MANAGEMENT INVESTITIONSGÜTERMARKETING FERNSTUDIENKURS MARKETING-MANAGEMENT Autoren: Gianfranco Walsh, Thomas Kilian & Nicole Kinner IMPRESSUM UNIVERSITÄT KOBLENZ-LANDAU FERNSTUDIENKURS MARKETING-MANAGEMENT AUFLAGE: 3. AUFLAGE 2015 HERAUSGEBER UNIVERSITÄT KOBLENZ-LANDAU ZENTRUM FÜR FERNSTUDIEN UND UNIVERSITÄRE WEITERBILDUNG ANSCHRIFT ZENTRUM FÜR FERNSTUDIEN UND UNIVERSITÄRE WEITERBILDUNG (ZFUW) POSTFACH 201 602 56016 KOBLENZ WWW.ZFUW.UNI-KOBLENZ.DE URHEBERRECHTE: DIESER LEHRBRIEF IST URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT. ALLE RECHTE VORBEHALTEN. DIESER LEHRBRIEF DARF IN JEGLICHER FORM OHNE VORHERIGE SCHRIFTLICHE GENEHMIGUNG DER UNIVERSITÄT KOBLENZ-LANDAU NICHT REPRODUZIERT UND/ODER UNTER VERWENDUNG ELEKTRONISCHER SYSTEME VERARBEITET, VERVIELFÄLTIG ODER VERBREITET WERDEN. © 2007, 2015 ZENTRUM FÜR FERNSTUDIEN UND UNIVERSITÄRE WEITERBILDUNG, UNIVERSITÄT KOBLENZ-LANDAU INVESTITIONSGÜTERMARKETING Prof. Dr. Gianfranco Walsh, JProf. Dr. Thomas Kilian & Dr. Nicole Klinner DIE AUTOREN DIE AUTOREN GIANFRANCO WALSH Prof. Dr. Gianfranco Walsh studierte BWL in Lüneburg und Management Science in Manchester. Nach der Promotion am Lehrstuhl für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing II an der Universität Hannover im Jahr 2001 übernahm er die Leitung einer universitären Forschungsgruppe im Bereich Energie-Marketing. Nach seiner erfolgreichen Habilitation im Jahr 2004 war Gianfranco Walsh als Senior Lecturer in Marketing an der University of Strathclyde Business School tätig. Von 2006 bis 2011 war er Professor für Marketing and Electronic Retailing an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2011 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. THOMAS KILIAN JProf. Dr. Thomas Kilian studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Lüneburg mit den Schwerpunkten Umweltmanagement und Wirtschaftsinformatik. Nach Abschluss des Studiums war er maßgeblich an der Gründung eines Internet-Startups beteiligt und gewann einen Businessplanwettbewerb in Hamburg. Im Jahr 2002 ging er an das Institut für Marketing an der Universität Hannover und schloss seine Dissertation im Jahr 2004 ab. Die Doktorarbeit wurde vom Energie Institut Linz/Österreich mit einem Dissertationspreis ausgezeichnet. Von Juli 2006 an war Thomas Kilian am Institut für Management der Universität Koblenz-Landau zunächst in der Arbeitsgruppe Marketing and Electronic Retailing tätig, seit Oktober 2010 leitet er als Junior-Professor die Arbeitsgruppe Medien- und Dienstleistungsmanagement (MuD). Dr. Kilian hat umfangreiche Erfahrungen in der Beratung von privaten wie auch öffentlichen Unternehmen, mit den Schwerpunkten Marketing und Marktforschung. NICOLE KLINNER Dr. Nicole Klinner studierte von 2000 bis 2004 Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Koblenz. Nach ihrem Diplom wechselte sie an die Universität KoblenzLandau und belegte dort den Master-Studiengang Informationsmanagement, den sie 2007 abschloss. Im Rahmen ihres Master-Studiums absolvierte sie ein Auslandssemester an der Universität St. Gallen (HSG). Von 2007 bis 2011 arbeitete sie an ihrer Dissertation, welche durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert wurde. Ihre Promotion konnte sie im April 2011 erfolgreich abschließen. Im März 2011 begann Frau Dr. Nicole Klinner ihre Tätigkeit als Produktmanagerin bei der Akademie Deutscher Genossenschaften ADG e.V. Seit Juli 2014 ist sie Teamleiterin des Bereichs ADG Individual. PDF: 28.08.2015 INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGS- UND AKRONYMVERZEICHNIS ......................................................... 