Prof. Dr.-Ing. habil. Otto R. Hofmann Fachhochschule Jena, Fachbereich GW / Physik Fachhochschule Jena / Univ. of Appl. Sciences / Dept. GW / Physics 2-F-Lorentzkraft-Technologie Nachfolgende Erläuterung betrifft die Wirksamkeit einer neuen verfahrenstechnischen Grundidee zur Beeinflussung von Fluiden und Reaktionsgemischen in der chemischen und stoffwandelnden Industrie. Unter Beeinflussung wird allgemein die Erzeugung von mischender Strömung und von stoffbeeinflussenden Druckschwankungen im Fluid verstanden. Weitere mögliche Anwendungen bieten sich im Werkstoffdesign, Medizintechnik, Biotechnologie und Nahrungsgüterwirtschaft. 1. Mischen mit Hilfe der Zwei-Frequentz-Lorentzkraft-Technologie Die Mischung / Homogenisierung einer Flüssigkeit bzw. eines Mehrphasensystems erfolgt technisch durch Diffusion, durch die Scherwirkung auf eine sich verformende Konzentrationsschliere (stretch and fold) bei freier Konvektion. und erzwungener Konvektion z.B. durch Rühren und Impulsübertragung aufsteigender Gasblasen (Bubbling). Die hier diskutierte Technologie hat zum Ziel, das Fluid werkzeugfrei mit Hilfe der direkt und unmittelbar im Fluidinnern entstehenden elektromagnetischen Kraftwirkung (Lorentzkraft) zu mischen. Dazu wurden Untersuchungen mit Modellfluiden im Labormaßstab durchgeführt, die vorerst auf Anwendung in der Glasschmelztechnik und in der chemischen Verfahrenstechnik zielen. 2. Die Grundidee der 2-F-Lorentzkraft-Technologie Die elektromagnetische Kraft ( Lorentzkraft FL) entsteht, wenn Strom I und Magnetfeld B im Material wirken. In Fluiden wie z.B. in chemischen Reaktionsgemischen oder in der Glasschmelze berechnet man die Kraft pro Volumenelement fL=j B (Lorentzkraftdichte) aus der Stromdichteverteilung j und dem Feld der magnetischen Flussdichte B. In Bild 1 wird das magnetische Feld durch externe Elektromagnete erzeugt. Verwendet man Stromdichte und Magnetfeld unterschiedlicher Frequenzen j(t)= j cos( j t+ j) und B(t)= B cos( B t+ j und B B), so lässt sich zeigen, dass zwei Lorentzkraftfrequenzen f (+) = entstehen, die leicht in weiten Bereichen zu variieren sind. j+ B und f (-) = j- B Diese beiden Kraft-Zeit-Verläufe überlagern sich zu einer FL(t)-Funktion, fL=½ j B [cos ( jt- Bt) -cos ( jt)+ Bt)] die in Betrag, Richtung und Periodizität der Kraftwirkung an verschiedenste Materialien und technologischen Aufgaben gut anzupassen ist. Bild 1 In einem Fluid wirkt die Lorentzkraftdichte auf das dargestellte würfelförmige Volumenelement dV senkrecht zur elektrischen Stromdichte j und zur magnetischen Flussdichte B. Es sind folgende Fälle möglich und technisch verwendbar: 1. Die Lorentzkraftfrequenzen können beide so langwellig sein, dass sie eine quirlende Hauptströmung und eine überlagerte pulsierende Sekundärströmung ergeben. Dieser Effekt sollte die Mischung und Homogenisierung von Flüssigkeiten fördern. 2. Die Lorentzkraftfrequenzen können kurz- und langwellig sein. Es entstehen sowohl sichtbare Strömung als auch nicht sichtbares Pulsieren des Fluids. Dieser Effekt sollte die Mischung des Fluids beschleunigen sowie physikalisch und chemisch auf das Material wirken. 3. Die Lorentzkraftfrequenzen können beide so kurzwellig sein, dass wegen der makroskopischen Trägheit der Fluidmasse lediglich nicht sichtbares Pulsieren im molekularen Maßstab entsteht und derart das Material beeinflusst. 