Mitte) und eine wert- und zeitdiskrete Zahlenfolge N(i) (unten). Die Wandlung eines analogen Spannungswertes U(ti) in einen Zahlenwert N(i) mit Hilfe eines Analog/Digital-Wandlers (A/D-Wandler, s. Kap. 2.2) einer Messwerterfassungskarte ist nicht mit beliebiger Genauigkeit möglich, sondern durch die Auflösung A des A/D-Wandler beschränkt. A wird in Bit angegeben: (3) A = m Bit, m∈ℕ Für jede Messwerterfassungskarte ist die messbare Eingangsspannung auf ein Intervall der Breite (4) 2 = U e U max − U min Sample (engl. = Probe) steht hier für Abtastwert. 60 beschränkt. Bei der A/D-Wandlung stehen für dieses Spannungsintervall m Bit und damit 2m Zahlenwerte im Bereich zwischen N = 0 und N = 2m – 1 zur Verfügung. Die Differenz zweier Spannungswerte, deren zugeordnete Zahlenwerte sich gerade um 1 (1 Digit 3)unterscheiden, ist demnach U ∆U =m e 2 −1 (5) Diese Größe wird ebenfalls als Auflösung der A/D-Wandlung bezeichnet. Da ∆U > 0, wird aus dem zeitdiskreten Signal in Abb. 1 (Mitte) durch die A/D-Wandlung ein zeit- und wertdiskretes Signal wie in Abb. 1 (unten). Innerhalb eines maximalen Spannungsbereiches (z.B. ± 10 V) kann Ue oftmals per Software auf ein kleineres Intervall beschränkt werden (s. Tab. 1). Wenn man weiß, dass das Eingangssignal innerhalb dieses Intervalls liegt, kann man dadurch die Auflösung der A/D-Wandlung verbessern. Dazu ein Beispiel. Ist das eingestellte Spannungsintervall ± 10 V, so ist Ue = 20 V und damit nach Gl. (5) (jeweils auf 4 signifikante Stellen gerundet): ∆U = 0,07813 V für m = 8 und ∆U = 0,0003052 V für m = 16. Wird das Spannungsintervall auf ± 0,5 V begrenzt, so ist Ue = 1 V und man erreicht bei gleicher Zahl von Bits eine bessere Auflösung: ∆U = 0,003906 V für m = 8 und ∆U = 0,00001526 V für m = 16. 2.2 Prinzip der A/D-Wandlung Analog/Digital-Wandler (engl. Analog-Digital-Converter, ADC) arbeiten nach unterschiedlichen Prinzipien. Ein in der Messdatenerfassung häufig eingesetztes Wandlungsverfahren ist das so genannte Wägeverfahren, das nach dem Prinzip der sukzessiven Approximation arbeitet. Dieses Verfahren ist in Abb. 2 schematisch dargestellt. Zu Beginn werden alle m Bit des Wandlers auf 0 gesetzt. Danach wird das höchstwertige Bit (most significant bit, MSB) mit der „Nummer“ m und der Wertigkeit 2m-1 probeweise auf 1 gesetzt. Eine im A/DWandler enthaltene Spannungsquelle generiert anschließend eine Spannung UD mit dem Wert (6) = U D k= 2m −1 [k ] V wobei k ein von Ue abhängiger Proportionalitätsfaktor ist. Mit einem Komparator wird danach überprüft: (7) U ( ti ) ≥ U D ? Falls ja: • bleibt Bit Nr. m auf 1 gesetzt, • wird Bit Nr. m-1 ebenfalls auf 1 gesetzt, • generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert ( (8) = U D k 2m −1 + 2m − 2 ) Falls nein: • wird Bit Nr. m auf 0 zurück gesetzt, • wird Bit Nr. m-1 auf 1 gesetzt, • generiert die interne Spannungsquelle eine neue Spannung UD mit dem Wert (9) U D = k 2m − 2 Anschließend wird die Gültigkeit von Gl. (7) mit der Spannung UD aus Gl. (8) bzw. (9) erneut überprüft und je nach Ergebnis mit Bit Nr. m-1 so verfahren wie vorher mit Bit Nr. m. 3 Digit (engl.) = Ziffer. 61 Bits auf 0, da UD > U(ti) UD U(ti) 8 7 6 5 4 3 2 1 27 26 25 24 23 22 21 20 0 1 1 1 0 0 1 1 MSB LSB Abb. 2: N 115 Bit-Nr. Wertigkeit Zustand Prinzip der A/D-Wandlung nach dem Wägeverfahren für einen A/D-Wandler mit m = 8 Bit. Für die vom AD-Wandler generierten Spannungswerte UD (rot), die größer als die Eingangsspannung U(ti) (blau) sind, werden die entsprechenden Bits auf 0 gesetzt. Im Beispiel sind das die Bits mit den Wertigkeiten 27, 23 und 22. Die übrigen Bits werden auf 1 gesetzt, da für die zugehörigen Spannungswerte UD < U(ti) gilt. Analoge Schritte werden solange durchgeführt, bis das niedrigstwertige Bit (least significant bit, LSB) mit der Nummer 1 und der Wertigkeit 20 erreicht ist. Auf diese Weise können durch schrittweise Annäherung (sukzessive Approximation) zwischen U(ti) und UD die Werte 0 oder 1 der einzelnen Bits bestimmt werden. Im Beispiel aus Abb. 2 wird dem Spannungswert U(ti) (blau) auf diese Weise die Binärzahl 011 100 11 zugeordnet, die der Dezimalzahl N = 115 entspricht. Wenn wir annehmen, dass Ue = 10 V ist, muss die Binärzähl 111 111 11 (entsprechend N = 255) dem Spannungswert 10 V zugeordnet sein, d.h. es muss für diesen Wert von Ue gelten: k= 10 V 255 Die Binärzahl 011 100 11 aus Abb. 2 entspricht daher unter dieser Voraussetzung dem Spannungswert U = k N = k × 115 ≈ 4,51 V. Für jeden Wandlungsvorgang wird eine bestimmte Zeit tw benötigt, die linear mit der Zahl m der Bits ansteigt. Für das Abtastintervall ∆t aus Gl. (1) muss daher gelten ∆t ≥ tw. tw bestimmt demnach den minimalen zeitlichen Abstand zweier aufeinander folgenden Abtastungen und damit die maximale Abtastrate Rmax: (10) Rmax = 1 tw Das beschriebene Wägeverfahren funktioniert nur, wenn sich U(ti) während der Zeit tw nicht merklich ändert. Vor der Aufzeichnung eines Signals U(t) mit einer Messwerterfassungskarte muss daher sicher gestellt sein, dass U(t) über Zeitintervalle der Breite tw als annähernd konstant angenommen werden kann. 2.3 Multiplexing In der Regel verfügen Messwerterfassungskarten über mehrere Signaleingänge (Kanäle, engl. Channel), von denen je nach Anwendung M verwendet werden. In den meisten Fällen steht auf den Karten jedoch nur ein A/D-Wandler zur Verfügung. Die Abtastung der M Eingangssignale muss dann im so genannten Multiplexing-Betrieb erfolgen. Dabei wird zunächst das Signal an Kanal 1 abgetastet, danach mit zeitlicher Verzögerung um jeweils tw das Signal an Kanal 2, das Signal an Kanal 3 usw., bis Kanal M erreicht ist. Nach Ablauf der Zeit ∆t beginnt der Vorgang mit dem Signal an Kanal 1 von neuem. Das hat zur Folge, dass die maximale Abtastrate Rmax sich in diesem Fall auf Rmax/M pro Kanal reduziert. 62 Da tw die minimale Zeitdifferenz zwischen zwei Abtastungen ist, ist eine wirklich gleichzeitige Abtastung von zwei oder mehr Signalen im Multiplexing-Betrieb nicht möglich. In der Praxis ist jedoch die Zeitdifferenz tw oftmals so klein, dass sie gegenüber der Zeit, innerhalb der sich die Eingangssignale merklich ändern, vernachlässigt werden kann. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen (Abb. 3). Zwei Signale U1(t) und U2(t) sollen „gleichzeitig“ mit einer Abtastrate von R = 1 kHz erfasst werden. Der zeitliche Abstand aufeinander folgender Abtastwerte von U1 und U2 soll demnach ∆t = 1 ms betragen. Der A/D-Wandler der Messwerterfassungskarte erlaube eine maximale Abtastrate von Rmax = 250.000 s-1, der minimale zeitliche Abstand zwischen zwei Abtastungen ist demnach tw = 4 µs. Der erste Wert von Signal U1(t) werde zur Zeit t = 0 erfasst, der erste Wert von Signal U2(t) wird dann zur Zeit t = tw aufgenommen. Zur Zeit t = ∆t erfolgt die Erfassung des zweiten Wertes von U1(t), zur Zeit t = ∆t + tw die Erfassung des zweiten Wertes von U2(t) usw. Da tw << ∆t kann in diesem Beispiel in guter Näherung von „gleichzeitiger“ Erfassung gesprochen werden. U(t) U1 ∆t tw U2 0 Abb. 3: 2.4 t Zur „gleichzeitigen“ Erfassung von zwei Spannungssignalen U1(t) und U2(t) mit einer Messwerterfassungskarte im Multiplexingbetrieb. Einzelheiten siehe Text. Anschlussarten für Spannungssignale Die Kanäle einer Messwerterfassungskarte können üblicherweise unterschiedlich beschaltet werden. Im einfachsten Betriebsmodus, dem Single-Ended-Modus (SE-Modus, auch grounded-source-Modus: GS), werden alle M Eingangsspannungen Uj(t) (j = 1,…,M) auf die Gehäusemasse (ground) der MEK bezogen, s. Abb. 4, links 4. Dieser Modus hat zwei Nachteile: 1. Fluktuationen im Potential der Gehäusemasse beeinflussen die gemessene Potentialdifferenz zwischen dem Anschlusskontakt j und der Gehäusemasse. 2. Alle Eingangsspannungen Uj müssen über ein gemeinsames Bezugspotential verfügen, wie z. B. in Abb. 5 (links) die Spannungen U1 und U2 mit der Gehäusemasse als Bezugspotential. DI / FS SE / GS U U Gehäuse Abb. 4: Links: SE-Signalanschluss der Spannungsquelle U mit der Gehäusemasse der Messwerterfassungskarte (⊥) als Bezugspotential (grounded source, GS). Rechts: DI-Signalanschluss der Spannungsquelle U ohne Bezug auf ein Potential der Messwerterfassungskarte (floating source, FS). Verfügen die Eingangsspannungen Uj über kein gemeinsames Bezugspotential 5, wie z.B. die Teilspannungen Uj über den Widerständen eines Spannungsteilers gem. Abb. 5 rechts, muss der Differential4 5 Dies ist äquivalent zur Messung von zwei Spannungen mit einem Zwei-Kanal-Oszilloskop, bei dem die Außenkontakte der BNC-Buchsen auf gleichem Potential liegen. Solche Signale heißen auch Floating Source (FS)-Signale. Der Name rührt daher, dass es kein gemeinsames, festes (fixed) Bezugspotential gibt. Vielmehr können die Potentiale beider Anschlüsse bei gleichbleibender Potentialdifferenz (Spannung) variieren (floaten). Beispiel: eine Potentialdifferenz von (5 V - 0 V) = 5 V führt zum gleichen Messergebnis wie die Differenz (100 V – 95 V) oder (1.000 V – 995 V). 63 Betriebsmodus (DI-Modus, auch floating-source-Modus: FS) verwendet werden (Abb. 4 rechts). In diesem Modus werden für jeden Kanal die Potentialdifferenzen zwischen je zwei separaten Anschlusskontakten erfasst. Die Vorteile dieses Modus sind: 1. Gleichsinnige Potentialfluktuationen 6 an den beiden Anschlusskontakten eines Kanals wirken sich nicht auf das gemessene Signal aus, da nur die Potentialdifferenz U zwischen den Anschlusskontakten gemessen wird. 2. Die Eingangsspannungen Uj können unterschiedliche Bezugspotentiale haben, es existiert kein gemeinsames Bezugspotential. Der DI-Modus hat jedoch auch einen Nachteil. Da jeder DI-Eingang zwei separate Anschlüsse auf der Messwerterfassungskarte benötigt, ist die Zahl der DI-Eingange nur halb so groß wie die der SE-Eingänge. U L1 Abb. 5: 3 U L2 L0 R1 R2 R1 R2 R3 R4 U1 U2 U1 U2 U3 U4 Spannungsquelle U mit angeschlossenen Widerständen Rj und Verbrauchern Lj. Links: Teilspannungen Uj mit gemeinsamem Bezugspotential (Masse). Rechts: Teilspannungen ohne gemeinsames Bezugspotential. In rot sind Voltmeter gezeichnet, mit denen die Teilspannungen gemessen werden können. Kenngrößen von Messwerterfassungskarten Im Grundpraktikum werden Messwerterfassungskarten des Herstellers NATIONAL INSTRUMENTS (NI) eingesetzt. Die wichtigsten Kenngrößen dieser Karten sind in Tab. 1 zusammengefasst. Abb. 6 zeigt exemplarisch ein Foto der Karte NI PCI 6221. Tab. 1: Kenngrößen von Messwerterfassungskarten, die im Grundpraktikum zum Einsatz kommen. Kenngröße A/D-Wandler-Typ Zahl der Eingänge Maximale Abtastrate Rmax / s-1 Auflösung A / Bit Eingangskopplung Eingangswiderstand / GΩ Eingangskapazität / pF Eingangsspannungsbereich / V (einstellbar per Software) 6 NI PCI 6014 sukzessive Approximation 16 SE / 8 DI 200.000 16 DC 100 100 NI PCI 6221 sukzessive Approximation 16 SE / 8 DI 250.000 16 DC 10 100 ± 0,05, ± 0,5, ± 5, ± 10 ± 0,2, ± 1, ± 2, ± 10 Potentialfluktuationen können z.B. durch Einstreuungen in die Verbindungskabel verursacht werden, mit denen ein Sensor an die Messwerterfassungskarte angeschlossen wird. 64 Abb. 6: Foto der Messwerterfassungskarte NI PCI 6221 (Quelle: NI). Neben der A/D-Wandlung können die Messwerterfassungskarten auch zur D/A-Wandlung eingesetzt werden. Damit ist es möglich, im Computer generierte Signale in analoge Spannungssignale umzusetzen, die an einem Analog-Ausgang der Karte zur Verfügung stehen. Diese Option wird jedoch im Grundpraktikum vorerst nicht benötigt und soll deshalb hier nicht weiter beschrieben werden. 4 MATLAB-Software zur Steuerung von Messwerterfassungskarten Im Grundpraktikum wird die Software Matlab mit der Data Acquisition Toolbox zur Steuerung der unter Kap. 3 genannten NI-Messwerterfassungskarten eingesetzt. Die Schnittstelle zwischen dem Betriebssystem des PC (Windows 7) und der Matlab-Software bildet die Treibersoftware NI-DAQmx. Im Folgenden wird beschrieben, mit welchen Matlab-Kommandos ein Spannungssignal über eine NIMEK in den PC eingelesen, verarbeitet und gespeichert werden kann. Alle Matlab-Kommandos (die mit >> beginnen) und die zugehörigen Ausgaben im Command-Window sind in der Schriftart Courier gesetzt, Kommentare dazu in der Schriftart des Fließtextes (Times Roman). >> clear Matlab-Workspace löschen. >> close('all','hidden') Alle Figure-Fenster schließen. >> HW=daqhwinfo; daqhwinfo steht für data acquisition hardware information: Informationen über die im PC enthaltene Data Acquisition Hardware auslesen und in der Struktur 7 (structure) HW speichern; HW enthält mehrere Felder (fields). >> HW.InstalledAdaptors Inhalt des Feldes „InstalledAdaptors“ der Struktur HW abfragen. In diesem Feld stehen die Matlab-Namen der im PC vorhandenen Messwerterfassungskomponenten. ans = 'nidaq' 'parallel' 'winsound' 7 Näheres zu Strukturen siehe Anhang (Kap. 6). NI-MEK Parallel-Schnittstelle des PC Soundkarte des PC 65 >> NI=daqhwinfo('nidaq'); Information über die NI-MEK auslesen und in der Struktur NI speichern. >> NI.BoardNames Inhalt des Feldes „BoardNames“ der Struktur NI abfragen. In diesem Feld steht die Typenbezeichnung der NI-MEK, hier „PCI 6221“. ans = 'PCI-6221' >> NI.InstalledBoardIds ans = 'Dev1' Inhalt des Feldes „InstalledBoardIds“ abfragen. In diesem Feld steht die Matlab-Identifikation (ID) der NI-MEK, hier „Dev1“ (Device 1). >> AI=analoginput('nidaq','Dev1'); Analog-Input-Objekt AI generieren. AI stellt nach Generierung die Verbindung zwischen Matlab und der MEK her. >> addchannel(AI,0); Eingangskanal 0 der MEK mit dem Analaog-InputObjekt AI verbinden. Der Eingangsspannungsbereich ist auf ± 10 V voreingestellt. >> R=1000; Abtastrate R wählen, hier z.B. 1000 / s. >> set(AI,'SampleRate',R); R (‚SampleRate‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen. >> N=1000; Zahl N der einzulesenden Spannungswerte wählen, hier z.B. N = 1000. >> set(AI,'SamplesPerTrigger',N); N (‚SamplesPerTrigger‘) auf der Messwerterfassungskarte einstellen. >> start(AI) Messung starten. >> [U,t]=getdata(AI); Spannungs- und zugehörige Zeitwerte aus dem PCSpeicher 8 auslesen und in die Spaltenvektoren U und t schreiben. >> U_Mean = mean(U) Mittelwert Umean der Elemente von U berechnen und im Command-Window ausgeben. U_Mean = ... >> sigma_U = std(U) Standardabweichung σU der Elemente von U berechnen und im Command-Window ausgeben. sigma_U = ... 8 σU >> sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N) Standardabweichung sigma_U_Mean = ... Elemente von U berechnen und im CommandWindow ausgeben. >> Daten(:,1)=t; >> Daten(:,2)=U; Spaltenvektoren U und t für die Datenspeicherung in die (N,2)-Matrix „Daten“ kopieren. Spalte 1: t, Spalte 2: U. des Mittelwertes der Die eingelesenen Daten werden zunächst in einem FIFO- (First-In-First-Out)- Speicher auf der MEK gespeichert (Größe des FIFO-Speichers für die MEK Typ NI PCI 6014: 512 Messwerte, Typ NI PCI 6221: 4096 Messwerte). Vom FIFO-Speicher werden sie in den Speicher des PC übertragen. Diese Übertragung geschieht über eine direkte Verbindung zwischen der MEK und dem PC-Speicher ohne Beteiligung der CPU per Direct Memory Access, DMA. 66 >> save('MD.dat','Daten','-ascii'); Matrix „Daten“ in Ascii-Datei „MD.dat“ speichern. Diese Datei kann nach Origin importiert werden, um eine grafische Darstellung von U(t) zu erzeugen. >> plot(t,U) U über t zeichnen, um einen ersten Überblick über die Messdaten zu erhalten. Input-Objekt löschen. AI aus Workspace löschen. >> delete(AI); >> clear AI; Statt die genannten Kommandos Zeile für Zeile in das Command-Window von Matlab einzutippen, ist es praktischer, die Befehle in ein Matlab -Skript-File (m-File) einzutragen, das File zu speichern und anschließend zu starten. Einzelheiten dazu sind im Kapitel „Einsatz der Computer…“ dieses Skriptes beschrieben. Wenn man weiß, dass im PC eine NI-MEK mit der Matlab-Bezeichnung ‚nidaq’ installiert ist und die Matlab -Identifikation der MEK ‚Dev1’ ist, können einige der oben genannten Kommandos übersprungen werden. In diesem Fall würde es reichen, folgende Zeilen in das m-File einzutragen: clear close('all','hidden') AI=analoginput('nidaq','Dev1'); addchannel(AI,0); R=1000; set(AI,'SampleRate',R); N=1000; set(AI,'SamplesPerTrigger',N); start(AI) [U,t]=getdata(AI); U_Mean = mean(U) sigma_U = std(U) sigma_U_Mean = std(U)/sqrt(N) Daten(:,1)=t; Daten(:,2)=U; save('MD.dat','Daten','-ascii'); plot(t,U); delete(AI); clear AI; Wenn das m-File mit unterschiedlichen Werten von R und N mehrfach ausgeführt werden soll, um verschiedene Spannungsverläufe zu erfassen (wie im späteren Experiment), ist es praktisch, die Variablen R und N sowie die Bezeichnung der Datei, in der die Daten gespeichert werden sollen, nicht jedes Mal im mFile zu ändern, sondern diese Variablen nach Start des Skriptes über das Command-Window abzufragen und einzugeben. Dazu wird der input-Befehl verwendet. Die Zeilen R=1000; N=1000; ... save('MD.dat','Daten','-ascii'); im m-File müssen dann durch folgende Zeilen ersetzt werden: R=input (' Abtastrate R in Hz: '); N=input (' Anzahl N der Abtastpunkte: '); ... Name=input (' Dateiname mit Endung .dat: ','s') 9; save(Name,'Daten','-ascii'); Nach jedem input-Befehl wird der Text in Klammern im Command-Window ausgegeben und auf eine Eingabe über die Tastatur gewartet. Jede Eingabe wird mit der Return-Taste (↵) abgeschlossen. 9 Das ‚s’ bewirkt, dass die eingelesenen Zeichen als Text-Variable (Typ character) übergeben werden. 67 5 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Multimeter (AGILENT U1251B / U1272A), Funktionsgenerator (AGILENT 33120A / 33220A), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Blockbatterie 9 V mit Anschlussklemmen, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Becherglas auf Scherentisch, Schlauchmaterial, Luftballon, Papiertuchrolle. 5.1 Inbetriebnahme des PC und der Messwerterfassungskarte Vor dem Einschalten des PC vergewissere man sich, dass der BNC-Adapter vom Typ NI BNC-2120 (Abb. 7) mit der Messwerterfassungskarte im PC verbunden ist. Im eingeschalteten Zustand darf das Verbindungskabel nicht gesteckt oder gezogen werden! Nach dem Einschalten einloggen mit dem bekannten Nutzernamen und Passwort in der Domäne gpr. Der BNC-Adapter ermöglicht einen einfachen Anschluss der zu messenden Signale an die MEK mit Hilfe von Koaxialkabeln. Er verfügt über 8 differentielle DI-Eingänge (Bezeichnung je nach Kartentyp ACH 0,…, ACH 7 oder AI 0,…, AI 7). Der Anschluss der Signalquellen (Batterie, Netzgerät, Drucksensor) erfolgt in diesem Versuch grundsätzlich nur an der BNC-Buchse ACH 0 bzw. AI 0. Der Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf „BNC“ stehen, der EingangsWahl-Schalter für die verwendete BNC-Buchse auf FS („floating source“, s. Kap. 2.4). Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt. Abb. 7: Links: Foto des BNC-Adapters vom Typ NI BNC-2120. Rechts: Skizze der Anschlusskontakte desselben Adapters (Quelle: NI). 68 5.2 Start von MATLAB Matlab wird durch Doppelklick auf das entsprechende Icon gestartet. In der Matlab-Menüzeile „Current Directory“ wird der Pfad O:\Persoenliches_Verzeichnis eingestellt. Mit den unter Kap. 4 beschriebenen Kommandos wird die Bezeichnung (InstalledAdaptors), der Typ (BoardNames) und die Matlab-Identifikation (InstalledBoardIDs) der Messwerterfassungskarte ermittelt. Anschließend wird ein m-File geschrieben, mit dessen Hilfe Spannungssignale eingelesen, verarbeitet und gespeichert werden können. Das m-File wird im persönlichen Verzeichnis gespeichert. 5.3 Messung einer Gleichspannung und Ermittlung der Auflösung Eine 9 V-Blockbatterie wird mit dem Eingangskanal der MEK und parallel mit einem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in den PC eingelesen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte) und aus den N Messwerten Ui werden der Mittelwert und die Standardabweichung der Einzelmessung bestimmt. Die ermittelten Werte werden mit dem Messwert am Multimeter und seinem Größtfehler verglichen. Die Ui werden mit Origin über i aufgetragen. Der Grafik kann man entnehmen, dass sich die Ui nur um ganzzahlige Vielfache eines Spannungswertes ∆U unterscheiden. ∆U wird bestimmt und mit der nach Gl. (5) erwarteten Auflösung der MEK verglichen. Dabei müssen hinreichend viele Stelle angegeben werden. 5.4 Messung von Wechselspannungen Mit einem Funktionsgenerator (FG) wird eine sinusförmige Wechselspannung ohne Gleichspannungsanteil (Frequenz 50 Hz, Amplitude 2 V) generiert. Der Ausgang des FG wird mit dem Eingangskanal der MEK und parallel mit dem Digital-Oszilloskop und dem Multimeter verbunden. Die Spannung wird in den PC eingelesen (R = 1000 s-1 und N = 1000 sind gute Orientierungswerte) und ihr Spitze-Spitze-Wert Uss sowie ihr Effektivwert Ueff bestimmt. Fehlerangaben sind für beide Größen nicht erforderlich. Uss ist in guter Näherung durch die Differenz zwischen Maximum und Minimum der eingelesenen N Spannungswerte Ui gegeben. In Matlab-Notation lautet die entsprechende Gleichung: U_ss = max(U) - min(U) Ueff ist gegeben durch: (11) U eff = 1 N N ∑U i =1 2 i bzw. in Matlab-Notation: U_eff = sqrt(sum(U.^2)/N) (vgl. Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses Skriptes). Dieser Wert heißt im englischen Sprachraum auch rms-Wert. rms steht für root mean square, zu Deutsch Wurzel aus Mittelwert der Quadrate. Der mit der MEK erfasste Wert Uss wird mit dem Messwert am Oszilloskop verglichen, in gleicher Weise soll der Wert Ueff mit dem am Multimeter angezeigten Wert sowie mit der theoretischen Erwartung verglichen werden. Beide Geräte müssen so eingestellt werden (V/DIV am Oszilloskop, Messbereich am Multimeter), dass Uss bzw. Ueff mit best möglicher Auflösung gemessen werden können. Die gleichen Messungen werden mit einer Rechteckspannung gleicher Frequenz und Amplitude wiederholt. 69 5.5 Messung von Druckdifferenzen Für die Messung von Druckänderungen in Gasen steht ein Drucksensor des Typs HCLA12X5DB zur Verfügung, der bereits im Versuch „Sensoren...“ kennengelernt wurde. Einzelheiten zu seiner Funktionsweise und zu seinem Betrieb sind dem zugehörigen Skript zu entnehmen. 5.5.1 Kalibrierung des Drucksensors Der Drucksensor wird kalibriert, indem zwischen den beiden Anschlussstutzen definierte Druckdifferenzen ∆p eingestellt werden und jeweils die zugehörige Ausgangsspannung U gemessen wird. Definierte Druckdifferenzen lassen sich mit einer Anordnung gem. Abb. 8 einstellen, die bereits im Skript zum Versuch „Sensoren...“ beschrieben wurde (Hahn H1 geöffnet, Hahn H2 geschlossen). Die Druckdifferenz (12) ∆p = p − pL ist bei einer Höhendifferenz hm im Manometer gegeben durch: (13) ∆p =ρ m hm g wobei ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und g die Erdbeschleunigung ist. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 10. Für die Dichte ρm von Wasser im Temperaturbereich von (20 ± 2) °C kann ein ebenfalls als fehlerfrei angenommener Wert von 998 kg/m3 verwendet werden. Für mindestens 10 verschiedene Höhen hm (ausmessen) wird die Ausgangsspannung des Drucksensors D mit dem PC gemessen (R = 100 s-1 und N = 100 sind gute Orientierungswerte). Aus den Messdaten für die einzelnen Höhen werden jeweils der Mittelwert und die Standardabweichung des Mittelwertes berechnet. Am praktischsten ist es, wenn diese Daten gleich in ein Origin-Worksheet eingetragen werden. Schließlich wird U nach Gl. (13) über ∆p aufgetragen und die Parameter der Ausgleichsgeraden werden bestimmt. Mit Hilfe der Parameter dieser Kalibrierkurve können nachfolgend die Ausgangsspannungen des Drucksensors in Druckdifferenzen umgerechnet werden. M hm H1 Wasser B pL H2 -+ D Luft, Druck p V E Wasser Abb. 8: 10 S Anordnung zur Einstellung von Druckdifferenzen ∆p > 0 gegenüber dem Umgebungsluftdruck pL. Einzelheiten siehe Text und Skript zum Versuch „Sensoren...“. Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. 70 5.5.2 Messung von zeitlichen Druckänderungen Zur Messung von zeitlichen Druckänderungen wird in der Anordnung gem. Abb. 8 neben dem Hahn H1 auch der Hahn H2 geöffnet, um eine Verbindung zwischen dem Ballon B und dem Luftvolumen in E herzustellen. Durch Anheben des Becherglases V wird zunächst ein Überdruck in B hergestellt. Danach wird der Ballon einmal zügig zusammen gedrückt und anschließend losgelassen. Das Zusammendrücken darf nur so erfolgen, dass die maximale Druckdifferenz am Sensor (∆p = + 1,25 × 103 Pa) nicht überschritten wird und dass der Druck am „+“-Anschluss des Drucksensors immer oberhalb des Drucks in der Umgebungsluft bleibt. Letzteres ist sicher gestellt, solange der Wasserstand im rechten Schenkel des U-Rohres höher bleibt als der im linken Schenkel. Der zeitliche Verlauf der Druckdifferenz bei und nach dem Zusammendrücken des Ballons soll solange aufgezeichnet werden, bis der Wasserstand im Manometer seine Ausgangsstellung wieder stabil erreicht hat. Diese Messung wird zweimal durchgeführt. Die aufgezeichneten Werte der Ausgangsspannung des Drucksensors werden mit den Kalibrierdaten aus Kap. 5.5.1 in Druckdifferenzen umgerechnet. Die Ergebnisse werden in Diagrammen ∆p(t) dargestellt und interpretiert. 