Vorkurs Mathematik-Physik, Teil 8 c 2016 A. Kersch 1 Dynamik 1.1 Newton’sche Bewegungsgleichung Reaktionsgesetz Der Bewegungszustand eines Körpers wird nur durch den Ein‡uss von (äuß eren) Kräften F~ geändert d~v F~ = m ~a = m dt Reaktionsgesetz für Rotation starrer Körper Der Rotationszustand eines starren Körpers wird durch ~ geändert den Ein‡uss (äuß erer) Drehmomente M d! dt Der Zusammenhang zwischen Drehwinkel ', Winkelgeschwindigkeit ! und Winkelbeschleunigung M =J != 1.1.1 =J d' dt = ist d! d2 ' = 2 dt dt Beispiele für Kräfte Kräfte beschreiben die Wechselwirkung der Umgebung mit einem Körper. Die Kräfte haben vektorielle Eigenschaften und können Funktionen der Ortsvektoren und der Geschwindigkeitsvektoren des Massenpunktes und der Zeit sein F~ = F~ (t; ~x; ~v ) Damit läß t sich eine Aufgabe der Dynamik nach dem Baukastenprinzip lösen Kraftresultierende bestimmen, diese ist i.A. ein Ausdruck F~ = F~ (t; ~x; ~v ) :: : Newton’sche Bewegungsgleichung aufstellen m~x = F~ (t; ~x; ~x). Dies ist eine DGL 2. Ordnung DGL lösen unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen Schwerkraft Die Schwerkraft ist an allen Orten (bei allen Ortsvektoren ~r) gleich, und zwar ein Vektor in negative vertikale Richtung. Sie ist damit nicht vom Ort (und auch nicht von der Geschwindigkeit) abhängig. F~g = m g ~ey Zentripetalkraft Die Zentripetalkraft ist immer zum Rotationszentrum hin gerichtet (kinematische Analyse der Kreisbewegung ergab eine Beschleunigung. Nach Newton ist dies die Folge einer Kraft - hier die Kraft des Seils - die den Körper auf die Kreisbahn zwingt). Sie ist damit ortsabhängig (der Ort ist hier immer der Ort des Massenpunktes, welcher beschleunigt wird). F~ZP = m r ! 2 ~er Federkraft Die (lineare) Federkraft ist der Auslenkung entgegengesetzt. Auß erdem nimmt sie linear mit der Auslenkung zu. Sie ist damit ortsabhängig. F~ = k ~x Coulomb-Reibungskraft Die Coulomb-Reibungskraft ist das einfachste Modell für Reibung in der Mechanik ohne Schmiermittel. Sie hängt von der Richtung der Geschwindigkeit ab (da sie der Bewegung entgegengesetzt ist), aber nicht vom Wert der Geschwindigkeit. FR;C = G FN Stokes-Reibungskraft Für die langsame Bewegung durch Fluide (laminar, z.B. Fallen von sehr kleinen Körpern wie Staub, Nebeltröpfchen) gilt die Stokes-Reibungskraft. Diese hängt von der Geschwindigkeit und ihrer Richtung ab. F~S = c v ~ev Newton-Reibungskraft Für schnelle Bewegung (Fluid turbulent, fallende Körper, fahrende Autos) gilt die Newton-Reibungskraft mit einer stärkeren Abhängigkeit vom Wert der Geschwindigkeit. Die Konstante c hängt mit dem sog. Widerstandsbeiwert zusammen. F~N = c v 2 ~ev Newton-Gravitationsgesetz Das Newton-Gravitationsgesetz beschreibt die Anziehungskraft zwischen schweren Körpern, hier die Kraft einer schweren Masse M auf eine schwere Masse m (actio gleich groß wie reactio von m auf M ). Die Kraft hängt vom Betrag und von der Richtung der Ortsvektoren ab. G ist eine Naturkonstante (die Gravitationskonstante) und hat einen Wert von G = 6:674 10 11 m3 =(kg s2 ) F~G = G mM er r2 ~ Das bemerkenswerte an der Gravitationskraft Fernkraft 1=r2 -Abhängigkeit der Kraft, d.h. starke Zunahme bei kleinem Abstand räumliche Ausdehnung einer homogen kugelförmigen Masse spielt keine Rolle (ist zu beweisen) actio=reactio ist explizit sichtbar 1.1.2 Aufstellen und Lösen der Newton’schen Bewegungsgleichung Die Modelle für die Kräfte sind vektorwertige Funktionen, deren Argumente die Orts- oder Geschwindigkeitskoordinaten des Massenpunktes bzw. die Zeit sind F~ (t; ~x; ~v ) Modelle für Kräfte Wenn die resultierenden Kräfte in die 2. Newton’sche Gleichung eingesetzt werden, ergeben sich die Bewegungsgleichungen für den Massenpunkt F~ (t; ~x; ~v ) = m ~a : :: F~ (t; ~x; ~x) = m ~x oder Beispiel: Schwerkraft F~g = m g ~ey = m g ~ey m y• ~ey y• = g Die Masse kann hier gekürzt werden, weil die träge Masse und die schwere Masse gleich großsind. Dies führt zu der erstaunlichen Tatsache, dass alle Körper gleich schnell fallen. Die Lösung der Bewegungsgleichung (Bahngleichung) ist aus der Kinematik bekannt y(t) = y0 + v0 t 1 2 gt 2 Beispiel: Fallschirmspringer Die Kraft auf den Fallschirmspringer ist die Resultierende aus der Schwerkraft und der Reibungskraft. Diese Reibungskraft kann näherungsweise durch eine Newton’sche Reibungskraft beschrieben werden (Gleichung gilt wg. Vorzeichen nur für Fall, nicht für Aufstieg) F~ = m y• = y• = 1 m g ~ey + cw A v 2 ~ey = 2 m g + m v2 m g ~ey + m v 2 ~ey g + y_ 2 g + v2 ) v_ = = 1 A cw 2 m mit y_ = v Die allgemeine Lösung dieser Bewegungsgleichung kann nun nicht mehr ganz einfach angegeben werden. Eine spezielle Lösung läß t sich jedoch sofort hinschreiben, und zwar die Lösung für den Grenzfall: nach einiger Zeit wird die Bewegung gleichförmig und Schwerkraft=Reibungskraft. Dann …ndet keine weitere Beschleunigung mehr statt. Unter der Annahme der Existenz einer derartigen Lösung läß t sich diese schnell …nden v_ 1 = =) 0= 2 g + v1 r g = g =) v1 = r r g g y(t) = y0 + t y(t) _ = 2 v1 y•(t) = 0 Bewegung im Grenzfall Nun zur Lösung der Bewegungsgleichung mit der Separation der Variablen r Z t Z t g v_ 2 v_ = g+ v dt mit v1 = ) 1 dt = 2 v g 0 0 Z Z Z v(t) 1 1 v(t) 1 1 1 v(t) dv = t = dv = dv 2 2 2 v g v1 v1 ) (v + v1 ) v(0) v v(0) (v v(0) mit Partialbruchzerlegung 1 (v 1 1 = v1 ) (v + v1 ) 2 v1 1 (v v1 ) 1 v2 v1 = 1 = = 2 v1 2gv1 2g 1 (v + v1 ) ergibt sich t Z = v(t) 1 ( v + v1 ) v(0) = ln ) e v + v1 v + v1 t= = 1 (v + v1 ) ln v + v1 v + v1 v(t) dv = v1 v1 = ) v(t) = (ln ( v + v1 ) + ln (v + v1 ))j0 ln v + v1 v + v1 1 e 1+e t= t= v1 t!! 1 v1 Beispiel: Staubkorn Für sehr kleine Kügelchen vom Radius r, die sich mit der Geschwindigkeit v durch ein Fluid bewegen, ist die Reibungskraft FR gegeben durch das Stokes’sche Gesetz: FR = 6 rv. Dabei ist eine Materialeigenschaft des Fluids (die sogenannte Zähigkeit). (a) Wie großist die Endgeschwindigkeit von Kügelchen, die im Schwerefeld