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Samstag, 08. März 2014
Der Verlust der Stille
Tinnitus ist keine Krankheit
Von Jana Zeh
Viele haben es schon einmal gehört - es piept, pfeift oder rauscht im Ohr. In den meisten Fällen gehen
Ohrgeräusche nach einiger Zeit wieder weg - doch nicht immer. Wenn der Ton im Ohr bleibt, kann das Leben zur
Hölle werden.
Ohrgeräusche sind keine Seltenheit. Fast jeder hat schon einmal ein unangenehmes Piepen, Rauschen oder Pfeifen im Ohr
gehört, ohne dass es eine äußere Schallquelle gab. Das Klingeln im Ohr wird auch als Tinnitus bezeichnet. "Rund 10 Millionen
Menschen in Deutschland haben innerhalb eines Jahres einen Tinnitus", sagt Professor Gerhard Goebel, Vizepräsident der
Deutschen Tinnitus-Liga e.V. (http://www.tinnitus-liga.de/index.php), in einem Gespräch mit n-tv.de. Das bedeute allerdings
nicht zwangsläufig, dass alle Betroffenen unter den Tönen in ihren Ohren leiden, so der Experte weiter.
Bei den meisten Menschen verschwindet der Tinnitus genauso unverhofft wie er gekommen ist. Ein kurzzeitiger Tinnitus kann
durch zu laute Musik, einen heftigen Knall oder akute Stressbelastungen auftreten. "Nach einem Konzert- oder Discobesuch
beispielsweise erfahren viele Menschen vor dem Einschlafen ein störendes Geräusch im Ohr, obwohl es im Raum
mucksmäuschenstill ist", so Goebel. "Und am nächsten Tag ist es wieder verschwunden." Das Geräusch, das akut Betroffene
hören, ist meist durch Überlastung oder gar Verletzungen der Haarzellen des Innenohrs bedingt.
"Ohrgeräusche können zudem ein Hinweis für verschiedene Erkrankungen
sein, die nicht immer im Ohr zu finden sind. Körperliche Auslöser für einen
Tinnitus können Hörschäden, Drehschwindel, Hörsturz und Probleme in der
Halswirbelsäule oder im Kiefer sein. Aber auch Tumoren oder Verletzungen
des Ohres können zum Tinnitus führen. Beim Großteil der Betroffenen
werden jedoch keine körperlichen Ursachen gefunden. Ohrgeräusche, die
höchstens einige Wochen dauern, nur phasenweise auftreten und die den
Betroffenen kaum einschränken, sind - wenn der Hals-Nasen-Ohren-Arzt
nichts Gegenteiliges findet - weitgehend unbedenklich. "Um diese Art von
Tinnitus muss man sich nicht kümmern!"
Warnsignal für Überbelastung
Dauern die Ohrgeräusche jedoch länger oder beeinträchtigen die
Lebensqualität von Anfang an erheblich, dann sollten sich Betroffene zeitnah
beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt vorstellen. Der Tinnitus an sich ist zwar keine
Krankheit, aber ein Warnsignal des Körpers. Er zeigt, dass man sich auf
körperlicher oder seelischer Ebene übernommen hat.
Halten die Geräusche im Ohr länger als drei Monate an, spricht man von
einem chronischen Tinnitus, den in Deutschland rund fünf Millionen
Menschen hören. In diesem Fall ist mehr das Gehirn als das äußere
Gehörorgan für die Aufrechterhltung des Tinnitus verantwortlich. "Da es
keine äußere Geräuschquelle gibt, kann man beim chronischen Tinnitus
auch von einem Phantomgeräusch sprechen", erklärt der Experte weiter.
Die meisten Menschen können trotz der Geräusche in den Ohren gut leben.
Doch bei jedem Vierten wird das Pfeifen oder Rauschen zu einer so
schweren Belastung, dass daraus weitere Symptome und Erkrankungen
resultieren. "Diese Menschen leiden sehr unter dem Verlust ihrer inneren
Stille", weiß Goebel. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Angstzustände
und sogar Arbeitsunfähigkeit können aufgrund der Ohrgeräusche entstehen.
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TINNITUS
Tinnitus aurium (lat. "Klingeln der Ohren") ist
ein Symptom, das nur der Betroffene
wahrnehmen kann. Die Geräusche sind sehr
vielfältig. Sie können von Rauschen,
Brummen, Zischen, Pfeifen, Klopfen bis hin
zum Knacken reichen. Tinnitus hat aber
nichts mit sogenannten auditiven
Halluzinationen wie zum Beispiel dem
Phantom-Handy-Klingeln zu tun.
Ein Tinnitus kann auf einem oder beiden
Ohren oder sogar mitten im Kopf zu hören
sein. Die Lautstärke kann sowohl
gleichbleibend aber auch variabel sein. Bis zu
20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland
sind dauerhaft von Tinnitus betroffen. Vor
allem ältere Menschen geben an,
Ohrgeräusche zu haben. Unter den
Betroffenen ist die Anzahl von Frauen und
Männern nahezu gleich.
Es gibt sowohl körperliche als auch
psychische Ursachen für die Entstehung
eines Tinnitus. Prinzipiell wird zwischen
akutem und chronischem Tinnitus
unterschieden. Der akute Tinnitus dauert
nicht länger als drei Monate. Über diesen
Zeitraum hinaus wird vom chronischen
Tinnitus gesprochen.