6 Anhang: Definition einer Struktur in Matlab Eine Struktur (engl. structure) in Matlab ist ein mit einem eigenen Namen bezeichneter zusammenhängender Speicherbereich. Dieser Speicherbereich ist unterteilt in Felder (engl. fields). Die Felder können von unterschiedlicher Größe sein. Ein Feld kann nur ein einzelnes Element enthalten (z.B. einen einzelnen Zahlenwert), aber auch mehrere Elemente, die in Form eines Vektors oder einer Matrix angeordnet sind11. Die in den Elementen der Felder gespeicherten Daten können von unterschiedlichem Datentyp (engl. data type, in Matlab auch class) sein. Es können Zeichen (Datentyp character), ganze Zahlen (Datentyp integer), reelle Zahlen (Datentyp single oder double) usw. sein. Jedes Feld und jedes Element wird mit einem eigenen Namen versehen. Ein Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen. Wir bilden eine Struktur mit dem Namen student. Darin sollen die Felder nachname, vorname, matrikelnr, faecher und semester enthalten sein. Das Feld faecher soll mehrere Elemente a, b, c enthalten, die übrigen Felder jeweils nur ein Element. Zur Speicherung von Daten in den einzelnen Elementen dienen folgende Matlab-Kommandos (der Punkt ist das Trennzeichen zwischen Struktur und Feld bzw. Feld und Element): >> >> >> >> >> >> >> student.nachname = student.vorname = student.matrikelnr = student.faecher.a = student.faecher.b = student.faecher.c = student.semester = 'Mueller'; 'Hans'; 123456; 'Physik'; 'Mathematik'; 'Chemie'; 8; Da es sich beim Nachnamen, Vornamen usw. um Zeichenketten (character strings, Datentyp character) handelt, müssen die Angaben in Hochkommata gesetzt werden. Nach Eingabe aller Daten kann man sich durch das Kommando >> student anzeigen lassen, wie Matlab diese Struktur gespeichert hat: student = nachname: 'Mueller' 11 Darüber hinaus kann ein Feld auch seinerseits eine Struktur sein, die wiederum in Strukturen, Felder oder Elemente untergliedert sein kann usw. 71 vorname: matrikelnr: faecher: semester: 'Hans' 123456 [1x1 struct] 8 Da das Feld faecher mehrere Elemente enthält, wird es seinerseits als Struktur (struct) angezeigt. Um die Einträge im Feld faecher anzuzeigen, muss das Kommando >> student.faecher eingegeben werden. Die Matlab-Ausgabe ist dann: ans = a: 'Physik' b: 'Mathematik' c: 'Chemie' Abb. 9 zeigt eine schematische grafische Darstellung der Struktur student. Für weitere Details wird auf das Matlab-Handbuch verwiesen. student nachname Mueller vorname Hans matrikelnr 123456 faecher semester Abb. 9: a Physik b Mathematik c Chemie 8 Schematische Darstellung einer Struktur in Matlab. 72 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Charakterisierung eines Sender-Empfänger-Systems Stichworte: Mikrowellen, Transversalwellen, ebene Wellen, Kugelwellen, stehende Welle, Richtcharakteristik, Reflexions- und Brechungsgesetz, Brechzahl, Polarisation. Messprogramm: Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen, Messung der Entfernungsabhängigkeit und der Richtcharakteristik, Brechzahl von PVC für Mikrowellen, Reflexion von Mikrowellen an einer Metallplatte und einem Drahtgitter, Polarisation von Mikrowellen. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 2 – Elektrizität und Optik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Im Laufe des Physikstudiums werden Sie verschiedene Sender-Empfänger-Systeme kennenlernen, wie z.B. das System Lichtquelle / Fotodetektor in der Optik oder das System Lautsprecher / Mikrophon in der Akustik. Solche Systeme werden i. Allg. durch mehrere Kenngrößen beschrieben. Ziel dieses Versuches ist es, anhand der Vermessung der Eigenschaften eines Sender-Empfänger-Systems für Mikrowellen 1 einige solcher Kenngrößen kennenzulernen. Im Einzelnen soll untersucht werden, - ob und wenn ja wie die Intensität der abgestrahlten Welle mit zunehmender Entfernung vom Sender abnimmt (Entfernungsabhängigkeit), - in welcher geometrischen Form (z.B. strahl-, kugel- oder keulenförmig) die Abstrahlung der Welle erfolgt (Richtcharakteristik), - an welchen Strukturen die Welle reflektiert wird (Reflexionsgesetz), - ob die Welle beim Übergang Luft → PVC gebrochen wird (Brechungsgesetz und Brechzahl), - ob die Welle linear polarisiert ist. Das System besteht aus einem Mikrowellensender und einem dazu passenden Empfänger. Beide Komponenten werden als „Black-Boxes“ behandelt, „schwarze Kästen“ also, die eine bestimmte Funktion erfüllen (Welle aussenden und Intensität der Welle detektieren), deren detaillierter Aufbau für den Versuch jedoch unbedeutend ist und auf den deshalb auch nicht weiter eingegangen wird. Zur Auswertung einiger Teilaufgaben des Versuchs werden grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich der Optik benötigt, die aus der Schule bekannt sein sollten: Reflexion, Brechung, stehende Welle. Im späteren Verlauf des Grundpraktikums werden diese Themen noch ausführlich behandelt, nachdem sie in der Vorlesung erarbeitet wurden. 2 Versuchsdurchführung Zubehör: Mikrowellensender (Typ I mit Gunn-Diode MICROSEMI MO86751A, P ≈ 10 mW, λ ≈ 28,5 mm; Typ II mit Gunn-Diode CL 8650 8927 (Hersteller unbekannt), P ≈ 15 mW, λ ≈ 27,5 mm), Mikrowellenempfänger (HEWLETT PACKARD X424A), 2 Dreieckschienen (Längen 1,5 m und 0,5 m), Gelenk für Dreieckschienen mit Winkelskala und Zeiger, Winkelsensor (TWK ELEKTRONIK PBA 12), 3 Netzgeräte (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V), Multimeter (AGILENT U1272A oder U1251B), Digital-Oszilloskop 1 Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich zwischen ca. 300 MHz und ca. 300 GHz. 73 TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PVC-Platte, Al-Blech, Drahtgitter, Verschiebetisch (100 mm) mit Motor und Laserdistanzsensor (BAUMER OADM 12U6460/S35), 2 Impedanzwandler, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), Metallmaßband (Länge 1 m), Stativmaterial. 2.1 Inbetriebnahme von Sender und Empfänger Zu Beginn der Versuche muss die Handhabung von Sender und Empfänger kennen gelernt werden. Dazu wird eine Anordnung gem. Abb. 1 aufgebaut. Sender S und Empfänger E werden auf einer ca. 1,5 m langen Dreieckschiene montiert, auf gleiche Höhe eingestellt und mittig zur Achse A im Abstand d = 5 cm voneinander angeordnet. Als Abstand d ist die Entfernung zwischen den Vorderkanten der Trichter von Sender und Empfänger definiert. d E S = UQ Abb. 1: D ϕ A O Schematische Anordnung des an eine Spannungsquelle UQ angeschlossenen Senders S und des zugehörigen Empfängers E. E wird über ein Koaxialkabel mit dem Oszilloskop O und/oder einer Messwerterfassungskarte verbunden, der Außenleiter des Kabels wird geerdet. A ist die Verbindungsachse von S und E. Für einige Versuche werden S und E auf einer Dreieckschiene montiert, für andere auf zwei Dreieckschienen, die mit einem Drehgelenk mit der Drehachse D verbunden sind. d ist der Abstand zwischen S und E, ϕ deren Winkelorientierung. Der Winkel ϕ wird mit einem Winkelsensor gemessen, der aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Der Sender wird an eine Gleichspannungsquelle UQ angeschlossen, die vorher auf 10 V Ausgangsspannung eingestellt wird (Überprüfung mit Multimeter). Er emittiert dann eine Mikrowelle konstanter Leistung P mit der Wellenlänge λ (P und λ siehe Zubehör). Der Empfänger wird über ein Koaxialkabel mit einem Oszilloskop O (DC-Ankopplung) und/oder einer Messwerterfassungskarte (MEK) verbunden. Er misst die Intensität I der einfallenden Mikrowelle. Darunter versteht man den zeitlichen Mittelwert der Energie einer Welle pro Zeit und Fläche. Die Einheit der Intensität ist also [I] = J s-1 m-2 = W m-2. Dem hochfrequenten Verlauf des elektrischen Feldes E der Mikrowelle (Frequenz ca. 10,5 GHz 2) kann der Detektor nicht direkt folgen. 3 Der Empfänger ist so gebaut, dass er die Intensität I der empfangenen Welle in ein negatives Spannungssignal U umsetzt: I ~ -U. Für die folgenden Versuche ist nur der Betrag |U| der Spannung maßgeblich. Hinweise: - Um einer möglichen Zerstörung der im Empfänger enthaltenen Halbleiterdiode durch elektrostatische Entladungen vorzubeugen, wird der Außenleiter des Koaxialkabels geerdet (Verbindung mit der Erdungsbuchse ( ) in der Laborzeile oder am Netzgerät ( )). - Da die Mikrowellen z.T. auch an den handelnden Personen gestreut und reflektiert werden, müssen alle folgenden Messungen jeweils unter gleichen Umgebungsbedingungen (gleicher Standort der Personen usw.) durchgeführt werden. 2.2 Entfernungsabhängigkeit Zunächst wird die Entfernungsabhängigkeit gemessen. Dazu werden gem. Abb. 1 Sender und Empfänger auf der ca. 1,5 m langen Dreieckschiene aufgebaut und die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop in Abhängigkeit vom Abstand d gemessen (5 cm ≤ d ≤ 1 m). Bei Veränderung von d wird eine Oszillation 2 3 Zum Vergleich die Frequenzen anderer Mikrowellen: Digital-Satelliten-TV ca. 12 GHz, Mikrowellenherd ca. 2,5 GHz. Dies ist analog zu einem Fotodetektor, der ebenfalls nur Lichtintensitäten messen kann, nicht jedoch den zeitlichen Verlauf des elektrischen Feldes einer Lichtwelle im Frequenzbereich von 1014 Hz. 74 des Empfangssignals auftreten, die dem entfernungsabhängigen Signalverlauf überlagert ist. Diese Oszillation (Periodenlänge λ/2) wird dadurch verursacht, dass ein Teil der abgestrahlten Welle am Empfänger reflektiert wird, mit der abgestrahlten Welle interferiert und eine stehende Welle bildet. Da die Amplitude der reflektierten Welle deutlich kleiner ist als die der abgestrahlten Welle, bildet sich eine stehende Welle mit schwacher Modulation aus (s. Abb. 2). Abb. 2: Räumlicher Verlauf der Intensität I in einer stehenden Welle, die durch Interferenz von zwei ebenen, gegenläufigen Mikrowellen mit der Wellenlänge λ = 30 mm entsteht 4. Blau: Intensitätsverlauf für den Fall, dass die Amplitude E der hinlaufenden Welle (Ea) gleich der Amplitude der reflektierten Welle (Er) ist: Er = Ea. Rot: Er = 0,2 Ea. Schwarz: Er = 0. Maxima und Minima der Intensität haben jeweils einen Abstand von λ/2. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten). Bei der Messung der Entfernungsabhängigkeit muss darauf geachtet werden, dass die Messpunkte immer bei den Abständen di liegen, bei denen der Betrag des Empfangssignals, |U|, jeweils maximal ist. Der Abstand der Messpunkte soll 2λ betragen. Ist ein Messpunkt eingestellt, kann mit Hilfe der Funktion Messung → Mittelwert des Digital-Oszilloskops der Messwert für U abgelesen werden. Für U muss kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für di ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit, mit der die Lage der Messpunkte bestimmt werden kann. Zur Auswertung wird |U| über d (mit Größtfehler ∆d) einmal halblogarithmisch (|U| auf logarithmischer Achse) und einmal doppeltlogarithmisch aufgetragen. In die Diagramme werden zusätzlich die Kurven eingezeichnet, die sich für folgende Fälle ergeben würden: a) Der Sender emittiert einen scharf begrenzten Strahl, der zwischen S und E nicht abgeschwächt wird: = U U= const. mit der Anfangsspannung |U0|. 0 b) Wie a), aber mit exponentieller Schwächung durch Absorption zwischen S und E: U = U 0 e −α d mit dem Abschwächungskoeffizienten α. c) Der Sender emittiert eine Kugelwelle, die zwischen S und E keine Abschwächung durch Absorption erfährt: U = U 0 k / d 2 . k ist ein Skalierungsfaktor, der so gewählt werden muss, dass |U| = |U0| für d → 0. Durch Vergleich des Verlaufes der Messdaten mit den theoretisch erwarteten Verläufen nach a) bis c) soll entschieden werden, in welcher Art die Wellenausbreitung stattfindet. Für die Darstellung der theoretischen Kurven sind für α, k und |U0| passende Werte einzusetzen, so dass der jeweils erwartete Kurvenverlauf gut zu erkennen ist. Um nicht zu falschen Schlussfolgerungen zu gelangen, müssen die Messergebnisse zur Richtcharakteristik (Kap. 2.3) mit berücksichtigt werden! 4 Die Intensität I einer elektromagnetischen Welle ist proportional zum Quadrat der Amplitude E des elektrischen Feldes der Welle: I ~ E2. 75 2.3 Richtcharakteristik Zur Messung der Richtcharakteristik wird der Sender auf der langen Dreieckschiene so montiert, dass die Vorderkante seines Trichters gerade in der Drehachse D liegt (Abb. 1). Der Empfänger wird auf einer zweiten, ca. 0,5 m langen Dreieckschiene in ca. 40 cm Abstand hinter der Drehachse angeordnet. Beide Schienen sind über ein Drehgelenk miteinander verbunden. Der Winkel ϕ kann auf einer Winkelskala abgelesen und gleichzeitig mit Hilfe eines Winkelsensors gemessen werden, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Bei der Einstellung der Entfernung zwischen E und D muss darauf geachtet werden, dass das Empfangssignal |U| bei einem Winkel von ϕ = 180° ein Maximum aufweist. Der Winkel ϕ = 180° wird eingestellt, indem die Dreieckschienen mit Hilfe eines angelegten Metallmaßbands längs der gemeinsamen Achse A ausgerichtet werden. Durch Drehung des Armes mit dem Empfänger E wird der Winkel von ϕ = 150° auf ϕ = 210° erhöht. Während der Drehung werden die Ausgangsspannung des Winkelsensors, UW, und die Spannung U am Empfänger gemessen und mit einer MEK aufgezeichnet (s.u. Hinweise zur Datenaufnahme mit der MEK). Anschließend wird mit Hilfe von Origin |U| als Funktion von ϕ (aus UW berechnet) in einem Polardiagramm 5 dargestellt (vgl. Abb. 3). Für |U| und ϕ müssen keine Fehler angegeben werden. Wegen der Vielzahl der aufgenommenen Daten wird das Polardiagramm als Liniendiagramm statt als Punktdiagramm dargestellt. Zusätzlich werden in das Diagramm die Kurven eingezeichnet, die sich in den Fällen a) und c) ergeben würden. Hinweise zur Datenaufnahme mit der MEK Die Messung und Aufzeichnung der Spannung UW des Winkelsensors und der Spannung U am Empfänger erfolgt mit Hilfe einer Messwerterfassungskarte (MEK) im PC auf analoge Weise wie beim Versuch „Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC…“. UW und U werden aus Gründen der Signalanpassung jeweils über einen Impedanzwandler 6 an die Buchsen ACH 0 und ACH 1 bzw. AI 0 und AI 1 der MEK angeschlossen. Das aus dem Versuch „Datenerfassung…“ bekannte Matlab-m-File muss erweitert werden, um gleichzeitig beide Signale erfassen zu können. In das m-File wird eine weitere Zeile (rot markiert) eingefügt, um zusätzlich zu Kanal Nr. 0 einen zweiten Kanal Nr. 1 zur Datenaufnahme bereit zu stellen: addchannel(AI,0); addchannel(AI,1); (Kanal 0: UW) (Kanal 1: U) Eine Abtastrate von R = 100/s ist ausreichend. Mit dem bekannten Befehl [UG,t]=getdata(AI); werden die Daten nach Ende der Messung ausgelesen. UG enthält die Spannungswerte aus beiden Kanälen in Form einer (N, 2)-Matrix mit N Zeilen und 2 Spalten, wobei N die Zahl der eingelesen Messwerte ist. In der ersten Spalte stehen die Messwerte von Kanal 0, also die Werte von UW, in der zweiten Spalte die Messwerte von Kanal 1, also die Werte von U. Die Daten für die Zeit t werden für die weitere Auswertung nicht benötigt. Die Daten für UW und U werden in einer ASCII-Datei (hier: MD.dat) gespeichert, um sie später mit Origin weiter verarbeiten zu können: save('MD.dat','UG','-ascii') Einen ersten Überblick über den Verlauf von U als Funktion von UW erhält man mit dem Plot-Befehl: plot (UG(:,1),UG(:,2)) 5 6 (Durch den Doppelpunkt werden alle Daten aus Spalte 1 bzw. alle Daten aus Spalte 2 selektiert). Zur Erzeugung eines Polardiagramms mit Origin: → Zeichnen → Spezialisiert → Polar… (englische Version: → Plot → Specialized → Polar…). Aufbau und Funktion von Impedanzwandlern werden im späteren Versuch „Operationsverstärker“ (SoSe) behandelt. 76 Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen: Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Winkelsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden, um Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden. Abb. 3: 2.4 Beispiel eines Polardiagramms für die Funktion r(α) = 1 + cosα (rote Kurve). Der Winkel α läuft gegen den Uhrzeigersinn. Für jeden Winkel α wird der Funktionswert r(α) als Abstand vom Zentrum des Diagramms dargestellt (für α = 15° exemplarisch durch blauen Strich markiert). Brechung Ziel des Teilversuchs ist die Bestimmung eines Orientierungswertes für die Brechzahl nPVC von PVC für die verwendete Mikrowelle 7. Dazu folgender theoretischer Hintergrund: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen hängt von der Brechzahl n des Mediums ab, das die Wellen durchlaufen. Im Vakuum ist n = 1; die Wellen breiten sich hier mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c aus. c ist eine Naturkonstante (vgl. hintere Umschlagseite dieses Skriptes). In Medien (Index M) mit n > 1 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit geringer. Es gilt: (1) cM = c nM Im Vakuum gilt folgender Zusammenhang zwischen der Ausbreitungsgeschwindigkeit c, der Wellenlänge λ und der Frequenz ν einer elektromagnetischen Welle: (2) c = λν In einem Medium mit nM > 1 gilt analog: (3) cM = λM ν Ausbreitungsgeschwindigkeit und Wellenlänge werden im Medium kleiner, die Frequenz der Welle bleibt unverändert. Die Kombination von Gl. (1) bis (3) ergibt: (4) 7 c λ ν = λ= Mν nM nM In der folgenden Beschreibung wird vorausgesetzt, dass sich die Mikrowelle wie eine ebene Welle ausbreitet. Dies ist nach den Ergebnissen aus Kap. 2.3 jedoch nicht der Fall. Außerdem wird die Messung durch Streuung und Reflexion der Mikrowelle an umgebenden Materialien beeinflusst. Deshalb ist eine präzise Bestimmung von nPVC mit der verwendeten Versuchsanordnung nicht möglich. Die Messung liefert jedoch einen brauchbaren Orientierungswert. 77 Für Luft ist nM ≈ 1 und damit cM ≈ c und λM ≈ λ . Die Verkürzung der Wellenlänge in einem Medium mit nM > 1 kann man ausnutzen, um die Brechzahl nM zu messen. Dazu betrachten wir gem. Abb. 4 oben einen Ausschnitt der bereits aus Kap. 2.2 bekannten stehenden Welle. Zwischen S und E befindet sich Luft mit nLuft ≈ 1 . Auf einer Strecke der Länge L bilden sich M Intensitätsmaxima, die jeweils den Abstand λ/2 voneinander haben. Es gilt also: (5) λ L=M 2 Nun bringen wir gem. Abb. 4 unten eine Platte der Dicke D zwischen S und E ein. Die Brechzahl des Plattenmaterials sei nM > 1 . Dadurch wird die Wellenlänge in der Platte verringert: (6) λ λM = nM und die Zahl der Intensitätsmaxima längs der Strecke L um m erhöht. Es gilt: (7) D λM + a λ = M +m 2 2 L D Abb. 4: a l Stehende Wellen zwischen S und E. Oben für den Fall, dass sich zwischen S und E Luft befindet. Unten für den Fall, dass in die Luft zwischen S und E eine Platte der Dicke D mit der Brechzahl nM eingebracht wird, wodurch die Intensitätsmaxima im Bereich a zur Platte hin verschoben werden. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Die Erhöhung der Zahl der Intensitätsmaxima um m geht außerhalb der Platte mit einem Versatz der Maxima um die Strecke l einher, für den gilt: (8) l=m λ 2 Außerdem gilt gem. Gl. (5): (9) L= D+a= M λ 2 Durch Einsetzen von M aus Gl. (9) in Gl. (7) und mit Gl. (6) und (8) folgt: (10) 2 nM D λ 2 a 2 ( D + a) 2 l += + λ λ λ 78 Damit folgt für nM : (11) nM = D+l D Durch Messung von D und l lässt sich also nM bestimmen. Die beschriebene Methode ist allerdings nur eindeutig, solange m < 1. Dies ist gleichbedeutend mit l < λ/2. Gem. Gl. (11) bedeutet dies: (12) = l D ( nM − 1) < λ 2 und damit (13) D< λ 2 ( nM − 1) In diesem Versuch soll die Brechzahl von PVC, nPVC , für eine Mikrowelle mit λ ≈ 28,5 mm bzw. λ ≈ 27,5 mm mit Hilfe von Gl. (11) bestimmt werden. Sie liegt in der Größenordnung von nPVC ≈ 1,6. Damit folgt für beide Werte von λ: D < 23 mm. Gearbeitet wird mit D ≈ 10 mm. Zur Messung von l gehen wir wie folgt vor: S und E werden auf den beiden Dreieckschienen symmetrisch zur Drehachse D in d0 = 500 mm Entfernung voneinander aufgebaut. Der Empfänger wird auf einen motorgetriebenen Verschiebetisch V montiert, mit dem er längs der Achse A um 100 mm in Richtung S verschoben werden kann (Abb. 5). Der Motor wird mit einer Gleichspannung betrieben. Die Höhe der Spannung (maximal 24 V) steuert die Geschwindigkeit der Verschiebung, die Polarität ihre Richtung (vor / zurück). An beiden Enden des Verschiebetisches befinden sich Mikroschalter, die den Motor stoppen, sobald der jeweilige Anschlag erreicht ist. sB sA A D LDS E S V d0 Abb. 5: Anordnung von Sender S und Empfänger E, der sich auf einem Verschiebetisch V befindet. Mit dem Tisch kann E von der rechten bis zur linken Anschlagposition vorgefahren oder von der linken bis zur rechten Anschlagposition zurückgefahren werden. sA und sB sind in den Anschlagpositionen die jeweiligen Abstände zwischen dem LDS und der Grundplatte, auf der E montiert ist. An dem Verschiebetisch ist ein Laser-Distanzsensor LDS montiert, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Seine Ausgangsspannung UL ändert sich linear mit Verschiebung von E. Der Sensor wird kalibriert, indem für beide Anschlagpositionen die Abstände sA und sB (Definition gem. Abb. 5) und die zugehörigen Ausgangspannungen ULA und ULB gemessen werden. Befindet sich E während der Verschiebung an beliebiger Position zwischen den beiden Anschlagpositionen, so gilt für den momentanen Abstand s des Empfängers von der rechten Anschlagposition: = s (14) (U ( s ) − U ) Us B L LA LB − sA − U LA und damit für den maßgeblichen Abstand d zwischen S und E: (15) = d d0 − s 79 Der Motor wird an der rechten Anschlagposition gestartet und bis zur linken Anschlagposition in Richtung S vorgefahren. Während der Verschiebung werden die Spannung UL und die Spannung U an E mit Hilfe der Messwerterfassungskarte gemessen und gespeichert (analog zum Vorgehen wie bei den Messungen zu Kap. 2.3). Anschließend wird die Messung mit eingebrachter PVC-Platte der Dicke D0 (mit Messschieber messen) zwischen S und E wiederholt. Die Platte wird mittig zur Drehachse D montiert. Um zu verhindern, dass Signalreflexionen an der Platte die Messung stören, wird die Platte unter einem Winkel von α = 45° zur Achse A ausgerichtet. Die Mikrowelle legt dann in dem PVC die Strecke (16) D = D0 / cos (α ) zurück 8. Danach wird der Motor an der linken Anschlagposition gestartet und zur rechten Anschlagposition zurückgefahren. Während der Verschiebung werden wiederum UL und U aufgezeichnet und anschließend gespeichert. Aus beiden Datensätzen werden mit Hilfe von Origin und den Gleichungen (14) und (15) zunächst die Abstände d berechnet. Anschließend wird für beide Datensätze jeweils |U| über d in einem Diagramm dargestellt. Mit Hilfe des Origin-Tools „Datenkoordinaten / Data Reader“ 9 kann in beiden Kurven die Position eines ausgewählten Intensitätsmaximums und daraus deren Versatz l bestimmt werden. Aus den Werten für l und D wird schließlich die Brechzahl nPVC bestimmt. Hinweis zur Vermeidung von Störspannungen: Für diesen Versuchsteil müssen die Ground-Leitungen (0 V) der Spannungsversorgungen für Impedanzwandler und Laser-Distanzsensor mit der Erdungsbuchse ( ) der Netzgeräte verbunden werden, um Störspannungen durch sogenannte Brummschleifen zu vermeiden. 2.5 Polarisation In einer linear polarisierten Mikrowelle oszilliert das elektrische Feld E der Welle in nur einer Raumrichtung (z.B. in y-Richtung, s. Abb. 6). Trifft eine solche Welle auf ein Drahtgitter, dessen Stäbe in gleicher Richtung angeordnet sind, werden Ströme in den Stäben induziert, die wie HERTZsche Dipolstrahler wirken. Die von diesen Dipolen abgestrahlte Welle ist gegenüber der einlaufenden Welle um 180° phasenverschoben. Hinter dem Gitter kommt es deshalb zu destruktiver Interferenz zwischen der durchgehenden Ursprungswelle und der abgestrahlten Welle. Ein hinter dem Gitter platzierter Empfänger wird also allenfalls ein sehr schwaches Signal messen. Vor dem Gitter interferiert die von den Dipolen nach hinten abgestrahlte Welle mit der einlaufenden Welle. Steht das Gitter wie beim Versuch zur Reflexion (Kap. 2.6.2) schräg zur einfallenden Welle, so kann sich die nach hinten abgestrahlte (reflektierte) Welle ohne Interferenz mit der einfallenden Welle ausbreiten. Trifft die linear polarisierte Welle auf ein Gitter, dessen Stäbe senkrecht zur Polarisationsrichtung der Welle angeordnet sind, können wegen des geringen Durchmessers der Stäbe keine nennenswerten Ströme induziert werden. In diesem Fall tritt also keine von HERTZschen Dipolen abgestrahlte Welle auf, so dass die ursprüngliche Welle das Gitter nahezu ungestört durchdringen kann. Zur Untersuchung der Polarisationseigenschaften der im Versuch verwendeten Mikrowelle werden S und E im Abstand d ≈ 5 cm (ϕ = 180°) voneinander aufgebaut. Zwischen S und E wird ein Drahtgitter gehalten, dessen Stäbe einmal vertikal und einmal horizontal ausgerichtet sind. Für jede Staborientierung wird die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen. Frage 1: - Ist die Welle linear polarisiert? Wenn ja: in welcher Richtung? 8 Näherung für eine ebene Welle. 9 Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten / Data Reader ist . 80 y E t Abb. 6: 2.6 Wechselwirkung einer linear polarisierten Welle E mit einem Drahtgitter, dessen dünne Stäbe in Richtung der Polarisationsrichtung der Welle orientiert sind. Reflexion 2.6.1 Reflexion an einer Metallplatte Zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP (Al-Blech) werden S und E jeweils in ca. 20 cm Abstand von der Drehachse montiert und der Winkel zwischen S und E auf ϕ = 90° eingestellt (Abb. 7). Die Metallplatte wird so montiert, dass die Drehachse D in ihrer Oberfläche liegt. Der Winkel γ wird nun in acht Schritten von je 3° beginnend bei γ = 35° erhöht und für jeden Winkel die Spannung U am Empfänger mit dem Oszilloskop gemessen. Für U muss kein Fehler angegeben werden. Der Größtfehler für γ ergibt sich aus der eingeschränkten Genauigkeit, mit der γ eingestellt werden kann. |U| wird über γ (mit Größtfehler ∆γ) aufgetragen und mit Hilfe einer Ausgleichskurve durch die Messdaten der Winkel maximaler Reflexion bestimmt. Als Ausgleichskurve dient ein Polynom 2. Grades, das mit Hilfe von Origin berechnet und gezeichnet wird. 10 S γ D ϕ = 90° MP E Abb. 7: Anordnung zur Messung der Reflexion an einer Metallplatte MP. S und E sind unter dem Winkel ϕ = 90° angeordnet, der Winkel γ wird variiert. Frage 2: Gilt das Reflexionsgesetz? 2.6.2 Reflexion an einem Drahtgitter Die gleiche Messung wie unter 2.6.1 wird mit einem Drahtgitter wiederholt, dessen Stäbe senkrecht orientiert sind. Die Messdaten |U(γ)| werden mit in das unter Kap. 2.6.1 erstellte Diagramm eingetragen. Zur Interpretation der Messergebnisse wird auf die Anmerkungen zur Polarisation im Kap. 2.5 verwiesen. 10 Polynomfit mit Origin: → Analyse → Anpassen → Polynomieller Fit… (englische Version: → Analysis → Fitting → Fit Polynomial …). 