7 LERNZIELE .............................................................................................................. 9 01. 02. 03. 04. MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING ...................................... 11 01.1 DEFINITION........................................................................................................................... 12 01.2 CHARAKTERISTIKA VON INVESTITIONSGÜTERMÄRKTEN..................................................... 16 01.3 GESCHÄFTSTYPEN IM INVESTITIONSGÜTERMARKETING .................................................... 19 01.4 ÜBUNGS- UND SELBSTKONTROLLAUFGABEN ...................................................................... 23 ANSÄTZE ZUR ERKLÄRUNG DES ORGANISATIONALEN KAUFVERHALTENS ... 24 02.1 KAUFSITUATIONEN .............................................................................................................. 24 02.2 KAUFPROZESS ...................................................................................................................... 26 02.3 DAS BUYING CENTER-MODELL ALS ERKLÄRUNGSMODELL DES ORGANISATIONALEN KAUFVERHALTENS................................................................................................................ 29 02.4 EINFLUSSGRÖßEN AUF DAS BUYING CENTER ...................................................................... 33 02.5 ÜBUNGS- UND SELBSTKONTROLLAUFGABEN ...................................................................... 38 STRATEGISCHE BESONDERHEITEN IM INVESTITIONSGÜTERMARKETING ..... 39 03.1 ABNEHMERGERICHTETE STRATEGIEN ................................................................................. 41 03.2 KONKURRENZGERICHTETE STRATEGIEN .............................................................................. 45 03.3 ÜBUNGS- UND SELBSTKONTROLLAUFGABEN ...................................................................... 47 OPERATIVE BESONDERHEITEN IM INVESTITIONSGÜTERMARKETING ........... 48 04.1 PRODUKT .............................................................................................................................. 48 04.2 PREIS..................................................................................................................................... 52 04.3 VERTRIEB .............................................................................................................................. 56 04.4 KOMMUNIKATION ............................................................................................................... 57 04.5 MARKTFORSCHUNG ............................................................................................................. 60 © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau 5 INHALTSVERZEICHNIS 04.6 KUNDENBINDUNG IM INVESTITIONSGÜTERMARKETING ....................................................65 04.7 ÜBUNGS- UND SELBSTKONTROLLAUFGABEN ......................................................................70 FALLSTUDIE CONTRACTING ................................................................................... 71 LÖSUNGSHINWEISE ZU DEN ÜBUNGS- UND SELBSTKONTROLLAUFGABEN............ 74 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................... 84 LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................... 