Das Münchner Mechanikkonzept FAU - Fortbildungsveranstaltung für PhysiklehrerInnen am 26. März 2015 Gliederung 1. Entwicklung der Lehrgangs: Ein Design Based Research Projekt 2. Physikdidaktische Grundlagen: Konstruktivismus Bedeutung der Präkonzepte Beispiele für Präkonzepte Theorien zum Konzeptwechsel 3. Umsetzung des Lehrgangs 4. Evaluation des Lehrgangs TIMSS 1995: Lösungswahrscheinlichkeit dt. Schnitt: 7% int. Schnitt: 16% Gliederung 1. Entwicklung der Lehrgangs: Ein Design Based Research Projekt 2. Physikdidaktische Grundlagen: Konstruktivismus Bedeutung der Präkonzepte Beispiele für Präkonzepte Theorien zum Konzeptwechsel 3. Umsetzung des Lehrgangs 4. Evaluation des Lehrgangs 1. Entwicklung der Lehrgangs: Ein Design Based Research Projekt Ingenieurwissenschaftlicher Ansatz: Konkrete Problemlösung durch intensive Zusammenarbeit mit den Anwendern - Entwicklung und Evaluation einer Lehr-Lern-Umgebung - Weiterentwicklung der fachspezifischen Lehr-Lern-Theorien Relevanz für Wissenschaft pure basic research (Bohr) use inspired basic research (Pasteur) pure applied research (Edison) Relevanz für Anwendung 2. Physikdidaktische Grundlagen: Konstruktivismus Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation Nachricht Sender Empfänger Konstruktivismus Über unsere Sinneskanäle nehmen wir Sinneseindrücke wahr, z.B. Schriftzeichen, Tafelbilder, experimentelle Anordnungen, Töne, Laute, usw. Diese Sinnesreize haben an sich keine Bedeutung für den Empfänger. Sie müssen mit Hilfe der bei den Empfängern bereits vorhandenen Denk- und Wissensstrukturen decodiert werden, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Konstruktivismus „Der Zuhörer muss dem, was er hört, und dem was er sieht, einen Sinn geben. Und das ist nur möglich, indem er Verbindungen mit schon Bekanntem herstellt, also konstruiert. ... In einem gewissen Sinn wird die Information vom Aufnehmenden konstruiert, indem er schon gespeicherte Vorstellungen aktiviert, in die er die Eingabe einordnet.“ (Walter Jung, NiU, 1986) Konstruktivismus Wissenserwerb als konstruktivistischer Prozess: • Rückgriff auf Präkonzepte notwendig • bei der Interpretation von Sinneseindrücken Die bei den Lernenden im Langzeitgedächtnis vorhandenen Denk- und Wissensstrukturen (Präkonzepte) greifen in einem hohen Maß in die Aufnahme neuer Informationen ein. Diese werden bewertet, interpretiert und verarbeitet. → Bedeutung der Präkonzepte Beispiele für Präkonzepte A. Kinematische Präkonzepte 1) Geschwindigkeit als Betragsgröße 2) Beschleunigung als Bilanzgröße 3) Richtung einer Bewegung als Ziel des gesamten Bewegungsablaufs 4) Beibehalten von Bewegungsmustern Beispiele für Präkonzepte B. Dynamische Präkonzepte Kraft als Eigenschaft: belebte Körper haben Kraft bewegte Körper haben Kraft (Aktivitätsschema) Wenn keine Kraft wirkt, befindet sich der Körper in Ruhe, wenn eine Kraft wirkt, bewegt sich der Körper in Richtung der Kraft, und wenn sich der Körper bewegt, wirkt eine Kraft in Richtung der Bewegung. Theorie des Konzeptwechsels von Chi, Slotta, Reiner, Resnik u.a. Das Vorwissen der „naive Physik“ von Novizen ist in Kategorien organisiert. Beim Erlernen physikalischer Konzepte ist häufig ein Umkategorisieren notwendig. z.B. Kraft ist im Alltagsverständnis meist eingeordnet in die Kategorie Eigenschaft, und muss im Unterricht umgeordnet werden in die Kategorie Beziehung, die sich auf die Wechselwirkungspartner bezieht. Theorie des Konzeptwechsels von Chi, Slotta, Reiner, Resnik u.a. Die Neukategorisierung von Kraft als Beziehung zwischen mehreren Körpern verändert die Sicht auf die Phänomene. Sieht man einen Körper, der Bestandteil eines Phänomens ist, durch die „Beziehungsbrille“, dann sieht man nicht nur das Verhalten des einen Körpers, sondern man sieht auch die Einwirkungen der anderen Körper. Man sieht die Welt in newtonscher Gestalt. Theorie des Konzeptwechsels von Vosniadou u.a. Die „naive Physik“ von Novizen besteht aus einer kleinen Zahl an stabilen theorieähnlichen Strukturen mit Vorstellungen zum Verhalten von Objekten in der physikalischen Welt, die bereits in früher Kindheit entwickelt werden. Ein Konzeptwechsel ist nach Vosniadou besonders schwierig, wenn die tiefverwurzelten Annahmen geändert werden müssen. Erfolgversprechende Lehrangebote müssen nach Vosniadou an den grundlegenden Vorstellungen ansetzen