81 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Impuls- und Energieerhaltungssatz Stoßgesetze Stichworte: Impulserhaltung, Energieerhaltung, elastische, inelastische und vollkommen inelastische Stöße, Stoßgesetze, Laborsystem, Schwerpunktsystem, Streuwinkel Messprogramm: Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impulserhaltung, Analyse von schiefen elastischen Stößen auf einem Luftkissentisch. Literatur: /1/ ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley Publ. Comp., Reading (Mass.) u.a. /2/ STÖCKER, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt /3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Im Folgenden sind zwei Versuche beschrieben, die zum Verständnis des Impuls- und Energieerhaltungssatzes beitragen sollen. Insbesondere soll deutlich werden, dass der Erhalt des Impulses (Vektor, dessen Betrag proportional zur Geschwindigkeit ist) und der Erhalt der kinetischen Energie (Skalar, der proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist) zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. 2 Versuch I: erhaltung Messung von Geschwindigkeiten auf der Grundlage der Impuls- Sollen große Geschwindigkeiten kleiner Körper im Labor direkt gemessen werden, so ist dafür ein recht großer und entsprechend teurer apparativer Aufwand erforderlich. Einfache Lichtschranken, wie sie im Praktikum verwendet werden, reagieren beispielsweise zu langsam, als dass sie für solche Messungen eingesetzt werden könnten. Vielmehr würden Fotodetektoren benötigt, die über ein „schnelles Ansprechverhalten“ verfügen, d. h. Impulse mit großer Flankensteilheit liefern, die von entsprechend „schnellen“ elektronischen Zählern oder Speicher-Oszilloskopen weiter verarbeitet werden müssten. Da solche Geräte im Praktikum nicht zur Verfügung stehen, müssen wir uns eines Tricks bedienen: Die schnelle Bewegung des kleinen Körpers wird in die langsame Bewegung eines großen Körpers umgesetzt. Im folgenden Versuch wird dieses Verfahren eingesetzt, um die Mündungsgeschwindigkeit von Luftgewehrkugeln zu bestimmen. 1 2.1 Theorie Eine Kugel der Masse m fliege mit der Geschwindigkeit v auf einen ruhenden Klotz der Masse M (Abb. 1). Die Kugel bewege sich auf der Verbindungslinie der Schwerpunkte von Kugel und Klotz; beide treffen also zentral aufeinander. Der Klotz sei so beschaffen, dass nach dem Stoß Kugel und Klotz mit der gemeinsamen Geschwindigkeit u weiterfliegen. Es handelt sich demnach um einen total inelastischen Stoß. Frage 1: - Was kennzeichnet einen elastischen, was einen inelastischen, was einen total inelastischen Stoß? Der Impulserhaltungssatz kann in diesem Fall des zentralen Stoßes in skalarer Form geschrieben werden: 1 Da wir das Luftgewehr weniger als Waffe, sondern vielmehr als Jahrmarktsartikel ansehen, ist sein Einsatz im Praktikum vertretbar, zumal es der billigste Apparat ist, mit dem ausreichend hohe und hinreichend reproduzierbare Geschwindigkeiten erzeugt werden können. 82 (1) mv = ( M + m)u Mit Berücksichtigung der beim inelastischen Stoß in Verformung und Wärme umgesetzten Energie D lautet der Energieerhaltungssatz: (2) 1 2 1 mv = ( M + m)u 2 + D 2 2 Frage 2: - Wie sähen Impuls- und Energieerhaltungssatz im Falle eines elastischen Stoßes aus? Aus Gleichung (1) kann die gesuchte Geschwindigkeit v ermittelt werden, wenn M, m und u bekannt sind. M und m lassen sich durch einfache Wägung ermitteln. Um u zu bestimmen, muss man eine möglichst reibungsarme Bewegung des Klotzes erreichen, etwa durch Verwendung einer Luftkissenbahn. Wir wollen jedoch einen weniger aufwändigen Weg gehen: Der Klotz wird an einem langen Faden der Länge l aufgehängt, so dass er nach dem Stoß Pendelbewegungen ausführt (Abb. 1). Vernachlässigen wir Reibungseffekte, so ist die maximale kinetische Energie des Klotzes gleich seiner maximalen potentiellen Energie, also: α/2 l h α/2 M u v m s Abb. 1: (3) Zentraler Stoß zwischen einer Kugel (rot) der Masse m und Geschwindigkeit v und einem Pendelkörper (beige) der Masse M, der nach dem Stoß die Ruhelage mit der Geschwindigkeit u verlässt. Übrige Bezeichnungen siehe Text. 1 ( M + m)u 2 =( M + m) gh 2 Dabei ist u die Geschwindigkeit, mit der der Klotz die Ruhelage verlässt, h die maximale vertikale Auslenkung des Klotzes aus der Ruhelage und g die Erdbeschleunigung. Für kleine Pendelausschläge um den Winkel α ist tanα ≈ α und es gilt gem. Abb. 1: (4) α h α ≈ tan = 2 s 2 wobei s die maximale horizontale Auslenkung des Körpers aus der Ruhelage ist. Für l >> s gilt ferner: (5) α≈ s l Setzen wir Gl. (4) und Gl. (5) in Gl. (3) ein, so erhalten wir: (6) u2 ≈ g 2 s l 83 Für die Schwingungsdauer T des Pendels benutzen wir den für kleine Auslenkungswinkel α geltenden Zusammenhang: (7) T = 2π l g Lösen wir Gl. (7) nach g/l auf und setzen das Ergebnis in Gl. (6) ein, so erhalten wir: (8) u≈ 2π s T Schließlich setzen wir Gl. (8) in Gl. (1) ein und erhalten die gesuchte Beziehung zur Bestimmung der Geschwindigkeit v aus den Messgrößen m, M, s und T: M + m 2π ⋅ s m T (9) v≈ 2.2 Versuchsdurchführung Zubehör: Luftgewehr in justierbarer Halterung, Schutzvorrichtung, Justierstab, Luftgewehrkugeln, bifilar aufgehängter Pendelkörper, U-Schiene mit Skalierung und verschiebbarem Stäbchen zur Messung des horizontalen Pendelausschlags, Stativ, Stoppuhr, Laborwaage, Folie, Tesafilm, doppelseitiges Klebeband. Bei diesem Versuch muss mit größter Vorsicht gearbeitet werden. Immer darauf achten, dass niemand in die Schussbahn gerät! Bei geöffnetem Gewehr niemals den Abzug betätigen! Vor Auslösung des ersten Schusses BetreuerIn informieren! Zunächst werden die mittlere Kugelmasse m aus der Wägung von 10 Kugeln und die Masse M des Pendelkörpers bestimmt. Anschließend wird das Gewehr mit Hilfe eines in den Lauf einschiebbaren Justierstabes so ausgerichtet, dass die Kugeln den Pendelkörper in der Mitte treffen. Nur dann ist ein zentraler Stoß gewährleistet. Andernfalls würde der Pendelkörper zusätzliche Dreh- und Kippbewegungen ausführen und Gl. (9) würde nicht mehr gelten. Die Gewehrmündung soll ca. 15 cm Abstand vom ruhenden Pendelkörper haben. Auf der gegenüberliegenden Pendelkörperseite wird ebenfalls mittig eine U-Schiene mit verschiebbarem Stäbchen zur Messung des Maximalausschlags s angebracht. Die Schiene wird so montiert, dass Pendelausschläge von bis zu 10 cm gemessen werden können. Nun wird 15-mal geschossen und jeweils der Maximalausschlag s inkl. Größtfehler ∆s sowie die Schwingungsdauer T gemessen. T wird mit der Stoppuhr als Mittelwert über je 10 Schwingungsperioden ermittelt, der Größtfehler ∆T wird aus der Genauigkeit der Zeitmessung (Drücken der Stoppuhr) abgeschätzt. Bei dem beschriebenen Vorgehen nähme die Masse M des Pendelkörpers bei jedem Schuss um m zu, wir hätten es also bei jedem Schuss mit anderen Versuchsbedingungen zu tun. Wir werden dies dadurch umgehen, dass wir die noch nicht verschossenen Kugeln jeweils auf den Pendelkörper auflegen (Fixierung mit doppelseitigem Klebeband symmetrisch um die Mittenachse) und somit die Masse des Pendelkörpers konstant halten. Gl. (9) lautet dann: (10) v≈ M + 15 m 2π ⋅ s m T Nach Gl. (7) würde es prinzipiell reichen, T einmal zu messen, da l sich von Schuss zu Schuss nicht ändert. Um mögliche Fehler, z.B. durch falsche Zählung der Schwingungsperioden u.a. zu vermeiden, soll T dennoch bei jedem Schuss bestimmt werden. Für jeden Schuss (Nr. i) wird die Geschwindigkeit vi inkl. Größtfehler ∆vi berechnet. vi wird mit Fehlerbalken über i aufgetragen. Der Mittelwert v und seine Standardabweichung werden berechnet und in Form horizontaler Linien mit in das Diagramm eingetragen. 84 Abschließend werden die kinetischen Energien sowie die Impulse vor und nach dem Stoß berechnet (Gl. (2), (16)-(18), (25)). Für v wird der Mittelwert v verwendet. u wird mit Gl. (8) bestimmt, wobei für s und T die Mittelwerte aus den Einzelwerten si und Ti eingesetzt werden. Frage 3: - Wie lässt sich das Ergebnis mit Hilfe von Gl. (2) interpretieren? Um was für einen Stoß handelt es sich demnach? 3 Versuch II: Schiefe elastische Stöße auf einem Luftkissentisch Nachdem wir uns im ersten Versuch mit zentralen Stößen beschäftigt haben, bei denen die stoßenden Körper in direkten mechanischen Kontakt getreten sind, wollen wir nun schiefe elastische Stöße unter dem Einfluss von magnetischen Wechselwirkungskräften betrachten, bei denen die Körper sich nicht berühren. Berührungslose Stöße zwischen Teilchen unter dem Einfluss von Wechselwirkungskräften spielen in der Atom-, Kern- und Teilchenphysik eine große Rolle. Wir wollen sie auf einem Luftkissentisch simulieren. 3.1 Theorie Wir betrachten gem. Abb. 2 vom Ursprung eines ruhenden Koordinatensystems XY aus zwei Körper mit den Massen m1 und m2, die sich mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 unter beliebigem Winkel aufeinander zubewegen (schiefer Stoß, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Schwerpunkte der beiden Körper nicht längs einer gemeinsamen Linie bewegen). Der Impuls- und der Energieerhaltungssatz lassen sich im Koordinatensystem XY recht einfach hinschreiben. Sollen jedoch zusätzlich Aussagen über Streuwinkel (s.u.) gemacht werden, wird die Rechnung deutlich einfacher, wenn man in ein Koordinatensystem XsYs übergeht, dessen Ursprung im gemeinsamen Schwerpunkt S der beiden Körper liegt. Ein solches Koordinatensystem heißt Schwerpunktsystem. Der Index „ s “ wird im Folgenden für alle Größen im Schwerpunktsystem verwendet. Vom Koordinatensystem XY aus betrachtet bewegt sich der Schwerpunkt S und damit das Koordinatensystem XsYs mit der Geschwindigkeit: (11) u= m1 v1 + m2 v 2 m1 + m2 Hat ein Körper im Schwerpunktsystem XsYs die Geschwindigkeit vs, so lässt sich seine Geschwindigkeit v im Koordinatensystem XY durch einfache Vektoraddition berechnen: (12) = v vs + u und damit: (13) v s= v − u Von XsYs aus betrachtet haben m1 und m2 vor dem Stoß folgende Geschwindigkeiten: m2 m1 + m2 (14) v s 1 = v1 − u = ( v1 − v 2 ) (15) v s 2 =v 2 − u =− ( v1 − v 2 ) m1 m1 + m2 Die Geschwindigkeiten sind also im Schwerpunktsystem immer entgegengesetzt gerichtet. 85 y ys v1 u m1 v2 S m2 xs x Abb. 2: Schiefer Stoß der Massen m1 und m2 im Koordinatensystem XY. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Durch Multiplikation der Geschwindigkeiten mit den Massen erhalten wir aus Gl. (14) und (15) für die Impulse vor dem Stoß im Schwerpunktsystem: (16) (17) = p s 1 µ ( v1 − v 2 ) ps2 = − µ ( v1 − v 2 ) wobei wir der Einfachheit halber die reduzierte Masse µ eingeführt haben: (18) µ= m1m2 m1 + m2 Die Impulse sind im Schwerpunktsystem demnach ebenfalls immer entgegengesetzt gerichtet und darüber hinaus betragsmäßig gleich (Abb. 3). Es gilt: (19) ps 1 = ps 2 oder in anderer Schreibweise ps 1 = ps 2 Aus Gl. (16), (17) und (19) folgt: (20) ps 1 + ps 2 = 0 Aus Gründen der Impulserhaltung muss Gl. (20) auch nach dem Stoß gelten (wir werden im Folgenden den Hochindex „´“ für alle Größen nach dem Stoß benutzen). Damit folgt: (21) 0 p′s 1 + p′s 2 = bzw. (22) p′s 1 = p′s 2 oder in anderer Schreibweise ps′ 1 = ps′ 2 Betrachten wir nun den elastischen Stoß. Er ist durch die Erhaltung der kinetischen Energie gekennzeichnet: (23) 1 1 1 1 m1vs 12 + m2vs 2 2 = m1vs′ 12 + m2vs′ 2 2 2 2 2 2 Gl. (23) lässt sich mit den Beträgen der Impulse auch in dieser Form schreiben: (24) p s 12 m1 + ps 2 2 m2 = ps′ 12 m1 + ps′ 2 2 m2 86 ys ps1 p's2 xs p's1 Abb. 3: ps2 Impulsverlauf beim elastischen Stoß zweier Körper im Schwerpunktsystem XsYs. Die Impulse vor dem Stoß (grün) und nach dem Stoß (rot) sind paarweise entgegengesetzt gerichtet und von gleichem Betrag. Setzen wir Gl. (19) und (22) in Gl. (24) ein, so sehen wir, dass in diesem Fall zusätzlich die Impulsbeträge im Schwerpunktsystem vor und nach dem Stoß gleich sein müssen: (25) ′ p= p= p= ps′ 2 s1 s2 s1 Das wiederum bedeutet für die Beträge der Geschwindigkeiten: ′ (26) = vs 1 v= vs 2 vs′ 2 s1 Der Streuwinkel θ ist per Definition der Winkel zwischen dem Impulsvektor (oder Geschwindigkeitsvektor) eines Körpers vor und nach dem Stoß. In unserem Falle gilt im Schwerpunktsystem für θs gemäß Abb. 4: θs (27) = sin 2 v 's 1 − v s 1 = 2 v 's 1 v 's 2 − v s 2 2 v 's 2 Diese Gleichung darf nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass mit ihr a priori eine Berechnung des Streuwinkels θs möglich wäre. Das würde die Kenntnis der Richtung der Impulse bzw. Geschwindigkeiten nach dem Stoß voraussetzen. Diese Richtung ist jedoch z.B. von der genauen Form der Körper und ihrer Lage beim Stoß abhängig und daher i. Allg. nicht exakt vorhersehbar. (Das heißt nicht, dass es nicht eine Reihe von idealisierten Spezialfällen gibt, in denen eine Berechnung möglich ist.) p'1 θ vs1 p1 θs v's1 θ s/2 v's1 Abb. 4: φ p'2 vs1 Zur Definition des Streuwinkels θs zwischen den Geschwindigkeitsvektoren vor (grün) und nach (rot) dem Stoß im Schwerpunktsystem. Abb. 5: Zur Definition der Streuwinkel θ und φ der Impulsvektoren vor (grün) und nach (rot) dem Stoß im XY-Koordinatensystem (Sonderfall p2 = 0). Die Berechnung des Streuwinkels θ im Koordinatensystem XY ist wesentlich komplizierter. Wir wollen uns auf den einfachen Spezialfall des schiefen, elastischen Stoßes beschränken, bei dem der eine Körper vor dem Stoß in Ruhe ist (v2 = 0; s. Abb. 5). Der Impulserhaltungssatz liefert dann: 87 (28) p= p1′ + p′2 1 bzw. ′2 p1 − p1′ p= Bilden wir das Quadrat vom rechten Term in Gl. (28), so erhalten wir (29) p2′ = ( p1 − p1′ ) = p1 + p1′ − 2 p1 p1′ cos θ 2 2 2 2 und damit (30) θ = arccos p1 + p1′ − p2′ 2 p1 p1′ 2 2 2 Abschließend betrachten wir im Koordinatensystem XY den Winkel φ zwischen den Geschwindigkeitsoder Impulsvektoren der beiden Körper nach dem Stoß für den Fall v2 = 0 und zusätzlich m1 = m2. Für die Impulserhaltung gilt wieder Gl. (28): (31) p= p1′ + p′2 1 und damit (32) p12 = ( p1′ + p′2 ) = p1′2 + p2′ 2 + 2p1′p′2 2 Aus dem Energieerhaltungssatz folgt in diesem Fall für den elastischen Stoß: (33) p= p1′ + p2′ 1 2 2 2 Gl. (32) und (33) zusammen ergeben die Bedingung (34)= 2 p1′p′2 2= p1′ p2′ cos φ 0 Diese Gleichung ist für φ = 90° erfüllt. Die Geschwindigkeits- bzw. Impulsvektoren der beiden Körper nach dem Stoß stehen in diesem Fall (m1 = m2, v2 = 0) also senkrecht aufeinander. 3.2 Versuchsdurchführung Zubehör: Luftkissentisch mit Zubehör (Gebläse, Pucks), Stroboskoplampe, Fotodetektor, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Digital-Kamera NIKON D90, Kabelauslöser für Digital-Kamera, PC mit Bildverarbeitungs-Software Photoshop, Stativmaterial, Wasserwaage, Laborwaage, Becherglas, Metallmaßband Achtung: Die Pucks dürfen auf dem Tisch grundsätzlich nur bei eingeschalteter Luftzufuhr bewegt werden! Vor Versuchsbeginn wurde der Luftkissentisch durch die technische Assistenz so ausgerichtet, dass aufgesetzte Pucks in dem Bereich, in dem gemessen werden soll, keine Beschleunigung erfahren. Auf einem Luftkissentisch, auf dem spezielle Pucks sich nahezu reibungsfrei bewegen können, wollen wir den schiefen, elastischen Stoß zwischen zwei sich abstoßenden, magnetischen Pucks untersuchen, und zwar a) für den Fall m1 ≈ m2, v2 ≈ 0 und b) für den Fall m1 ≠ m2, v1 ≠ 0, v2 ≠ 0 Um die Bahn der Pucks verfolgen und später quantitativ auswerten zu können, wird der Versuchsablauf unter Stroboskopbeleuchtung mit einer Digital-Kamera fotografiert. Abb. 6 zeigt ein Beispiel. Aus räumlichen Gründen muss die Aufnahme über einen Spiegel erfolgen. Hierdurch kommt es zu Verzerrungen bei der Abbildung, die später korrigiert werden. 88 Abb. 6: Beispiel der Aufnahme von Puckbewegungen auf dem Luftkissentisch unter Stroboskopbeleuchtung für den Fall b). Links sind die Hände der Person zu erkennen, die die Pucks gestartet hat. Die Kamera wird wie folgt eingestellt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Kleiner Drehschalter: ON Großer Drehschalter: M (manueller Modus) Schiebeschalter am Objektiv: M (manueller Modus) Belichtungszeit: Bulb (Belichtung erfolgt so lange, wie der Auslöser gedrückt wird) Blende: ca. F5.6 Empfindlichkeit: ISO 400 Bildgröße: M (3216 x 2136 Pixel) Bildqualität: Fine Vergrößerung (Zoom): großer Drehring am Objektiv auf 18 (Minimum) Scharfstellung: kleiner Drehring am Objektiv Die Einstellungen 2 - 10 wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz vorgenommen. Sie dürfen nicht verändert werden. Die Stroboskoplampe wird auf die weiße Wand hinter dem Luftkissentisch gerichtet, so dass der Tisch durch das diffus gestreute Licht indirekt beleuchtet wird. Im Sucher der Kamera soll der Tisch möglichst gleichmäßig ausgeleuchtet erscheinen. Gegebenenfalls muss dazu die Ausrichtung der Stroboskoplampe verändert werden. Die Frequenz der Stroboskoplampe muss dem Versuchsablauf derart angepasst werden, dass die verschiedenen Puckpositionen auf dem Kamerabild später deutlich zu unterscheiden sind. Sie wird mit Hilfe eines Fotodetektors und eines Digital-Oszilloskops gemessen, da sie für die quantitative Auswertung der Versuchsdaten benötigt wird. Die Massen der Pucks werden auf der Laborwaage gewogen (großes Becherglas unterstellen, da die Magnetfelder der Pucks andernfalls die Waage beeinflussen!). Die Pucks werden per Hand gestartet; im Fall a) muss der zweite Puck bis zum Start des ersten Pucks gegebenenfalls vorsichtig festgehalten werden. Zur Aufzeichnung der Puckbahnen wird der Kabelauslöser der Kamera gedrückt und festgehalten. Ca. 1 s später (Auslöseverzögerung der Kamera) werden die Pucks gestartet. Der Kabelauslöser wird wieder losgelassen, kurz bevor die Pucks die Tischränder erreichen. Für den Fall a) und b) soll je eine gelungene Aufnahme quantitativ ausgewertet werden. Dazu wird die Kamera über ein USB-Kabel mit dem PC verbunden. Die Bilder sind anschließend unter NIKON D90\DCIM\... zu finden und werden von dort in das persönliche Verzeichnis O:\GPRxx\Name übertragen. Anschließend werden sie von der Kamera gelöscht. Vor der weiteren Auswertung müssen die Bilder zunächst entzerrt werden (s.o.). Dies geschieht mit Hilfe des Matlab-Skriptes GPRTools, dort Option Equalize Image. Anschließend werden die x/y-Koordinaten der Puckpositionen auf den Bildern z.B. mit dem Programm Photoshop ermittelt: im Fenster Navigator des Programms (gegebenenfalls öffnen mit → Fenster → Navigator) werden unter Info die aktuellen Koordinaten des Mauszeigers in Bildschirmeinheiten (Pixel-Nummern) angezeigt 2. Alternativ 2 Sollte die Anzeige nicht in Pixelnummern erfolgen, muss wie folgt vorgegangen werden. Mauszeiger im Navigator-Fenster auf Navigator → rechte Maustaste → Bedienfeldvoreinstellungen → Maßeinheiten und Lineale → Maßeinheiten Lineale → Pixel → OK. 89 kann auch das Programm Microsoft Photo Editor genutzt werden, bei dem die Pixelkoordinaten in der unteren Statuszeile angezeigt werden. Mit Hilfe des Abbildungsmaßstabs M, = M (35) Bildgröße Pixel = ; [M ] Objektgröße m lassen sich die Bildschirmkoordinaten (in Pixeln) in Tischkoordinaten (in m) umrechnen. Zur Bestimmung von M wird der Durchmesser eines Pucks mit dem Messschieber gemessen und auf dem Bild in Pixeln ermittelt. Für die Auswertung der Experimente sollen die Impulsvektoren der Pucks als Spaltenvektoren vor und nach dem Stoß angegeben werden, also in der Form: (36) px p= py Zusätzlich soll ein Vektordiagramm angelegt werden, in das die Impulse vor und nach dem Stoß sowie ihre Summen eingezeichnet werden (siehe Anhang, Kap. 4). Um die Auswertung nicht zu aufwändig zu machen, kann hier auf eine Fehlerrechnung verzichtet werden. Es reicht eine plausible Abschätzung der Größtfehler für die einzelnen Impulskomponenten. Anhand eines Beispiels wollen wir zeigen, dass die Versuchsauswertung mit Hilfe des Programms Matlab sehr einfach ist. Nehmen wir an, die Mitte von Puck 1 (Masse m1 = 0,2 kg) habe vor dem Stoß zur Zeit t die Bildschirmkoordinaten x11 = 210, y11 = 320 (s. Abb. 7). n Stroboskopblitze später, also zur Zeit t + nT (T: Periodendauer des Stroboskops, hier sei T = 0,1 s und n = 1) seien die Koordinaten des Mittelpunktes von Puck 1 x12 = 345, y12 = 275. Eine Länge von l = 0,1 m auf dem Tisch möge einer Anzahl von L = 350 Pixeln entsprechen. Der Abbildungsmaßstab ist demnach: M= L 350 Pixel = l 0,1 m In Matlab wird ein neues M-File geöffnet. Zunächst werden dort die Versuchsparameter in SI-Einheiten eingegeben (Erinnerung: das Semikolon am Ende der Zeile verhindert die Ausgabe im Command-Window von Matlab): T = 0.1; n = 1; m1 = 0.2; M = 350/0.1; x11 = 210; y11 = 320; x12 = 345; y12 = 275; Nun berechnen wir die Ortsvektoren der beiden Positionen von Puck 1 vor dem Stoß. r11 ist der Ortsvektor zur Zeit t, r12 der Ortsvektor zur Zeit t + nT. Die Ortsvektoren geben wir als Spaltenvektoren an (MatlabNotation: [x-Komponente; y-Komponente]) und lassen sie auf dem Bildschirm ausgeben (deshalb kein Semikolon am Zeilenende): r11 = [x11;y11]/M r12 = [x12;y12]/M 90 y Pos. 1 y11 Pos. 2 y12 r11 r12 x11 Abb. 7: x12 x Definition von Größen zur Kennzeichnung der Position von Puck 1 zum Zeitpunkt t (Pos. 1) und zum Zeitpunkt t + nT (Pos. 2). r11 und r12 sind die Ortsvektoren zur Beschreibung der Puckposition. Daraus ergibt sich der Impulsvektor p1 für Puck 1 vor dem Stoß ebenfalls als Spaltenvektor: p1 = m1*(r12 - r11)/(n*T) In Zahlen ergibt sich für das genannte Beispiel: 0,0771 -1 p1 = kg m s -0,0257 Analog lassen sich der Impuls von Puck 2 vor dem Stoß (p2) und die Impulse beider Pucks nach dem Stoß (p1’ und p2’) berechnen (in Matlab schreiben wir z. B. p1s für p1’, wobei „s“ für „Strich“ steht). Daraus ergeben sich die Gesamtimpulse vor und nach dem Stoß (p und p’): p = p1 + p2 ps = p1s + p2s und es lässt sich einfach überprüfen, ob die Impulsdifferenz ∆p null ist: delta_p = p - ps Um zu überprüfen, ob im Versuchsteil a) die Impulse p1’ und p2’ senkrecht aufeinander stehen, berechnet man ihr Skalarprodukt (hier sk genannt) mit dem Matlab-Befehl dot: sk = dot(p1s,p2s) Für einen Winkel von φ = 90° zwischen beiden Vektoren muss sk = 0 sein. Weicht der Wert des Skalarproduktes von Null ab, lässt sich φ aus dem Wert für sk berechnen, denn es gilt bekanntlich für das Skalarprodukt: (37) sk = p1' p '2 = p1' p '2 cos φ und damit (38) p1' p '2 φ = arccos sk Der Betrag eines Vektors (seine „Norm“) wird in Matlab mit der Funktion norm berechnet. Gl. (38) lautet daher in Matlab-Notation: (38) phi = acos(sk/(norm(p1s)*norm(p2s))) 91 Nachdem alle Eingaben getätigt wurden, wird das M-File gespeichert (z.B. unter dem Namen impuls.m im Pfad O:\GPRxx\Mueller_Meier\Impulserhaltung\) und anschließend über das Matlab-CommandWindow mit dem Befehl run impuls gestartet. Alternativ lässt sich das Speichern und Starten auch durch Klick auf das Symbol (Save and Run) im Matlab-Editor-Fenster durchführen. Frage 4: - Ist der Impulserhaltungssatz jeweils erfüllt? Bleibt die kinetische Energie in beiden Fällen erhalten? Wie lassen sich mögliche Abweichungen erklären? - Der Streuwinkel φ wird nur für den Fall a) bestimmt. Wie groß ist er? Stimmt das Ergebnis mit den theoretischen Erwartungen nach Gl. (34) überein? Falls nein - was könnten die Ursachen sein? 4 Anhang 2D-Vektordiagramme lassen sich mit Matlab mit Hilfe des Befehls quiver einfach zeichnen. Der Befehl hat das Format quiver(a,b,u,v,s). Dabei sind a und b die Koordinaten des Startpunktes des Vektors, u und v seine x- und y-Komponenten und s ein Skalierungsfaktor Abb. 8 zeigt als Beispiel ein Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9 mit den Vektoren p1 und p2 und deren Summe p. clear close('all','hidden') % Example: momenta before the collision p1=[1;1.5]; % Nomenclature: [x-component;y-component]. Arbitrary units (a.u.) p2=[-0.5;1]; p=p1+p2; % Sum of momenta before the collision figure % Plot momentum p1 without scaling (s=0), colour blue ('b') s=0; quiver(0,0,p1(1),p1(2),s,'b') axis([-3 3 -3 3]); axis square % Set axis range and axis aspect ratio 1:1 hold on % Plot momenta p2, p in the same diagram in black ('k') and red ('r') quiver(p1(1),p1(2),p2(1),p2(2),s,'k') quiver(0,0,p(1),p(2),s,'r') hold off set(gca,'FontName','times','FontSize',16) % Set axis font and fontsize grid on xlabel ('{\itp_x} / a.u.'); ylabel ('{\itp_y} / a.u.'); legend('{\itp}_1','{\itp}_2','\itp') Abb. 8: Matlab-Skript zur Erzeugung des Impulsdiagramms aus Abb. 9. Abb. 9: Beispiel eines mit Matlab gezeichneten Vektordiagramms. 92 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Trägheitsmoment - Steinerscher Satz Stichworte: Rotationsbewegung, Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Trägheitsmoment, Drehmoment, Drehimpuls, STEINERscher Satz Messprogramm: Messung des Trägheitsmomentes einer Kreisscheibe, Bestimmung der Lage der Schwerpunktachse eines unregelmäßig geformten Körpers. Literatur: /1/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Ziel dieses Versuches ist es, das Verständnis für die Analogie zwischen Translations- und Rotationsbewegung zu vertiefen. Dazu wird ein Versuchsaufbau verwendet, mit dem Trägheitsmomente von Körpern bezüglich beliebiger Achsen gemessen werden können. Anhand von Tabelle 1 soll zunächst an die einander entsprechenden Größen der Translations- und Rotationsbewegung erinnert werden. Tabelle 1: Zum Vergleich von Translations- und Rotationsbewegung. Translationsbewegung Name Ortsvektor Geschwindigkeit Beschleunigung 2 dr dt dv a= dt v= m Impuls p = mv = F m= a Einheit Name m r Masse Kraft 1 Symbol Rotationsbewegung Winkel 1 m s-1 Winkelgeschwindigkeit 1 m s-2 Winkelbeschleunigung 1 kg Trägheitsmoment 2 kg m s-1 Drehimpuls dp dt N Drehmoment Symbol Einheit ϕ 1 dϕ dt dω dt I = ∫ R 2dm ω= L = Iω L =r × p = m r × v dω dL = T I= dt dt T= r×F s-1 s-2 kg m2 kg m2 s-1 Nm Die Richtungen der axialen Vektoren ϕ, ω und dω/dt zeigen per Definition in Richtung der Drehachse. Hinsichtlich des Vorzeichens gilt die Rechte-Hand-Regel: zeigen die gekrümmten Finger in Richtung der Drehbewegung, so zeigt der Daumen in Richtung von ϕ, ω und dω/dt. Polare Vektoren (gewöhnliche Vektoren) wie z.B. die für Ort (r) und Geschwindigkeit (v) ändern ihr Vorzeichen bei einer Punktspiegelung des Koordinatensystems, axiale Vektoren (auch Pseudovektoren genannt) dagegen nicht. R ist der Abstand eines Massenelementes dm von der Drehachse. 