86 6 04.8 GRUNDLAGENLITERATUR .....................................................................................................86 04.9 LITERATUR ZUR VERTIEFUNG ...............................................................................................86 3. Auflage 2015 ABKÜRZUNGS- UND AKRONYMVERZEICHNIS ABKÜRZUNGS- UND AKRONYMVERZEICHNIS Abb. Abbildung AKW Atomkraftwerk B2B Business to Business bspw. beispielsweise bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise d.h. das heißt et al. und andere etc. et cetera (lateinisch) = und so weiter ERP Enterprise Resource Planning (englisch) = „Planung des Einsatzes der Unternehmensressourcen“ f. folgende ff. fortfolgende ggf. gegebenenfalls Hrsg. Herausgeber i.e.S. im engeren Sinne i.d.R. in der Regel Kap. Kapitel No. Number S. Seite © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau 7 ABKÜRZUNGS- UND AKRONYMVERZEICHNIS SAP Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung u.a. unter anderem usw. und so weiter vgl. vergleiche Vol. Volume (Band) z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil 8 3. Auflage 2015 LERNZIELE LERNZIELE • Nach dem Durcharbeiten dieses Studienbriefes „Investitionsgütermarketing“ sollte der Leser in der Lage sein… • …Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Investitions- und Konsumgütermarketing zu kennen und Investitionsgütermärkte von Konsumgütermärkten abzugrenzen, • …wichtige Typologien des Investitionsgütermarketing erläutern zu können, • …das Buying Center-Modell erklären zu können, • …weitere Faktoren, die das Kaufverhalten von Institutionen bestimmen, zu erklären, …Entscheidungsprobleme von Investitionsgüteranbietern und Kurznachfragern, spezielle Entscheidungen über Ziele und Zielbildungsprozesse, über Marktsegmentierungsstrategien und -verfahren, über Marktforschungsinhalte und -methoden sowie über die Marketing-Mix-Gestaltung zu beschreiben. Um eine größere Anschaulichkeit der theoretischen Inhalte zu ermöglichen, werden diese anhand von Beispielen illustriert. Zur Beschreibung der Prozesse im Investitionsgütermarketing bietet sich – nicht zuletzt aufgrund der enormen wirtschaftlichen Bedeutung – die Energiebranche an, so dass ein Großteil der gewählten Beispiele aus diesem Bereich stammt. © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau 9 MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING 01. MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING Der Markt für Investitionsgüter ist mit einem Umsatzvolumen von über einer Billion € mehr als dreimal so groß wie der Konsumgütermarkt (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, zitiert nach Backhaus/Voeth 2007, S. 3). Die meisten Unternehmen verkaufen nicht an Endverbraucher, sondern an andere Unternehmen. Einem einzigen Verkauf an Endverbraucher gehen viele Wertschöpfungsstufen und Transaktionen zwischen den vorgeschalteten Produzenten voran. Grund dafür ist, dass im Rahmen unserer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft die Bestandteile eines fertigen Produktes über sehr viele Stufen gekauft, verarbeitet und weiterverkauft werden, bevor das Produkt den Endverbraucher erreicht. Relevanz des Investitionsgütermarketing Investitionsgütermarketing wurde erstmals im Zusammenhang mit Marketing von technisch sehr anspruchsvollen Produkten, wie Industrieanlagen oder Baumaschinen verwendet. Die in ihrer Relevanz für die Umwelt ständig an Bedeutung gewinnenden Energieanlagen zählen zu den neuartigeren Beispielen für Investitionsgüter. Die Bezeichnung Investitionsgut suggeriert, dass es sich um ein Produkt handeln muss, das beim Kunden im Zusammenhang mit einer nicht unerheblichen Investitionsentscheidung steht (z.B. einer neuen Energieanlage). Aber auch die Vermarktung von Produktionsmaterial (z.B. Chemikalien) ist dem Bereich des Investitionsgütermarketing zuzuschreiben. Anbieter von Investitionsgütern haben im Vergleich zu Anbietern von Konsumgütern (auf weitgehend anonymen Massenmärkten) zwar weniger direkte Kunden, aber