14. Bayerisches Forum AIDS-Prävention, München, 14. – 15. Juli 2015 Aktuelle Epidemiologie von HIV in Deutschland und Bayern sowie ausgewählte Ergebnisse aus dem Internet Survey SMA 2013 Dr. Ulrich Marcus, Robert Koch-Institut, Berlin Epidemiologische Daten zu Deutschland und Bayern Dem Robert Koch-Institut wurden für das Jahr 2014 insgesamt 3.525 gesicherte HIV-Neudiagnosen aus Deutschland übermittelt, 237 mehr als im Jahr 2013. Gleichzeitig ist die Zahl der Meldungen zurückgegangen, bei denen nicht geklärt werden konnte, ob es sich um Neudiagnosen oder Mehrfachmeldungen handelt. Der Anstieg der HIV-Neudiagnosen beruht demnach z.T. auf einer verbesserten Datenqualität (dem RKI wurden vermehrt Meldebögen mit den erforderlichen Informationen von den diagnostizierenden Ärzten übersandt) sowie auf verstärkten Recherchen bei den meldenden Ärzten (d.h. ein Teil der eingehenden Meldungen ohne Angaben zum Diagnosestatus konnte durch Rückfragen als HIV-Neudiagnosen bestätigt werden). Es liegt aber auch eine reale Zunahme von HIV-Neudiagnosen vor. In Bayern war die Zunahme der HIV-Neudiagnosen von 2013 auf 2014 besonders ausgeprägt: die Zahl stieg von 453 auf 596 an. Die größten Zunahmen waren bei im Ausland infizierten Heterosexuellen (76 – 134) und bei Männern die Sex mit Männern (217 – 260) hatten zu verzeichnen. Der Anstieg bei Heterosexuellen ist primär auf eine deutliche Steigerung von HIVDiagnosen bei aus Afrika stammenden Personen zurückzuführen, die Zunahme bei MSM erfolgt in erster Linie außerhalb der Großstädte. Inwiefern verstärkte Testwahrnehmung zu dem Anstieg bei MSM beiträgt, lässt sich auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht eindeutig klären. Die Zahl der dem RKI gemeldeten HIV-Neudiagnosen ist zu unterscheiden von der Zahl der HIVNeuinfektionen. Die HIV-Infektion, die oftmals unbemerkt erfolgt, und der Test, mit dem eine Infektion nachgewiesen wird, können zeitlich weit auseinander liegen. Die Zahl der Neuinfektionen kann daher nur geschätzt werden, die Schätzung für 2014 wird zum Welt-AIDS-Tag veröffentlicht. Daten aus Verhaltensstudien bei MSM Die Auswertung der Ende 2013 durchgeführten bundesweiten Internet-Befragung „Schwule Männer und AIDS 2013“ zeigt, dass große Anteile der MSM noch gar nicht oder relativ selten auf HIV getestet wurden. Zwar berichten große Teile der ungetesteten MSM wenige oder gar keine HIVRisiken in den letzten 12 Monaten, dies gilt aber auch für die Getesteten. Von denjenigen, die HIVRisiken z.B. in Form ungeschützten Analverkehrs mit Partnern mit unbekanntem HIV-Status angeben, berichten nur etwa die Hälfte einen HIV-Test in den letzten 12 Monaten. Bayerisches Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung zpg.bayern.de 14. Bayerisches Forum AIDS-Prävention, München, 14. – 15. Juli 2015 In einer multivariaten Regressionsanalyse wurden folgende Faktoren als assoziiert mit ungetestet sein identifiziert: • • • • • • • • Alter unter 25 Jahre AdRRR 2.9 Stadtgröße unter 500.000 Einwohner AdRRR 1.5 Offenheit bezüglich des Umgangs mit der eigenen sexuellen Orientierung gegenüber dem persönlichen Umfeld allgemein AdRRR 1.5 … und gegenüber dem Hausarzt im Besonderen AdRRR 4.5 Szeneferne AdRRR 2.3 Internalisierte Homonegativität AdRRR 1.3 HIV-Stigmatisierungsbereitschaft AdRRR 1.4 Die Selbsteinschätzung des HIV-Risikos hat ebenfalls Auswirkung auf die Testung: je geringer das eigenen Risiko eingeschätzt wird, desto unwahrscheinlicher ist eine Testung AdRRR 0.5 In mehr als einem Drittel der festen Partnerschaften von MSM war entweder der eigene HIVStatus oder der HIV-Status des Partners unbekannt. Beim letzten ungeschützten Analverkehr mit einem nicht-festen Partner hatte etwa die Hälfte der nicht mit HIV diagnostizierten Befragungsteilnehmer ihrem Partner einen negativen HIV-Status kommuniziert. In den letzten 12 Monaten auf HIV getestete Männer kommunizierten häufiger mit ihrem Partner über ihren HIVStatus als ungetestete Männer. In einer multivariaten Regressionsanalyse der EMIS-Daten (EMIS 2010) waren folgende Faktoren mit dem Verzicht auf Kondombenutzung beim Analverkehr mit mehreren Partnern assoziiert: • • • • • • • • • HIV-Diagnose (aber: HIV-Diagnostizierte befanden sich mehrheitlich unter effektiver Therapie; wenn HIV-Infizierte mit Viruslast unter der Nachweisgrenze und solche die konsequentes positives HIV-Serosorting berichteten ausgeschlossen wurden, war die HIV-Diagnose kein unabhängiger Risikofaktor mehr) Alter >40 Jahre Niedriger Bildungsstatus Sich einsam fühlen Gewalterfahrung Besuch von Orten für schnellen Sex Verkauf von Sex gegen Geld Kauf sexueller Dienstleistungen Gebrauch von Poppers, erektionserhaltenden Mitteln, Party-Drogen in den letzten 4 Wochen Schlussfolgerungen und Empfehlungen In Anbetracht der Häufigkeit, mit der ungeschützter Analverkehr von MSM in festen Partnerschaften und mit nicht-festen Partnern praktiziert wird, muss die Kenntnis des aktuellen HIV-Status bei MSM deutlich verbessert werden. Dies gilt vor allem für die gegenseitige Kenntnis des HIV-Status in festen Partnerschaften. Eine substanzielle Steigerung der Testbereitschaft und Testhäufigkeit würde eine deutliche Senkung der bestehenden Testbarrieren erfordern. Eine Reihe von Faktoren sind mit hohem Risikoverhalten mit nicht-festen Partnern assoziiert: inwiefern es sich um kausale Faktoren handelt oder um Faktoren, die Gruppen mit unterschiedlicher Risikobereitschaft beschreiben, muss weiter untersucht werden. Eine Minderheit von MSM die hohe Risiken eingehen wird durch die gegenwärtigen Präventionsbotschaften und –strategien nicht (mehr?) erreicht . Bayerisches Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung zpg.bayern.de