93 2 Theorie Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Drehscheibe D vom Radius r, um die ein feiner Faden gewickelt ist. Der Faden ist über eine Umlenkrolle R mit einer Masse m verbunden. Durch den Stift T eines Haltemagneten B wird die Drehscheibe arretiert. Nach Schließen des Schalters S fließt ein Strom aus der Spannungsquelle U durch den Spulendraht des Haltemagneten. Durch das dadurch entstehende Magnetfeld wird der Stift T zurückgezogen und die Drehscheibe freigegeben. Die fallende Masse m sorgt danach für eine beschleunigte Drehbewegung der Scheibe um die Drehachse H. H ω F r R D B T m S =U l Abb. 1: Drehscheibe zur Messung von Trägheitsmomenten. Bezeichnungen siehe Text. Wir suchen eine Gleichung, mit der wir aus bekannten oder messbaren Größen das Trägheitsmoment ID der Drehscheibe berechnen können. Dazu stellen wir zunächst die Bewegungsgleichung für die Rotationsbewegung der Drehscheibe auf. Sie hat in diesem Fall eine sehr einfache Form: die Drehscheibe erfährt durch das Drehmoment r × F die Winkelbeschleunigung dω/dt. In Analogie zum NEWTONschen Gesetz F = m a gilt also (siehe Tabelle 1): (1) ID r×F = dω dt Daraus folgt aufgrund der gewählten Geometrie (r ⊥ F) für die Beträge: (2) F= I D dω r dt In dieser Gleichung müssen wir F und dω /dt durch bekannte oder messbare Größen ersetzen. Um einen Ausdruck für dω /dt zu finden, betrachten wir zunächst die Bewegung der Masse m. Sie möge für das Durchfallen der Strecke l die Zeit t benötigen. Dann gilt für ihre Beschleunigung a: (3) a= 2l t2 Aufgrund der Verbindung von m mit der Drehscheibe über den Faden muss dies auch die Tangentialbeschleunigung eines Massepunktes am Rande der Drehscheibe sein. Für einen solchen Punkt gilt daher aufgrund des bekannten Zusammenhangs zwischen Tangential- und Winkelbeschleunigung mit Gl. (3): (4) d ω a 2l = = d t r r t2 Einsetzen von Gl. (4) in Gl. (2) ergibt: 2l r t (5) = F I= ID D 2 2 a r2 94 Wir benötigen nun noch eine Beziehung für die nicht direkt messbare Kraft F, die die Drehscheibe beschleunigt. Dazu schauen wir uns die Kräftebilanz für die Anordnung an. Die beschleunigende Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung) muss die Masse m beschleunigen, Reibungskräfte an Umlenkrolle R und Drehscheibe D überwinden sowie die Umlenkrolle und die Drehscheibe in beschleunigte Rotation versetzen. Hierfür sind folgende Kräfte erforderlich: Fm : FRR : FR : FRD: F: Beschleunigungskraft für m Reibungskraft an der Umlenkrolle Beschleunigungskraft für die Umlenkrolle Reibungskraft an der Drehscheibe Beschleunigungskraft für die Drehscheibe Es gilt also: (6) G = mg = Fm + FRR + FR + FRD + F Die Kraft, die m beschleunigt, Fm = ma, ist also erheblich kleiner als die Gewichtskraft G = mg. Der Einfachheit halber wollen wir nun annehmen, dass Reibungskraft und Beschleunigungskraft an der Umlenkrolle durch eine Kraft ersetzt werden können, die zur Translationsbeschleunigung einer Ersatzmasse me (hier: me ≈ 2,2 g) aufgewendet werden müsste: (7) FR + FRR := me a Damit folgt für die gesuchte Kraft F aus Gl. (6): (8) F = mg − (m + me )a − FRD Setzen wir diese Gleichung in Gl. (5) ein, so erhalten wir: (9) mg − (m + me )a= I D a + FRD r2 Der besseren Lesbarkeit wegen führen wir eine Kraft (10) FE := mg − (m + me )a mit den messbaren Größen m und a und den bekannten Größen me und g ein, so dass Gleichung (9) die Form erhält: (11) = FE I D a + FRD r2 In dieser Gleichung zur Bestimmung von ID stört uns noch die unbekannte und nicht direkt messbare Größe FRD. Nehmen wir jedoch an, dass es sich bei der Reibung an der Drehscheibe um eine von der Geschwindigkeit unabhängige trockene Roll- und Gleitreibung handelt (so genannte COULOMB-Reibung), die nur von der Masse der Drehscheibe inkl. aufgelegter Körper abhängt, dann kann FRD als zeitunabhängige Konstante behandelt werden. Gl. (11) stellt in diesem Fall eine einfache Geradengleichung der Form (12) = y cx + b dar, mit (13) = y F= x E, a = , c I= b FRD D, r2 Tragen wir also gem. Gl. (11) bei konstantem r für verschiedene beschleunigende Massen m die zugehörige Größe FE (Gl. (10)) über a/r2 auf (mit a nach Gl. (3)), so ergibt sich eine Gerade mit der Steigung ID. Wir 95 haben damit, auch ohne die Größe FRD zu kennen, einen Weg gefunden, um das Trägheitsmoment der Drehscheibe zu messen. Wir wollen nun den Fall betrachten, dass auf die Drehscheibe zusätzlich ein Körper aufgelegt wird. Ist IK das Trägheitsmoment dieses Körpers (Masse mK) bei Drehung um eine seiner Schwerpunktachsen (Hauptachsen) und fällt diese Schwerpunktachse C mit der Drehachse H der Drehscheibe zusammen, so ist das Gesamt-Trägheitsmoment I der Anordnung Drehscheibe/Körper: (14) = I ID + IK Verlaufen die Achsen H und C im Abstand s zueinander parallel, so gilt nach dem STEINERschen Satz 3: (15) I = I D + I K + mK s 2 Gl. (11) lautet dann: (16) = FE I a + FRD r2 Daraus folgt mit Gl. (3): (17) r2 r2 2 I= ( FE − FRD ) = ( FE − FRD ) t a 2l Wir können diesen Zusammenhang benutzen, um die Lage einer zur Drehachse der Drehscheibe parallel verlaufenden Schwerpunktachse eines beliebig geformten Körpers zu bestimmen, der auf der Drehscheibe aufliegt. Dazu gehen wir folgendermaßen vor: Gemäß Gl. (15) wird I minimal für s = 0, d.h. wenn die Schwerpunktachse des Körpers und die Drehachse der Drehscheibe zusammenfallen. Ein Minimum für I ist nach Gl. (17) gleichbedeutend mit einem Minimum für die Fallzeit t bzw. für t2. Verschieben wir also den Körper auf der Drehscheibe (variieren also s), so muss die Fallzeit t bei einer bestimmten Körperposition ein Minimum aufweisen. Die zugehörige Funktion t = f(s), die dieses Verhalten beschreibt, wollen wir nun bestimmen. Dazu setzen wir Gl. (15) in Gl. (17) ein, lösen nach t2 auf und erhalten für t als Funktion von s: (18) = t2 ( I D + I K ) 2l + 2l mk s2 2 2 F − F r F − F r ( E ( E RD ) RD ) K1 K2 oder in übersichtlicherer Schreibweise mit den Hilfsgrößen K1 und K2: (19) 2 t= K1 + K 2 s 2 Frage 1: - Was für eine Funktion (Kurve) stellt Gl. (19) dar? (Hinweis: Kegelschnitte) Zur experimentellen Bestimmung der Lage der gesuchten Schwerpunktachse C mit Hilfe von Gl. (19) gehen wir folgendermaßen vor: Auf der Drehscheibe geben wir ein Koordinatensystem XY vor, dessen Ursprung wir in die Drehachse H legen (s. Abb. 2). Längs der y-Achse versehen wir die Drehscheibe mit einer Lochreihe. Auf dem Körper, für den wir die Lage der Schwerpunktachse suchen, bringen wir an beliebiger Stelle P einen Stift an. Stift und Lochreihe sind so ausgelegt, dass wir den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe verschieben können, ohne seine Orientierung bezüglich des Koordinatensystems XY dabei zu ändern (s. Anmerkung am Ende von Kap. 3.2). 3 JAKOB STEINER (1796 - 1863) 96 Nach dem Auflegen des Körpers auf die Drehscheibe habe der Punkt P (also der Stift) die Koordinaten (0, yP). Für den Abstand s der Schwerpunktachse C von der Drehachse H gilt dann: (20) s= ∆x 2 + ( yP − ∆y ) 2 y Probekörper P y yP C s H x x Abb. 2: Drehscheibe (gelb) mit Probekörper (weiß, Aufsicht). H ist die Drehachse, C die Schwerpunktachse des Probekörpers 4 und P der Punkt der Fixierung des Probekörpers in der vertikalen Lochreihe auf der Drehscheibe. s ist der Abstand zwischen C und H. Gemäß Gl. (19) hat die Fallzeit t für die beschleunigende Masse m dann ein Minimum, wenn s minimal ist, was nach Gl. (20) bei festem ∆x für yP = ∆y der Fall ist. Verschieben wir demnach den Körper in y-Richtung auf der Drehscheibe und tragen wir jeweils die Fallzeit t über der Verschiebung yP auf, so können wir durch Minimumsuche in der entstehenden Kurve die Größe ∆y bestimmen. Auf analoge Weise lässt sich die Größe ∆x finden und wir können, ausgehend von dem willkürlich gewählten Punkt P, die Lage der gesuchten Schwerpunktachse angeben. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Drehscheibe auf Dreifuß, 5 Beschleunigungsgewichte (m = (1,00 ± 0,01) g) mit Teller (m gemäß Aufdruck, Fehler vernachlässigbar), Messingkreisscheibe mit Haltestiften, unregelmäßig geformter Probekörper mit Haltestiften, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), Magnethalter, Stativmaterial für Magnethalter, Schalter, Lichtschranke, elektronischer Universalzähler, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, Präzisionswasserwaage (Genauigkeit 0,1 mm auf 1 m), Waage, Metallmaßstab, Messschieber, Bremsstäbchen, Faden Achtung: Die Drehscheiben haben sehr empfindliche Präzisionslager, die bei unsachgemäßer Behandlung zerstört werden können. Drehscheiben nur vorsichtig mit dem Finger bewegen! Durch rechtzeitiges Abbremsen darauf achten, dass der Faden sich nicht im Lager verfängt! Abbremsen der Scheiben nur mit dem bereitliegenden Bremsstäbchen! Hinweis: Vor Praktikumsbeginn wurden die Drehscheiben von der technischen Assistenz mit Hilfe einer Präzisionswasserwaage exakt waagerecht ausgerichtet. 4 Beachte, dass die weiße Fläche die Aufsicht auf den Probekörper darstellt. Deshalb muss C nicht im Schwerpunkt der weißen Fläche liegen. 97 3.1 Trägheitsmoment einer Kreisscheibe Das Trägheitsmoment IK einer Messing-Kreisscheibe (Radius rK, Masse mK) bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (Abb. 3) soll mit einer Anordnung gem. Abb. 1 bestimmt werden. Es berechnet sich gem. Gl. (14) zu: (21) IK= I − ID Um IK zu erhalten, muss mit Hilfe von Gl. (11) zunächst das Trägheitsmoment der leeren Drehscheibe (ID) und anschließend mit Hilfe von Gl. (16) das Trägheitsmoment von Drehscheibe und Messingscheibe zusammen (I) bestimmt werden. Dazu wird a) für die leere Drehscheibe b) für die Drehscheibe mit zentrisch aufgelegter Messingscheibe für 5 verschiedene Beschleunigungsgewichte die Fallzeit t (Mittelwert aus jeweils mindestens 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene Fallstrecke l (ausmessen!) gemessen. Die Fallzeit wird mit einem elektronischen Universalzähler gemessen. Der Zähler wird durch den Impuls gestartet, mit dem der Stift des Magnethalters zurückgezogen wird, der die Drehscheibe zunächst in der Ausgangsposition hält. Der Stoppimpuls für den Zähler wird durch eine Lichtschranke geliefert, durch die die Beschleunigungsgewichte am Ende der Strecke l fallen. ω rK C Abb. 3: Drehung einer Kreisscheibe mit Radius rK und Masse mK um ihre Symmetrieachse C. Anschließend werden gem. Gl. (11) bzw. Gl. (16) für a) und b) in einem Diagramm jeweils FE über a/r2 aufgetragen und die Ausgleichsgeraden berechnet (r vorsichtig mit dem Metallmaßband messen) 5. Auf eine Fehlerrechnung für die einzelnen Werte von FE und a/r2 kann verzichtet werden. Aus den Parametern der Ausgleichsgeraden werden die Reibungskräfte FRD an der Drehscheibe sowie die Trägheitsmomente ID und I inkl. Fehler berechnet und daraus das Trägheitsmoment IK gem. Gl. (21), ebenfalls inkl. Fehler. Frage 2: - Wie lässt sich aus der Beziehung I = R 2 dm (siehe Kap. 1) das Trägheitsmoment I einer Kreisscheibe ∫ mit der Masse mK und dem Radius rK bei Drehung um ihre Symmetrieachse C (s. Abb. 3) berechnen? Wie groß ist das theoretisch erwartete Trägheitsmoment für die benutzte Messingkreisscheibe (rK und mK messen!)? Woher rühren gegebenenfalls Abweichungen zwischen Theorie und Experiment? 3.2 Bestimmung der Lage einer Schwerpunktachse eines unregelmäßig geformten Körpers Gemäß der bei Gl. (18) - (20) gegebenen Erläuterungen soll die Lage einer zur Drehachse H parallel verlaufenden Schwerpunktachse C eines unregelmäßig geformten Probekörpers bestimmt werden. Dazu wird der am Körper montierte Stift nacheinander in 10 verschiedene Löcher der Lochreihe auf der y-Achse der Drehscheibe eingesteckt und jeweils die Koordinate yP bestimmt 6. Für jede Position wird für eine Masse m jeweils die mittlere Fallzeit t (Mittelwert aus 4 Einzelmessungen) für eine vorgegebene Fallstrecke l gemessen. Anschließend wird t inkl. Fehlerbalken (Standardabweichung des Mittelwertes) über yP aufgetragen und grafisch der Wert ∆y ermittelt, bei dem t ein Minimum hat. 5 6 Die Beschleunigung a liegt in der Größenordnung von 10-2 ms-2 und ist damit klein gegenüber g. Für FE nach Gl. (10) ergeben sich deshalb für die Fälle a) und b) nur kleine Unterschiede. Der Abstand zweier Löcher auf der Drehscheibe beträgt 10 mm (fehlerfrei). 98 Alternativ kann die Lage des Minimums von t über einen nichtlinearen Funktionsfit 7 gewonnen werden. Als Zielfunktion dient dabei gem. Gl. (19): (22) = t K1 + K 2 ( yP − ∆y ) 2 mit den Fitparametern K1, K2 und ∆y. Dieser Fit liefert direkt den Wert yP = ∆y, für den die Fallzeit t minimal ist. Auf analoge Weise ließe sich ∆x bestimmen und mit Hilfe beider Größen die Lage des Schwerpunktes C in der xy-Ebene relativ zum Punkt P angeben. Wir wollen es aus Zeitgründen jedoch bei der Messung des Abstandes ∆y zwischen P und C belassen. Anmerkung: Um zu gewährleisten, dass sich die Orientierung des Probekörpers beim Verschieben längs der y-Achse nicht ändert, sind an dem Körper zwei Haltestifte angebracht. Es muss daher vorab festgelegt werden, welcher der beiden Stifte den Ort des Punktes P markieren soll. 7 Nichtlineare Funktionsfits werden in Teil II des Grundpraktikums im SoSe behandelt, oldenburg.de/download/GPR/pdf/Nichtlineare_Fits.pdf. Daher ist die Anwendung hier freiwillig. siehe http://physikpraktika.uni- 99 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Erzwungene mechanische Schwingungen Stichworte: HOOKEsches Gesetz, harmonische Schwingung, harmonischer Oszillator, Eigenfrequenz, gedämpfter harmonischer Oszillator, Resonanz, Amplitudenresonanz, Energieresonanz, Resonanzkurven Messprogramm: Messung der Amplitudenresonanzkurve und der Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ TIPLER, P. A.: „Physik“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a. 1 Einleitung Ziel dieses Versuches ist es, an einem einfachen mechanischen Modell die Eigenschaften eines so genannten „harmonischen Oszillators“ zu studieren. Solche harmonischen Oszillatoren werden uns in verschiedenen Teilgebieten der Physik wieder begegnen, so z.B. in der Elektrodynamik (siehe Versuch „Elektromagnetischer Schwingkreis“) und der Atomphysik. Auf das Verständnis dieses Versuches, insbesondere die Bedeutung der Amplitudenresonanz- und Phasenkurven sollte daher größter Wert gelegt werden. 2 Theorie 2.1 Ungedämpfter harmonischer Oszillator Wir betrachten eine Anordnung gem. Abb. 1, bei der eine Kugel der Masse mK vertikal (x-Richtung) an einer Feder aufgehängt ist. Reibungseffekte seien zunächst vernachlässigt. In der Ruhelage der Kugel herrscht Gleichgewicht zwischen der nach unten gerichteten Gewichtskraft und der nach oben gerichteten rücktreibenden Federkraft; der Kugelmittelpunkt befinde sich dann in der Stellung x = 0. Eine Auslenkung der Kugel um x aus der Gleichgewichtslage führt zu einer zu x proportionalen rücktreibenden Federkraft FR, die x entgegen gerichtet ist: (1) 𝐹𝐹𝑅𝑅 ~ − 𝑥𝑥 Bezeichnen wir die Proportionalitätskonstante (Elastizitäts- oder Federkonstante oder Richtgröße) mit D, so wird aus Gl. (1) das bekannte HOOKEsche Gesetz 1: (2) FR = − D x Nach dem Auslenken und Loslassen der Kugel führt die rücktreibende Kraft zu einer Beschleunigung a der Kugel. Nach dem zweiten NEWTONschen Gesetz : (3) FR = mK a folgt daher in Kombination mit Gl. (2): (4) 1 d2 x mK a = mK 2 = mK x= −D x dt ROBERT HOOKE (1635 – 1703) (t: Zeit) 100 wobei die drei linken Terme lediglich verschiedene Schreibweisen des Zusammenhangs Kraft = Masse × Beschleunigung darstellen. Gl. (4) ist die wichtige Differentialgleichung (DGL, auch Bewegungsgleichung genannt), mit der alle Systeme beschrieben werden können, die auf eine Auslenkung aus der Ruhe- oder Gleichgewichtslage mit einer rücktreibenden Kraft reagieren, die proportional zur Größe der Auslenkung ist. Solche Systeme werden uns in den verschiedenen Gebieten der Physik immer wieder begegnen. -x 0 mk +x Abb. 1: Masse/Feder-System. Uns interessiert, welche Bewegung die Kugel ausführt, wenn sie einmal aus der Ruhelage ausgelenkt und losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit v der Kugel zum Zeitpunkt des Loslassens null sein möge. Wir suchen also die Funktion x(t), die eine Lösung der Differentialgleichung (4) unter der Bedingung v(t = 0) = 0 ist. Für die Funktion muss gelten, dass sie, bis auf Vorfaktoren, gleich ihrer zweiten zeitlichen Ableitung sein muss. Wir versuchen deshalb die Lösung mit einer Funktion x(t), die eine so genannte harmonische Schwingung (harmonische Oszillation) beschreibt: (5) = x ( t ) x0 cos (ω t + ϕ ) Dabei ist x0 die Amplitude, (ω t + ϕ) die Phase, ϕ die Anfangsphase und ω die Eigenkreisfrequenz der Schwingung (vgl. Abb. 2). Durch Einsetzen von Gl. (5) in Gl. (4) und Ausführung der zweimaligen Differentiation nach der Zeit t erhalten wir: (6) − mK ω 2 x0 cos (ω t + ϕ ) = − D x0 cos (ω t + ϕ ) Daraus folgt der Wert für ω, für den Gl. (5) eine Lösung von Gl. (4) ist: (7) = ω D =: ω0 mK Die Kugel führt demnach nach dem Loslassen Schwingungen mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch. Da wir Reibungsfreiheit vorausgesetzt hatten, bleibt die Amplitude x0 der Schwingung konstant. Sowohl x0 als auch die Anfangsphase ϕ sind freie Parameter, die so gewählt werden müssen, dass Gl. (5) dem zu beschreibenden Vorgang „angepasst“ ist, d.h. dass Gl. (5) die beobachtete Bewegung mit richtiger Amplitude und Anfangsphase wiedergibt. Gleichung (7) gilt nur für den Fall, dass die Masse der Feder, mF , gegenüber der Masse mK der Kugel vernachlässigbar ist. Ist dies nicht der Fall, so müssen wir berücksichtigen, dass nach dem Auslenken und Loslassen der Feder deren einzelne Massenelemente ebenfalls mitschwingen. Die Schwingungsamplitude dieser Massenelemente ist jedoch unterschiedlich: sie nimmt vom Wert null am Aufhängepunkt der Feder bis auf den Wert x0 am Ende der Feder zu. Eine genaue Rechnung 2 zeigt, dass das Mitschwingen der einzelnen Massenelemente mit unterschiedlicher Amplitude gleichbedeutend ist mit dem Mitschwingen eines Drittels der gesamten Federmasse mit der Amplitude x0. Die korrekte Gleichung für die Eigenkreisfrequenz der Feder lautet daher: 2 Siehe z.B. ALONSO, M., FINN, E. J.: „Fundamental University Physics, Vol. 1: Mechanics“, Addison-Wesley Publishing Company, Reading (Mass.) u.a. 101 (8) = ω0 D =: 1 mK + mF 3 D m 1 mit = m : mK + mF 3 Im durchzuführenden Versuch ist die Kugel nicht direkt an der Feder befestigt, sondern mit Hilfe einer Stange S2, an der sich außerdem eine Reflektorplatte R befindet (Abb. 8). In diesem Fall muss mK in Gl. (8) durch die Gesamtmasse (9) mG = mK + mS + mR ersetzt werden, wobei mS und mR die Massen von S2 und R sind. Ein Beispiel soll die dargestellten Zusammenhänge verdeutlichen. Wir betrachten gem. Abb. 1 eine Kugel der Masse mK = 0,11 kg, die mit Stange und Reflektorplatte (mS + mR = 0,07 kg) an einer Feder mit der Federkonstanten D = 28 kg/s2 und der Masse mF = 0,02 kg hängt. Die Kugel wird um eine Strecke x0 = 0,05 m nach unten aus der Ruhelage ausgelenkt. Anschließend lassen wir die Kugel los, woraufhin sie Schwingungen mit der Amplitude x0 und der Eigenfrequenz f0 = ω0/(2π) ≈ 1,9 Hz durchführt (Gl. (8)). Beginnen wir mit der Aufzeichnung der Bewegung x(t) der Kugel zu einem Zeitpunkt, bei der die Kugel gerade Ihren Maximalausschlag nach oben erreicht hat, so „beginnt“ der Cosinus gem. Gl. (5) bei einer Anfangsphase von ϕ = π = 180° (Vorzeichenfestlegung von x in Abb. 1 beachten!). Diese Situation ist in Abb. 2 dargestellt. x (t) x0 ϕ / ω0 T t Abb. 2: Zur Definition von Amplitude x0, Periodendauer T = 2π/ ω0 und Anfangsphase ϕ einer harmonischen Schwingung. Zur Darstellung der Phase ϕ auf der t-Achse muss sie durch ω0 dividiert werden. Ein System wie die betrachtete Anordnung (auch Masse/Feder-System genannt), das harmonische Schwingungen ausführt, heißt harmonischer Oszillator. Kennzeichen eines harmonischen Oszillators ist eine zur Auslenkung proportionale rücktreibende Kraft, die auf eine typische Bewegungsgleichung der Form (4) mit einer Lösung der Form (5) führt. Ebenso kennzeichnend für den harmonischen Oszillator ist der parabolische Verlauf seiner potentiellen Energie Ep als Funktion des Ortes (Abb. 3): (10) Ep = 1 D x2 2 Ep - x0 Abb. 3: + x0 x Verlauf der potentiellen Energie Ep als Funktion der Auslenkung x beim harmonischen Oszillator. 102 2.2 Gedämpfter harmonischer Oszillator Wir betrachten nun den realistischeren Fall eines Masse/Feder-Systems unter dem Einfluss von Reibung. Wir werden von dem einfachen Fall ausgehen, dass in dem System zusätzlich zur rücktreibenden Kraft FR = -Dx eine zur Geschwindigkeit v proportionale Reibungskraft Fb wirkt, für die wir schreiben können: (11) Fb = −bv = −b dx dt Dabei ist b eine Reibungskonstante, die die Stärke der Reibung angibt. Frage 1: - Welche Einheit hat b? Warum steht in Gl. (11) ein Minuszeichen? In diesem Fall nimmt die Bewegungsgleichung (4) die Form an: (12) m d2 x dx = −D x − b 2 dt dt Üblicherweise wird diese Differentialgleichung in der Form: (13) d2 x b d x D + + x= 0 d t2 m d t m geschrieben. Auch hier interessiert uns wieder, welche Bewegung die Kugel durchführt, wenn sie einmal aus der Ruhelage ausgelenkt und dann losgelassen wird, wobei die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel zum Zeitpunkt des Loslassens wieder Null sein möge. Wir suchen also wiederum die Funktion x(t), die die Differentialgleichung (13) unter der Voraussetzung v(t = 0) = 0 löst. Da wir hier als Folge der Dämpfung eine mit der Zeit abnehmende Amplitude der Schwingung erwarten, versuchen wir einen Lösungsansatz, bei dem die Amplitude exponentiell mit der Zeit abfällt (vgl. Abb. 4): (14) = x x0 e −α t cos (ω t + ϕ ) (α : Dämpfungskonstante) x (t) x0 e− α t t Abb. 4: Gedämpfte harmonische Schwingung. Wir setzen Gl. (14) in Gl. (13) ein, führen die Differentiationen aus und finden, dass Gl. (14) dann eine Lösung von Gl. (13) darstellt, wenn für die Parameter α und ω gilt: (15) α= b 2m und 103 (16) = ω ω0 2 − b 2m 2 Wir wollen dieses Ergebnis nun interpretieren. Zunächst halten wir fest, dass die Amplitude der Schwingung umso schneller abfällt, je größer die Dämpfungskonstante (der Abklingkoeffizient) α ist. Bei gleich bleibender Masse bedeutet das gem. Gl. (15), dass die Schwingung umso rascher an Amplitude verliert, je größer die Reibungskonstante b ist - das ist plausibel. Aus Gl. (16) können wir ablesen, wie sich die Kreisfrequenz ω dieser gedämpften harmonischen Schwingung mit der Reibungskonstanten b ändert. Wir betrachten folgende unterschiedliche Fälle: (i) b = 0 → ω = ω0 Im Falle verschwindender Reibung (b = 0) liegt der in Kap. 2.1 diskutierte Fall des ungedämpften harmonischen Oszillators vor. Die Kugel führt eine periodische Schwingung mit der Eigenkreisfrequenz ω0 durch. (ii) (b/(2m))2 = ω02 → ω=0 Dies ist der Fall so genannter „kritischer Dämpfung“, bei dem die Kugel gerade keine periodische Schwingung mehr durchführt, er heißt deshalb aperiodischer Grenzfall. Die Kugel kehrt lediglich längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück (s. Anmerkung). (iii) (b/(2m))2 > ω02 → ω imaginär In diesem Fall so genannter „überkritischer Dämpfung“ gibt es ebenfalls keine periodische Schwingung, er heißt aperiodischer Fall oder Kriechfall. Die Kugel kehrt auch hier lediglich in ihre Ausgangslage zurück, allerdings mit zusätzlicher Dämpfung, d.h. langsamer (s. Anmerkung). (iv) 0 < b < 2mω0 → ω < ω0 Dieser allgemeinste Fall, der so genannte Schwingfall, führt zu einer periodischen Schwingung mit einer Kreisfrequenz ω nach Gl. (16), die etwas kleiner ist als die Eigenkreisfrequenz ω0 des ungedämpften harmonischen Oszillators. Anmerkung: Unter den hier diskutierten Bedingungen (v(t = 0) = 0) gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem aperiodischen Grenzfall und dem aperiodischen Fall oder Kriechfall: In beiden Fällen kehrt die Kugel längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ausgangslage zurück; beim Kriechfall gibt es lediglich eine höhere Dämpfung. Anders ist die Situation im Fall v(t = 0) ≠ 0. Lassen wir nämlich die Kugel nicht einfach los, sondern geben wir ihr zusätzlich durch Anstoßen eine bestimmte Anfangsgeschwindigkeit, so ist es beim aperiodischen Grenzfall möglich, dass die Kugel einmal über ihre Ruhelage hinweg schwingt und erst danach längs einer exponentiellen Bahn in die Ruhelage zurückkehrt. Beim Kriechfall dagegen findet ein solches Überschwingen nicht statt. Die Kugel kehrt hier immer nur längs einer exponentiellen Bahn in ihre Ruhelage zurück. Eine detaillierte Rechnung (Lösung der DGL (13) unter den Bedingungen (ii) und (iii)) bestätigt diese Zusammenhänge. 2.3 Erzwungene harmonische Schwingungen In Kap. 2.1 und 2.2 haben wir jeweils betrachtet, wie sich die Kugel bewegt, wenn wir sie einmal aus der Ruhelage auslenken und dann loslassen. Wir wollen jetzt untersuchen, welche Bewegung die Kugel durchführt, wenn das System einer sich periodisch ändernden, externen Kraft Fe ausgesetzt ist (Abb. 5), für die gelten möge: (17) Fe = F1 sin (ω1 t ) 104 F1 ist die Amplitude der externen Kraft und ω1 ihre Kreisfrequenz. Das Vorzeichen wählen wir so, dass nach unten gerichtete Kräfte positiv und nach oben gerichtete Kräfte negativ gezählt werden. -x 0 m Fe +x Abb. 5: Anregung eines Masse/Feder-Systems mit externer Kraft Fe. m ist die Masse gem. Gl. (8) und (9). Die externe Kraft Fe wirkt zusätzlich auf die Feder. Die Bewegungsgleichung nimmt daher die Form an (s. Gl. (12) und (13)): (18) d2 x dx m 2= − D x−b + Fe dt dt und damit (19) d2 x b d x D 1 + + x= F1 sin (ω1 t ) 2 dt m dt m m Wir erwarten, dass die Bewegung der Kugel nach einer gewissen Einschwingzeit, d.h. nach Beendigung des Einschwingvorgangs, mit der gleichen Frequenz erfolgt wie die Änderung der externen Kraft. Für eine andere Frequenz gäbe es keine plausible Erklärung. Allerdings ist eine Phasenverschiebung φ zwischen der anregenden Kraft und der Auslenkung der Kugel denkbar. Schließlich können wir davon ausgehen, dass nach Beendigung des Einschwingvorgangs die Schwingungsamplitude konstant bleibt, da dem System von außen immer wieder neue Energie zugeführt wird. Mit diesen Überlegungen versuchen wir folgenden Lösungsansatz für die Differentialgleichung (19): (20) = x x0 sin (ω 1 t + φ ) Dabei ist φ die Phasenverschiebung zwischen der Auslenkung x(t) und der externen Kraft Fe. Für φ < 0 hinkt die Auslenkung der anregenden Kraft hinterher. Durch Einsetzen von Gl. (20) in Gl. (19) finden wir, dass Gl. (20) dann eine Lösung von Gl. (19) darstellt, wenn für die Amplitude x0 und die Phasenverschiebung φ gilt (Herleitung s. Anhang Kap. 4): (21) F1 m x0 = (ω 2 0 −ω1 ) 2 2 ω b + 1 m ω 02 − ω 12 π = φ arctan (22) − ω1b 2 m 2 105 Im Gegensatz zu den in Kap. 2.1 und 2.2 diskutierten Fällen sind die Amplitude x0 und die Phase φ hier nicht mehr frei wählbare Parameter, sondern durch die Größen F1, ω1, m, b und ω02 = D / m eindeutig bestimmt. Aus Gleichung (21) sehen wir, dass die Amplitude der Kugelschwingung, die so genannte Resonanzamplitude, von der Frequenz der anregenden Kraft abhängt. Tragen wir x0 über ω1 auf, so erhalten wir die so genannte Amplitudenresonanzkurve. Abb. 6 (oben) zeigt einige typische Amplitudenresonanzkurven für unterschiedliche Werte der Reibungskonstanten b. Im stationären Fall, d.h. für ω1 = 0, ergibt sich aus Gl. (21) die aus dem HOOKEschen Gesetz bekannte Amplitude (23) F1 D x0 (ω= 0= ) : x= 1 00 Dies ist der Betrag, um den die Kugel ausgelenkt wird, wenn an ihr eine konstante Kraft F1 angreift. Setzt man F1 aus Gl. (23) in Gl. (21) ein, so erhält man für die Resonanzamplitude x0: (24) x00 D x0 = m Abb. 6: (ω 2 0 −ω ) 2 2 1 ω b + 1 m 2 Amplitudenresonanzkurven (oben) und Phasenkurven (unten) für einen gedämpften harmonischen Oszillator (F1 = 0,1 N, m = 0,1 kg, D = 2 kg/s2, b in kg/s). Die Lage des Maximums von x0 als Funktion von ω1 finden wir aus der Bedingung dx0/dω1 = 0. Aus Gl. (24) folgt dann: (25) = x0 x0,max für = ω1 ω 02 − b2 2m 2 Das Maximum der Amplitudenresonanzkurve liegt also außer im Fall b = 0 nicht bei der Eigenkreisfrequenz ω 0, sondern bei etwas kleineren Kreisfrequenzen ω 1 < ω 0. 