dafür viel größere Absatzvolumina pro Kunden. Die erzielten Umsätze mit Unternehmen übersteigen deshalb bei weitem die mit Endverbrauchern. Zwar treffen sowohl auf Märkten für Investitionsgüter als auch auf jenen für Konsumgüter Nachfrager Kaufentscheidungen, um Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Unterschieden zwischen den Märkten insbesondere in den Marktstrukturen und der Art der Nachfrage (vgl. Kotler et al. 2007, S. 361 sowie 01.2). Abgrenzung zu Die Nachfrageseite auf dem Markt für Investitionsgüter umfasst alle Organisationen, die Güter und Dienstleistungen nachfragen, um sie in der eigenen Produktion zu verwenden, sie weiterzuverkaufen oder zu vermieten, zu verleasen oder auf andere Weise gewerblich zu verwenden. Bei Kaufentscheidungsprozessen wird von diesen institutionellen Käufern ein Bedarf festgestellt, anschließend Produkte alternativer Marken und Lieferanten identifiziert, geprüft und ausgewählt (vgl. ausführlich 02.2). Unternehmen, die den Absatz an andere Wirtschaftsunternehmen Kaufentscheidungs- © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau Konsumgütermärkten prozesse bei Investitionsgütern 11 MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING anstreben, müssen um erfolgreich zu sein die Märkte für Investitionsgüter und das Kaufverhalten der Institutionen (Unternehmen, Organisationen) verstehen (vgl. Kotler et al. 2007, S. 356). 01.1 DEFINITION Investitionsgüter „Leistungen, die von Organisationen (Nicht-Konsumenten) beschafft werden, um mit ihrem Einsatz (Ge- oder Verbrauch) weitere Güter für die Fremdbedarfsdeckung zu erstellen oder um sie unverändert an andere Organisationen weiterzuveräußern, die diese Leistungserstellung vornehmen“ (Engelhardt/Günter 1981, S. 24) werden als Investitionsgüter (vgl. Meffert 1998, S. 1115) oder Industriegüter (vgl. Backhaus/Voeth 2007, S. 3) bezeichnet. Abgrenzung zu Der Hauptunterschied zwischen Investitions- und Konsumgütern besteht darin, dass Nachfrager keine Endverbraucher, sondern Organisationen wie z.B. Industrieunternehmen oder öffentliche Verwaltungen sind. Die Tatsache, dass im Investitionsgütermarketing Kunden eben nicht die privaten Kunden sind, stellt das zentrale Kriterium für die Abgrenzung des Investitionsgüter- vom Konsumgüterbegriff dar. Außerdem sind die Komplexität der Leistung und der Kaufentscheidung sowie der Transaktionswert bei Investitionsgütern in aller Regel deutlich höher als bei Konsumgütern (vgl. Meffert 1998, S. 1115). Konsumgütern Produktdimensionen der Investitionsgüter Nach der klassischen Definition von Engelhardt/Günther (1981) sind Investitionsgüter Produkte, die von Organisationen beschafft werden, um weitere Produkte zu erstellen. Dieses Begriffsverständnis führt in Verbindung mit dem generischen Verständnis des Produktbegriffs (nachdem das Produkt als Oberbegriff für Sachgüter und Dienstleistungen dient) dazu, dass sowohl produzierende Industrieunternehmen als auch Dienstleister im Rahmen des Investitionsgütermarketing als Kunden und Anbieter von Investitionsgütern auftreten können. Demnach umfasst Investitionsgütermarketing auch Vermarktungssituationen, die nicht intuitiv diesem Bereich zuzuordnen sind, bspw. die durch eine Gebäudereinigungsunternehmen erbrachte Dienstleistung (vgl. Homburg/Krohmer 2003, S. 881). Der Begriff „Investitionsgütermarketing“ wurde in der Phase der Ausdifferenzierung des allgemeinen Marketingansatzes Ende der 1970er Jahre entwickelt und kann, ähnlich dem Dienstleistungsmarketing, dem Zweig der produkt- und anwendungsbezogenen Ausdifferenzierung zugeordnet werden. Die Notwendigkeit der Betrachtung eines gesonderten Marketing für Investitionsgüter ergab sich seinerzeit aus der wachsenden Komplexität von Vermarktungsprozessen im Investitionsgütersektor, welche bis dato von Ingenieuren determiniert wurden (vgl. Hansen/Bode 1999, S. 259f.). 