der Erde fallen (z.B. Staubpartikel in Luft)? (b) Leiten Sie das Weg-Zeit-Gesetz für die Fallbewegung her! Die Rechnung verläuft genauso, wie in der Vorlesung für den Fall eines groß en schweren Objekts demonstriert, nur dass diesmal keine exotischen Funktionen auftreten. Lösung: Zunächst müssen wi sorgfältig auf das Vorzeichen achten. Sei das Koordinatensystem ~ey vertikal nach oben gewählt. Dann ist Fg;y F~R = mg = 6 r~v ) ~ey F~R = FR;y = 6 r ~v ~ey ~v ~ey = y_ = vy =: v > 0 für Bewegung nach oben ist ~v ~ey = y_ = vy =: v < 0 für Bewegung nach unten ist v ist hier nicht der Betrag, sondern die Geschwindigkeitskomponente :: m~y = F~g + F~R ) m y• = m ~y ~ey = F~g + F~R mv_ = mg 6 ~ey = rv (a) Zunächst untersuchen wir die Grenzgeschwindigkeit, bei der v_ = 0 ist 0 = v1 = mv_ = mg 6 r v mg ist negativ 6 r mg 6 r y_ (b) als nächstes lösen wir die DGL mit Separation der Variablen v_ = ) 6 r g v= dv = dt ) g + v= Z m v g= v(t) ) ln(~ v + g )jv(0) = t = (ln(v(t) + g ) t = ln 1 + v(t) = g (1 mit v(t) v(0) t ~ t0 = d~ v = g + v~ m 6 Z r = v1 g t dt~ 0 v(t) + g v0 + g v(t) ) exp( t= ) = 1 g t!! 1 v(t) = g = v1 ln(v0 + g )) = v(t) g exp( t= )) ln mit v0 = 0 v(t) 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0 1 2 3 4 5 x Newton-Reibung (Striche) und Stokes-Reibung (Linie) Beispiel: Federkraft F~ = k ~x k x ~ex = mx • ~ex mx • = kx k x •+ x = 0 m Die Bewegungsgleichung wird Schwingungsgleichung genannt. Der Quotient und wird Kreisfrequenz ! genannt x • + !2 x = 0 p k=m hat die Einheit 1=s Diese Gleichung wird später ausführlich behandelt werden. Die Lösungen ergeben sich durch folgenden Ansatz (Beweis durch Einsetzen) und sind die harmonischen Schwingungen (siehe Kinematik): p x(t) = A sin(!t + ') ! = k=m x(t) _ = x •(t) = 2 x •(t) + ! x(t) = !A cos (!t + ') ! 2 A sin (!t + ') ! 2 A sin (!t + ') + ! 2 A sin(!t + ') = 0 Rotationsbewegung Ein Eimer der Masse m = 10kg hängt an einem Seil. Dieses Seil ist auf eine reibungsfrei gelagerte Trommel mit Masse M = 20kg und Radius R = 10cm gerollt (dünnwandiger Zylinder). Der Eimer wird nun aus h = 2m Höhe losgelassen, wobei sich das Seil ohne Schlupf von der Trommel abwickelt. Wie schnell ist der Eimer, wenn er auf dem Boden aufkommt (Reibung und Masse der Seils können vernachlässigt werden)? 1. Lösung: Mit Freischneiden Teil-System Trommel: (Seilkraft FS wirkt auf Trommel und - entgegengesetzt - auf Eimer:actio=reactio) J' • = M M R2 ' • = RFS Teil-System Eimer: Schwerkraft und Seilkraft wirken auf Eimer (Vorzeichen: vergröß ertes s = verlängertes Seil) m• s = Fg FS = mg FS Schlupfbedingung s = 'R bzw. s_ = 'R _ = !R bzw. s• = ' • R. Elimination von FS s• = M R2 ' • = R (mg R M s• = (mg m• s) m s• = g=a M +m M R2 m• s) Die Bewegung ist ein Fall mit geringerer Beschleunigung als der Fallbeschleunigung. Die Geschwindigkeit ergibt sich aus der Lösung der Bewegungsgleichung mit konstanter Beschleunigung v v 1 s = at2 ) r2 p m = 2as = 2 gh m+M = at s= 1 v a 2 a 2 = 1 v2 2 a