106 Im unteren Teil von Abb. 6 sind die so genannten Phasenkurven dargestellt, die den Verlauf der Phasenverschiebung φ als Funktion der Kreisfrequenz ω1 angeben. Aus Gl. (22) folgt, dass φ immer negativ ist, d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft außer im Fall ω1 = 0 immer hinterher. Wir wollen nun noch einige Spezialfälle diskutieren: (i) Im Falle ω1 << ω0 ist bei „nicht zu großem“ b die Amplitude x0 ≈ F1/D, d.h. unabhängig von b. Die Amplitudenresonanzkurve verläuft dann im Bereich kleiner Anregungsfrequenzen annähernd horizontal und die Phasenverschiebung φ geht gegen 0: φ ≈ 0°. Die Kugelbewegung folgt also nahezu direkt der anregenden Kraft. (ii) Im Resonanzfall (ω1 gem. Gl. (25)) ist die Amplitude maximal und gegeben durch: x0,max = F1 b ω02 − b2 4m 2 Je kleiner b, desto größer wird x0,max; für b → 0 geht x0,max → ∞. Die Kugelauslenkung hinkt in diesem Fall der anregenden Kraft um 90° hinterher (φ = - π/2). (iii) Im Falle ω1 >> ω0 ist x0 ≈ F1/(mω12), die Amplitude sinkt also mit 1/ω12. Die Phasenverschiebung beträgt in diesem Fall φ = - π, d.h. die Kugelauslenkung hinkt der anregenden Kraft um 180° hinterher. Aus den Amplitudenresonanzkurven und den unter (i) - (iii) diskutierten Spezialfällen lässt sich das Dämpfungsverhalten eines Masse-Feder-Systems ablesen, beispielsweise eines schwingungsisolierten Tisches, wie er in optischen Präzisionsexperimenten häufig eingesetzt wird. Die Eigenfrequenzen solcher Tische liegen typischerweise im Bereich um 1 Hz. Hat eine externe Störung (z.B. Gebäudeschwingung) eine sehr niedrige Frequenzen (ω1 → 0), wird die Amplitude der Störung ungedämpft auf den Tisch übertragen, in der Umgebung der Eigenkreisfrequenz (ω1 ≈ ω0) wird sie (ungewollt) verstärkt, aber im Bereich höherer Frequenzen (ω1 >>ω0) wird sie stark gedämpft. Abb. 7: Amplitudenresonanzkurven für verschiedene Massen m (in kg) bei gleichen übrigen Parametern (F1 = 0,1 N, D = 2 kg/s2, b = 0,1 kg/s). Durch Änderung der Masse m lässt sich das Dämpfungsverhalten eines solchen Systems beeinflussen. Abb. 7 zeigt, dass durch eine Vergrößerung von m bei gleichen übrigen Parametern die Eigenkreisfrequenz 107 erniedrigt und die Dämpfung für Frequenzen oberhalb der Eigenkreisfrequenz deutlich vergrößert werden kann. Schwingungsisolierte Tische haben deshalb oftmals große Massen im Bereich 103 kg. Abschließend wollen wir überlegen, bei welcher Frequenz der maximale Energieübertrag vom anregenden System auf das schwingende System stattfindet. Da wir wissen, dass maximale kinetische Energie gleichbedeutend ist mit maximaler Geschwindigkeit, berechnen wir zunächst den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v der Kugel unter Benutzung von Gl. (20): (26) v= dx = ω 1 x 0 cos (ω 1 t + φ ) := v 0 cos (ω 1 t + φ ) dt Für die Geschwindigkeit v0 gilt demnach mit Gl. (24): ω 1 x00 D (27) = v0 ω= 1 x0 m (ω 2 1 −ω ) 2 2 0 ω b + 1 m 2 und damit: (28) v0 = x00 D 2 D 2 m ω 1 − + b ω1 v0 wird maximal, wenn der Nenner aus Gl. (28) minimal wird, d.h. wenn gilt (für b ≠ 0): (29) m ω1 − D ω1 = 0 → v 0 = v0,max Daraus folgt: (30) ω1 = D =ω 0 m → v 0 =v0,max Die Geschwindigkeit und damit auch die kinetische Energie wird demnach dann maximal (anders als die Resonanzamplitude!), wenn das System mit seiner Eigenkreisfrequenz ω 0 angeregt wird. Man nennt diesen Fall daher auch den Fall der Energieresonanz, bei dem das anregende System die maximale Energie auf das schwingende System übertragen kann. Frage 2: - Wie sieht der typische Verlauf von Energieresonanzkurven (~ v02 (ω1 ) ) aus? Zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab in einem Diagramm den prinzipiellen Verlauf von v02 (ω1 ) für die Fälle b ≈ 0, b = b1 und b = b2 (analog zu Abb. 6). 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Feder (D = (22,7 ± 0,5) kg/s2, mF = (0,0575 ± 10-4) kg), Kugel an Aufhängestange mit Reflektorplatte (mG auswiegen), Anregungssystem an Stativ mit Motor und Lichtschranke, elektronische Drehzahlregelung für Motor, Laserdistanzsensor (Typ BAUMER OADM 12U6460/S35, Messbereich 108 (16 - 120) mm), Netzteile (PHYWE (0 – 15 / 0 – 30) V) für Motor, Lichtschranke und Laserdistanzsensor, 2 Gläser mit unterschiedlicher Glycerin/Wassermischung (b ≈ 0,7 kg/s für die zähere Mischung bei T = 20° C), Tisch zur Aufnahme der Gläser, Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B. 3.1 Beschreibung der Versuchsanordnung Die Versuche werden an einer Anordnung gem. Abb. 8 durchgeführt. Sie ermöglicht die berührungslose Messung von Amplitudenresonanzkurven und Phasenkurven. Wir wollen zunächst die Versuchsanordnung beschreiben, bevor in Kap. 3.2 die eigentlichen Messaufgaben dargestellt werden. An einer Feder ist mit Hilfe einer Stange S2 eine Kugel K der Masse mK aufgehängt, die zur Dämpfung ihrer Bewegung in einen Glasbehälter B eintaucht, der mit einer Glycerin/Wassermischung gefüllt ist. An der Stange ist eine Reflektorscheibe R befestigt. Auf diese Scheibe trifft ein Laserstrahl aus einem Laserdistanzsensor LDS, dessen Funktionsweise aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Der Sensor liefert ein Spannungssignal ULDS(t), das sich mit der Entfernung s zwischen LDS und R linear ändert. Die Feder ist mit einer zweiten Stange S1, die in einer Stangenführung F läuft, über ein Gelenk G1 mit einer Pleuelstange P verbunden, die wiederum über ein Gelenk G2 auf einer Drehscheibe D befestigt ist. Mit einem Antriebsmotor kann die Scheibe mit der Kreisfrequenz ω 1 gedreht werden. Dadurch wird der Aufhängepunkt der Feder in eine periodische Vertikalbewegung versetzt und somit auf die Feder eine periodische Kraft Fe(t) ausgeübt. Nach Beendigung des Einschwingvorgangs führt die Kugel zusammen mit S2 und R ebenfalls eine periodische Vertikalbewegung mit der Amplitude x0 aus. Der Laserdistanzsensor liefert dann ein periodisches Spannungssignal ULDS(t) mit der Amplitude U0 ~ x0 und einem Gleichanteil UDC, der vom Abstand s zwischen LDS und R in der Ruhelage der Kugel abhängt. Die Periodendauer T von ULDS ist gegeben durch: (31) T= 2π ω1 Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Amplitudenresonanzkurve U0(ω1) messen, aus der mit Hilfe des Kalibrierfaktors k des Laserdistanzsensors für Spannungsdifferenzen, (32) k = 0,0962 V/mm die gesuchte Amplitudenresonanzkurve x0(ω1) gewonnen werden kann. k kann als fehlerfrei angenommen werden. Die Messung der Phasenkurve, d.h. der Phasenverschiebung φ zwischen der Anregungskraft Fe(t) und der Auslenkung x(t) der Kugel als Funktion der Kreisfrequenz ω1 lässt sich folgendermaßen durchführen: Mit Hilfe eines Markierungsstiftes M sowie der Lichtschranke LS, die von M unterbrochen wird, wird immer dann ein Spannungsimpuls ULS(t) erzeugt, wenn der Aufhängepunkt der Feder seine oberste Position erreicht hat (Zeitpunkt t1 in Abb. 9). Zu diesem Zeitpunkt hat die Anregungskraft Fe(t) = md2x/dt2 ihr Minimum (Vorzeichen gem. Abb. 5 beachten). Zu einem späteren Zeitpunkt t2 möge die Kugel (nicht der Aufhängepunkt der Feder!) ihre oberste Position und damit die Auslenkung x(t) ihr Minimum (- x0) erreichen (auch hier Vorzeichen gem. Abb. 5 beachten). In dieser Position ist die Entfernung s zwischen LDS und R und damit auch ULDS(t) minimal. Die Phasenverschiebung φ zwischen Fe(t) und x(t) ist dann (s. Abb. 9): (33) φ=− t 2 − t1 T 2π := − ∆t 2π = − ∆t ω1 T 109 M ω1 LS G2 D P G1 S1 LDS F Feder s R S2 B K Abb. 8: Skizze des verwendeten Versuchsaufbaus. T U ULS ULDS t1 Abb. 9: t2 t Zeitlicher Verlauf der Ausgangsspannungen der Lichtschranke LS (ULS) und des Laserdistanzsensors LDS (ULDS). Zeitpunkt t1: Aufhängepunkt der Feder in oberster Position, Anregungskraft Fe(t) minimal. Zeitpunkt t2: Kugel in oberster Position, x(t) und ULDS minimal. Durch Variation von ω1 lässt sich somit die Phasenkurve φ (ω1) messen. In der Praxis werden für jede eingestellte Kreisfrequenz ω1 mit Hilfe eines Oszilloskops gleichzeitig die Amplitude U0(ω1) und die Zeitdifferenz ∆t(ω1) gemessen. Abschließend noch eine Anmerkung zum zeitlichen Verlauf der Anregungskraft Fe(t). Offensichtlich entspricht dieser bis auf eine konstante Phasenverschiebung dem zeitlichen Verlauf der vertikalen Bewegung des Gelenkes G1, d.h. des Aufhängepunktes der Feder. Diese Bewegung wollen wir durch die Größe y(t) beschreiben (Abb. 10). 110 ω1 r θ D y ψ l G1 S1 Abb. 10: Definition von Größen zur Berechnung der Bewegung des Gelenkes G1 (vgl. Abb. 8). Ist die Pleuelstange der Länge l im Abstand r von der Drehachse auf der Scheibe montiert, so gilt: (34)= y r cos θ + l cosψ und (35) r sin θ = l sinψ → r sin θ l sinψ = Mit (36) cosψ =− 1 sin 2 ψ =− 1 r2 2 sin θ l2 und (37) θ = ω1 t folgt schließlich: ( ) ( y r cos ω 1 t + l 2 − r 2 sin 2 ω 1 t (38)= ) Der rein harmonischen Bewegung (r cos(ω 1 t)) ist also noch eine Störung (Wurzelterm in Gl. (38)) überlagert, die leider auch zeitabhängig ist und damit die Bewegung anharmonisch macht. Die Anregungskraft Fe(t) verläuft also ebenfalls nicht rein harmonisch. Wählen wir jedoch l >> r, so wird l2 >> r2sin2(ω 1 t) und damit √(...) ≈ l. Wir haben es dann statt mit einer zeitabhängigen Störung nur noch mit der additiven Konstanten l zu tun, die die „Harmonie“ jedoch nicht mehr stört. 3.2 Amplitudenresonanzkurve und Phasenkurve für starke und schwache Dämpfung Mit der Anordnung gem. Abb. 8 soll für eine Kugel mit Haltestange S1 und Reflektorplatte R und eine Feder mit bekannten D und mF (Daten siehe Zubehör) für zwei verschieden große Dämpfungen (Gläser mit unterschiedlichen Glyzerin/Wassergemischen) jeweils die Amplitudenresonanzkurve x0(ω 1) und die Phasenkurve φ(ω 1) im Frequenzbereich f1 = ω 1/2π zwischen 0 Hz und ca. 5 Hz gemessen werden. Die Pleuelstange P des Anregungssystems wird im zweiten Loch von innen auf der Scheibe angebracht Die anharmonische Störung gem. Gl. (38) kann in diesem Fall vernachlässigt werden. 111 Die Ausgangssignale der Lichtschranke (ULS) und des Laserdistanzsensors (ULDS) werden auf einem Digital-Oszilloskop dargestellt, das auf das Signal ULS getriggert wird. Die Periodendauer T von ULS und der Spitze-Spitze-Wert (USS = 2 U0) von ULDS werden mit Hilfe der Funktion MESSUNG / MEASURE am Oszilloskop ermittelt. Aus diesen Größen können die Kreisfrequenz ω1 und die Amplitude U0 bzw. x0 bestimmt werden. Mit Hilfe der ZEIT-CURSOR wird die Zeitdifferenz ∆t = t2 – t1 gemessen (s. Abb. 9), aus der die Phasenverschiebung φ gem. Gl. (33) berechnet werden kann. Hinweis: Um einen möglichst gleichmäßigen Lauf der Kreisscheibe zu erreichen, muss die Drehscheibe gegen den Uhrzeigersinn laufen. Aus dem gleichen Grund muss zur Einstellung der Motordrehzahl im Frequenzbereich zwischen 0 Hz und ca. 1,5 Hz ein elektronischer Drehzahlregler (Betriebsspannung 12 V) benutzt werden, der zwischen Netzgerät und Motor geschaltet wird. Bei Frequenzen über 1,5 Hz kann der Motor direkt an das Netzgerät angeschlossen und die Drehzahl über die Betriebsspannung geregelt werden (Spannung langsam von 0 V auf max. 12 V erhöhen). Für beide Glycerin/Wassergemische wird für möglichst viele (mindestens 20) verschiedene Werte von ω 1, insbesondere in der Nähe der Resonanzfrequenz, jeweils nach Beendigung des Einschwingvorgangs die Periodendauer T, die Amplitude U0 (ω 1) und die Zeitdifferenz ∆t gemessen. Die Amplitude U0 für den Fall ω 1 → 0 wird bestimmt, indem die Motorachse bei ausgeschaltetem Motor per Hand in die Positionen „Pleuelstange oben“ und „Pleuelstange unten“ gedreht und jeweils die zugehörige Spannung ULDS gemessen wird. Für beide Gemische wird x0 über ω1 in einem Diagramm und φ über ω1 ebenfalls in einem Diagramm aufgetragen. Die Größtfehler von x0 und φ werden in Form von Fehlerbalken mit eingezeichnet (Fehler aus den Schwankungen der Werte für USS und T am Oszilloskop abschätzen). Danach werden „frei Hand“ Ausgleichskurven durch die Messwerte gezeichnet und die Form der Kurven mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Anmerkung: In der Nähe der Eigenkreisfrequenz kann die Messung bei kleiner Dämpfung schwierig werden, weil sich große Amplituden einstellen und die Feder (möglicherweise auch das Stativ) in unkontrollierte Bewegung gerät oder die Kugel gar auf dem Boden des Becherglases aufschlägt. In diesem Fall muss das System von Hand gedämpft und rasch zum nächsten Frequenzwert übergegangen werden. 4 Anhang: Berechnung der Resonanzamplitude und der Phasenverschiebung Wir wollen zeigen, dass die Resonanzamplitude x0 und die Phasenverschiebung φ mit wenigen einfachen Rechenschritten berechnet werden kann, wenn wir zur komplexen Schreibweise übergehen. Gl.(19) lautet in komplexer Schreibweise: (39) d2 x b d x D 1 iω t + + x= F1 e 1 2 m dt m m dt Analog zu Gl. (20) wählen wir als komplexen Lösungsansatz: i (ω 1 t + φ ) iω t = x x= x0 e 1 ei φ (40) 0 e Einsetzen von Gl. (40) in Gl. (39) ergibt nach Ausführen der Differentiation und Division durch e b D F1 x0 ei φ + x0 ei φ = m m m Mit der Definition der Eigenkreisfrequenz ω 0 gem. Gl. (8) folgt daraus: (41) −ω 2 1 x0 ei φ + i ω 1 iω1 t : 112 F1 m (42) x0 ei φ = = : z b 2 2 ω 0 − ω 1 + iω 1 m Wie bereits im Versuch „Messung von Kapazitäten…“ dargestellt, ist Gl. (42) eine Darstellungsform einer komplexen Zahl z, deren Betrag |z| = x 0 durch z z * gegeben ist, wobei z* die zu z konjugiert komplexe Zahl ist. Damit folgt: (43) = x0 = z z∗ ω F1 m 2 0 −ω 2 1 b + iω 1 ω m F1 m 2 0 −ω 2 1 b − iω 1 m woraus sich durch einfaches Ausmultiplizieren Gl. (21) ergibt. Für die Berechnung des Phasenwinkels benutzen wir wiederum (vgl. Versuch „Messung von Kapazitäten…“) die zweite Darstellungsform komplexer Zahlen, nämlich z = α + iβ, wobei α der Realteil und β der Imaginärteil von z ist. Aus diesen Größen lässt sich der Phasenwinkel φ bekanntlich berechnen als (44) β α φ = arctan + π − π ⇔ ⇔ α < 0 ∧ β ≥ 0 α < 0 ∧ β < 0 Um Gl. (42) in die Form α + iβ zu bringen, erweitern wir den Bruch mit dem konjugiert komplexen Nenner: (45) x0 ei φ F1 2 b 2 F1 F b ω 02 − ω 12 ) − i 1 ω 1 ω 0 − ω 1 − iω 1 ( m m m m m = 2 b b 2 2 2 2 2 ω b ω 0 − ω 1 + iω 1 ω 0 − ω 1 − iω 1 ω 02 − ω 12 ) + 1 ( m m m Hieraus können wir die Größen α und β ablesen: (46) F1 ω 02 − ω 12 ) ( m α= 2 ω1 b 2 2 2 (ω 0 − ω 1 ) + m F1 b ω1 m m β= − 2 ω1 b 2 2 2 (ω 0 − ω 1 ) + m und woraus durch Einsetzen in Gl. (44) folgt: (47) ω1b m φ= arctan − −π 2 2 { ω 0− ω 1 Mit (48) 1 π = arctan ( − y ) arctan − y 2 folgt daraus schließlich Gl. (22). ⇔ ω 1 >ω 0 } 113 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Fourieranalyse Stichworte: FOURIERreihe (trigonometrische Reihe), FOURIERkoeffizienten, FOURIERanalyse (FOURIERzerlegung, harmonische Analyse), Amplitudenspektrum, Phasenspektrum, lineare Systeme, Übertragungsfunktion, Grund- und Oberschwingungen, EULERsche Formeln, Abtasttheorem. Messprogramm: Aliasing bei Verletzung des Abtasttheorems, Spektren von Fotodetektorsignalen, Spektren von Schallsignalen, Spektrum eines Schwebungssignals und eines amplitudenmodulierten Signals, Spektren von Rechteck-, Sägezahn- und Dreieckssignal, Gibbsches Phänomen. Literatur: /1/ HÄNSEL, H., NEUMANN, W.: „Physik - Mechanik und Wärmelehre“, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u.a. /2/ BRACEWELL, R. N.: „The Fourier Transform and its Applications“, McGraw-Hill, London u.a. (für Fortgeschrittene) /3/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. 1 Einleitung Die FOURIERanalyse (nach JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER, Abb. 1) ist ein wichtiges Werkzeug im Bereich der Signalanalyse und -verarbeitung. Mit ihrer Hilfe kann ausgerechnet werden, aus welchen harmonischen Signalen 1 unterschiedlicher Amplitude, Frequenz und Phasenlage ein periodisches Signal zusammengesetzt ist. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Analyse sogenannter Zeitsignale. Das sind Signale wie z.B. eine Spannung U(t) oder ein Strom I(t), die sich mit der Zeit t ändern. Formal lassen sich die folgenden Überlegungen jedoch auch auf Signale übertragen, bei denen sich eine physikalische Größe mit dem Ort ändert, wie etwa die Intensität I(x) von Licht längs der Ortskoordinate x. Abb. 1: JEAN-BAPTISTE-JOSEPH DE FOURIER (1768-1830) 2 Wir wollen als Beispiel für eine Anwendung der FOURIERanalyse ihre Bedeutung in der Systemtheorie zur Beschreibung des Verhaltens linearer Systeme herausgreifen. Die Theorie linearer Systeme hat in der Physik eine große praktische Bedeutung. Mit ihr kann das Verhalten vieler physikalischer Systeme beschrieben werden, ohne im Einzelnen wissen zu müssen, wie diese Systeme im Inneren aufgebaut sind. Wir 1 2 Mit harmonischen Signalen sind in diesem Text sinusförmige Signale gemeint. Quelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969 114 behandeln diese Systeme als „Kästen“ unbekannten Inhalts („Black-Boxes“), von denen wir wissen, dass sie auf ein bestimmtes Eingangssignal e(t) mit einem bestimmten Ausgangssignal E(t) antworten: Eingang → e(t) Ausgang lineares System → E(t) Lineare Systeme erfüllen die Bedingung der Linearität (daher der Name): Eine Summe von Eingangssignalen führt zu einer entsprechenden Summe von Ausgangssignalen: Eingang (1) f (t ) = ∑ e j (t ) → Ausgang lineares System → F (t ) = ∑ E j (t ) j j Beispiele solcher linearer Systeme sind: - in der Akustik: - in der Optik: - in der Elektrotechnik: das System Mikrophon → Verstärker → Lautsprecher, das System Objektiv → Bildaufnehmer, das System Sender → Nachrichtenübertragungsstrecke → Empfänger. Nach dem FOURIER-Theorem, auf das wir in Kap. 2 noch detailliert eingehen werden, kann ein periodisches Signal, also auch ein periodisches Eingangssignal f(t) eines linearen Systems, durch eine unendliche Summe harmonischer Signale hn(t) (𝑛𝑛 ∈ ℕ\{0}) mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen ωn dargestellt werden, die sich in ihren Amplituden cn und Phasen φn unterscheiden können, aber nicht müssen: ∞ (2) ∞ f (t ) = c0 + ∑ hn (t ) = c0 + ∑ cn sin( ωnt + φn ) (c0: Konstante 3) n 1= n 1 = Harmonische Signale werden von linearen Systemen unverzerrt übertragen, d.h. sie ändern bei der Übertragung allenfalls ihre Amplitude und Phasenlage, nicht jedoch ihre Form. Wir treffen nun die Annahme, dass wir wissen, wie ein System auf harmonische Eingangssignale unterschiedlicher Frequenz reagiert, dass wir also zu jedem harmonischen Eingangssignal hn(t) die Amplitude und Phasenlage des zugehörigen harmonischen Ausgangssignals Hn(t) kennen. Verändert das System die Amplituden aller harmonischen Eingangssignale unabhängig von ihrer Frequenz in gleicher Weise (z.B. Verstärkung um den Faktor 2) und werden alle harmonischen Eingangssignale um mπ ( m ∈ ) in der Phase verschoben, so haben wir es mit einem idealen System zu tun. Aus der Linearität des Systems (Gl. (1)) folgt dann sofort, dass ein periodisches Eingangssignal f(t), das sich nach dem FOURIER-Theorem in eine unendliche Summe harmonischer Signale zerlegen lässt 4, unverzerrt durch das System übertragen wird. Das Ausgangssignal F(t) ist gegenüber dem Eingangssignal f(t) lediglich um einen konstanten Faktor (z.B. 2) verstärkt worden, es hat jedoch seine Form beibehalten. Reale Systeme verhalten sich in der Regel anders. Bei ihnen kommt es je nach Frequenz ωn eines harmonischen Eingangssignals zu unterschiedlichen Verstärkungen V(ωn) und zu unterschiedlichen Phasenverschiebungen ∆φ(ωn) und damit zu einer Verzerrung des Ausgangssignals F(t) gegenüber dem Eingangssignal f(t). V(ωn) heißt Amplituden-Übertragungsfunktion oder Amplitudenspektrum oder Frequenzgang und ∆φ(ωn) Phasen-Übertragungsfunktion oder Phasenspektrum des Systems. Beide Funktionen zusammen beschreiben das so genannte Frequenzverhalten realer Systeme. Wir gehen nun entsprechend unserer obigen Annahme davon aus, dass dieses Frequenzverhalten für ein von uns untersuchtes System bekannt ist. In der Praxis ist dies oft der Fall, z.B. weil der Hersteller des 3 4 c0 stellt den zeitunabhängigen Gleichanteil von f(t) dar, der zum Informationsgehalt des Signals nichts beiträgt. Bei Formulierungen dieser Art ist in diesem Text der Gleichanteil des Signals (c0 in Gl. (2)) immer mit eingeschlossen. 115 Systems entsprechende Daten mitgeliefert hat. Abb. 2 zeigt beispielsweise die Amplituden-Übertragungsfunktion einer PC-Soundkarte. Ihr können wir entnehmen, dass die Karte nur im Frequenzbereich zwischen etwa ν = 200 Hz und ν = 10 kHz gute Übertragungseigenschaften hat, weil sie dort harmonische Signale unabhängig von ihrer Frequenz gleichmäßig verstärkt (V(ν) = const.). Außerhalb dieses Frequenzbereichs werden die Ein- und Ausgangssignale dagegen frequenzabhängig gedämpft, was zwangsläufig zu einer Signalverzerrung führt, falls das Eingangssignal f(t) harmonische Komponenten mit entsprechenden Frequenzen enthält. In Kenntnis des Frequenzverhaltens eines linearen Systems können wir für ein periodisches Eingangssignal f(t) berechnen, wie das Ausgangssignal F(t) aussehen wird. Wir müssen dazu lediglich wissen, aus welchen harmonischen Signalen hn(t) das Signal f(t) gemäß dem FOURIER-Theorem zusammengesetzt ist. Dann können wir für jedes dieser Signale hn(t) unter Kenntnis von V(ωn) und ∆φ(ωn) das zugehörige Ausgangssignal Hn(t) angeben und anschließend die Hn(t) zum Ausgangssignal F(t) aufaddieren. Die hierfür erforderliche Berechnung der Parameter (Amplitude, Phase, Frequenz) der harmonischen Signale, in die sich ein periodisches Signal zerlegen lässt, heißt FOURIERzerlegung oder FOURIERanalyse oder harmonische Analyse und ist Gegenstand dieses Versuches. 10 10 V / dB 0 0 -10 -10 20 50 100 200 500 1k 2k 5k 10k 20k ν / Hz Abb. 2: Amplituden-Übertragungsfunktionen einer PC-Soundkarte (YAKUMO Soundcard 16 MCD); blaue Kurve: für Wiedergabe, rote Kurve für Aufnahme. 5 2 Theorie Im Folgenden werden wir auf mathematische Beweise verzichten, die in der angegebenen Literatur nachgelesen werden können, und uns auf die Darstellung der für den Versuch benötigten Zusammenhänge beschränken. 2.1 Fourierreihe und Fourierkoeffizienten Nach dem bereits in der Einleitung erwähnten FOURIER-Theorem lässt sich ein periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T durch einen Gleichanteil und eine unendliche Summe harmonischer Signale darstellen, deren Kreisfrequenzen jeweils ganzzahlige Vielfache von ω0 = 2π/T sind. Man nennt diese harmonischen Signale mit den Kreisfrequenzen (3) n ω0 := ωn ; 𝑛𝑛 ∈ ℕ\{0} Oberschwingungen zur Grundschwingung mit der Grundkreisfrequenz ω0 und bezeichnet die Summendarstellung als trigonometrische Reihe oder FOURIERreihe. Sie ist gegeben durch: ∞ (4) f (t ) = c0 + ∑ an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) n= 1 5 Verstärkungen werden in der Messtechnik häufig in der logarithmischen Größe Dezibel (dB) angegeben. Einzelheiten dazu werden im Versuch „Operationsverstärker“ im SoSe behandelt. Eine Verstärkung um x dB entspricht einer linearen Verstärkung um den Faktor 10x/20. 116 Die Größen c0, an = a(nω0) und bn = b(nω0) heißen FOURIERkonstanten oder FOURIERkoeffizienten. Ihre Bestimmung ist Gegenstand der FOURIERanalyse. Man findet nach kurzer Rechnung (s. z.B. /1/), dass sie sich aus dem Signal f(t) wie folgt berechnen lassen: c0 = (5) 1 T T 2 ∫T f ( t ) dt − 2 T 2 an (6) 2 = f (t ) cos ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ... T ∫T − 2 T 2 bn (7) 2 = f (t )sin ( nω0t ) dt n 1, 2, 3, ... T ∫T − 2 Die Konstante c0 ist der Mittelwert (Gleichanteil) des Signals f(t). Stellt f(t) z.B. eine zeitlich oszillierende Spannung U(t) dar, entspricht c0 dem Gleichspannungsanteil (DC-Anteil) des Signals. Die Darstellung der FOURIERreihe gem. Gl. (4) lässt sich vereinfachen, wenn man folgenden Zusammenhang benutzt: an cos ( nω0t ) + bn sin ( nω0t ) =cn sin(nω0t + φn ) (8) mit = cn (9) an2 + bn2 und (10) an bn φn = arctan Damit wird aus Gl. (4) die so genannte spektrale Darstellung der FOURIERreihe: ∞ (11) f (t ) = c0 + ∑ cn sin( n ω 0 t + φ n ) n= 1 Ein periodisches Signal f(t) kann somit nach seiner FOURIERanalyse durch die Größen (12) c0 : Gleichanteil (Mittelwert des Signals f(t), s. Gl. (5)) cn = cn (nω0) : Amplitudenspektrum φn = φn (nω0) : Phasenspektrum beschrieben werden. 6 6 Die grafische Darstellung von cn über ωn heißt Amplitudenspektrum. Die grafische Darstellung von an über ωn heißt Kosinusspektrum; die Darstellung von bn über ωn heißt Sinusspektrum. 