12 3. Auflage 2015 MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING Statt des Begriffs Investitionsgütermarketing wird häufig auch der international übliche Begriff Business-to-Business-Marketing („B2B-Marketing“) synonym verwendet. Bei B2B-Marketing handelt es sich um Marketing zwischen zwei Organisationen (vgl. Godefroid 1995, S. 19), also alle Bereiche des Marketing, die sich nicht direkt an private Endabnehmer wenden. Hierunter fallen Austauschprozesse zwischen Beschaffungs- und Absatzbereich von Organisationen jeglicher Art (vgl. Richter 2001, S. 12). Der Ausschluss des Endkonsumenten stellt zugleich das Hauptmerkmal für die Abgrenzung des B2B-Bereiches vom Konsumgüterbereich dar (vgl. Godefroid 2000, S. 23). B2B-Marketing bezeichnet demnach die Absatzund Beschaffungsprozesse anbietender und nachfragender Organisationen, d.h. von Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen untereinander oder zwischen gewerblichen Unternehmen und öffentlichen Institutionen (vgl. Richter 2001, S. 12), wie Verwaltungen (vgl. Meffert 1998, S. 1203). In den USA wird hierfür auch der Begriff „Business-Marketing“ verwendet (vgl. Richter 2001, S. 12). Business-to-BusinessMarketing Die Aktionsbereiche des B2B-Marketing untergliedern sich in Investitionsgütermarketing, Trade Marketing (vgl. Belz et al. 1999, S. 9) und Handelsmarketing, sofern dieses nicht auf den Endkonsumenten ausgerichtet ist. Einen Überblick über die Marketingbeziehungen innerhalb des B2B-Bereiches vermittelt Abb. 01.1. Beim Investitionsgütermarketing vermarkten Herstellerunternehmen ihrer Leistungen direkt oder unter Nutzung von Absatzmittlern an Geschäftskunden, die die Produkte selbst verwenden bzw. verbrauchen. Beim Trade Marketing (bzw. beim Handelsmarketing) vertreiben die Herstellerunternehmen ihre Produkte an den Einzelhandel (bzw. Großhandel), der die Güter dann seinerseits weiterverkauft. In den deutschsprachigen Marketingwissenschaften wird hierbei häufig auch vom vertikalen Marketing (vertikal entlang der Wertschöpfungskette) gesprochen. © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau 13 MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING Hersteller von Leistungen Absatzmittler Geschäftskunden Investitionsgütermarketing Großhandel Einzelhandel Trade Marketing Handelsmarketing Abb. 01.1: Übersicht Business-to-Business Marketing, (in Anlehnung an: Godefroid 2000, S. 26). Industriegütermarketing Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich primär mit dem Investitionsgütermarketing in einem engeren Sinne also ohne Trade und Handelsmarketing. Eine Gleichsetzung mit dem Begriff „Industriegütermarketing“, bzw. mit der angloamerikanischen Begrifflichkeit „Industrial-Marketing“, kann schließlich missverständlich sein, da bei wortgetreuer Übersetzung „industries“ „Branchen“ bedeutet. Industrial-Marketing kann demnach branchenspezifisches Marketing bedeuten, was auch die Konsumgüterbranche umfassen kann (vgl. Richter 2001, S. 12). Daher wird im Folgenden die Bezeichnung des Investitionsgütermarketing bevorzugt. Investitionsgütermarketing Da bisher keine explizite Definition des Begriffes Investitionsgütermarketing erfolgte, sollen im Folgenden zwei Definitionsansätze erwähnt werden. Richter (2001, S. 35) definiert Investitionsgütermarketing als „auf Nachfrageorganisationen gerichtet, problemlösungs- und wettbewerbsorientierte Absatzpolitik von Investitionsgüter