und diese ändern. Theorie des Konzeptwechsels von diSessa u.a. Die „naive Physik“ von Novizen besteht aus einer Vielzahl von diskreten, fragmentierten Wissenselementen, den sogenannten p-prims. Ein Konzeptwechsel ist nach diSessa weniger schwierig, da die p-prims abhängig vom Kontext aktiviert werden. Erfolgversprechende Lehrangebote müssen nach diSessa passende p-prims aktivieren und mit neuen p-prims zu umfassenden Strukturen organisieren. “Students have a richness of conceptual resources to draw on. Attend to their ideas help them build on the best of them.” (diSessa, 2008) 3. Umsetzung des Lehrgangs 1. Flanke – Kopfball – Tor! Der Bereich der Mechanik befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der Einwirkung auf einen Gegenstand und der Auswirkung auf seine Bewegung. 2. Beschreibung und Darstellung von Bewegungen „Max“ mit einem Sender Flugroute von Max bis 4.10.2009 2. Beschreibung und Darstellung von Bewegungen Beschreibung von Bewegungen mit Stroboskopbildern zwischen zwei Aufnahmen: 0,04 Sekunden 3. Wie schnell? Wohin? 3.1 Tempo 3.2 Richtung 3.3 Geschwindigkeit • Geschwindigkeit als Tempo und Richtung • Darstellung durch einen Geschwindigkeitspfeil 3.3 Geschwindigkeit Geschwindigkeitspfeile im Stroboskopbild 3.3 Geschwindigkeit Geschwindigkeitspfeile beim Hammerwurf 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4. Die Zusatzgeschwindigkeit 4.1 Die Zusatzgeschwindigkeit als Folge einer Einwirkung 4.2 Konstruktion der Endgeschwindigkeit 4.3 Konstruktion der Zusatzgeschwindigkeit 4.4 Sonderfall: Eindimensionale Bewegungen Film zur Zusatzgeschwindigkeit Realexperiment zur Zusatzgeschwindigkeit Computersimulation zur Zusatzgeschwindigkeit 5. Die Newton‘sche Bewegungsgleichung 5.1 Einwirkung und Zusatzgeschwindigkeit 5.2 Einwirkdauer und Zusatzgeschwindigkeit 5.3 Masse und Zusatzgeschwindigkeit 5.4 Die Newton‘sche Bewegungsgleichung F t m v Computersimulation zu den Je-desto-Beziehungen (Kraft, Masse, Einwirkungsdauer, Zusatzgeschwindigkeit) 6. Anwendungen der Newton‘schen Bewegungsgleichung 6.1 Alltagsanwendungen Crashtest mit einem Auto Elastizität von Kletterseilen Sprung auf Kraftmessplatte Sprung auf Kraftmessplatte Je größer die Masse des Schlittens, desto größer die benötigte Zugkraft, um den Schlitten aus der Ruhe auf die Reisegeschwindigkeit zu bringen. 6.2 Das Beharrungsprinzip Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit (Tempo und Richtung) bei, solange auf ihn keine Kräfte ausgeübt wird. 7. Das Wechselwirkungsprinzip 8. Kraftarten 8.1 Gravitationskraft 8.2 Magnetische Kraft 8.3 Elektrische Kraft 8.4 Reibungskraft Der Magnet auf dem Wagen erhält eine Zusatzgeschwindigkeit. 9. Wenn mehrere Kräfte wirken 9.1 Kraftpfeile 9.2 Kräftegleichgewicht 4. Evaluation des Lehrgangs Felduntersuchung N = 521 • Anfangsunterricht Mechanik am Gymnasium • 7. Jahrgangsstufe • 22 Unterrichtsstunden Statistische Prä-, Post- und Follow Up-Tests zu Interesse Selbstkonzepts Selbstwirksamkeit (Physik) (Physik) (Mechanik) allgemeinem Mechanikverständnis Hauptstudie gleiche Lehrkräfte N = 10 in Kontrollgruppe 14 Klassen und und Treatmentgruppe 13 Klassen • sehr kurze Fortbildung mit Materialbereitstellung Nachfolgestudie gleiche Lehrkräfte N=5 in Kontrollgruppe 6 Klassen und und Treatmentgruppe 5 Klassen • sehr kurze Fortbildung mit Materialbereitstellung Überarbeitung des Lehrgangs führt zu höherem Lernerfolg Erfahrung der Lehrkräfte führt zu höherem Lernerfolg ??? prae post follow up in der KG: sig. Unterschied im Lernerfolg zw. den Geschlechtern in der TG: kein sig. Unterschied im Lernerfolg zw. den Geschlechtern Beispiel zur Anwendung der Newton‘schen Bewegungsgleichung Interviews mit den Lernenden Anwendungsaufgabe zur NBG Das Neue gefällt mir ziemlich gut, weil man die Sachen in so eine Art Ganzheit stellen kann, die dann auch in der 9. und 10. weitergeht. …. der zweidimensionale Einstieg ist erst mal gut für die Kinder … Die Newton‘sche Bewegungsgleichung in der Form ohne Nenner finde ich sehr gut. Die haben sogar viele … benutzt, um immer zu argumentieren. Mit der Newton‘schen Bewegungsgleichung sind sie eigentlich ganz gut umgegangen, also da konnten sie Phänomene erklären. … Ich fand das sogar so gut, dass ich das dann auch in der 10.Klasse mal zerteilt habe, die Beschleunigung, … und ich glaube, das hat auch denen geholfen.