117 Abb. 3: Oben (rot): anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periode T = 1 (in beliebigen Einheiten) mit seinen harmonischen Komponenten h1(t) (Mitte, blau) und h2(t) (unten, blau). Zwei Beispiele sollen die Verhältnisse verdeutlichen. Das erste Beispiel zeigt einen recht einfachen Fall. In Abb. 3 ist oben ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) = h1(t) + h2(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) dargestellt. Es ist zusammengesetzt aus den beiden darunter abgebildeten harmonischen Signalen: der Grundschwingung h1(t) mit der Amplitude c1 = 0,5 (in beliebigen Einheiten), der Kreisfrequenz ω1 = 1×ω0 = 2π/T und der Phase φ1 = π sowie der ersten Oberschwingung h2(t) mit der gleichen Amplitude c2 = 0,5, der Kreisfrequenz ω2 = 2×ω0 und der Phase φ2 = π/2. Eine FOURIERanalyse des Signals f(t) würde demnach liefern: Gleichanteil: c0 Amplitudenspektrum: c1 = c1(ω0) c2 = c2(2ω0) cm = cm(mω0) Phasenspektrum: φ1 = φ1(ω0) φ2 = φ2(2ω0) φm = φm(mω0) =0 = 0,5 = 0,5 =0 =π = π/2 =0 ∀m≥3 ∀m≥3 Das Amplituden- und das Phasenspektrum, also cn(ωn) und φn(ωn), sind in Abb. 4 dargestellt. φn π π/2 cn 0,5 ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn Abb. 4: ω0 2ω0 3ω0 4ω0 ωn Amplitudenspektrum (links) und Phasenspektrum (rechts) des in Abb. 3 oben dargestellten Signals. In solchen Diagrammen werden üblicherweise statt Datenpunkten senkrechte Spektrallinien gezeichnet, die von der Abszisse bis zum jeweiligen Ordinatenwert reichen. Deutlich komplexer ist die in Abb. 5 dargestellte Situation. Oben links ist ein anharmonisches, aber periodisches Signal f(t) mit der Periodendauer T = 1 (in beliebigen Einheiten) gezeigt, rechts daneben die 118 Grundschwingung mit der Kreisfrequenz ω1 = 1ω0 = 2π/T sowie darunter vier Oberschwingungen mit den Kreisfrequenzen ωn = nω0, n = 2, 3, 4, 5, die alle unterschiedliche Amplituden und Phasenlagen haben. Eine FOURIERanalyse würde hier den Gleichanteil c0 = 0 sowie fünf Werte cn für das Amplitudenspektrum und fünf Werte φn für das Phasenspektrum liefern. Frage 1: - Versuchen Sie der Abb. 5 auf grafischem Wege die nötigen Daten zu entnehmen, um das Amplitudenund Phasenspektrum analog zu Abb. 4 zu skizzieren. Kontrollieren Sie mit Hilfe von Matlab, ob Ihre Analyse richtig ist. Abb. 5: Anharmonisches, periodisches Signal f(t) (oben links, rot) mit seinen fünf harmonischen Komponenten (oben rechts sowie Mitte und unten, blau). Abszisse: t, Ordinate: f(t) bzw. hn(t), Periodendauer T = 1 (t und f(t) in beliebigen Einheiten) 2.2 Abtastung und Abtasttheorem Wir wissen nun, wie man die FOURIERkoeffizienten a0, an und bn und daraus die Größen c0, cn und φn, also das Amplituden- und Phasenspektrum für periodische Signale f(t) berechnen kann. In der Praxis tritt an dieser Stelle ein Problem auf: Bei den zu untersuchenden Signalen handelt es sich in der Regel nicht um analytisch bekannte Signale, sondern um Messsignale mit kompliziertem zeitlichen Verlauf, die z.B. mit einer Messwerterfassungskarte in einem Computer aufgezeichnet wurden. Solche Aufzeichnungsverfahren liefern zu den äquidistanten Zeitpunkten ti (Zeitabstand ∆t) diskrete Funktionswerte yi = f(ti) 7. Man spricht dann auch davon, dass das Signal f(t) mit der Abtastkreisfrequenz ωa = 2π/∆t an den Stellen ti abgetastet wurde. Die FOURIERanalyse eines so abgetasteten Signals lässt sich natürlich nur näherungsweise durchführen - denn auch das Signal selber ist ja nur näherungsweise (nämlich nur an den Stellen ti) bekannt. Wie eine FOURIERanalyse in einem solchen Fall durchgeführt wird, soll im Folgenden dargestellt werden. Nehmen wir an, von dem Signal f(t) lägen 2m Messwerte (Abtastwerte) yi (i = 0, 1,..., 2m-1) zu den äquidistanten Zeitpunkten ti vor. Dann erhalten wir für die FOURIERkoeffizienten: (13) 7 c0 = 1 2m− 1 ∑ yi 2m i = 0 Siehe Versuch „Datenerfassung und -verarbeitung mit dem PC...“. 119 (14) (15) 2m− 1 1 an = m bn = 1 m ∑ i= 0 2m− 1 ∑ i= 0 2π n i yi cos n = 1, 2,..., m 2m 2π n i yi sin 2m n = 1, 2,..., m-1 Aus 2m unabhängigen Funktionswerten gewinnen wir demnach m Koeffizienten an, (m - 1) Koeffizienten bn und eine Konstante c0, zusammen also m + (m - 1) + 1 = 2m unabhängige FOURIERkoeffizienten. Dies ist vom Standpunkt des Informationsgehalts her auch verständlich: durch bloße Rechnung geht weder Informationsgehalt verloren, noch kommt neuer hinzu. Die Frage, wie viel Funktionswerte man mindestens benötigt, um mit Hilfe der Gl. (13) - (15) die Kreisfrequenz ω s einer im Signal f(t) enthaltenen harmonischen Schwingung sicher bestimmen zu können, klärt das so genannte Abtasttheorem (Samplingtheorem, SHANNON-Theorem 8). Es besagt, dass eine Kreisfrequenz ω s dann noch sicher detektiert werden kann, wenn für die Abtastkreisfrequenz ωa gilt: (16) ωa > 2 ωs Abtasttheorem Mit anderen Worten: Die Kreisfrequenz ω s eines harmonischen Signals kann nur dann sicher bestimmt werden, wenn für das Signal mehr als 2 Abtastwerte pro Periode vorliegen. Wird die Bedingung aus der Ungleichung (16) verletzt, wird ein Signal mit der Kreisfrequenz ω s also „unterabgetastet“, so kommt es zu falschen Resultaten (Aliasing-Effekten). Die FOURIERanalyse liefert in diesem Fall die falsche Kreisfrequenz ω f : (17) ω= ωa −ωs f Das Signal mit der Kreisfrequenz ω s taucht demnach im Amplitudenspektrum unter dem „falschem Namen“ ω f auf, daher die Bezeichnung „Alias“. Für ωs ≤ ωa ≤ 2ωs erscheint es im Spektrum gespiegelt an der Achse ω = ωa/2. Ist die Abtastkreisfrequenz ωa vorgegeben, so kann ein harmonisches Signal gem. Gl. (16) nur dann richtig abgetastet werden, wenn für seine Kreisfrequenz gilt: (18) ωs < ωa 2 Die Kreisfrequenz ωa/2 heißt NYQUIST-Frequenz 9. Bei Einhaltung des Abtasttheorems bestimmt die Länge 2 m ∆t des Zeitintervalls, über das das Messsignal abgetastet wurde, die Frequenzauflösung ∆f, d.h. die Genauigkeit, mit der Signalfrequenzen bestimmt werden können: (19) ∆f ~ 1 2 m ∆t Dieser Aspekt der FOURIERanalyse kann jedoch im Grundpraktikum nicht weiter vertieft werden. 2.3 Praktische Hinweise Die Berechnungen der FOURIERkoeffizienten bzw. des Amplituden- und Phasenspektrums sind recht aufwändig. Heute können sie jedoch selbst von Personal Computern sehr schnell durchgeführt werden und im 8 9 CLAUDE ELWOOD SHANNON (1916 - 2001). HARRY NYQUIST (1889 - 1976). 120 Falle großer Datenmengen lässt sich die Berechnung durch Einsatz spezieller Prozessoren noch beschleunigen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier mühsame Handarbeit geleistet werden musste. So findet man in einem Mathematikhandbuch aus dem Jahr 1969 den Hinweis (GELLERT, W. u.a. [Hrsg.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969): „Ein geübter Rechner braucht bei Benutzung einer elektrischen Rechenmaschine und unter Verwendung spezieller Rechenschemata zur Durchführung dieser harmonischen Analyse mit 12 Punkten etwa 1/2 Stunde, mit 24 Punkten etwa 2 Stunden, mit 36 Punkten etwa 6 Stunden und mit 72 Punkten etwa 16 Stunden... Eine mittelschnelle elektronische Rechenmaschine bewältigt die Rechnung für 36 Punkte in etwa 2 Minuten. Die Zeit, die erforderlich ist, um das Ergebnis auszudrucken, ist meist länger als die Rechenzeit.“ Im vorliegenden Praktikumsversuch wird die FOURIERanalyse mit einigen 100 bis einigen 1000 Punkten durchgeführt. Halten Sie sich also schon mal die Semesterferien frei - oder setzen Sie den bereitstehenden PC ein, dann werden Sie ohne Probleme an einem Nachmittag fertig! In der Praxis ist man häufig nur daran interessiert zu erfahren, welche Amplituden die harmonischen Signale haben, die in einem periodischen Messsignal enthalten sind. Die Phasenlage der einzelnen Beiträge ist oftmals unwichtig. Mit anderen Worten: das Amplitudenspektrum ist meistens von erheblich größerer praktischer Bedeutung als das Phasenspektrum. Auch bei den durchzuführenden Versuchen werden wir uns deshalb auf die Interpretation der Amplitudenspektren beschränken. Hat man ein nicht-periodisches Signal f(t) vorliegen, das nur in einem Zeitintervall der Länge τ definiert ist (z.B. ein Spannungsimpuls aus einem Fotodetektor), so kann man sich das Signal formal links und rechts des Intervalls periodisch fortgesetzt denken (mit der „Periode“τ) und es ebenfalls mit einer FOURIERreihe darstellen. Zwar werden durch eine so berechnete FOURIERreihe gem. Gl. (4) auch Funktionswerte außerhalb des Definitionsintervalls τ dargestellt, diese können jedoch für die weiteren Betrachtungen einfach ignoriert werden. 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS 6014 PCI oder 6221 PCI) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120), 2 Funktionsgeneratoren (TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Additionsverstärker, Fotodiode mit integriertem Verstärker und Lochblende (Durchmesser 1 mm), ACFilter für Fotodiode, Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem Kasten, Mikrophon mit Vorverstärker, Stimmgabel, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V). 3.1 Allgemeine Hinweise 3.1.1 Inbetriebnahme der Messwerterfassungskarte Die Eingangs-Wahl-Schalter auf der Steckplatine der Messwerterfassungskarte müssen auf FS (Floating Source) stehen. Der Anschluss der Signalquellen (Funktionsgenerator, Mikrophonverstärker usw.) erfolgt grundsätzlich nur an die BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0); der Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 muss auf BNC stehen. 3.1.2 Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte Der maximale Eingangsspannungsbereich der Messwerterfassungskarte beträgt ± 10 V; er darf nicht überschritten werden. Zur Kontrolle werden deshalb alle Eingangssignale der Messwerterfassungskarte gleichzeitig am Oszilloskop dargestellt. 121 3.1.3 Software Die folgenden Versuche werden mit Hilfe der MATLAB-Skripte Fourieranalyse.m bzw. Rekonstruktion.m durchgeführt (Skripte verfügbar unter Q:). Die Skripte melden sich mit selbsterklärenden Fenstern. Textausgaben der Skripte, wie z.B. Tabellen mit Amplituden und Frequenzen von FOURIERkomponenten, erscheinen im Command Window. Sie können dort markiert und per „Copy and Paste“ in andere Anwendungen übernommen werden (z. B. Word, Notepad-Editor u.a.). 3.1.4 Ausdruck und Speicherung von Grafiken Die erzeugten Grafiken (Matlab Figures) können über → File → Print auf dem Drucker im Grundpraktikum ausgedruckt werden. Über → File → Save as kann eine Speicherung in verschiedenen gängigen Grafikformaten erfolgen. Details von Grafiken können mit Hilfe der Zoom-Funktion im Figure-Fenster vergrößert werden. 3.2 Abtasttheorem Mit Hilfe des AGILENT-Funktionsgenerators wird ein sinusförmiges Zeitsignal U(t) ohne DC-Anteil mit einer Frequenz von 140 Hz und einer Amplitude von 4 V erzeugt (Kontrolle der Einstellungen am Oszilloskop) und an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei Abtastfrequenzen von (1.000, 500, 300, 200, 150, 120) Hz jeweils 1.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 2: - Wie lassen sich die Ergebnisse unter Berücksichtigung von Gl. (16) bis (18) interpretieren? 3.3 Spektren der Signale eines Fotodetektors Beim Praktikumsversuch zum Oszilloskop haben wir gesehen, dass der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer am normalen Stromnetz betriebenen Glühlampe anders aussieht, als der Lichtintensitätsverlauf für eine Leuchtstofflampe. Diesen qualitativen Befund wollen wir nun quantitativ untersuchen. Dazu wird eine Fotodiode zunächst mit dem Licht einer mit Netzspannung betriebenen Glühlampe und anschließend mit dem Licht einer ebenfalls mit Netzspannung betriebenen Leuchtstofflampe beleuchtet. Durch eine passende Lochblende vor der Fotodiode wird verhindert, dass das Ausgangssignal des Fotodiodenverstärkers (Zeitsignal U(t)) übersteuert. Mit Hilfe des bereitliegenden AC-Filters wird der Gleichspannungsanteil aus dem jeweiligen Signal herausgefiltert (Kontrolle am Oszilloskop) und das Signal anschließend an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden von beiden Signalen bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz jeweils 5.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Die Ergebnisse (Zeitsignale und Amplitudenspektren) werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 3: - Worin unterscheiden sich die Zeitsignale, worin ihre Amplitudenspektren? (Angaben über die absoluten Amplituden der spektralen Anteile sind nicht von Bedeutung.) 3.4 Spektren von mit einem Mikrophon aufgezeichneten Schallwellen Zunächst soll die Grundfrequenz einer Stimmgabelschwingung ermittelt werden. Dazu wird die Stimmgabel angeschlagen und die von ihr erzeugte Schallwelle mit Hilfe eines Mikrophons aufgezeichnet, indem das untere Ende der Stimmgabel auf das Mikrophon aufgesetzt wird. Das Ausgangssignal des Mikrophons wird mit dem bereitliegenden Verstärker verstärkt und dessen Ausgangssignal (Zeitsignal U(t)) an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 5 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert. 122 Frage 4: - Entspricht das Amplitudenspektrum den musikalischen Erwartungen? Im zweiten Schritt wird versucht, den von der Stimmgabel erzeugten Ton (das a’) zunächst nachzusingen und anschließend nachzusummen. Für beide Fälle sollen die akustischen Signale mit dem Mikrophon aufgezeichnet werden und anschließend eine Auswertung wie bei der Stimmgabelschwingung erfolgen. Frage 5: - Worin unterscheiden sich die Ergebnisse von denen der Stimmgabelschwingung? 3.5 Spektrum eines Schwebungssignals Mit Hilfe eines Additionsverstärkers werden die Sinussignale zweier Funktionsgeneratoren (AGILENT und TOELLNER) addiert. Der eine Generator wird bei 104 Hz, Amplitude 1 V, kein DC-Anteil betrieben, der andere bei 108 Hz, Amplitude 0,75 V, kein DC-Anteil (Einstellungen mit dem Digital-Oszilloskop kontrollieren). Das Ausgangssignal des Additionsverstärkers (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 2 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums interpretiert. 3.6 Spektrum eines amplitudenmodulierten Signals Wir betrachten ein harmonisches Spannungssignal U(t) der Form (20) U ( t ) = U T sin (ωT t ) mit der Amplitude UT und der Kreisfrequenz ωΤ. Wird zu der konstanten Amplitude UT dieses Signals ein zeitabhängiges Signal UM(t) hinzu addiert, so erhält man ein amplitudenmoduliertes Signal 10: (21) U= ( t ) UT + U M ( t ) sin (ωT t ) Das Signal aus Gl. (20) heißt Trägersignal und ωT heißt Trägerkreisfrequenz. Im einfachsten Fall ist UM(t) ein harmonisches Signal mit der Kreisfrequenz ωM und der Amplitude UM0. Dann folgt: (22) U= ( t ) UT + U M 0 sin (ωM t ) sin (ωT t ) Diese Gleichung lässt sich umformen zu: (23) U= ( t ) UT sin (ωT t ) + UM 0 cos ( (ωT − ωM ) t ) − cos ( (ωT + ωM ) t ) 2 Frage 6: - Skizzieren Sie das Amplitudenspektrum des Signals U(t) nach Gl. (23) für den Fall UT = 2UM0 = 1 V, ωT /2π = 750 kHz und ωM /2π = 15 kHz. Mit dem AGILENT-Funktionsgenerator wird ein amplitudenmoduliertes Signal gem. Gl. (22) mit folgenden Parametern generiert: UT = 2 V, ωT /2π = 1 kHz, UM0 = 1 V, ωM /2π = 200 Hz (beachte Fußnote 11!). Das 10 11 Das Prinzip der Amplitudenmodulation (amplitude modulation, AM) wird z. B. zur Signalübertragung beim Lang-, Mittel- und Kurzwellenrundfunk eingesetzt. Der heutige Standard im Ultrakurzwellen-(UKW)-Bereich ist die Frequenzmodulation (frequency modulation, FM). Diese Parameter wurden in dem Funktionsgenerator in seinem internen Speicher „1“ abgelegt. Sie können abgerufen werden durch Betätigung der Taste RECALL; im Display erscheint zunächst die Angabe RECALL 0 mit blinkender 0. Durch Betätigung der Taste ∧ wird die 0 auf 1 erhöht und danach die ENTER-Taste betätigt. Der Funktionsgenerator gibt nun an der OUTPUT-Buchse das gewünschte Signal aus. 123 Signal (Zeitsignal U(t)) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt und gleichzeitig mit dem Oszilloskop beobachtet. Mit Hilfe des Programms Fourieranalyse werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den Erwartungen nach Gl. (23) verglichen. 3.7 Spektrum eines Rechtecksignals, Gibbssches Phänomen Das Rechtecksignal eines Funktionsgenerators (Zeitsignal U(t); Amplitude 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DCAnteil) wird an den Eingang ACH 0 bzw. AI 0 der Messwerterfassungskarte gelegt. Mit Hilfe des Programms Rekonstruktion werden bei einer Abtastfrequenz von 10 kHz 10.000 Abtastwerte eingelesen und FOURIERanalysiert. Das Ergebnis (Zeitsignal und Amplitudenspektrum) wird ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf des Amplitudenspektrums wird mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Zu diesem Vergleich gehört auch eine tabellarische Gegenüberstellung der erwarteten und gemessenen Amplituden für die 10 Spektralkomponenten mit den größten Amplituden. Hinweis: Darstellungen der FOURIERanalyse eines Rechtecksignals finden sich in nahezu jedem Physiklehrbuch oder z.B. im „Taschenbuch der Mathematik“ oder in den Online-Nachschlagwerken von WOLFRAM RESEARCH (siehe http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/). Die für den Vergleich benötigten Messdaten werden im Command-Fenster von Matlab ausgegeben und können von dort in eine eigene Anwendung kopiert werden. Anschließend wird das Zeitsignal durch schrittweise Addition seiner FOURIERkomponenten rekonstruiert (FOURIERsynthese). Auf diese Weise kann anschaulich gezeigt werden, wie das ursprüngliche Rechtecksignal Stück für Stück aus seinen FOURIERkomponenten zusammengesetzt werden kann, wenn bei der Rekonstruktion immer mehr Oberschwingungen zur Grundschwingung hinzuaddiert werden. Das Ergebnis der Rekonstruktion wird ausgedruckt bzw. gespeichert. Bei der Betrachtung des rekonstruierten Rechtecksignals wird auffallen, dass es zu Über- und Unterschwingern kommt. Dieser Effekt heißt GIBBSsches Phänomen 12. Es tritt immer dann auf, wenn das eingelesene Signal eine Unstetigkeit aufweist, wie das Rechtecksignal an den Stellen des Übergangs vom unteren zum oberen bzw. vom oberen zum unteren Signalpegel (s. Abb. 6). Die Überschwinger selbst heißen GIBBSsche Höcker oder GIBBSsche Überschwinger. Je größer die Zahl N der Oberschwingungen ist, die zur Synthese des Rechtecksignals verwendet werden, desto enger rücken die Extrema der Über- und Unterschwinger zusammen, ihre Amplituden bleiben für große N jedoch gleich. Eine genaue, aber aufwändige Rechnung ergibt, dass der größte Überschwinger eine Höhe von ca. 9 % der Amplitude des Rechtecksignals hat, während die Höhe des größten Unterschwingers etwa 4,8 % der Amplitude beträgt. Abb. 6: 12 GIBBSsches Phänomen bei der FOURIERsynthese eines Rechtecksignals mit einer Amplitude von 1 V und einer Periodendauer von 2 s. Links N = 50, rechts N = 100. JOSIAH WILLARD GIBBS (1839 - 1903) 124 3.8 Spektrum eines Sägezahnsignals und eines Dreiecksignals Der unter Kap. 3.7 beschriebene Versuch wird mit einem Sägezahnsignal und anschließend mit einem Dreiecksignal wiederholt (Amplitude der Signale jeweils 4 V, Frequenz 50 Hz, kein DC-Anteil; Abtastfrequenz 10 kHz, 10.000 Abtastwerte). Das Zeitsignal und das Amplitudenspektrum werden jeweils ausgedruckt bzw. gespeichert und der Verlauf der Amplitudenspektren mit den theoretischen Erwartungen verglichen. Darstellungen der Fourieranalyse beider Signale findet man ebenfalls in den unter Kap. 3.7 genannten Quellen. Abschließend werden beide Signale aus ihren Spektren rekonstruiert, die Ergebnisse der Rekonstruktion werden ausgedruckt bzw. gespeichert. Frage 7: - Bei welchem der Signale macht sich das GIBBSsche Phänomen bemerkbar und warum? 125 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Oberflächenspannung, Minimalflächen und Kaffeeflecken Stichworte: WAALS-Kräfte, spezifische Oberflächenenergie, Oberflächenspannung, Minimalflächen, Kapillarität, Kontaktwinkel, Kohäsion, Adhäsion, Abreißmethode, Blasendruckmethode. VAN DER Messprogramm: Beobachtung von Minimalflächen, Beobachtung des Stofftransports bei der Verdunstung eines Flüssigkeitstropfens, Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode und der Blasendruckmethode, Innendruck in Gasblasen. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart 1 Einleitung Viele werden sich noch an das Experiment aus der Kindheit erinnern, bei dem eine Stecknadel auf eine Wasseroberfläche gelegt wurde und nicht versank. Oder an die Beobachtung von Insekten, die über die Wasseroberfläche eines Teiches laufen können, ohne einzusinken. Beide Erscheinungen sind Folge der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, um deren quantitative Messung es in diesem Versuch geht. 2 Theorie Zwischen den Molekülen im Innern einer Flüssigkeit herrschen verschiedene Wechselwirkungskräfte, vor allem die VAN DER WAALS-Kräfte elektrostatischen Ursprungs. Diese Wechselwirkungskräfte haben eine sehr kurze Reichweite im Bereich von 10-9 m und bewirken den Zusammenhalt der Moleküle untereinander (Kohäsionskräfte). Sie sind deutlich größer als die Wechselwirkungskräfte, die zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und den Molekülen eines über der Flüssigkeitsoberfläche liegenden Gases (z. B. Luft) auftreten (Adhäsionskräfte). Das führt zu der in Abb. 1 dargestellten Situation: Auf die Moleküle im Innern der Flüssigkeit wirken gleich große Kräfte in alle Raumrichtungen, die sich in ihren Wirkungen gegenseitig aufheben, die resultierende Kraft FR ist null. In einer dünnen Schicht an der Oberfläche der Flüssigkeit verbleibt jedoch eine resultierende, ins Innere der Flüssigkeit gerichtete Kraft FR ≠ 0, die auf der Flüssigkeitsoberfläche senkrecht steht. Soll die Oberfläche der Flüssigkeit vergrößert werden, indem Flüssigkeitsmoleküle aus dem Innern der Flüssigkeit an die Oberfläche gebracht werden, so muss gegen diese Kraft FR Arbeit geleistet werden; die potentielle Energie der Moleküle wird erhöht. Hieraus lässt sich sofort ein wichtiger Schluss ziehen: da ein Gleichgewichtszustand durch ein Minimum an potentieller Energie gekennzeichnet ist, nehmen Flüssigkeitsoberflächen ohne Einwirkung äußerer Kräfte Minimalflächen ein. Eindrucksvolle Minimalflächen lassen sich einfach demonstrieren, indem z.B. unterschiedlich geformte Draht- oder Kunststoffgestelle in Seifenwasser eingetaucht und anschließend herausgezogen werden. Die sich dabei ausbildenden Seifenhautlamellen zwischen den Drähten bzw. Stegen stellen Minimalflächen dar. Die zur Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche um den Betrag ∆A erforderliche Arbeit sei ∆W. Der Quotient beider Größen, (1) w = ∆W ∆A heißt spezifische Oberflächenenergie oder Oberflächenenergiedichte, ihre Einheit ist [w] = J/m2. 126 Luft Flüssigkeit FR ≠0 FR =0 Abb. 1: Zur Entstehung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, hier an der Grenzfläche zwischen einer Flüssigkeit und Luft. FR: resultierende Kraft auf Flüssigkeitsmolekül. Fg Kraftmesser L σ Flüssigkeitslamelle F ∆s Abb. 2: s Metallring h Zur Definition der Oberflächenspannung. Flüssigkeit Abb. 3: Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode. Abb. 2 zeigt eine mögliche Anordnung zur Messung der spezifischen Oberflächenenergie. Zwischen den Schenkeln eines dünnen, U-förmigen Drahtbügels (grau) mit der Breite L gleitet ein verschiebbarer Draht (gelb), der sich anfänglich im Abstand s vom oberen Rand des Bügels befindet. Zwischen Bügel und Draht befinde sich eine Flüssigkeitsoberfläche mit der Fläche 2 A = 2 L s , beispielsweise eine Seifenhautlamelle (Faktor 2 wegen Vorder- und Rückseite der Oberfläche). Durch Einwirkung einer Kraft F wird der verschiebbare Draht um die kleine Strecke ∆s verschoben und damit die Oberfläche um ∆A = 2L∆s vergrößert. Die dazu erforderliche Arbeit ∆W ist mit F = |F|: (2) ∆W = F ∆s Mit Gl. (1) folgt daraus für die spezifische Oberflächenenergie (3) = w ∆W F ∆s F = = ∆A 2 L∆s 2 L Berücksichtigt man die Vektoreigenschaft der Kraft F, so erhält man die vektorielle Größe Oberflächenspannung σ : (4) σ = − F 2L mit der Einheit [σ] = N/m = J/m2 1. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, ist die Oberflächenspannung tangential zur Oberfläche gerichtet. Der Betrag der Oberflächenspannung, σ = |σ|, ist identisch mit der spezifischen Oberflächenenergie w: w = σ. In der Praxis gebräuchlich ist der Begriff der „Oberflächenspannung“ für den Betrag σ ; so werden auch wir ihn im Folgenden verwenden. 1 Im Gegensatz zur Oberflächenspannung mit der Einheit N/m ist eine mechanische Spannung, z.B. die auf einen Stab wirkende Zugspannung, als Kraft F pro Fläche A definiert, also σ = F/A mit der Einheit [σ] = N/m2. 127 2.1 Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode Eine häufig verwendete Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten gegen Luft zeigt Abb. 3. Ein dünnwandiger zylindrischer Ring mit dem Radius r, der Wanddicke d und der Masse m wird an einen Kraftmesser gehängt und in die Flüssigkeit eingetaucht. Anschließend wird der Ring durch Absenken des Flüssigkeitsbehälters aus der Flüssigkeit herausgezogen. Dadurch entsteht zwischen Ring und Flüssigkeitsoberfläche eine Flüssigkeitslamelle. Um den Ring in der Höhe h zu halten, ist die Kraft F(h) erforderlich. Wir wollen annehmen, dass wir den Ring, ausgehend von der Höhe h, gerade noch um ein kleines Stück ∆h bis auf die Höhe h0 aus der Flüssigkeit herausziehen können, ohne dass die Lamelle sich einschnürt und schließlich abreißt. Die hierfür erforderliche Arbeit ist ∆W = F ( h0 ) ∆ h , (5) durch die die Lamellenoberfläche um ∆A = 2 × 2 π r ∆h (6) vergrößert wird. Damit ergibt sich für die Oberflächenspannung: = σ (7) F ( h0 ) ∆h F ( h0 ) ∆W = = ∆A 2 × 2 π r ∆h 4π r Mit Hilfe dieser Abreißmethode lässt sich durch Messen der maximalen Kraft F := F(h0), bei der die Lamelle sich noch nicht einschnürt und schließlich abreißt und des Ringradius r die Oberflächenspannung σ von Flüssigkeiten gegen Luft bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Kraftmesser die Gesamtkraft Fg F= g (8) F + mg anzeigt, wobei m die Masse des Ringes einschließlich Halterung und g die Erdbeschleunigung ist. Die in Gl. (7) einzusetzende Kraft F ist also: = F Fg − mg (9) Soweit die Theorie. In der Praxis muss der mit Gl. (7) ermittelte Wert noch mit einem Korrekturfaktor f multipliziert werden, den wir hier ohne Herleitung angeben und als fehlerfrei annehmen 2: (10) f = 0, 725 + 0,3607 d 0, 04534 0,839 σ + − r r2ρ g Dabei ist σ der Rohwert der Oberflächenspannung aus Gl. (7) und ρ die Dichte der Flüssigkeit. Der korrigierte Wert σk der Oberflächenspannung ist dann: (11) σk = f σ 2.2 Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode Eine andere Methode zur Messung der Oberflächenspannung ist in Abb. 4 dargestellt. Eine spitz angeschliffene Kapillare K mit kleinem Innenradius r taucht senkrecht in eine Flüssigkeit ein (Eintauchtiefe h), deren Oberflächenspannung gegen Luft gemessen werden soll. Die Kapillare ist über einen Schlauch mit einer Anordnung zur Änderung des Luftdruckes verbunden, die bereits aus dem Versuch „Sensoren...