3. Experimentelle Bestätigung von zwei mechanisch wirksamen Lorentzkfrequenzen Die Darstellung der mechanischen Wirkung der beiden Lorentzkraftfrequenzen erfolgte durch Trogmodellierung. Eine ruhende Modellflüssigkeit wurde durch FL(t) periodisch gequirlt und die Bewegung mit schwimmender Teilchen ausgemessen [1]. Die getesteten langwelligen Lorentzkraftfrequenzen f (-) (Periodendauer To zwischen 2 s und 20 s) waren sowohl mit sichtbarer wie auch IR-Videoaufzeichnung gut darzustellen. Die überlagerten kurzwelligen Lorentzkraftfrequenzen f (+) konnten durch sichtbare Videoaufzeichnung (Bild 2) bei niedrigen Frequenzen von j und B nachgewiesen werden. Aus den Messungen kann gefolgert werden, dass für die unterschiedlichsten vorgegebenen Wertepaare für j und B beide entstehenden Lorentzkraftfrequenzen f (+) und f (-) mechanisch wirksam sind. Bild 2 Tracer-Position als Funktion der Zeit. Bei den j- bzw. B-Frequenzen ν= 0,50 Hz bzw. 0,55 Hz ergeben sich zwei gut sichtbare Lorentzkraftfrequenzen. Es wird eine quirlende Hauptströmung mit To=1s/1,05 und eine überlagerte pulsierende Sekundärströmung mit To=1s/0,05 generiert. Deren experimentelle Messung wird als Beweis für die mechanische Wirksamkeit beider Lorentzkraftfrequenzen genommen. 4. Durchströmungsapparatur zum experimentellen Nachweis der Mischwirkung Während der Versuchsaufbau gemäß 3. ein eng begrenztes Becken ohne Durchströmung darstellte, ist der Aufbau zur Messung der FL - Mischwirkung wesentlich größer und für kontinuierliche Massendurchsatzströmung ausgelegt. Die Lorentzkraft wird wieder im Gebiet zwischen zwei Edelstahlelektroden oberhalb eines Elektromagneten erzeugt. Vor und hinter dem Gebiet dieses „Lorentz-Mischers“ werden ausgedehnte Einströmungs- und Ausströmungsgebiete angeordnet (Bild 3). Sie haben die Aufgabe, die Strömung mit Hilfe von Strömungssieben und Schüttungen ( zwischen jeweils zwei Gittern) das Fluidströmungsprofil möglichst gleichmäßig zu gestalten. Zwei Heizstäbe prägen dieser Pfropfenströmung ein W-förmiges Temperaturprofil T(B) über die Kanalbreite B auf. Das T-Profil der gesamten Flüssigkeitsoberfläche und insbesondere das Auslauftemperaturprofil wird über eine Messzeit von ca. 1 ½ - 2 min per IR-Video von einer IR-Kamera aufgezeichnet. Bild 3 Langer Modelltrog mit Zylinderelektroden und Elektromagnet. Durch Siebe und Haufwerk ist wird sowohl im Einlass wie auch im Auslass ein pfropfenförmiges Strömungsprofil aufgeprägt. Die Lorentzkraft fL oberhalb des Elektromagneten bewirkt hier z.B. die Ablenkung der Strömung (Links-Drehung um die erste Elektrode und Rechts-Drehung um die zweite) 5. Experimente und Ergebnisse Die Experimente wurden mit Hilfe der hier so genannten Methode „Thermo-Tracing“ durchgeführt und ausgewertet. Zwei durch Heizstäbe aufgeprägte Temperatur-„Spuren“ verflachen im laminaren Pfropfenstrom der viskosen Modellflüssigkeit nur durch Wärmeleitung (Diffusion). Im Bereich der (nicht aktiven) Elektroden ist die Mischwirkung als Folge der Umströmung größer. Im Auslauf kann nun die Temperaturverteilung über die Kanalbreite gemessen werden (Bild 4). Als Maß für die Temperaturhomogenität wird die Standardabweichung der Temperaturmesspunkte (hier 271 Pixel) von der mittleren Temperatur des Auslaufquerschnitts genommen. Ein rein mechanischer Rührer