25.04.2014 18:20
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Tinnitus kann nicht geheilt werden
"Die Auslöser für einen Tinnitus sind so individuell wie die Betroffenen
selbst", betont der Experte. Aus diesem Grund sei auch die Therapie
schwierig und eine Heilung bei chronischen Tinnitus bis heute nicht möglich,
so Goebel weiter. "Bei 45 Prozent der Betroffenen kann man die Ursache
gar nicht ermitteln". Dachte man lange Zeit, dass der Tinnitus überwiegend
eine Störung im Innenohr ist, weiß man heute, dass der Ton, den Betroffene
hören, im Gehirn entsteht
Zudem unterscheidet man zwischen dem
objektiven und dem subjektiven Tinnitus.
Beim objektiven Tinnitus liegt die Ursache im
Körper des Betroffenen selbst - wie zum
Beispiel das Rauschen des Blutes im Körper.
Rund 90 Prozent aller Betroffenen hat jedoch
einen subjektiven Tinnitus, also hört
Geräusche im Ohr, die weder eine innere
noch eine äußere Schallquelle haben.
Mit Hilfe von moderner Technik haben Mediziner herausgefunden, dass es
Betroffene, die testen wollen, wie stark sie
bei Tinnitus-Patienten eine sichtbare Verdickung an der Hirnrinde gibt und
der Tinnitus belastet, finden den Selbst-Test
zwar in den Bereichen, die für das Hören zuständig sind. Das weist auf eine
(http://www.tinnitus-liga.de/testbg.htm) auf
pathologische Überaktivität des Gehirns in diesen Hörarealen hin. Das
der Seite der Deutschen Tinnitus-Liga e.V..
Gehirn beschäftigt sich quasi mit sich selbst. Doch das ist nicht alles. Beim
Tinnitus kommt es zu einer komplexen Aktivität von verschiedenen
Bereichen im Gehirn, die man mit der bei chronischen Schmerzen vergleichen könnte.
Nicht jede Therapie ist hilfreich
Genauso wie chronische Schmerzen das Leben zur Hölle machen können, kann auch ein Tinnitus stark die Lebensqualität
mindern. Aus diesem Grund greifen Betroffene zu jedem Strohhalm, den sie finden können. Unter den Angeboten, die es
derzeit auf dem Markt gibt, sind jedoch auch Mittel und Wege, die völlig nutzlos sind. Vor einigen warnt Professor Goebel
sogar. "Das Durchtrennen des Hörnervs zum Beispiel bringt in Bezug auf die Ohrgeräusche keinerlei Besserung, sondern
macht nur das Ohr taub", betont der Mediziner. Auch die Gabe von Infusionen und Medikamenten, die die Durchblutung
anregen sollen, sind heute umstritten. Nahrungsergänzungsmittel gegen Tinnitus, die man meistens im Internet bestellen kann,
seien wirkungslos und nichts anderes als Geldschneiderei, so Goebel. Auch von der sogenannten Low-Laser-Therapie sei bei
einem Tinnitus dringend abzuraten. Denn bei dieser Therapie werde immer noch das Innenohr behandelt.
Die meisten Therapien, bei denen nachweislich gute Erfolge erzielt werden konnten, gehen auf das Prinzip der Ablenkung
zurück. So kann beispielsweise ein sogenannter "Noiser", ein Gerät, das aussieht wie ein Hörgerät, ein breites Spektrum an
Frequenzen in das Ohr senden, außer die des Tinnitus selbst. Die Töne können den Tinnitus überdecken. Das Gerät kann
aber nur bei Menschen mit Tinnitus eingesetzt werden, die lediglich einen bestimmten Ton im Ohr haben. Viele TinnitusBetroffene allerdings hören mehrere oder sich verändernde Töne oder sogar ein sich veränderndes Rauschen.
Verschiedene Formen der Aufmerksamkeitsablenkung
Bei den wirksamen Therapien geht es vor allem darum, der Eigenständigkeit der Hörareale im Gehirn einen Gegenimpuls zu
liefern, also um die Ablenkung der Aufmerksamkeit. "Beim Tinnitus mit psychischer Erkrankung, wie zum Beispiel einer
Depression, sollte man die Aufmerksamkeit auf die Therapie der Depression lenken, dann wird bei den meisten das Geräusch
im Ohr automatisch leiser oder geht, im besten Falle, sogar ganz weg", so Goebel. Auch körperliche Aktivitäten und aktive
Entspannungstechniken können nachweislich sehr hilfreich sein, Qi Gong, Bewegungsmeditation oder Progressive
Muskelentspannung sind wirksam. "Alle Entspannungstechniken sollten allerdings möglichst mit Umgebungsgeräuschen und
nicht in der Stille praktiziert werden, ansonsten kann ein gegenteiliger Effekt entstehen", gibt Goebel zu bedenken.
Auch die sogenannte Retraining-Therapie zielt darauf ab, dass Betroffene von dem Geräusch im Ohr abgelenkt werden. Es
geht darum, die Töne aus dem Bewusstsein zu verbannen. So kann der Tinnitus leiser werden oder sogar ganz weggehen.
Die Langzeittherapie ist ein Mix aus ausführlichem Aufklärungsgespräch (Counseling), psychologischer Betreuung,
Entspannungstechnik und dem Einsatz technischer Geräte. Sie dauert zwischen 12 und 24 Monate.
Im übertragenen Sinn kann der Tinnitus auch als "Lärm der Seele" bezeichnet werden. Ohrgeräusche haben also auch eine
Art Schutzfunktion. Betroffene ohne körperliche Ursachen sollten sich mit professioneller Hilfe auf die Suche nach Antworten
machen. Wie kann meine Seele wieder ins Gleichgewicht kommen? Das Wichtigste für Menschen mit chronischem Tinnitus ist
allerdings, die Stille zu meiden.
Quelle: n-tv.de
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25.04.2014 18:20
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