“ bekannt ist. Der Luftdruck in der Kapillare kann mit dem Drucksensor D gemessen werden. 2 nach KOSE, V. [Hrsg.]; WAGNER, S. [Hrsg.]: "KOHLRAUSCH - Praktische Physik Bd. 1", Teubner, Stuttgart, 1996 128 M hm H1 Wasser pL H2 K B -+ Luft, Druck p D h V E S Wasser Abb. 4: Aufbau zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode. Einzelheiten siehe Versuch „Sensoren...“. Um die Luft bis zur Öffnung der Kapillare zu treiben, muss zunächst der hydrostatische Gegendruck pF in der Flüssigkeit überwunden werden, der durch (12) pF = ρ gh gegeben ist, wobei ρ die Dichte der Flüssigkeit und g die Erdbeschleunigung ist. Wird der Luftdruck in K weiter erhöht, so bildet sich an der Öffnung der Kapillare langsam eine in die Flüssigkeit gewölbte Luftblase vom Radius R aus (Abb. 5), deren Innendruck antiproportional zu R ist. Mit zunehmendem Druck wird die Luft weiter aus der Kapillare getrieben und der Radius R der Luftblase demnach immer kleiner. Im Falle R = r ist der Radius minimal und der Druck in der dann halbkugelförmigen Blase maximal. Nach Überschreiten dieses Druckes wird die Blase größer und löst sich schließlich von der Kapillare. Der Druck in der Kapillare bricht kurzzeitig zusammen und der Vorgang der Blasenbildung beginnt von neuem. Luftzufuhr 2r R >> r Abb. 5: R>r R=r R>r Luftblasen (grau, Radius R) an der Öffnung einer in Flüssigkeit eingetauchten Kapillare vom Radius r. Die gestrichelten Linien markieren die gedachte Form einer freien Blase mit Radius R. Sei ∆p der Überdruck gegenüber dem hydrostatischen Druck an der Kapillaröffnung, bei dem der Druck in den Blasen maximal und ihr Radius gleich r ist. Ist ρm die Dichte der Flüssigkeit im Manometer (hier Wasser) und hm die im Manometer angezeigte Höhe, so gilt für ∆p: 129 (13) = ∆p ( ρm hm − ρ h ) g Damit lässt sich die Oberflächenspannung näherungsweise wie folgt berechnen: (14) 2 r ∆p 2r ρ g 1 rρ g 1 − σ = − 2 3∆p 6 ∆p Gleichung (14) stellt eine Näherungslösung dar, auf deren Herleitung wir verzichten wollen, da sie nicht leicht nachzuvollziehen ist. An ihr haben schließlich so berühmte Physiker wie ERWIN SCHRÖDINGER, einer der Begründer der Quantenmechanik, mitgewirkt! 3 Für kleine Kapillarradien r fallen die beiden letzten Glieder in Gl. (14) (Korrekturterme) nicht ins Gewicht und wir können schreiben: (15) σ≈ r ∆p 2 Der Vorteil dieser Blasendruckmethode gegenüber der Abreißmethode ist der, dass hier die Oberflächenspannung jeweils an einer frischen Oberfläche, nämlich der der Gasblase in der Flüssigkeit, gemessen wird. Verunreinigungen der Flüssigkeitsoberfläche durch die umgebende Luft, die bei der Abreißmethode zu Fehlern führen können, fallen hier also nicht ins Gewicht. 2.3 Physik in Kaffeeflecken Gibt man einen Tropfen einer Flüssigkeit auf eine feste glatte Oberfläche, z.B. Wasser auf Glas, so stellt sich bei nicht vollständiger Benetzung zwischen Flüssigkeit und Oberfläche ein bestimmter Kontaktwinkel ein, der durch die Eigenschaften der beteiligten Materialien, insbesondere durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, bestimmt wird. Durch kleine Defekte in der Oberfläche kann der Rand des Tropfens auf der Oberfläche fixiert werden. Enthält die Flüssigkeit einen gelösten Stoff, wie z.B. Kaffee in Wasser, erfolgt die Fixierung des Tropfenrandes durch den gelösten Stoff selber, tritt also auch bei „perfekten“ Oberflächen auf 4. Die Fixierung des Tropfenrandes hat zur Folge, dass der Tropfen beim Verdampfen der Flüssigkeit seine radiale Ausdehnung beibehält. Deshalb muss Flüssigkeit, die am Rand verdampft, aus der Tropfenmitte nachgeliefert werden. Dies führt in dem Tropfen zu einer nach außen gerichteten „kapillaren Strömung“ (Abb. 6), mit der der gelöste Stoff ständig an den Tropfenrand transportiert wird. Nach vollständigem Abtrocknen des Tropfens befindet sich also am Tropfenrand deutlich mehr Kaffee als im Innern. Der innen helle Kaffeefleck ist demnach von einem dunklen Rand umgeben. Abb. 6: 3 Links: Radiale kapillare Strömung in einem Flüssigkeitstropfen auf einer Glasoberfläche 5. Die Strömung wurde durch Mehrfachbelichtung von kleinen Mikrokugeln (Durchmesser 1 µm) sichtbar gemacht, die der Flüssigkeit beigemischt wurden. Rechts: getrockneter Kaffeefleck, dessen höhere Kaffeedichte am Rand durch eine solche Strömung verursacht wird. Vgl. E. SCHRÖDINGER: „Notiz über den Kapillardruck in Gasblasen“, Ann. Phys. 46.4 (1915) 413 - 418. Vgl. R. D. Deegan: „Pattern formation in drying drops“, Phys. Rev. E 61.1 (2000) 475 - 485 5 Vgl. R. D. Deegan: „Capillary flow as the cause of ring stains from dried liquid drops“, Nature 389 (1997) 827 – 829. 4 130 3 Versuchsdurchführung Zubehör: Ring (r = 25,52 mm, d = 0,25 mm, jeweils fehlerfrei) mit Aufhängung, höhenverstellbare Plattform, Kraftsensor auf DMS-Prinzip (U-OL, Messbereich 100 mN), Messverstärker für Kraftsensor (U-OL), Gewichtssatz zur Kalibrierung des Kraftsensors, Kapillare (Innendurchmesser d = (2,07 ± 0,01) mm) in Halterung an Höhenverstelleinheit (Ablesegenauigkeit 0,02 mm), Drucksensor (SENSORTECHNICS HCLA12X5DB) auf Grundplatte mit Absperrhähnen an Stativ, ERLENMEYER-Kolben mit geschliffenem Stopfen auf Tisch, U-Rohr-Manometer (Wasserfüllung) mit Halterung und Ableseskala, Bechergläser, Scherentisch, Schlauchmaterial, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), destilliertes Wasser, Seifenlauge, Kunststoffgestelle, Glasrohrgestell mit zwei Eintrittsöffnungen und zwei Austrittsöffnungen, Objektträger, Zahnstocher, Aluminiumplatte, Rotwein, Ethanolbad, Bad mit destilliertem Wasser, Fön, Stickstoffflasche, Haushaltstuchrolle, Netzgerät (PHYWE (0 - 15 / 0 - 30) V), PC mit Messwerterfassungskarte (NATIONAL INSTRUMENTS PCI 6014 oder PCI 6221) und zugehörigem BNC-Adapter (NATIONAL INSTRUMENTS BNC-2120). 3.1 Minimalflächen Zielgröße Skizzieren Sie bei der Vorbereitung auf den Versuch Ihre Erwartungen hinsichtlich der Minimalflächen, die sich nach Eintauchen und Herausziehen der bereitliegenden Kunststoffgestelle 6 in Seifenlauge ergeben. Vergleichen Sie Ihre Erwartungen mit den experimentell gefundenen Minimalflächen. Beachten Sie, dass sich neben dem globalen (absoluten) Minimum auch so genannte lokale Minima einstellen können (Abb. 7). globales Minimum lokales Minimum Parameter Abb. 7: 3.2 Globales Minimum einer Zielgröße als Funktion eines Parameters. Neben dem globalen Minimum existieren viele lokale Minima, von denen eines exemplarisch markiert ist. Rotweinflecken Geben Sie einige Tropfen Rotwein auf einen Objektträger. Ziehen Sie die Tropfen mit einer Pipette in interessante Formen und beobachten Sie, wie sich im Laufe des Praktikums durch Verdampfen der Flüssigkeit die Fruchtfleischkonzentration innerhalb der Tropfen verändert. Um das Verdampfen der Flüssigkeit zu beschleunigen, werden die Objektträger auf eine dünne Aluminiumplatte und dann auf den Heizkörper gelegt. 3.3 Messung der Oberflächenspannung mit der Abreißmethode Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb. 3 gemessen werden. Als Kraftsensor kommt ein Biegestab zum Einsatz, der bereits aus dem Versuch „Sensoren…“ bekannt ist. Hinweise: - Die Haltefäden am Ring wurden vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz so justiert, dass der Ring waagerecht hängt. Änderungen an diesen Einstellungen nur nach Rücksprache mit der technischen Assistenz oder der/dem Betreuer/in! 6 Fotos der Gestelle finden Sie auf den Internetseiten des GPR. 131 - Der Ring darf auf keinen Fall mit den bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Halten des Ringes deshalb nur an den Haltefäden! Zunächst wird der an einem Stativ aufgehängte Kraftsensor mit Hilfe eines Gewichtssatzes kalibriert. Für mindestens fünf Gewichtskräfte G im Bereich (0 – 100) mN wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers (Dämpfung ein) gemessen. Die Messung erfolgt mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC 7 unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m (verfügbar unter Q:). Dabei handelt es sich um eine umfangreichere und mit mehr Komfort zu bedienende Version des Skriptes, das beim Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ zum Einsatz kam. Die grafische Oberfläche, die das Skript generiert, ist selbsterklärend. UM wird über G = mg aufgetragen und durch lineare Regression wird eine Kalibrierkurve (Ausgleichsgerade) ermittelt. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der als fehlerfrei angenommen wird 8. Der Ring wird gereinigt (in Ethanol schwenken und mit destilliertem Wasser abspülen; anschließend mindestens eine Minute in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken, trocknen mit Fön), an dem Kraftsensor befestigt und sein Gewicht G bestimmt (UM messen, Umrechnung in G mit Hilfe der Kalibrierkurve). Anschließend wird ein Becherglas mit destilliertem Wasser auf die höhenverstellbare Plattform gestellt und soweit angehoben, dass der untere Rand des Ringes etwa 5 mm tief in das Wasser eintaucht. In dieser Position soll der Ring zu Beginn der Messreihe einige Minuten gehalten werden, um eine gute Benetzung mit dem Wasser zu gewährleisten. Die Temperatur des Wassers wird direkt vor der Messung bestimmt; der Temperaturfühler muss vor der Messung gereinigt werden (in destilliertes Wasser eintauchen und schwenken). Die Plattform wird nun langsam und vorsichtig (ruckfrei) nach unten bewegt, bis die Lamelle abreißt. Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung UM des Messverstärkers bei einer Abtastfrequenz von 0,5 kHz im PC aufgezeichnet. Die Zahl der aufzunehmenden Messwerte richtet sich nach der Dauer des Experiments. 10.000 Messwerte, entsprechend einer Messzeit von 20 s, sind ein guter Anfangswert. Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und anschließend nach Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen UM(t) des Kraftsensors in ein Kraftsignal F(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. F(t) wird grafisch dargestellt und die maximale Kraft Fg vor dem Abreißen der Lamelle abgelesen. Abb. 8 zeigt einen typischen Verlauf von F(t). Zum Ablesen der Maximalkraft kann das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) 9 verwendet werden. Die Messung wird mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Kraftkurve beigefügt. Für jeden Messwert von Fg wird mit Hilfe der Gl. (7) bis (11) die Oberflächenspannung σ von Wasser berechnet. Eine Fehlerangabe für jeden einzelnen Wert von σ ist nicht erforderlich. Die für die Berechnung des Korrekturfaktors (Gl. (10)) benötigte Dichte ρ des Wassers ist als Funktion der Temperatur im Anhang 4.1 angegeben. Schließlich wird der Mittelwert von σ und seine Standardabweichung berechnet und mit dem Literaturwert für Wasser verglichen (Gl. (18) im Anhang 4.2). 7 8 9 Eingangs-Wahl-Schalter auf „FS“, Anschluss der Signalquelle an BNC-Buchse des Eingangskanals 0 (ACH 0 bzw. AI 0). Schiebeschalter über der BNC-Buchse von ACH 0 bzw. AI 0 auf BNC. Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. Das grafische Symbol des Tools Datenkoordinaten (Data Reader) ist . 132 2,2 Fg F / a.u. 2,0 1,8 1,6 1,4 0 5 10 t / a.u. Abb. 8: 3.4 Exemplarischer Verlauf der Kraft F als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Abreißmethode. Fg ist die maximale Kraft vor Abreißen der Lamelle. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆Fg von Fg, der durch das Rauschen des Kraftsensors gegeben ist. „a.u.“ steht für arbitrary units (beliebige Einheiten). Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode Die Oberflächenspannung von destilliertem Wasser gegen Luft soll mit Hilfe einer Anordnung gem. Abb. 4 gemessen werden. Im U-Rohr des Manometers befindet sich Wasser, dem zur besseren Benetzung des U-Rohrs einige Tropfen Spülmittel zugesetzt sind. Das Becherglas B wurde bereits von der technischen Assistenz gereinigt, indem es mehrfach mit destilliertem Wasser ausgespült und anschließend bis etwa 1 cm unter der Oberkante mit destilliertem Wasser gefüllt wurde. Die Temperatur des Wassers wird gemessen. Vor der Messung wird der Temperaturfühler gereinigt (wie in Kap. 3.3 beschrieben). Die Kapillare wird in die Halterung eingesetzt, senkrecht ausgerichtet und mit Hilfe der Höhenverstelleinheit h = 30 mm tief in das destillierte Wasser eingetaucht. Die Position der Höhenverstelleinheit, bei der die Kapillare gerade in die Flüssigkeit eintaucht, lässt sich durch gleichzeitige Beobachtung der Kapillarenöffnung und ihres Spiegelbildes im Wasser auf ± 0,05 mm genau bestimmen, so dass auch die Eintauchtiefe h mit der gleichen Genauigkeit eingestellt werden kann. Hinweis: Die Kapillare wurde vor Versuchsbeginn von der technischen Assistenz mit Ethanol gereinigt, anschließend mit destilliertem Wasser durchgespült und in einem Stickstoffstrom getrocknet. Sie darf im Metallbereich auf keinen Fall mit bloßen Händen angefasst werden, da sich sonst Fett- und Schweißrückstände bilden, die die Messergebnisse verfälschen. Anfassen der Kapillare deshalb nur an dem oberen PVC-Halter! Zunächst wird der Drucksensor kalibriert. Das geschieht nach dem gleichen Verfahren wie es in den Versuchen „Sensoren…“ und „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ kennen gelernt wurde. Während der Kalibrierung wird der Verbindungshahn zwischen dem Luftreservoir im ERLENMEYERkolben und der Kapillare geschlossen, der Verbindungshahn zum U-Rohr-Manometer geöffnet. Für mindestens fünf Höhendifferenzen hm im Manometer im Bereich (0 – 80) mm wird die Ausgangsspannung U des Drucksensors gemessen, der Druck p(hm) berechnet, U über p aufgetragen und die Ausgleichsgerade durch die Daten berechnet. Die Messung der Ausgangsspannung des Sensors erfolgt wie bei der Abreißmethode (Kap. 3.3) mit Hilfe einer Datenerfassungskarte im PC unter Einsatz des MATLAB-Skriptes DatenEinlesen.m. Nach Abschluss der Kalibrierung wird der Hahn zum U-Rohr-Manometer geschlossen und der zur Kapillare geöffnet. Der Scherentisch S unter dem Vorratsgefäß V wird anschließend langsam und vorsichtig 133 (möglichst ruckfrei) solange nach oben bewegt, bis Gasblasen aus der Kapillare austreten. Während dieses Vorgangs wird die Ausgangsspannung des Drucksensors bei einer Abtastfrequenz von 1 kHz im PC aufgezeichnet. Auch bei dieser Messung richtet sich die Zahl der aufzunehmenden Messwerte nach der Dauer des Experiments. 20.000 Messwerte (entsprechend 20 s) sind ein guter Anfangswert. Nach Ende der Datenaufnahme werden die Daten im ASCII-Format gespeichert (Button Save Data) und anschließend in Origin importiert. Dort erfolgt die Umrechnung der Ausgangsspannungen U(t) des Drucksensors in ein Drucksignal p(t) mit den Daten der Kalibrierfunktion. Die Parameter der Kalibrierfunktion (Ausgleichsgerade) können dabei als fehlerfrei angenommen werden. p(t) wird grafisch dargestellt und der maximale Druck pm direkt vor dem Abreißen der Blasen abgelesen. Abb. 9 zeigt einen typischen Verlauf von p(t). Zum Ablesen des Maximaldruckes kann wiederum das Origin-Tool „Datenkoordinaten“ („Data Reader“) verwendet werden. pm p / a.u. 3,4 3,2 0 5 10 15 t / a.u. Abb. 9: Exemplarischer Verlauf des Druckes p als Funktion der Zeit t bei der Bestimmung der Oberflächenspannung nach der Blasendruckmethode. pm ist der maximale Druck vor Abreißen der Blasen. Die gepunkteten roten Linien markieren den Bereich des Größtfehlers ± ∆pm von pm, der durch das Rauschen des Drucksensorsignals gegeben ist. Die Welligkeit des Druckanstiegs wird durch ungleichmäßiges Anheben des Scherentisches verursacht. Die Messung wird insgesamt mindestens fünfmal durchgeführt. Dem Protokoll wird eine exemplarische Druckkurve beigefügt. Aus den Daten für pm wird der Mittelwert pm und seine Standardabweichung berechnet. Aus pm , der Eintauchtiefe h sowie den Literaturdaten für g und ρ wird der Überdruck ∆p inkl. Größtfehler gem. Gl. (13) bestimmt: (16) ∆p = ( ρm hm − ρ h ) g = pm − ρ hg ρ wird aus Gl. (17) (Anhang 4.1) berechnet und als fehlerfrei angenommen. Für g wird der Wert für Oldenburg verwendet: g = 9,8133 m/s2, der ebenfalls als fehlerfrei angenommen wird. Die einzigen Größen, die den Größtfehler der Druckdifferenz ∆p bestimmen, sind demnach der Größtfehler ∆h von h und die Standardabweichung von pm . Schließlich wird die Oberflächenspannung σ gem. Gl. (14) berechnet. Der Größtfehler von σ wird mit Hilfe der Näherungslösung aus Gl. (15) bestimmt. Das Ergebnis wird mit dem Literaturwert (Gl. (18)) sowie mit dem Messwert nach der Abreißmethode verglichen. 134 3.5 Innendruck in Gasblasen Ein Glasrohrgestell gem. Abb. 10 wird mit den beiden Austrittsöffnungen in Seifenlauge getaucht und anschließend herausgezogen. Durch Luftzufuhr an den Eintrittsöffnungen und geeignetes Öffnen und Schließen der Hähne können an den beiden Austrittsöffnungen zwei unterschiedlich große Seifenblasen aufgeblasen werden. Anschließend wird der Verbindungshahn zwischen beiden Blasen geöffnet. Frage 1: - Welche Blase wächst zu Lasten der anderen und warum? (Hinweis: beachte Gl. (15)) - Wie groß ist der Innendruck p in einer Gasblase vom Radius r, die von einer Seifenhautlamelle (Oberflächenspannung der Seifenlösung: σ) umgeben ist? 10 Abb. 10: Glasrohrgestell zur Demonstration des Innendruckes in Gasblasen. 4 Anhang 4.1 Dichte von Wasser Die Temperaturabhängigkeit der Dichte ρ von Wasser lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: -20°C < T < 110°C) 11: (17) 0,99975 + 8,42492 ⋅ 10-5 {T } -8,82693 ⋅ 10-6 {T }2 ρ 10 ⋅ = + 5,91004 ⋅ 10-8 {T }3 - 2,05642 ⋅ 10-10 {T }4 3 kg m3 Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 11 dargestellt. 10 11 Hinweis: Bei einer Luftblase in Wasser gibt es eine Grenzfläche zwischen Luft und Wasser. Bei einer Seifenblase gibt es zwei Grenzflächen zwischen der Seifenlauge und Luft. Polynomfit an Daten aus WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics“, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton; Fehler vernachlässigbar. 135 1,01 1,00 ρ / 103 kg m-3 0,99 0,98 0,97 0,96 0,95 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 T / °C Abb. 11: Dichte von Wasser als Funktion der Temperatur. 4.2 Oberflächenspannung von Wasser Die Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft lässt sich durch folgendes Polynom beschreiben (T in °C, Gültigkeitsbereich: 0°C < T < 100°C)11: (18) 0,07569 -1,49944 ⋅ 10-4 {T } + 1,97712 ⋅ 10-7 {T }2 σ = - 8,34217 ⋅ 10-9 {T }3 + 4,57847 ⋅ 10-11 {T }4 N m Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 12 dargestellt. 0,076 0,074 0,072 σ / N m-1 0,070 0,068 0,066 0,064 0,062 0,060 0,058 0 20 40 60 80 100 T / °C Abb. 12: Oberflächenspannung σ von Wasser gegen Luft als Funktion der Temperatur T. 136 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik Modul Grundpraktikum Physik – Teil I Viskosität und Reynoldszahlen Stichworte: Reibung, Reibungskraft, Auftrieb, Viskosität, laminare und turbulente Strömung, REYNOLDSzahl, STOKESsches Gesetz, BERNOULLIsches Gesetz, HAGEN-POISEUILLEsches Gesetz Messprogramm: Messung der Viskosität mit der Kugelfallmethode, Messung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter, Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu turbulenter Rohrströmung. Literatur: /1/ DEMTRÖDER, W.: „Experimentalphysik 1 - Mechanik und Wärme“, Springer-Verlag, Berlin u.a. /2/ SCHENK, W., KREMER, F. (Hrsg.): „Physikalisches Praktikum“, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden /3/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher, Teubner-Verlag, Stuttgart 1 Einleitung Das NEWTONsche Gesetz „Kraft proportional Beschleunigung“ scheint vielen alltäglichen Erfahrungen zu widersprechen. Betrachtet man beispielsweise die Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Reibung, so trifft die Beschreibung „Kraft proportional Geschwindigkeit“ eher zu: um etwa beim Radfahren eine konstante Geschwindigkeit einzuhalten, muss dauernd Kraft aufgewendet werden. Will man dauerhaft schneller fahren, muss man dauerhaft schneller treten, was dauernd mehr Kraft erfordert. Tatsächlich lassen sich viele mechanische Abläufe, bei denen Reibung eine Rolle spielt, mit dem Ansatz „Kraft ~ Geschwindigkeit“ befriedigend beschreiben. Das gilt z.B. für den Einfluss der Reibung auf das Fallen von Kugeln in Flüssigkeiten oder Gasen. Zwei wichtige Beispiele für solche Fallvorgänge sind das Absetzen von Staubteilchen oder Wassertröpfchen (Nebel) aus der Luft und die Bewegung winziger Öltröpfchen, wie sie im MILLIKANschen Versuch zur Bestimmung der Elementarladung zur Anwendung kommen. Dieser Versuch hat zum Ziel, aus der Beobachtung solcher Fallvorgänge und der Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillaren die Viskosität einer Flüssigkeit zu bestimmen. Außerdem wird der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung untersucht und die zugehörige REYNOLDSzahl bestimmt. 2 Theorie 2.1 Bestimmung der Viskosität mit der Kugelfallmethode nach Stokes Wir betrachten gemäß Abb. 1 eine Kugel vom Radius r, die mit der Geschwindigkeit v durch eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit gezogen wird. Um die Kugel zu bewegen, müssen Reibungskräfte überwunden werden. Sie rühren daher, dass die direkt an die Kugel angrenzende Flüssigkeitsschicht an der Kugel haftet und folglich mitbewegt werden muss. Die mitbewegte Schicht reißt die ihr benachbarte Flüssigkeitsschicht mit, diese reißt wiederum ihre Nachbarschicht mit usw. Im Ergebnis entsteht infolge dieser Reibung um die Kugel herum eine Flüssigkeitsströmung, deren Geschwindigkeit mit größer werdendem Abstand quer zur Kugel abnimmt. Aus den NAVIER-STOKES-Gleichungen 1, mit denen Bewegungen von Flüssigkeiten beschrieben werden können, lässt sich die Reibungskraft FR berechnen, die die Flüssigkeit einer Bewegung der Kugel mit der Geschwindigkeit v entgegensetzt. Da die Vektoren FR und v längs der gleichen Achse orientiert sind, reicht 1 CLAUDE LOUIS MARIE HENRI NAVIER (1785 – 1836); GEORGE GABRIEL STOKES (1819 – 1903). 137 2r Abb. 1: V Bewegung einer Kugel durch eine Flüssigkeit. im Folgenden eine Betrachtung ihrer Beträge FR und v. Nach einer komplizierten Rechnung, die erst in höheren Semestern nachvollzogen werden kann, ergibt sich, dass die Reibungskraft FR zur Geschwindigkeit v und zum Kugelradius r proportional ist: (1) FR ~ v FR ~ r und dass gilt: (2) FR = 6πη rv Die Konstante η heißt Viskosität (auch Koeffizient der inneren Reibung oder dynamische Zähigkeit). Ihre SI-Einheit ist [η] = kg/(m⋅s) = N⋅s/m2 = Pa⋅s. Die alte CGS-Einheit, die noch in vielen Tabellenwerken gebräuchlich ist, ist das POISE 2 (1 POISE = 1 p = 1 g/(cm⋅s)). Gl. (2) ist das so genannte STOKESsche Gesetz. Es beschreibt die Bewegung der Kugel jedoch nur dann richtig, wenn die durch die Kugelbewegung erzeugte Flüssigkeitsströmung laminar ist. Eine laminare Strömung liegt dann vor, wenn die einzelnen Flüssigkeitsschichten glatt übereinander gleiten, also nicht untereinander verwirbeln. Anschaulich bedeutet dies, dass sich glatte, zusammenhängende Stromlinien um die Kugel herum ausbilden (Abb. 2). Im Gegensatz dazu spricht man von turbulenter Strömung, wenn die Flüssigkeitsschichten untereinander verwirbeln. In diesem Fall ergeben sich verwirbelte Stromlinien (Abb. 3; siehe auch Abbildungen auf dem Titelblatt dieses Praktikumskriptes) und die aufzuwendende Kraft wird oft proportional zu v2: (3) FR ~ v 2 Mit Hilfe der dimensionslosen REYNOLDSzahl 3 Re lässt sich abschätzen, ob eine Strömung laminar oder turbulent verläuft. Sie ist gegeben durch: (4) Re = ρ vl η Dabei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und l eine für den betrachteten Strömungvorgang charakteristische Länge. In unserem Fall entspricht l dem Durchmesser der Kugel; im Falle einer Strömung durch ein Rohr (vgl. Gl. (36)) entspricht l dem Rohrdurchmesser. Die REYNOLDSzahl hat eine anschauliche physikalische Bedeutung: sie ist proportional zum Quotienten aus der kinetischen Energie Ek eines Volumenteilchens mit der Kantenlänge l und der Reibungsenergie ER, die beim Verschieben des Teilchens um die Strecke l „verbraucht“ wird. Für das Beispiel eines kugelförmigen Flüssigkeitsteilchens (Masse m, Geschwindigkeit v, Dichte ρ, Durchmesser l) ergibt sich als kinetische Energie: (5) = Ek 2 3 1 1 = m v2 ρ π l 3 v2 2 12 JEAN-LOUIS MARIE POISEUILLE (1799 – 1869). OSBORN REYNOLDS (1842 – 1912) 138 Abb. 2: Laminare Strömung um eine Kugel. Abb. 3: Turbulente Strömung um eine Kugel. Links schematisch, rechts Originalaufnahme von LUDWIG PRANDTL (1875 – 1953) 4. Die Reibungsenergie ist das Produkt aus Reibungskraft (Gl. (2) mit r = l/2) und Strecke l: (6) ER = 3 π η v l 2 Der Quotient beider Größen ergibt bis auf die Konstante 1/36 die REYNOLDSzahl aus Gl. (4). Eine Strömung verläuft laminar bei „kleinen“ und turbulent bei „großen“ REYNOLDSzahlen 5. Dabei sind die Begriffe „klein“ und „groß“ jedoch nur als relative Angaben zu verstehen. Was „klein“ und was „groß“ ist, ist stark abhängig vom betrachteten Experiment. So verlaufen z.B. Rohrströmungen laminar für REYNOLDSzahlen Re < 2.000 - 2.500. Für fallende Kugeln in Flüssigkeiten muss Re < 0,2 sein /3/, damit die Strömung nicht turbulent wird und das STOKESsche Gesetz gültig bleibt. FA FR G Abb. 4: Wirkende Kräfte auf eine fallende Kugel. Wir betrachten nun das Fallen einer Kugel mit der Masse m, dem Radius r und dem Volumen V in einer unendlich ausgedehnten Flüssigkeit mit der Dichte ρF und der Viskosität η. Auf die Kugel wirken drei Kräfte (Abb. 4), die alle in vertikaler Richtung orientiert sind. Deshalb reicht die Betrachtung ihrer Beträge. Die Kräfte sind die nach unten gerichtete Gewichtskraft G = mg (g: Erdbeschleunigung), die nach oben gerichtete Auftriebskraft FA = ρFVg und die ebenfalls nach oben gerichtete Reibungskraft (Gl. (2)) FR = 6πηrv. Die resultierende Kraft F ist also: (7) F =G − FA − FR Diese Kraft F beschleunigt die Kugel nach unten auf zunächst immer größer werdende Geschwindigkeiten v. Mit v wächst jedoch auch FR, so dass F immer kleiner und schließlich gleich null wird. Von diesem Zeitpunkt an gilt: (8) F =G − FA − FR =0 Die Kugel fällt von nun an mit der konstanten Geschwindigkeit v0. 