würde problemlos auszuwerten sein und diesen Wert verändern. Die Tatsache, dass die Lorentzkraft-Rührwirkung bei aktiven Elektroden entsteht, kompliziert die Anwendung bzw. Auswertung der Thermo-Tracing-Methode, da zwischen den Elektroden eine Stromdichte j fließt und eine ungewollte zweite Temperaturspur erzeugt. Für die zu vergleichenden Grundvarianten der Messung (1) Referenzströmung ohne Lorentz-Mischer (2) gleichsinniges Lorentz-Rühren (3) Lorentz-Quirlen mit To=1s/0,04 (4) Lorentz-Quirlen mit To=1s/0,08 mussten also jeweils die Fälle (a) Messung nur mit Lorentz-Wärme (b) Messung mit Heizstab- und Lorentz-Wärme gemessen und ausgewertet werden. Die Ergebnisse werden in der angefügten Tabelle gezeigt. Bild 4 Langer Modelltrog und Auslauf-Temperaturprofil. Die Ablenkung der Strömung als Folge zeitlich wechselnder Lorentzkraft (2-F-Technologie) erzeugt ein instationäres Strömungs- bzw. Temperaturprofil im Auslauf, welches eine wesentlich verbesserte Temperatur- bzw. Konzentrationshomogenität aufweisen kann. Messung Charakteristikum Referenzströmung kein Rühren 0,2030 K Lorentz-Drehung Δν=0 Hz (To=∞) 0,2036 K ν=0,04 Hz (To=25 s) 0,2307 K Δν=0,08 Hz (To=12,5 s) 0,1041 K Lorentz-Quirlen Lorentz-Quirlen Standardabweichung Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse Mit der Methode der 2-Frequenz-Lorentzkraft-Technik kann zum Mischen eines Fluids leicht vom monotonen Rühren auf das effektive Quirlen übergegangen werde. Zur Beurteilung der durch Lorentzkraft-Rühren bzw. -Quirlen erzeugten Mischwirkung in einem Modellfluid wurde statt der Konzentration die Vergleichmäßigung der Temperaturverteilung gemessen. Verwendet man die Standardabweichung des Temperatur-Auslaufprofils als Maß für die erreichte Homogenität, kann man die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen. Die laminare Strömung der Modellflüssigkeit wird durch einen monoton gleichsinnig drehenden Lorentz-Rührer nicht homogener. Beim Lorentz-Quirlen mit der 2-F-Technologie hängt die Mischwirkung deutlich von der gewählten Frequenzdifferenz ab. Bei z.B. ν=0,08 Hz verschlechtert sich die Homogenität, bei z.B. ν=0,04 Hz verbessert sie sich um den Faktor 2. Insbesondere letzteres Resultat zeigt das Potenzial der berührungslosen, werkzeugfreien Methode des Lorentzkraft-Mischens mit Hilfe der Zwei-Frequenz-Technik. 6. Zusammenfassung Die 2-Frequenz-Lorentzkraft-Technologie ist eine neue verfahrenstechnischen Grundidee zur Beeinflussung von Fluiden und Reaktionsgemischen. Es werden Untersuchungen zum werkzeugfreien elektromagnetischen Mischen einer Modellflüssigkeit vorgestellt. Die Grundidee besteht darin, die Frequenz des Magnetfeldes unterschiedlich zur Frequenz des elektrischen Stroms im Fluid einzustellen. Im Ergebnis werden Quirl-Frequenzen beispielhaft ermittelt, bei denen die erreichte Homogenität deutlich besser ist als bei gleichsinnigem Rühren und anderen Verfahren. Conclusion The 2-frequency-Lorentz-force technology is a new idea to affect fluids in material processing. Results are given for the tool free electromagnetic mixing of a model liquid. The basic idea consists in using a magnetic field different in frequency from the current density . As a result twirling frequencies e.g. are found which do increase the fluid homogeneity essentially compared with drilling and other stirring.