unterschiedlichen Spezifitätsgrades anbietenden Organisationen mit dem Ziel der Befriedigung investiver und produktiver Bedürfnisse der Nachfrager sowie der Realisierung eigener Wettbewerbsvorteile. Es umfasst alle strategischen und operativen Entscheidungsprozesse und Aktivitäten der Akquisition, Entwicklung und Bereitstellung von Investitionsleistungen. Dem Charakter der Geschäftsbeziehung entsprechend ist Investitionsgütermarketing Einzelgeschäftsmarketing oder Geschäftsbeziehungsmarketing. Die Bestimmungsfaktoren des Investitionsgütermarketing sind somit Organisationalität, Spezifität und Relationa- 14 3. Auflage 2015 MERKMALE DES INVESTITIONSGÜTERMARKETING lität, die in engen Wechselbeziehungen zueinander stehen und durch entsprechende Variablen gekennzeichnet sind.“ Diese Begriffsbestimmung fokussiert v.a. auf die Nachfragerorganisation als Objekt des Investitionsgütermarketing, das im Rahmen eines einzelkundenorientierten Beziehungsmarketing gewonnen werden soll. In dieser absatzorientierten Sicht des Investitionsgütermarketing finden die Wettbewerbsorientierung und die Generierung von Wettbewerbsvorteilen besondere Betonung. Hervorgehoben werden ferner als Determinanten des Investitionsgütermarketing die Organisationalität als Ausdruck eines Kollektiventscheidungsprozesses bei Absatz und Beschaffung von Investitionsgütern durch Organisationen, durch die Spezifität von Investitionsgütern, die sich auf einem Kontinuum von standardisiert bis spezialisiert ansiedeln lässt und durch die Relationalität, welche die Häufigkeit sowie das Ausmaß der Geschäftsbeziehung der an diesen ökonomischen Transaktionen beteiligten Organisationen umschreibt. Diese drei Bestimmungsfaktoren stehen in enger Wechselbeziehung zueinander (vgl. Richter 2001, S. 29ff.). Ein weiterer Definitionsansatz stammt von Klaiber (1997, S. 14): „Investitionsgütermarketing bezeichnet soziale und ökonomische Prozesse, über die eine Organisation, repräsentiert durch Individuen oder Gruppen, den Absatz von Gütern bzw. Leistungen fördert, die von den Abnehmern zur Erstellung weiterer Güter oder Leistungen eingesetzt werden. Darüber hinaus wird über diese Prozesse auch der eigene Bedarf an Gütern und Leistungen sichergestellt. Eine Organisation ist zur Wahrnehmung dieser Aufgaben gefordert, sich auf die Bedürfnisse und Wünsche der Austauschpartner einzustellen, die im Rahmen von Tauschprozessen artikuliert und befriedigt werden. Durch Planung, Koordination und Kontrolle kann aber auch auf die Entstehung und Entwicklung von Bedürfnissen beim Tauschpartner eingewirkt werden.“ Bei Klaibers nach eigener Ansicht sehr weitem Definitionsansatz wird Zusammenarbeit zwischen Unternehmen unter das Investitionsgütermarketing subsumiert, welche nicht vorrangig im Aktionsbereich eines Absatzmarketing von investiven Gütern und Leistungen fällt, wie z.B. Entwicklungspartnerschaften, womit Klaibers Begriffsbestimmung nicht in dem Maße wettbewerbsorientiert erscheint wie die von Richter. Wie schon bei Richters Definition lässt sich auch hier eine Tendenz zur Kundenorientierung und eine Beziehungskomponente im Investitionsgütermarketing erkennen, erweitert um eine Einflussnahme auf den Partner. Beide Definitionen spiegeln insgesamt die besonderen Eigenschaften von Investitionsgütermärkten wider, wobei Investitionsgüter bzw. investive Güter und Leistungen vorrangig nicht für einen anonymen Markt erstellt werden, der persönliche Verkauf je nach Spezifität eine besondere Stellung einnimmt und daraus langfristige Geschäftsbeziehungen und Kooperationen der Partnerorganisationen resultieren. © 2007, 2015 Universität Koblenz-Landau 15