4 5 Quelle: PHYSIK JOURNAL 3.10 (2004) 31-37 Die Bedingungen für laminare oder turbulente Strömungen sind nach neueren Erkenntnissen erheblich komplexer, als in diesem Text und in gängigen Lehrbüchern dargestellt, siehe z.B. B. HOF et al: „Finite lifetime of turbulence in shear flows“, Nature 443 (2006) 59-62. Hierauf kann im Rahmen des Grundpraktikums jedoch nicht eingegangen werden. 139 Frage 1: - Wie bewegt sich eine Gasblase, die am Boden eines Wasserglases freigesetzt wird (z. B. eine CO2-Blase in einem Glas mit Mineralwasser)? Setzen wir G, FA und FR mit v = v0 in Gl. (8) ein, so erhalten wir: mg − ρ F Vg − 6πη rv0 = 0 (9) Wir setzen nun noch m = ρKV (mit ρK : Dichte des Kugelmaterials) sowie V = 4 3 πr und erhalten damit 3 aus Gleichung (9): (10) 4 3 πr g ( ρ K − ρ F ) − 6πη rv0 = 0 3 Lösen wir diese Gleichung nach η auf, so erhalten wir (11) 2 9 η = r2g ( ρK − ρF ) v0 Aus Gl. (11) folgt eine einfache Möglichkeit zur indirekten Messung von η, wenn ρK und ρF bekannt sind: Man lässt Kugeln vom Radius r in der zu untersuchenden Flüssigkeit fallen und misst ihre Fallgeschwindigkeit v0 nach Erreichen des Zustands F = 0. Dabei taucht ein Problem auf: In der Regel haben wir es nicht mit unendlich ausgedehnten Flüssigkeiten zu tun, sondern beispielsweise mit Zylindern vom Radius R, in denen das Fallen der Kugeln beobachtet wird. In diesen Fällen muss die zusätzliche Reibung der von der Kugel mitgerissenen Flüssigkeit an der Zylinderwand berücksichtigt werden. Sie führt dazu, dass die gemessene Geschwindigkeit vm kleiner ist als die Geschwindigkeit v0 im Falle der unendlich ausgedehnten Flüssigkeit. Da die Abweichung zwischen v0 und vm vor allem durch das Verhältnis der Querschnittsflächen von Kugel und Zylinder bestimmt ist, kann näherungsweise gesetzt werden: (12) r vm ≈ v0 − k R 2 wobei k ein experimentell zu bestimmender Korrekturfaktor ist 6. Damit folgt: 2 (13) r v0 ≈ vm + k R 2.2 Bestimmung der Viskosität mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE Durch eine senkrecht stehende Kapillare vom Radius r0 strömt eine Flüssigkeit. Die Zeit ∆t, die ein Flüssigkeitsvolumen V benötigt, um durch die Kapillare zu fließen, wird durch die Viskosität η der Flüssigkeit bestimmt. Je größer η, desto größer ∆t. Nach diesem einfachen Prinzip arbeiten Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein solches Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE, das in Kap. 3.2 und im Anhang 4.4 noch näher beschrieben wird. Die exakte Herleitung des quantitativen Zusammenhangs zwischen η und ∆t erfordert einigen Aufwand. Die Herleitung ist im Anhang 4.4 dargestellt. Hier geben wir nur das Ergebnis wieder: (14) 6 = η K ρ ∆t Gl. (13) ist ein für die verwendete Versuchsanordnung empirisch gefundenes Gesetz. Die vielfach verwendete Korrektur nach LADENBURG (siehe z.B. /2/) liefert für diese Versuchsanordnung deutlich schlechtere Ergebnisse. 140 2 3 1 G M1 V B M2 l 2r0 D Abb. 5: H Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch die Kapillare (rot) mit Radius r0 und Länge l strömt während der Zeit ∆t das Volumen V. Weitere Bezeichnungen siehe Kap. 3.2 und Anhang 4.4. Hierbei ist ρ die Dichte der Flüssigkeit und K eine Apparatekonstante des verwendeten Viskosimeters, in die u.a. das durchgeflossene Volumen V eingeht (Abb. 5). Für die kinematische Viskosität υ = η/ρ mit der Einheit [υ] = m2/s erhält man: (15) υ= K ∆t In Gl. (14) und (15) ist noch eine Korrektur anzubringen. Wenn nämlich die Flüssigkeit aus dem breiten Vorratsgefäß B (Abb. 5) des Kapillarviskosimeters in die enge Kapillare eintritt, muss sie nach dem BERNOULLIschen Gesetz 7 beschleunigt werden. Die dazu erforderliche Arbeit führt zu einem kleinen Druckverlust, der eine Vergrößerung der Auslaufzeit ∆t bewirkt. Von den gemessenen Zeiten ∆t sind daher Korrekturzeiten tk abzuziehen (HAGENBACHsche Korrektur), die von den Herstellern der UBBELOHDEViskosimeter als Apparatekonstanten mitgeliefert werden. Die endgültige Gleichung zur Bestimmung der kinematischen Viskosität lautet daher: (16) υ= K ( ∆t − tk ) 2.3 Laminare und turbulente Rohrströmung Abb. 6 zeigt eine Anordnung, mit der der Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung in einem zylindrischen Rohr untersucht werden kann 8. Ein langes Plexiglasrohr vom Innendurchmesser d wird von einer Flüssigkeit, hier Wasser, durchströmt. Das Wasser fließt aus einem Tank in das Rohr. Durch einen Zulauf (Wasserhahn) strömt Wasser in den Tank nach. Ein Überlauf sorgt dafür, dass der Wasserstand im Tank konstant bleibt, so dass am Einlauf in das Rohr immer der gleiche Druck herrscht. Ein Vlies sorgt für eine Beruhigung des Wasserzulaufs. Mit einem Hahn H1 am Ende des Rohres kann die Strömungsgeschwindigkeit v reguliert werden. 7 8 DANIEL BERNOULLI (1700 – 1782). Nach Empfehlung von A. HEIDER, DEUTSCHES ZENTRUM FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR), Göttingen. 141 Zusätzlich zu dem Wasser aus dem Tank gelangt gleichzeitig ein dünner Strahl mit eingefärbtem Wasser durch eine Düse mittig in das Rohr. Die Durchflussmenge durch die Düse kann mit einem Hahn H2 variiert werden. Der Strahl ist bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit v als glatter Stromfaden in dem Rohr zu sehen. Wird die Strömungsgeschwindigkeit durch Öffnen des Hahns H1 langsam erhöht, beginnt der Stromfaden ab einer bestimmten Geschwindigkeit vt zu verwirbeln und zeigt damit den Übergang von einer laminaren in eine turbulente Strömung an. Durch Messen der Wasserdurchflussmenge pro Zeit bei dieser Stellung des Hahns H1 kann die Strömungsgeschwindigkeit vt bestimmt und die zugehörige REYNOLDSzahl Re berechnet werden: (17) Re = ρ w vt d ηw Dabei sind ρw und ηw die Dichte und Viskosität des Wassers. Einzelheiten zur quantitativen Beschreibung der Wasserströmung durch ein Rohr sind im Anhang 4.3 dargestellt. Farbe Überlauf H2 Zulauf H1 Ablauf Abb. 6: 3 d Düse Flies Ablauf Anordnung zur Untersuchung des Übergangs von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung in einem Rohr vom Innendurchmesser d. Einzelheiten siehe Text. Versuchsdurchführung Zubehör: 6 Glaszylinder mit unterschiedlichen Durchmessern in justierbarem Gestell mit Wasserwaage, Stopfen für die Zylinder mit mittig angebrachtem Loch, 2 l Behälter mit Glyzerin-Wasser-Gemisch, Stahlkugeln (ca. 100 Stück mit d ≈ 2 mm), Pinzette, Analysenwaage (Genauigkeit 0,001 g), Laborwaage (Genauigkeit 0,01 g), Bügelmessschraube, Messschieber, Stoppuhr, Thermometer (Genauigkeit 0,1 °C), Magnet, UBBELOHDE-Viskosimeter (K ≈ 10-8 m2/s2) in Halterung und Wasserbad, Saugschlauch, Ethanol, Strömungsrohr (d = (12,10 ± 0,05) mm) in Halterung mit Wassertank, Wasser mit Lebensmittelfarbe, Messzylinder (100 ml und 1000 ml), Eimer, Feudel, Papiertuchrolle. 3.1 Messung der Viskosität eines Glyzerin-Wasser-Gemisches mit der Kugelfallmethode Hinweise: - Die Mischungsverhältnisse der Glyzerin-Wasser-Gemische sind bei den einzelnen Versuchsaufbauten nicht identisch. Da die Viskosität empfindlich vom Mischungsverhältnis und der Temperatur abhängt (s. Kap. 4.1 und 4.2), muss jede Praktikumsgruppe den gesamten Versuch bei möglichst konstanter Raumtemperatur mit dem Gemisch aus einem Vorratsbehälter durchführen! - Der Arbeitsplatz muss sauber verlassen werden! 142 Mit einer Anordnung gemäß Abb. 7 soll die Fallbewegung von Stahlkugeln (d = 2r ≈ 2 mm) in einem Glyzerin-Wasser-Gemisch mit dem Ziel untersucht werden, die Viskosität des Gemisches nach Gl. (11) zu bestimmen. Um den Einfluss der Reibungseffekte an der Gefäßwand quantifizieren zu können (s. Gl.(13)), kommen Glaszylinder mit unterschiedlichem Radius R zum Einsatz. Zur Vorbereitung des Versuches müssen zunächst folgende Größen bestimmt werden: (a) Dichte ρF des Gemisches durch Wägung eines mit einem Messzylinder ermittelten Volumens auf der Laborwaage. (b) Mittlerer Radius r der Kugeln durch Messung des Durchmessers von mindestens 10 Kugeln mit der Bügelmessschraube und anschließender Mittelwertbildung. (c) Dichte ρK des Kugelmaterials durch Wägung von n Kugeln (n ≥ 100) auf der Analysenwaage. (d) Radien R der verwendeten Glaszylinder durch Messung der Innendurchmesser mit dem Messschieber. (e) Temperatur des Gemisches. Da die Viskosität stark temperaturabhängig ist, macht die Angabe eines Messergebnisses nur Sinn bei gleichzeitiger Angabe der Temperatur des Gemisches. Raumtemperatur während des Versuchs so konstant wie möglich halten! 2R 2r vm s Abb. 7: Messanordnung zum Kugelfallversuch in Flüssigkeiten. Die Kugeln vom Radius r fallen durch den oberen durchbohrten Stopfen (grau). Dadurch soll gewährleistet werden, dass sie möglichst zentral in die Flüssigkeit (beige) fallen, die sich in einem Zylinder mit dem Innenradius R befindet. Nach diesen Vorbereitungen wird das Glyzerin-Wasser-Gemisch vorsichtig in sechs Glaszylinder mit unterschiedlichen Radien R eingefüllt (Blasenbildung vermeiden! Flüssigkeitspegel muss unter der Unterkante der Stopfen bleiben!). Anschließend werden die Zylinder im Gestell fixiert (Kunststoffschrauben vorsichtig festdrehen) und die Grundplatte des Gestells wird mit Hilfe einer integrierten Wasserwaage waagerecht ausgerichtet. Die Zylinder stehen dann senkrecht. Danach lässt man je 10 Kugeln zentral in die Zylinder fallen; zur Zentrierung wird ein passender, in der Mitte durchbohrter Stopfen benutzt (Abb. 7). Mit der Stoppuhr bestimmt man die Fallzeit t für eine Fallstrecke s, die durch die beiden horizontal angeordneten Haltebleche der Zylinder festgelegt ist (s mit dem Messschieber messen). Der Beginn der Fallstrecke (also das obere Halteblech) liegt einige cm unter der Flüssigkeitsoberfläche. Frage 2: - Warum darf die Fallstrecke nicht an der Flüssigkeitsoberfläche beginnen? Frage 3: - Warum ist es wichtig, dass die Kugeln zentral in die Zylinder fallen? Für jeden Glaszylinder wird die Sinkgeschwindigkeit (18) vm = s t 143 bestimmt, wobei t der Mittelwert der gemessenen Fallzeiten für die je 10 Kugeln ist. Anschließend wird vm über (r/R)2 aufgetragen (mit Fehlerbalken für vm) und eine Ausgleichsgerade durch die Messdaten gezeichnet. Der Schnittpunkt der Geraden mit der vm-Achse ergibt die gesuchte Geschwindigkeit v0 für eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit (R → ∞). Mit den experimentell gewonnenen Daten v0, r, ρK und ρF sowie der Erdbeschleunigung für Oldenburg (g = 9,8133 m/s2, Fehler vernachlässigbar 9) wird die Viskosität η des Glyzerin-Wasser-Gemisches nach Gl. (11) bestimmt und mit den Angaben aus Tab. 1 (Kap. 4.1) verglichen. Nach Ende der Messung wird die Flüssigkeit vorsichtig (erneut Blasenbildung vermeiden!) aus den Glaszylindern durch ein Sieb in das Vorratsgefäß zurück gegossen, um die Kugeln aufzufangen. Die in den Zylindern verbleibenden Kugeln werden mit einem Magneten herausgeholt. Die Kugeln werden in Wasser gereinigt und mit Haushaltspapier getrocknet. 3.2 Messung der kinematischen Viskosität mit dem Kapillarviskosimeter Mit einem Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE soll die kinematische Viskosität von Ethanol bei Raumtemperatur bestimmt werden. Das Viskosimeter befindet sich in einem großen Wasserbad, das für die Dauer des Versuchs für eine konstante Temperatur (messen!) innerhalb der Kapillare sorgt. Von der technischen Assistenz wurde das Viskosimeter vor Versuchsbeginn senkrecht ausgerichtet und das Vorratsgefäß H über das Rohr 1 (s. Abb. 5) zu etwa ¾ mit Ethanol gefüllt. Rohr 3 wird mit dem Finger verschlossen. Mit Hilfe eines an Rohr 2 angeschlossenen Saugschlauches wird die Flüssigkeit in Rohr 2 so weit hoch gesaugt, bis das Vorlaufgefäß G gefüllt ist. Anschließend werden Rohr 2 und 3 geöffnet und die Zeit ∆t gemessen, in der der Flüssigkeitsspiegel von der Marke M1 bis zur Marke M2 absinkt. Anschließend wird die Messung dreimal wiederholt. Aus den Messdaten und den bereitliegenden Apparatekonstanten K und tk wird die kinematische Viskosität υ von Ethanol bei der im Wasserbad herrschenden Temperatur bestimmt und mit dem Literaturwert verglichen. 3.3 Bestimmung der REYNOLDSzahl für den Übergang von laminarer zu turbulenter Rohrströmung Mit einer Anordnung nach Abb. 6 soll die REYNOLDSzahl für den Übergang von einer laminaren in eine turbulente Rohrströmung bestimmt werden. Zunächst wird der Tankzulauf (Wasserhahn) so weit geöffnet, dass der Wasserstand das Niveau der oberen Kante des Überlaufs während des Versuches gerade nicht unterschreitet. Der Schlauch am Ablauf des Rohres wird in das Abflussbecken gelegt. Der Hahn H1 am Ende des Rohres wird langsam geöffnet, bis Wasser am Rohrende abfließt. Bei kleiner Strömungsgeschwindigkeit ist die Rohrströmung laminar. Anschließend wird der Hahn H2 so weit geöffnet, dass in dem Rohr ein dünner, glatter Stromfaden sichtbar wird. Danach wird der Hahn H1 langsam weiter bis zu der Stellung geöffnet, bei der die laminare in eine turbulente Rohrströmung umschlägt. Dies erkennt man daran, dass der Stromfaden zu „zittern“ beginnt. Um die Strömungsgeschwindigkeit v bei dieser Stellung des Hahnes H1 zu messen, wird für eine mit der Stoppuhr zu messende Zeit ∆t ein Messzylinder unter den Abflussschlauch des Rohres gehalten und das ablaufende Wasser aufgefangen. Aus dem während der Zeit ∆t aufgefangenen Wasservolumen V, dem Innendurchmesser d des Rohres sowie der Dichte 10 und der Viskosität η des Wassers (s. Anhang 4.2) lässt sich v und damit schließlich die gesuchte REYNOLDSzahl Re bestimmen. 9 10 Wert nach http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php; der Fehler von 2×10-5 m/s2 wird vernachlässigt. Zur temperaturabhängigen Dichte von Wasser siehe Versuch „Oberflächenspannung...“. 144 4 Anhang 4.1 Viskosität von Glycerin Glyzerin 11 (C3H8O3) ist hygroskopisch, d.h. wasseranziehend. Lässt man es längere Zeit offen stehen, so nimmt es aus der Umgebungsluft Feuchtigkeit auf, d.h. es entsteht ein Gemisch, dessen Wassergehalt im Laufe der Zeit zunimmt. Dieses Gemisch hat eine andere Viskosität als reines Glyzerin. Zur Orientierung seien für eine Temperatur von 20° C einige Daten genannt: Tab. 1: Viskosität von Glyzerin/Wasser- Gemischen bei 20°C 12. C3H8O3 Gew.-% 100 96 92 88 84 80 η/ kg m-1s-1 1,76 0,761 0,354 0,130 0,071 0,048 H2O Gew.-% 0 4 8 12 16 20 Darüber hinaus ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Für reines Glycerin gilt bei T = 20 °C: η = 1,76 kg/(m s) (s.o.) und bei T = 25 °C: η = 0,934 kg/(m s) 13 4.2 Viskosität von Wasser Abb. 8 zeigt die Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. Der Verlauf der Daten lässt sich im Temperaturbereich zwischen 10 °C und 35 °C in guter Näherung durch ein Polynom 4. Grades beschreiben (T in °C) 12: (19) 1,77721 - 0,05798 {T } + 0,00125 {T }2 η ≈ -1,66039 ⋅ 10−5 {T }3 + 9,814 ⋅ 10−8 {T }4 kg 10−3 ms 1,4 1,3 η / 10-3 kg m-1 s-1 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 10 20 30 40 T / °C Abb. 8: Viskosität η von Wasser als Funktion der Temperatur T. 11 12 13 Weitere gebräuchliche Eigennamen von Glycerin sind Glycerol, Propan-1,2,3-triol u.a. Die Struktur wird durch C3H5(OH)3 beschrieben. Daten nach: WEAST, R. C. [Ed.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, 56th Ed., CRC Press, Boca Raton, 1975 - 1976. Alle Daten ohne Fehlerangaben. LIDE, D. R. [Ed.]: "CRC Handbook of Chemistry and Physics on CD-ROM", Taylor & Francis, Boca Raton, FL, 2006. Daten ohne Fehlerangaben. 145 4.3 Laminare Rohrströmung In diesem Anhang wird dargestellt, wie die Strömungsgeschwindigkeit v und ihr laterales Profil v(r) in einem zylindrischen Rohr quantitativ berechnet werden kann. 14 Eine ideale Flüssigkeit ist inkompressibel und frei von inneren Reibungskräften. Wir betrachten gem. Abb. 9 eine solche Flüssigkeit, die durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr strömt. Aus der Inkompressibilität der Flüssigkeit folgt, dass der Volumenstrom Q (durchströmendes Volumen pro Zeit) an jeder Stelle des Rohres gleich sein muss. Sind A1 die Querschnittsfläche des Rohres und v1 die Strömungsgeschwindigkeit im Rohr auf der linken Seite und A2 und v2 die entsprechenden Größen auf der rechten Seite, so bedeutet dies: (20) = Q ∆V = A= A2= v2 const. 1 v1 ∆t ∆V A1 A2 F1 F2 p2 p1 ∆x2 ∆x 1 Abb. 9: Strömung durch ein sich verjüngendes horizontales Rohr. Bezeichnungen siehe Text. Gl. (20) heißt Kontinuitätsgleichung. Um ein Flüssigkeitsvolumen ∆V in der linken Rohrseite um ∆x1 nach rechts zu bewegen, muss durch den links herrschenden statischen Druck p1 die Arbeit W1 verrichtet werden: (21) W1 = F1 ∆x1 = p1 A1∆x1 = p1∆V Die erforderliche Arbeit W2 zur Bewegung des gleichen Volumens ∆V durch die rechte Rohrseite gegen den statischen Druck p2 ist gegeben durch: (22) W2 = F2 ∆x2 = p2 A2 ∆x2 = p2 ∆V Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, dass die Arbeitsdifferenz W1 - W2 zu einer Zunahme der kinetischen Energie der Flüssigkeit (Dichte ρ) im rechten Teil des Rohres führen muss. Sind m die Masse und v1, v2 die Geschwindigkeiten der Volumina ∆V, so folgt: (23) W1 − W2 = p1 ∆V − p2 ∆V = 1 1 1 1 m v22 − m v12 = ρ ∆V v22 − ρ ∆V v12 2 2 2 2 Nach Division durch ∆V und Umsortieren der Terme folgt schließlich: (24) 14 1 1 1 p1 + ρ v12 =+ p2 p + ρ v2 = const. ρ v22 := 2 2 2 r ist der laterale Abstand von der Längsachse des Rohres. 146 Dies ist das BERNOULLIsche Gesetz. Es besagt, dass unter den genannten Annahmen die Summe aus statischem Druck p und Staudruck ½ρv2 an jeder Stelle des Rohres konstant sein muss. Für ein senkrecht statt horizontal stehendes Rohr muss der von der Höhe h abhängige hydrostatische Druck ρgh mit berücksichtigt werden (g ist die Erdbeschleunigung). Dann lautet das BERNOULLIsche Gesetz: (25) 1 p + ρ v 2 + ρ gh = const. 2 In einem horizontalen Rohr mit konstantem Durchmesser, das von einer idealen Flüssigkeit durchströmt wird, sind Druck und Strömungsgeschwindigkeit im gesamten Rohr konstant. Bei einer realen Flüssigkeit mit der Viskosität η treten jedoch Reibungskräfte zwischen Flüssigkeit und Rohrmantel und zwischen den benachbarten Flüssigkeitsschichten auf. Diese Reibungskräfte bewirken, dass der Druck längs des Rohres abnimmt und die Strömungsgeschwindigkeit entlang des Rohrquerschnitts, also in lateraler Richtung variiert. Sie muss am Rohrrand null sein (denn dort haftet eine Grenzschicht der Flüssigkeit an der Wand) und in der Mitte ihren maximalen Wert annehmen. Zur quantitativen Beschreibung des transversalen Geschwindigkeitsprofils einer laminaren Rohrströmung betrachten wir gem. Abb. 10 ein zylindrisches Rohr mit der Länge l und dem Radius r0, das in z-Richtung von einer realen Flüssigkeit durchströmt wird. Innerhalb dieser Strömung betrachten wir einen koaxialen Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r und der Mantelfläche A = 2πrl. Nach dem NEWTONschen Reibungsgesetz ist die Reibungskraft FR zwischen diesem Flüssigkeitszylinder und der angrenzenden Flüssigkeitsschicht proportional zur Mantelfläche A und zum Geschwindigkeitsgefälle dv/dr; die Proportionalitätskonstante ist die Viskosität η. Es gilt also: dv dr (26) = 2π r l η FR η= A dv dr r0 F z r p2 p 1 l Abb. 10: Zylindrisches Rohr mit koaxialem Flüssigkeitszylinder vom Radius r. Links herrscht der Druck p1, rechts der Druck p2. Übrige Bezeichnungen siehe Text. Im stationären Fall (zeitlich konstante Strömungsgeschwindigkeit) muss die Reibungskraft FR für einen Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gerade gleich der treibenden Kraft F sein, die durch das Druckgefälle ∆p = p1 - p2 verursacht wird, also: (27) F= π r 2 ∆p= 2π r l η Daraus erhalten wir (28) d v ∆p = r d r 2η l dv dr 147 bzw. (29) dv = ∆p r dr 2η l und schließlich durch Integration unter der Randbedingung v(r0) = 0 das gesuchte Geschwindigkeitsprofil v(r): (30) v(r ) = ∆p 2 2 ( r0 − r ) ; 4η l 0 ≤ r ≤ r0 Das transversale Geschwindigkeitsprofil für eine laminare Strömung durch ein Rohr ist also parabolisch (s. Abb. 11). Zur Berechnung des Volumens V, das innerhalb der Zeit ∆t durch ein Rohr mit dem Radius r0 strömt, betrachten wir zunächst das Volumen dV, das innerhalb von ∆t durch einen Hohlzylinder mit dem Innenradius r und dem Außenradius r + dr (s. Abb. 12) fließt. Dieser Hohlzylinder hat die Grundfläche A und die Länge ∆l. Der Volumenstrom ist bei kleinem dr demnach gegeben durch: (31) dV A ∆l ∆l = = 2π r dr ∆t ∆t ∆t 0,0 0,2 v(r) / b.E. 0,4 0,6 0,8 1,0 -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 r / r0 Abb. 11: Links: Berechnetes parabolisches Geschwindigkeitsprofil einer laminaren Strömung durch ein zylindrisches Rohr mit dem Radius r0. Rechts: Visualisierung eines parabolischen Geschwindigkeitsprofils in einem zylindrischen Plexiglasrohr (Durchmesser ca. 1 cm) mit Hilfe von eingefärbtem Kleister. 15 Da sich die Flüssigkeit gleichförmig (d.h. ohne Beschleunigung) durch das Rohr bewegt, gilt für die Geschwindigkeit: (32) v= ∆l ∆t Damit wird aus Gl. (31) unter Verwendung von Gl. (30): 15 Bildquelle: T. GREVE: „Aufbau und physikalische Betrachtung eines Durchlaufreaktors zur Hydrothermalen Karbonisierung“, Diplomarbeit, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Physik, AG Turbulenz, Windenergie und Stochastik (TWiST), 2009. 148 dV ∆t (33) r dr v(r ) 2π r = 2π = ∆p 2 2 ( r0 − r ) dr 4η l A dr r ∆l Abb. 12: Zur Definition geometrischer Größen eines Hohlzylinders. Aus dieser Gleichung lässt sich durch Integration das Gesamtvolumen V berechnen, das innerhalb der Zeit ∆t durch das Rohr mit dem Radius r0 fließt: r V π∆ p 0 2 2 = r0 − r r dr (34) ∆t 2η l ∫0 ( ) und damit (35) V= π ∆p ∆t 4 r0 8η l Dies ist das HAGEN-POISEUILLEsche Gesetz16 für laminare Strömungen. Diese liegen vor, wenn die REYNOLDSzahl Re, die in diesem Fall durch (36) Re= ρ v 2 r0 η (ρ: Dichte der Flüssigkeit; v : Mittelwert der Strömungsgeschwindigkeit nach Gl. (30)) gegeben ist, kleiner als ca. 2.000 - 2.500 ist. 4.4 Kapillarviskosimeter In diesem Anhang wird die Herleitung von Gl. (14) dargestellt. Mit Hilfe des HAGEN-POISEUILLEschen Gesetzes (Gl. (35)) kann man die Viskosität von Flüssigkeiten bestimmen. Dazu bedient man sich so genannter Kapillarviskosimeter. Abb. 5 zeigt ein Kapillarviskosimeter nach UBBELOHDE. Durch eine Kapillare mit dem Radius r0 und der Länge l lässt man aus einem Vorratsbehälter B, vor dem sich ein Vorlaufgefäß G befindet, ein definiertes Flüssigkeitsvolumen V strömen, das durch das zwischen den Marken M1 und M2 eingeschlossene Volumen gegeben ist. Durch Messung der Zeitdifferenz ∆t, in der der Flüssigkeitsspiegel von M1 nach M2 sinkt, lässt sich dann aus Gl. (35) die Viskosität η bestimmen: (37) = η π ∆p r04 ∆t 8lV Die Druckdifferenz ∆p ist in diesem Fall gegeben durch den hydrostatischen Druck: (38) 16 ∆p (t ) = ρ g h(t ) (ρ: Dichte der Flüssigkeit; g: Erdbeschleunigung) GOTTHILF HEINRICH LUDWIG HAGEN (1797 – 1884) 149 Dabei ist h(t) die Höhendifferenz zwischen dem momentanen Stand des Flüssigkeitsspiegels im Vorratsgefäß B und dem unteren Ende der Kapillare. Dass dieses Ende der Kapillare die Referenzhöhe bildet, erreicht man durch einen Trick: das Belüftungsrohr 3 (s. Abb. 5) sorgt dafür, dass im oben kugelförmig ausgebildeten Auslaufgefäß D Luftdruck herrscht. Dadurch läuft die Flüssigkeit in Form eines dünnen Films an der Innenwand von D ab. Infolge der Zeitabhängigkeit der Höhe h(t) (sinkender Flüssigkeitsspiegel) ist auch ∆p(t) zeitabhängig. Man kann h(t) jedoch durch einen geeigneten Mittelwert ersetzen. Diese mittlere Höhe h ist gegeben durch: (39) 1 h= ∆t ∆t ∫ h(t ) dt 0 Damit folgt aus Gl. (37): (40) = η π ρ g h r04 ∆t 8l V Die Größe (41) π g h r04 K= 8lV ist eine Apparatekonstante und auf den Viskosimetern eingraviert ([K] = m2/s2; meistens in mm2/s2 angegeben). Damit ergibt sich für die Viskosität die einfache Beziehung aus Gl. (14): = η K ρ ∆t Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2014) Konstante Atomare Masseeinheit Symbol u Wert 1,660 539 040 (20)⋅10-27 Einheit kg Avogadro-Konstante NA 6,022 140 857 (74)⋅1023 mol-1 Boltzmann-Konstante k 1,380 648 52 (79)⋅10-23 J/K Elektrische Feldkonstante: 1/(µ0c2) ε0 8,854 187 817...⋅10-12 Elementarladung e -19 Faraday-Konstante F 96 485,332 89 (59) C/mol Gravitationskonstante G 6,674 08 (31)⋅10-11 m3/(s2kg) Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c 2,99792458⋅108 Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10-7 µ0 1,256 637 0614…⋅10-6 Molare Gaskonstante R Plancksche Konstante h 6,626 070 040(81)⋅10-34 Js Ruhemasse des Elektrons me 9,109 383 56(11)⋅10-31 kg Ruhemasse des Neutrons mn 1,674 927 351 (74)⋅10 -27 kg Ruhemasse des Protons mp 1,674 927 471 (21)⋅10-27 kg Standard-Erdbeschleunigung g 9,80665 1,602 176 6208 (98)⋅10 As/(Vm) 1 Bemerkung exakt As m/s exakt Vs/(Am) exakt 8,314 4598 (48) J/(mol K) m/s2 exakt (Definition) Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an. Präfixe Faktor deci 10-2 centi 10 Symbol Faktor Name Symbol d 10 1 deka da c 102 hecto h 10 3 kilo k 6 mega M 10 -3 milli m 10 -6 micro µ 10 10-9 nano n 109 giga G 12 tera T -12 pico p 10 10-15 femto f 1015 peta P a 18 exa E 21 10 -18 10 1 Name -1 atto 10 10 -21 zepto z 10 zetta Z 10-24 yocto y 1024 yotta Y Quelle: Peter J. Mohr; David B. Nevell; Barry N. Taylor: "CODATA Recommended Values of the Fundamental Physical Constants: 2014", arXiv: 1507.07956v1 [physics.atom-ph] 21. July 2015. Siehe auch unter: http://arxiv.org/pdf/1507.07956v1.pdf und unter http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.